Protocol of the Session on September 24, 2021

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rungsvertrag die in Deutschland erwirtschafteten Gewinne wanderten. Ich hatte auch mit ausländischen Schwestergesellschaften zu tun, an die über hohe Lizenzgebühren der größte Teil des in Deutschland erwirtschafteten Umsatzes abfloss. Egal, welche regulierenden Hürden der Staat einzog - etwa über das Außensteuergesetz -, immer entstanden neue Konstrukte, die einzig und allein dazu dienten, die deutsche Steuerlast zu minimieren.

Dem konnte und durfte der Staat, dem durfte aber auch die internationale Gemeinschaft nicht weiter tatenlos zusehen. Da aber sowohl Nutznießer als auch Geschädigte in den internationalen Gremien vertreten sind, war und ist die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung ein Bohren dicker Bretter. Da ist Geduld und nachhaltiges Engagement gefordert. Das Projekt kommt aber voran, zunächst mit den internationalen Abkommen zum Informationsaustausch. Es mündet jetzt - da geht jetzt mit mir meine Finanzbeamtinnenseele durch und ich bitte um Nachsicht - in das wirklich grandiose Konzept, das die OECD im Auftrag der G 20 erarbeitet hat: das Zweisäulenkonzept zur Reform der Unternehmensbesteuerung. Wenn das wirklich umgesetzt wird, ist es ein riesiger Schritt für die internationale Besteuerung und auch für unser Land und alle anderen Staaten in der Welt.

(Beifall SPD und Annabell Krämer [FDP])

Daran sind 139 Staaten beteiligt, die Initiative ist also ungewöhnlich breit getragen. Der Durchbruch gelang völlig überraschend im Juli dieses Jahres mit der Einigung in der OECD und dem Beschluss der G-20-Finanzminister über das Konzept.

Ich will kurz für alle erklären, die dem Steuerrecht nicht so wie ich zugewandt sind,

(Martin Habersaat [SPD]: Das gibt’s?)

was das bedeutet. In der ersten Säule der Besteuerung wird das Recht der Besteuerung vom Ort der Produktion oder des Firmensitzes zum Ort der Vermarktung des Produktes oder der Dienstleistung verlagert werden, auch über Staatsgrenzen hinweg. Die zweite Säule sieht die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung vor. Das bedeutet nicht, dass jeder Staat eine bestimmte Steuer erheben muss. Es ermöglicht aber anderen Staaten, die Differenz nachzuversteuern, wenn der Gewinn ins Ausland verlagert wird und dort nicht der Mindeststeuersatz erhoben wird. Damit wird endlich dem ruinösen weltweiten Steuerwettbewerb ein Riegel vorgeschoben und auch der Verlagerung von immateriellen Werten - Patenten, Software oder Lizenzen - in Niedrigsteuerländer Rechnung getragen.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird Ihnen nicht gefallen, wenn ich es sage, aber das Konzept der globalen Mindestbesteuerung ist nicht vom Himmel gefallen. Ohne den beharrlichen Einsatz von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der es gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire gegen alle Widerstände voran und zur Entscheidung gebracht hat, wären wir längst nicht so weit. Das muss auch einmal gesagt werden.

(Beifall SPD)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage der Frau Abgeordneten Annabell Krämer?

Das soll sie gerne tun.

Das ist sehr nett, liebe Frau Kollegin. - Es ist ja ein gemeinsamer Antrag von uns. Ich freue mich auch, dass wir es geschafft haben, ein internationales Abkommen zustande zu bringen, dass von der G 20 und den OECD-Staaten getragen wird. Ein bisschen fett aufgetragen ist es aber schon. Ich finde, man musste unseren Finanzminister auch ein bisschen zum Jagen tragen. Ich erinnere mich noch genau: Vor knapp zwei Jahren war die SPD noch beseelt von einem nationalen Alleingang einer Digitalsteuer.

(Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Ich weiß, dass die Kollegen der CDU und der FDP dort massiv gegen angegangen sind, wir ein gemeinsames internationales Abkommen wollten und vor nationalen Alleingängen gewarnt haben. Wenn wir uns also nicht so extrem widersetzt hätten, wären wir doch nicht da, wo wir heute sind. Sie hätten als SPD doch eine digitale nationale alleinige Steuer durchgesetzt. Sehen Sie das nicht auch so?

(Beifall Stephan Holowaty [FDP])

- Frau Kollegin, ich danke für die Frage. Das macht an der Stelle jetzt so ein bisschen die Henne-EiProblematik deutlich. Ohne internationale Abkommen gab es den Versuch, eine nationale Regelung zu finden. Die finde ich genauso unglücklich wie Sie. Aber immerhin wurde deutlich, dass sich jemand darum kümmern muss.

