Deshalb gilt auch an dieser Stelle: Anpacken statt Rumschnacken! Genau das machen wir in Jamaika in Schleswig-Holstein. - Herzlichen Dank.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingangs möchte auch ich mich bei all denen bedanken, die als Journalisten, NGOs oder auch als Whistleblower investigativ dafür gesorgt haben, dass wir erneut einen umfassenden Einblick in Steuerpapiere bekommen. Offshore-Leaks, LuxLeaks, Panama Papers, Paradise Papers: Schön und gut, doch es ändert sich nie etwas.
Im Grunde ist nichts überraschend Neues auf den Tisch gekommen. Der Tagesordnungspunkt suggeriert, dass es etwas Aktuelles ist, es ist eine Aktuelle Stunde. Es ist nicht so, dass wir auf einmal völlig überrascht wären, dass es dieses Steuergebaren
gibt. Immer wieder - alle Jahre wieder - sind fleißige Journalisten dabei, uns etwas vorzulegen, und es ändert sich nichts.
Das sind das große Problem und der Skandal. Es ist wichtig, Transparenz herzustellen, allein reicht das aber nicht. Transparenz kann zwar einen politischen Veränderungsdruck aufbauen. Ich hatte bei der Diskussion der letzten Wochen schon den Eindruck, dass dem einen oder anderen Ministerpräsidenten zum Beispiel dem von Luxemburg - diese ganze Debatte sehr unangenehm gewesen ist. Das kann natürlich auch in Ländern Veränderungsdruck auf eine europäische Lösung hin bedeuten.
Natürlich kann Transparenz auch dafür sorgen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher - also wir alle uns Gedanken machen, ob wir unsere Sachen zukünftig weiterhin von großen Unternehmen wie Amazon bestellen oder doch einmal zum Laden um die Ecke gehen. Es gibt natürlich auch Dinge, die wir selbst tun können. Das Problem ist aber alt und offensichtlich hartnäckig. Es ist tatsächlich viel tiefer gehend, als nur - in Anführungsstrichen - die Billionen Euro, die Steuerhinterziehung und -vermeidung die Gemeinschaft kosten. Das ist viel Geld, ich möchte nicht aufzählen, was man damit alles machen könnte. Das wissen wir alle, die wir hier sitzen, genau.
Das Problem ist: Das Vertrauen in eine gerechte Gesellschaft wird dadurch infrage gestellt. Wenn Menschen kein Vertrauen mehr in diesen Staat haben und sagen: Es geht ungerecht zu, die einen müssen zahlen, die anderen zahlen nicht, dann haben wir alle in der Demokratie gemeinsam ein Problem - und zwar in Schleswig-Holstein, in Deutschland, in Europa und global.
Das bedeutet, dass wir Gesetze machen müssen, die als gerecht empfunden werden. Wir müssen dafür sorgen, dass diese durchgesetzt werden, und wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der es nicht in populistischer Art heißt: Der Staat ist der Gegner. Das wäre das Falsche. Wir müssen deutlich machen: Der Staat ist das Gemeinwesen, das sind wir alle, diejenigen, die wir Kinder in Kitas geben, die wir die Pflege haben wollen die wir Straßen haben wollen, oder whatever.
Das ist der Kern, warum es heute eine Aktuelle Stunde ist. Es ist nicht so, dass wir in der JamaikaKoalition nicht eine klare Haltung dazu hätten. Das hat Herr Koch sehr deutlich gemacht. Es ist schon lustig, wenn Sie sagen, das sei ja alles nur Papier.
Im 100-Tage-Programm wurde eine Initiative zu dem Thema gestartet. Schneller geht es nun wirklich nicht.
Dann, liebe Leute von der SPD: Wir sagen, nicht rumschnacken, sondern anpacken. - Fangen Sie doch jetzt schon einmal an, in den Ländern, in denen Sie mitregieren, für Mehrheiten zu sorgen, damit wir es konkret umgesetzt bekommen. Was soll denn ein Land mehr machen als eine Bundesratsinitiative?
Ich freue mich super, wenn sich Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz gemeinsam auf den Weg machen und eine Initiative starten. Das ist ein Thema, bei dem wir parteiübergreifend etwas tun können. Es gibt überhaupt keine inhaltlichen Unterschiede zwischen den Parteien: Diese Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden.
Natürlich ist das zunächst nur die Bundesrepublik. Wir machen das, was wir hier tun können. Aber je stärker wir hier in der Sache gemeinsam auftreten, desto mehr Gewicht haben wir auch in Europa. Insofern: Machen Sie mit, und fangen Sie nicht an, hier irgendwelche scheinbaren Konflikte aufzutischen!
Ja, ich denke, dass es einen Unterschied zwischen Grünen und FDP gibt. Es geht darum, ob man es moralisch diskreditiert. Das findet Herr Kubicki schlecht, ich finde es richtig. Das ist ein Unterschied. Wenn wir darüber reden, dass wir die Gesetze ändern wollen, sind wir uns einig. Es gibt aber eine unterschiedliche Haltung dazu, wie man das Ganze betrachtet und sich dazu äußert. Wenn wir uns die Papers angucken, stellen wir fest, dass es nicht darum geht, dass Lieschen Müller sich ein Buch „1000 ganz legale Steuertricks“ kauft und diese Tricks dann anwendet, sondern es geht um hochausgefeilte, komplexe und grenzüberschreitende Steuervermeidungsmodelle. Selbst wenn die legal sind, sind sie aus unserer Sicht wirklich nicht legitim. Es ist richtig, wenn wir als Politiker diese kritisieren und diskutieren.
