Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass uns der Kollege Dr. Stegner auch zukünftig in seiner Doppelfunktion als Partei- und Fraktionsvorsitzender in diesem Haus erhalten bleibt. Wir hatten uns auf dem Landesparteitag am Wochenende schon Sorgen gemacht. Aber so bleibt ja alles beim Alten, und wir können diese Debatte in gewohnter Manier führen.

(Vereinzelter Beifall - Serpil Midyatli [SPD]: Armselig! - Zuruf SPD: Abseits vom The- ma!)

Wir erleben einen SPD-Oppositionsführer, der zum wiederholten Mal versucht, FDP und Grüne gegeneinander auszuspielen. Das wird heute genauso we

nig von Erfolg gekrönt sein wie bei der letzten Aktuellen Stunde zum Mindestlohn. Wir erleben die altbekannte besondere Männerfreundschaft zwischen Ralf Stegner und Wolfgang Kubicki, bei der oftmals mehr die persönliche Auseinandersetzung im Vordergrund zu stehen scheint.

(Beate Raudies [SPD]: Nur kein Neid!)

- Wir kommen noch zu Ihnen, Frau Raudies. - Wir erleben eine Sozialdemokratie, die zwar permanent Ungerechtigkeiten anprangert und nach den Schuldigen sucht, aber in ihrer eigenen Regierungsverantwortung mehr als genug Zeit gehabt hätte, daran etwas zu ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Mit den Paradise Papers bekommen wir zum wiederholten Mal einen tiefen Einblick in das internationale Geschäft der Steuerflucht. Der Dank dafür gebührt den investigativ arbeitenden Journalisten. Sie haben mit ihrer Recherche die Strukturen, die Akteure und die Nutznießer dieser steuerlichen Parallelwelt ans Licht der Öffentlichkeit gebracht.

Anders als bei Lux-Leaks und Panama Papers haben wir es diesmal allerdings weniger mit Steuerhinterziehung als vielmehr mit Steuergestaltung, mit Steuervermeidung und legalen Methoden zu tun. Wir müssen leider feststellen, dass es Menschen gibt, die die Leistungen des Staates bei Schulen, Krankenhäusern und Polizei ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen, die aber dann, wenn es darum geht, sich an der Finanzierung dieser staatlichen Aufgaben angemessen zu beteiligen, bis an den Rand des gesetzlich Erlaubten alles tun, um sich davor zu drücken und Steuerschlupflöcher zu suchen.

(Zuruf: Wahre Wohltäter!)

Allerdings bedarf es dafür nicht nur des Wunsches nach Steuervermeidung bei den Konzernen und Milliardären, sondern es braucht dafür auch Staaten und Regierungen, die mit ihren Steuergesetzen diese Möglichkeiten überhaupt erst schaffen. Es braucht Länder, die um des eigenen Vorteils willens bereit sind, sich mit minimalen Steuersätzen zufriedenzugeben, die sich mit einigen wenigen zusätzlichen Arbeitsplätzen abfinden und dabei billigend in Kauf nehmen, dass anderen Ländern dadurch Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entzogen werden.

Das ist ein absolut unsoziales Verhalten, das von allen Beteiligten gleichermaßen geprägt wird. Das führt dazu, dass sich einige wenige auf Kosten der

(Dr. Ralf Stegner)

Allgemeinheit bereichern. Die Kluft zwischen Reich und Arm wird dadurch größer, und der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wird gefährdet. Als Christdemokraten verurteilen wir das zutiefst. Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt FDP und AfD)

