Protocol of the Session on August 25, 2021

Login to download PDF

Zeiten doch sehr ungewöhnlich vor, obwohl es doch die SPD war, die den Steuersatz der Grunderwerbsteuer beim letzten Mal auf sechseinhalb Prozent erhöht hat.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, da ging es uns ja besser!)

Aber auch eine späte Erkenntnis kann eine gute Erkenntnis sein, wenn es darum geht, Menschen steuerlich zu entlasten und dabei auch die private Vermögensbildung zu unterstützen. Deswegen freue ich mich erst einmal, dass auch Sie sagen, dass der Ersterwerb von selbst genutzten Wohnimmobilien sei es der Kauf einer Wohnung, eines Einfamilienhauses oder auch eines Baugrundstücks - unterstützt werden soll.

Nur, wenn ich mir Ihren Antrag so ansehe, frage ich mich, wie Sie es konkret machen möchten, wie Sie konkret eine Erleichterung erreichen wollen. Ihr Antrag enthält - das haben Sie eben selbst zugegeben - nicht eine einzige Zahl oder Prozentangabe, um überhaupt einmal einen Eindruck zu bekommen, wie eine Entlastung aussehen soll.

Wenn Sie auf der einen Seite eine Entlastung fordern, müssen Sie auf der anderen Seite auch sagen, was es für unseren Haushalt bedeutet. Sie haben keine Aussage getroffen, was Ihre Forderung eigentlich kostet. Bei diesen inhaltlich dünnen Rahmenbedingungen - ein Gesetzentwurf ist es definitiv nicht gewesen - fordern Sie die Einführung eines gesplitteten Grunderwerbsteuersatzes und wollen diesen Weg gleich festzurren.

Sie behaupten tollkühn, dass es ohne Weiteres gemäß Artikel 105 Absatz 2 a Satz 1 Grundgesetz funktioniert. Aber sind Sie sich da wirklich sicher? Das Grundgesetz spricht davon, dass die Länder die „Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes“ bei der Grunderwerbsteuer haben. Ob die Länder die Kompetenz zur Einführung eines gesplitteten Steuersatzes, also mehrerer Steuersätze, haben, ist sich auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der im Februar dieses Jahres dazu eine Stellungnahme abgegeben hat, nicht zu 100 % sicher. Aber selbst wenn es möglich wäre, frage ich mich, warum Sie diesen komplizierten Weg der Einführung eines gesplitteten Steuersatzes gehen wollen. Eine Förderung bedeutet überhaupt keine Bürokratie, das kann man schlank organisieren, zumal bei Ihrem Vorschlag auch ein Ausgleich für die Kommunen geschaffen werden müsste, weil auch die Kommunen etwas von unserer Grunderwerbsteuer abkriegen.

(Serpil Midyatli)

Als CDU-Fraktion haben wir die Einführung einer Landeseigenheimzulage vorgeschlagen. Es ist zunächst einmal ein politischer Vorschlag, der nicht ausgehandelt ist, weil wir mehrere Entlastungskonzepte diskutieren. Ich lade aber alle ein, sich unser Konzept genau anzusehen: Beim Ersterwerb einer selbst genutzten Wohnimmobilie bekommt jeder Ersterwerber 5.000 € und für jedes Kind weitere 5.000 €. Wenn ein Paar mit zwei Kindern erstmals ein Haus erwirbt, kann es also bis zu 20.000 €, maximal jedoch die tatsächlich gezahlte Grunderwerbsteuer, erstattet bekommen. Wir geben dieser Förderung auch ein realistisches Preisschild: Bei ungefähr 3.700 Ersterwerbern pro Jahr, aufgeteilt auf Singles, Alleinerziehende, Paare, Paare mit Kindern und Paare ohne Kinder, würde dies circa 50 Millionen € pro Jahr kosten. Im Vergleich, wenn wir den Grunderwerbsteuersatz von 6,5 % um einen halben Prozentpunkt auf 6,0 % senken würden, würde es den Landeshaushalt 50 Millionen bis 60 Millionen € kosten.