Ich will daran erinnern, dass sich der vorvorletzte Bundesfinanzminister Gedanken darüber gemacht hat, wie er Menschen, die ihr Geld in anderen Ländern anlegen und das der deutschen Besteuerung entziehen, mit einer Amnestie dazu bringen könnte, das Geld wieder nach Deutschland zu holen. Da gibt es heute einen meilenweiten Unterschied.

Jetzt kommt gleich der Satz, auf den Sie abstellen. Es ist völlig okay, dass Sie nicht in den Jubel einstimmen wollen. Wenn wir uns einig sind, dass die Sache wichtig und der Weg richtig ist, ist das mehr wert als alles andere. Verzeihen Sie mir, dass ich Olaf Scholz heute in den Mittelpunkt meiner Rede gestellt habe. Das hätten Sie genauso gemacht.

(Beifall SPD - Annabell Krämer [FDP]: Nee, ich stelle Olaf Scholz nicht in den Mittel- punkt!)

Den nächsten Absatz spare ich mir, weil die Kollegin das vorweggenommen hat. Ich freue mich, dass wir den gemeinsamen Antrag zustande gebracht haben und die Landesregierung bitten, das gemeinsame Abkommen zu unterstützen, dafür zu sorgen, dass es in nationales, europäisches und internationales Recht umgesetzt wird, und das positiv zu begleiten. Wenn ich Monika Heinold in den letzten Jahren nicht ganz falsch verstanden habe, geht das genau in ihre Richtung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht verschweigen, dass dieses Modell für Deutschland vielleicht nicht nur Vorteile bringt. Natürlich werden in Zukunft auch Gewinne deutscher Firmen, die sie im Ausland erzielen, nicht mehr vollumfänglich in Deutschland versteuert werden. Mein Beispiel vorhin hat ja gezeigt, dass das mit dem Hin- und Herschieben immer so eine Sache ist. In einer globalisierten und digitalen Welt ist das Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.

Uns als SPD-Fraktion ist es wichtig, dass wir jetzt alles dafür tun, auf allen Ebenen, die Beschlüsse umzusetzen. Denn für uns ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass nicht nur der Händler an der Ecke die Mehrwertsteuer an das Finanzamt abführt, sondern auch der einige 10.000 km weit entfernt agierende Wettbewerber mit der gleichen Kundennähe.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Beate Raudies)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ole Plambeck das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es gut, dass wir hier gemeinsam agieren, weil das internationale Steuerrecht hochkomplex ist. Mit unserem Landtagsantrag vom 5. September 2019 zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle wollten wir das Thema Steuergerechtigkeit auf OECD-Ebene unterstützen. Das nützt vor allem unserem Mittelstand, der hier ansässig ist, sich aber international behaupten muss.

Damals haben wir gefordert, dass insbesondere bei einer immer digitaler werdenden Welt die Wertschöpfung dort besteuert wird, wo sie erwirtschaftet wird. Das ist im Marktstaat. Das Beispiel meiner Kollegin Beate Raudies hat gezeigt, dass das auch in der analogen Welt gilt.

Es kann nicht sein - das ist die Entwicklung der Wirtschaft -, dass ein Unternehmen, welches auf einen USB-Stick passt, bei gleichem Gewinn weniger Steuern zahlt als ein Unternehmen, welches vor Ort Produktionsanlagen und Arbeitsplätze unterhält.

Mit dem Zweisäulenmodell wurde dieses Problem auf OECD-Ebene mit der ersten Säule angegangen. Mit einem neuen Anknüpfungspunkt - wir haben ihn in unserem Antrag digitale Betriebsstätte genannt; es gibt viele andere Namen - soll Wertschöpfung im Marktstaat besteuert werden. Die OECDVereinbarung sieht vor, dass multinationale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden € einen Teil ihrer Übergewinne im Marktstaat versteuern müssen. Zwischen 20 % und 30 % des Gewinns, der eine zehnprozentige Gewinnmarge übersteigt, soll unter den Marktstaaten aufgeteilt werden, in denen die Unternehmen tätig sind und ihre Gewinne erwirtschaften.

Von dieser Regelung sollen aber die Finanz- und Rohstoffindustrie ausgenommen werden. Insbesondere Unternehmen, die ihr Geld mit Finanzgeschäften verdienen und international aufgestellt sind, finden so gut wie nicht statt. Hier muss ich den Jubel von Frau Raudies unterbrechen und den Bundesfinanzminister eher kritisieren, dass er sich in dem Bereich die Butter vom Brot hat nehmen lassen.