Die Paradise Papers lenken unseren Blick jetzt insbesondere auf Möglichkeiten der Steuergestaltung innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Niederlande, Luxemburg, Irland und Malta werden dabei namentlich mehrfach genannt. An dieser Stelle sei mir der Hinweis gestattet, dass die Niederlande in den letzten fünf Jahren einen sozialdemokratischen Finanzminister gehabt haben. In Luxemburg regiert seit 2012 eine liberalsozialgrüne Koalition. In Malta, in dem Land, in dem vor wenigen Wochen eine investigative Journalistin durch eine Autobombe getötet wurde, gibt es ebenfalls seit 2013 eine sozialdemokratische Regierung.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Dieser sozialdemokratische Ministerpräsident hat gerade vor zwei Tagen auf „Spiegel Online“ behauptet, dass es in Europa so etwas wie Steueroasen überhaupt nicht geben würde. Ich erwähne die Beispiele, um zu zeigen, dass es hier wahrlich anderen Handlungsbedarf gibt, als sich im Zusammenhang mit den Paradise Papers zuallererst die JamaikaKoalition in Kiel vorzuknöpfen.

(Beifall CDU und Jörg Nobis [AfD])

Unsere gemeinsame Position als CDU, Grüne und FDP ist in dieser Frage vollkommen klar und eindeutig. Sie ist zudem unmissverständlich im Koalitionsvertrag nachzulesen. Wir wollen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Schwarzarbeit konsequent bekämpfen. Wir wollen Steuerschlupflöcher schließen, und wir wollen Steuergestaltungen offenlegen. Das sind nicht nur bloße Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag. Nein, die neue Landesregierung ist bereits in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit insoweit tätig geworden.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Zuruf SPD: Wollen alleine reicht nicht!)

Die Bundesratsinitiative zum Verbot sogenannter Share Deals ist auf den Weg gebracht worden. Im Unterschied zur SPD, die die Allgemeinheit immer nur mit höheren Steuersätzen belastet, werden wir auf diesem Weg am Ende in der Lage sein, die Grunderwerbsteuer in Schleswig-Holstein wieder zu senken. Das ist dann unser Beitrag für mehr

Steuergerechtigkeit. Indem wir die Steuerschlupflöcher für große Immobilienkonzerne schließen, können wir im Gegenzug junge Familien beim Erwerb des selbst genutzten Eigenheims steuerlich fördern. - So machen wir das, Herr Kollege Dr. Stegner.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir sind uns auch vollkommen einig in der Forderung, dass Steuersparmodelle zukünftig gemeldet werden müssen. Steuerberater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer müssen nach unseren Vorstellungen dem Finanzamt zukünftig anzeigen, wenn bestimmte Konstruktionen aus rein steuerlichen Überlegungen gewählt werden. In dieser Frage steht Schleswig-Holstein steht Jamaika in Schleswig-Holstein, sogar an der Spitze der Bewegung; denn es geht um die Erarbeitung eines konkreten Gesetzentwurfs, und dafür hat die Finanzministerkonferenz gerade in der letzten Woche unserem Bundesland die Federführung übertragen. Die Finanzministerin wird dazu sicherlich noch Weiteres ausführen.

Wir haben im Koalitionsvertrag einen dritten Schritt vereinbart. Wir sind bereit, international tätige Unternehmen in die Steuerverantwortung des Bundes zu übergeben

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- ja -, damit wir die Kräfte an dieser Stelle bündeln, um trickreicher Steuervermeidung wirksam entgegenwirken zu können.

Herr Dr. Stegner, trotz all dieser Fakten behaupten Sie am Ende Ihrer Pressemitteilung, die Position der CDU zu Steuerehrlichkeit sei Ihnen bislang verborgen geblieben. Ohne auch nur die geringste Begründung dafür anzuführen, suggerieren Sie damit, dass die Union ein unklares, möglicherweise auch ein fragwürdiges Verhältnis zu Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit hätte.

(Martin Habersaat [SPD]: Anpacken und nicht rumschnacken! - Zuruf Dr. Ralf Steg- ner [SPD])

Nun können wir sicherlich in der Sache hart miteinander streiten. Möglicherweise haben wir auch unterschiedliche Konzepte und Vorstellungen, wie man Steuerhinterziehung und Steuervermeidung am besten bekämpft. Aber mit dieser Andeutung unterschwellig den Eindruck zu erwecken, die Union hätte überhaupt kein Interesse an Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit und wir wären auf diesem Auge blind, das finde ich echt unanständig. Auf dieses Niveau sollten wir uns als Demokraten in der Diskussion nicht herabbegeben.