Bei unserem Vorschlag zur Landeseigenheimzulage haben wir daher die größte Wirkung zwischen eingesetzten Mitteln und Zielerreichung, nämlich die Unterstützung des Ersterwerbs von Immobilien für die eigenen Wohnzwecke, insbesondere für Familien mit Kindern. So weit sind wir da eigentlich nicht auseinander.

Unsere Finanzministerin sagt aber zu Recht, dass die eingesetzten Mittel seriös gegenfinanziert sein müssen, denn unabhängig vom Konzept können und dürfen wir nur Mittel einsetzen, die wir auch tatsächlich haben. Aus der Perspektive SchleswigHolsteins war wichtig - das war auch in unserem Koalitionsvertrag enthalten, unsere Landesregierung hat sich auf Bundesebene eingesetzt und 95 % der Vorschläge aus Schleswig-Holstein sind auch umgesetzt worden -, dass Steuerschlupflöcher bei den Sharedeals gestopft werden. Hier ist der schleswig-holsteinische Sachverstand ordentlich mit eingeflossen. Es gilt erst seit dem 1. Juli dieses Jahres. Im Juni dieses Jahres hat die Landesregierung gleich eine Bundesratsinitiative eingebracht, um möglicherweise Freibeträge einzusetzen. Nur: Das muss der Bund regeln. Schätzungsweise könnten aber durch diese Maßnahmen 30 Millionen € bis 40 Millionen € Mehreinnahmen kommen. Das müssen wir uns aber erst einmal im Rahmen der Steuerschätzung im November ansehen.

Auch wenn ich Ihren Antrag für relativ dünn halte, weil er eben keine Zahlen beinhaltet, schlage ich vor, die Anträge in den Finanzausschuss zu überweisen und dort intensiv über das Thema zu disku

tieren. Ich freue mich, dass wir uns einig sind, dass wir hier eine Entlastung brauchen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Die eigenen vier Wände sind für viele ein wichtiger Rückzugsort und auch ein Zeichen ihrer finanziellen Absicherung. Für andere ist Eigentum nur ein sehr ferner Traum. Um mehr Menschen diesen Traum von einer Eigentumswohnung oder gar einem Haus zu ermöglichen, ringen wir in der Koalition schon seit vielen Jahren - die Kollegin Midyatli hat es angesprochen - sehr öffentlich um die beste Lösung. Nun ringt die SPD mit dem vorgelegten Antrag mit. Ich heiße Sie herzlich willkommen, mich freut das sehr.

Bei dem Antrag erstaunt es mich allerdings, wie nah sich hier einige Fraktionen sind, die es sonst nicht sind. Ich merke: Die SPD ist näher an der FDP, und wir sind näher an der CDU. Das ist doch auch einmal ganz spannend!

(Zurufe und Heiterkeit)

Deswegen habe ich mir gedacht: Ich gucke einmal in die Wahlprogramme. Das Wort „Grunderwerbsteuer“ kommt in dem Landtagswahlprogramm 2017 der SPD einmal vor mit dem Hinweis, dass man sie in der letzten Legislatur erhöht hat. Das gehört zur Erzählung dazu.

(Zurufe SPD)

Da habe ich mir gedacht: Komm, schau dir was Moderneres an, schau einmal in das Bundestagswahlprogramm der SPD. Da heißt es - ich zitiere :

„Wir werden die Umgehung der Grunderwerbsteuer - (Sharedeals) - beenden.“

(Beate Raudies [SPD]: Ja! - Beifall Christo- pher Vogt [FDP])

Nun habe ich gerade in der Rede gehört, dass sie schon beendet wurde. Dass über diesem Bundestagswahlprogramm aber „Zukunftsprogramm“ steht, klingt für mich grammatikalisch irgendwie nach Futur III: wenn man etwas wirklich tun wird, was man angeblich schon getan hat.