(Beifall FDP und Lasse Petersdotter [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Die zweite Säule sieht eine Mindestbesteuerung vor. Das halten wir grundsätzlich für gut, weil das

dem Steuerwettbewerb entgegentritt, indem eine Untergrenze gesetzt wird. Nur ist die auch hier freiwillig. Staaten erhalten das Recht, Gewinne von Tochterunternehmen multinationaler Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen € nachzubesteuern, wenn die Gewinne im Ansässigkeitsstaat nicht effektiv mit mindestens 15 % besteuert wurden. Übt ein Staat sein Nachversteuerungsrecht nicht aus, können andere Staaten diese Besteuerung in der Beteiligungskette zwischen Konzern und Tochterunternehmen mit mindestens 15 % nachholen, was ich für richtig halte.

Die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der effektiven Steuerbelastung ist allerdings noch nicht geregelt. Auch hier muss ich Olaf Scholz kritisieren, dass er viel angekündigt, aber wenig durchgesetzt hat. Gerade die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, das Herzstück einer jeden Steuerberechnung, ist hier noch nicht abschließend geklärt. Ohne klare Definition der Bemessungsgrundlage ist keine Steuer zu machen.

(Beifall FDP)

Besonders schade ist, dass von der Mindestbesteuerung manche Geschäftsbereiche - zum Beispiel die Schifffahrt - ausgenommen sind. Davon profitieren Staaten wie Panama, die eh als Steueroase bekannt sind.

Eine weitere Ausnahme von der Mindestbesteuerung betrifft alle multinationale Unternehmen, deren Gewinne 5 % der Summe des Anlagevermögens und der Löhne nicht übersteigen. Das soll sicherlich auch kleine Unternehmen in dem Bereich schützen, aber eine Mindestbesteuerung mit zu vielen Ausnahmen kann am Ende ihr Ziel verfehlen.

Grundsätzlich - das eint uns bei diesem Antrag - ist das Zweisäulenmodell wichtig. Ich bezweifele aber, dass sich Olaf Scholz wirklich durchgesetzt hat. Damit die Regeln ab 2023 tatsächlich greifen, haben wir noch nicht alles geregelt; da muss noch eine Menge getan werden. Deswegen heißt unser Antrag zu Recht: Die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung muss weiter vorangebracht werden. Das eint uns.

(Beifall Annabell Krämer [FDP])

Es geht um die richtige Umsetzung, und dies soll die Landesregierung mit den Gesprächen auf Bundesebene positiv begleiten. Deswegen bitten wir auch um eine regelmäßige Berichterstattung im Finanzausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Nachdem man sich seit den 1920er-Jahren immer wieder darum bemüht hat, das internationale Besteuerungswesen gerechter und stärker aufeinander abgestimmt zu gestalten, ist lange Zeit wenig passiert. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde es eher schlechter als besser. In diesem Zusammenhang ist es ein wichtiger und bemerkenswerter Durchbruch, dass man es jetzt geschafft hat, eine internationale Mindestbesteuerung durchzusetzen. Bei all den Schwierigkeiten, auf die ich gleich eingehen möchte, ist das ein Paradigmenwechsel und ein großer Schritt zu mehr internationaler Gerechtigkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Dieser Prozess nach 100 Jahren - das muss man sich einmal vorstellen! - zeigt, was möglich ist, gerade mit Blick auf die letzten Jahre, wenn man eine multilateral aufgestellte USA als Verhandlungspartner hat. Es gehört zur Geschichte dazu, dass insbesondere die US-Finanzministerin Janet Yellen den Vorstoß gewagt und auf die internationale Bühne getragen hat und sich gleichzeitig - das ist das Ärgerliche - nicht ganz durchsetzen konnte. Die USA haben von Anfang an eine Mindestbesteuerung von 21 % gefordert, konnten sich aber gegen andere Länder nicht durchsetzen. Das ist ein Teil bei diesem großen Paradigmenwechsel. Es gehört dazu, dass es die Idee gab, 21 % zu erheben. Olaf Scholz verteidigt die 15 % als praktikabler und eher umsetzbar mit anderen Staaten. Das ist das eine.

Das andere ist, dass dieser Prozess - ich habe es beschrieben - sehr lange gedauert hat. Über die gesamte Zeit gerechnet, aber auch in der Zeit der noch amtierenden Bundesregierung wurde in der Frage der Digitalsteuer, wenn wir uns angucken, was Frankreich und andere Länder dort an Initiativen versucht haben, sehr langsam oder gar nicht vorangegangen.

Das große Problem bei dieser Steuerreform der OECD sind - wie bei jeder Steuerreform - die zahlreichen Ausnahmen. Wir haben Ausnahmen bei Digitalkonzernen und der Finanzbranche. Das sind ge

rade die Bereiche, die wir international konsequent und lückenlos besteuern müssen.