(Tobias Koch)

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dagegen sprechen vor allen Dingen die in den vergangenen Jahren unter der Federführung von Wolfgang Schäuble erzielten Fortschritte und Erfolge bei der internationalen Zusammenarbeit. Ich will exemplarisch die Berliner Steuerkonferenz aus dem Jahre 2014 nennen. In deren Folge haben mittlerweile 100 Staaten und Gebiete weltweit einen Informationsaustausch über Finanzkonten vereinbart 100 Staaten weltweit!

Das ist nicht nur eine bloße Absichtserklärung, sondern wird seit September dieses Jahres schon tatsächlich praktiziert. Das ist ein Quantensprung, ein wirklich großer Fortschritt im globalen Kampf gegen Steuerhinterziehung. Wir sollten das nicht geringschätzen, auch wenn es nicht in ihr SchwarzWeiß-Feindbild hineinpasst, das Sie so gern pflegen.

(Zuruf: Schwarz-Gelb meinen Sie!)

Wenn man aber so wie Sie agiert, muss man sich die Frage gefallen lassen: Was hat die SPD denn in eigener Regierungsverantwortung für mehr Steuergerechtigkeit getan? - Sie haben die Cum-Ex-Deals angesprochen. Die fallen jedoch in die zehnjährige Amtszeit zweier SPD-Finanzminister, Hans Eichel und Peer Steinbrück.

(Vereinzelter Beifall AfD)

Herr Steinbrück hat dem nicht nur tatenlos zugesehen, er hat mit dem Jahressteuergesetz 2017 diese Methode quasi legalisiert.

(Zurufe: 2007!)

- 2007, Pardon. Vielen Dank für die Korrektur. Er hat sie quasi legalisiert, auch weil er es aus Unfähigkeit nicht anders geregelt hat.

Es war Wolfgang Schäuble, der dem 2012 endlich Einhalt geboten hat.

(Beifall CDU, AfD und Dennys Bornhöft [FDP])

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wäre ich an dieser Stelle ganz klein mit Hut, anstatt sich jetzt an der Frage abzuarbeiten, ob es für den Politiker Kubicki angemessen ist, wenn er seinen Job als Strafverteidiger tut und Mandanten in dieser Angelegenheit vertritt.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Das Gleiche gilt auch für Ihre Vorwürfe gegenüber Peter Harry Carstensen. Sie stellen hier Verdächti

gungen ohne jegliche Substanz in den Raum. Nach wie vor leben wir in einem Rechtsstaat, in dem nicht der Unschuldige seine Unschuld beweisen muss. Wenn Sie Verdächtigungen erheben, dann belegen Sie die, und stellen Sie nicht irgendwelche Verdächtigungen und Verlautbarungen in den Raum, indem Sie einfach Schlagwörter wie „Parteispenden“ und „Briefkastenfirmen“ miteinander vermischen und hier ein negatives Bild erzeugen.

(Beifall CDU und FDP)

Wenn wir nämlich die Debatte auf diese Art und Weise führen, dass wir einseitig versuchen, parteipolitisches Kapital daraus zu schlagen, werden wir am Ende nur eins erreichen: Wir werden auf diese Weise Populisten und Extremisten in unserem Land stärken, weil die Politikverdrossenheit in Deutschland zunimmt.

Wir haben es beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung mit einem komplexen Problem zu tun. Wir brauchen nationale und europäische Lösungen, aber auch internationale Abkommen. Das wird uns allen gemeinsam nur gelingen, wenn wir gemeinsam daran arbeiten, und nicht, wenn wir mit dem Finger auf andere Parteien und Personen zeigen.

Deshalb gilt auch an dieser Stelle: Anpacken statt Rumschnacken! Genau das machen wir in Jamaika in Schleswig-Holstein. - Herzlichen Dank.