(Ole-Christopher Plambeck)

(Beifall CDU, FDP, SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immerhin muss man eingestehen: Das Schließen dieses Steuerschlupfloches hat nicht ganz funktioniert. Man hat, während dieser Reformprozess in der GroKo immer weiter vertagt wurde, wieder die nächsten Modelle in spitzfindigen Agenturen, die so etwas anbieten, entwickeln können.

Zu Ihrem Vorschlag allerdings, ganz konkret, die Grunderwerbsteuer differenzierter auf einige Teile der Gesellschaft zu betrachten: Da gibt es einige Herausforderungen. Erstens. Es wird unglaublich teuer. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Man muss sich wirklich überlegen: Kann man sich das leisten? Und wenn ja: Sind die Mittel, die wir dafür in die Hand nehmen, dort am besten ausgegeben?

Zweitens, die rechtliche Fragestellung. Es wurde hier schon auf Artikel 105 Absatz 2 a Grundgesetz hingewiesen, der im Singular formuliert ist. Deswegen ist es die Frage, ob wir hier überhaupt differenzierte Steuersätze einführen können. Das ist rechtlich hoch fragwürdig. Das ist wohl auch der Grund, warum es noch kein Bundesland - auch kein SPDgeführtes - versucht hat. Das ist übrigens der Grund, warum wir diese Bundesratsinitiative haben, die genau dort ansetzt und in die Praxis geht.

Drittens. Es ist mit der ersten, selbst genutzten Wohnimmobilie gar nicht so einfach. Man kann das irgendwie lösen, aber es wird nirgendwo dokumentiert, ob ich einen Ersterwerb habe oder schon mal irgendwo ein Haus gekauft hätte.

Dass Immobilien für viele nicht bezahlbar sind, liegt allerdings nicht primär an der Steuer. Ich mache das einmal an einem Beispiel fest. Seit 2004 haben sich die durchschnittlichen Immobilienpreise in Deutschland um 65 % erhöht. Das heißt, ein Haus für damals 100.000 € kostet heute 165.000 €. 2004 zahlte man 3,5 % Grunderwerbsteuer, also 3.500 €.

(Ausfall der Mikrofonanlage - Zurufe)

- Jetzt habe ich den Faden verloren! Bei einem Kaufpreis von 165.000 € heute und einem Steuersatz von 6,5 % sind 10.725 € zu zahlen. Die Preisentwicklung schlägt mit einem Plus von 65.000 € rein, die Veränderung bei der Grunderwerbsteuer mit einem Plus von 7.225 €. Das ist ein großer Unterschied. Mich überzeugen deswegen Experimente bei der Grunderwerbsteuer nicht. Wenn wir die finanziellen Spielräume hätten, halte ich es für deutlich sinnvoller und zielgerichteter, eine Eigenheimförderung aufzulegen, die die kleinen und mittleren

Einkommen im Blick hat, die Familien mit Kindern besonders berücksichtigt und so zielgerecht fördern kann, anstatt die Grunderwerbsteuer pauschal zu senken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn das hilft tatsächlich bei den Nebenkosten, und diese sind ja beim Erwerb von Immobilien die große Hürde, denn man kann die Nebenkosten nicht über den Kredit finanzieren. Die Nebenkosten sind nicht nur wegen der Grunderwerbsteuer, sondern auch wegen der Maklergebühren und Ähnlichem relativ hoch. Das ist am Ende der Hinderungsgrund, weswegen wir hier ansetzen sollten, um zielgerichtet, aber auch wirksam zu fördern, wenn wir es uns leisten können und wollen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Annabell Krämer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Eingangs möchte ich sagen: Seitdem Herr Dr. Stegner kein Fraktionsvorsitzender mehr ist, redet die SPD über Steuersenkungen. Das nehme ich sehr wohlwollend zur Kenntnis.

(Beifall FDP)

Für uns Freie Demokraten ist es ein Herzensthema, mehr Bürgerinnen und Bürgern den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Es ist nicht weiter hinnehmbar, dass Deutschland in Europa die zweitniedrigste Eigentumsquote hat. Wir fordern deshalb vehement, den Ersterwerb einer selbst genutzten Immobilie steuerlich zu entlasten, und wir freuen uns, dass uns mittlerweile immer mehr Parteien folgen.

Wir haben uns deshalb im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir das Steuerschlupfloch der sogenannten Sharedeals schließen wollen. Wir haben uns auch grundlegend darauf geeinigt, den Ersterwerb einer selbst genutzten Immobilie - Obacht unabhängig von den aktuellen Lebensumständen zu unterstützen. Hierbei darf nicht nach dem Familienstand differenziert werden. Einige möchten ihr Eigenheim vor der Familiengründung erwerben, anderen ist es erst nach Auszug der Kinder überhaupt finanziell möglich. Viele müssen einen Erwerb sogar getrennt lebend schultern, andere wollen oder können keine Kinder bekommen. Viele Paare sind ver

(Lasse Petersdotter)

heiratet, andere wollen jedoch ohne Trauschein zusammenleben. Für die Koalition muss daher die einzige Voraussetzung der Erwerb einer selbst genutzten Immobilie durch eine natürliche Person sein.

Derzeit zahlt ein Immobilienkäufer eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 6,5 % des Kaufpreises. Dass Großinvestoren die Grunderwerbsteuer umgehen können, indem sie eine Immobilie nicht direkt, sondern über eine Gesellschaft kaufen und dann mindestens fünf Jahre lang lediglich 95 % an dieser erwerben, wollen wir nicht länger hinnehmen. Steuergerechtigkeit bedeutet für uns Freie Demokraten nämlich insbesondere, Steuerschlupflöcher konsequent zu schließen.

(Vereinzelter Beifall FDP)

Das Ergebnis jahrelanger Diskussion von Union und SPD über die Senkung der Beteiligungsschwelle, ab der Grunderwerbsteuer gezahlt werden soll, ist ebenso bedauerlich wie lächerlich, muss ich leider sagen. Die Senkung um lediglich 5 % hat dieses Steuerschlupfloch so minimal verkleinert, dass die meisten immer noch bequem hindurchpassen. Ich spreche hier auch für die FDP-Bundestagsfraktion, wenn ich sage: Wir hätten uns zur Auflösung dieser Ungerechtigkeit definitiv mehr gewünscht. Kollege Harms, einen entsprechenden Antrag der FDP hat die Große Koalition leider abgelehnt. Unsere einfache Idee war nämlich, die Grunderwerbsteuer prozentual ab einem Anteilserwerb von über 50 % zu erheben. Das heißt: Erwerbe ich einen Anteil von 70 %, so zahle ich 70 % der Grunderwerbsteuer. Dies war wahrscheinlich zu einfach, zu einleuchtend und zu logisch.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Zu kompliziert für manche!)

Die Bundesregierung hat unnötig viel Zeit für eine bloß halbherzige Lösung verstreichen lassen. Nichtsdestotrotz werden immer noch zusätzliche Millionenbeträge in den Landeshaushalt gespült werden. Es wurde heute schon mehrfach gesagt: Die Immobilienpreise kennen seit Jahren nur eine Richtung, sie steigen. Auch dieser Tatbestand lässt die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer verlässlich steigen.

Auch aus diesem Grund sollten wir uns jetzt gemeinsam zügig für eine Entlastung der Bürger einsetzen. Als Freie Demokraten setzen wir weiterhin auf das Instrument des Freibetrags. Wir sehen aber auch, dass die Bundesregierung bislang nicht bereit war, den Ländern die Möglichkeit für einen solchen Schritt einzuräumen. Mit unserer Bundesratsinitiati

ve wollen wir die Bundesregierung jetzt ein bisschen mehr in die richtige Richtung bewegen.