Ich gebe Ihnen aber recht, Herr Kubicki: Es darf nicht sein, dass wir nur eine fahle Debatte darüber führen, was legal und was legitim ist. Es muss etwas daraus folgen. Da haben wir in Jamaika klare
Liebe SPD, es ist wirklich schwierig, sich hier hinzustellen und zu sagen: Das ist alles viel zu wenig und nicht schnell genug. - Sie sind in der Großen Koalition gewesen. Diese Feststellung müssen Sie sich leider einmal gefallen lassen. Wir als Grüne haben Anträge zum Whistleblowerschutz und zu Transparenzinitiativen eingebracht, die von Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb abgelehnt wurden. Der Status quo ist gleich geblieben.
Ich kann mich auch erinnern, dass in der letzten Küstenkoalition die eine oder andere Transparenzund Lobbyismusinitiative, die wir gestartet haben, nicht auf so große Freude bei unseren Koalitionspartnern gestoßen ist. An der einen oder anderen Stelle waren wir mit einer anderen Partei, die nicht mehr hier im Hause ist, an einer Seite. Jetzt so zu tun, als wenn die SPD hier die Transparenz- und Steuerbekämpfungspartei wäre, finde ich schwierig.
Auch der grüne Gesetzentwurf für Whistleblowerschutz wurde im Bundestag von CDU/CSU und SPD abgelehnt.
Wir können festhalten: Es hat sich unter SchwarzGelb und unter Schwarz-Rot in dieser Hinsicht in den letzten Jahren nichts verändert.
Vielleicht ist gerade dieses übergreifende Bündnis, in dem man zugegebenermaßen aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Dinge schaut, vielleicht ist genau dieses übergreifende Bündnis die Chance, an dieser Stelle etwas zu verändern, weil wir uns nämlich das Gemeinsame anschauen und nicht das Trennende. Das Gemeinsame ist, dass wir Steuergerechtigkeit schaffen wollen. - Danke.
Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemeinhin wird behauptet, dass der Kollege Dr. Stegner einen messerscharfen Verstand hat. Ich würde ihm empfehlen, ein bisschen mehr Sachverstand durch lebenslanges Lernen hinzukommen zu lassen, damit er verschiedene, wirklich falsche Behauptungen nicht einfach aufstellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst einmal verlangt der Rechtsstaat von seinen Bürgerinnen und Bürgern nichts anderes als die Befolgung von Gesetzen. Alles andere wäre Willkür. Es zählt nicht der politische Wille, sondern es zählt das Gesetz. Solange sich die Menschen an die Gesetze halten, können wir das gut oder schlecht finden. Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir Gesetze ändern. Deshalb denke ich, dass die Behauptung, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung stünden auf der gleichen Stufe, nicht nur sachlich falsch ist, sondern vor allen Dingen dazu führt, dass wir Riesenprobleme bekommen. Steuerhinterzieher brechen das Gesetz, Steuervermeider und Steueroptimierer halten sich an das Gesetz. Herr Dr. Stegner, warum heißt ein Steuerberater Berater und nicht Buchhalter?
Wenn Sie dort hingehen, sagen Sie natürlich: Nennen Sie mir alle Möglichkeiten, die legal sind, um möglichst wenig an das Finanzamt abzuführen. Das macht Herr Stegner nicht. Der geht hin und sagt: Nehmen Sie mehr von mir, als ich eigentlich geben muss, weil es sozial verträglich ist.
Auch das muss ich Ihnen sagen: Wenn jemand als Steuerberater seine Mandanten nicht steueroptimal berät, macht er sich schadenersatzpflichtig. Wenn eine Kapitalgesellschaft im Vorstand keine Steueroptimierungsmodelle nutzt, macht sie sich schadenersatzpflichtig und begeht möglicherweise sogar den Straftatbestand der Untreue, weil sie das Vermögen der Gesellschaft mehren muss, jedenfalls aber schützen muss.
Noch einmal sage ich: Wenn wir feststellen, dass es Möglichkeiten gibt, die wir als Gesetzgeber nicht wollten, die sich aus gesetzgeberischen Fehlverhal
ten entwickelt haben, dann können und müssen wir das ändern. Das ist der Sinn dessen, was die Finanzministerin hier will und was die Europäische Kommission auch will, übrigens europaweit. Seit Juni gibt es einen Richtlinienentwurf zur Meldung von Steuergestaltungsmodellen, die grenzüberschreitenden Verkehr nutzen. So etwas können wir in Deutschland auch einführen, da sind wir uns einig, obwohl das nicht so ohne Weiteres unproblematisch ist, erstens wegen der Verschwiegenheitspflicht der Berufe, die damit befasst sind, zweitens, weil jede Meldung - das sehen wir beim Geldwäschegesetz - die Behörden mit der Folge überfluten könnte, dass man dann in dem großen Haufen die Nadel nicht sieht, die wichtig wäre, um zu erkennen, wo man etwas ändern muss.
Herr Dr. Stegner, wen sehen wir bei den Paradise Papers? - Da sehen wir beispielsweise die HSH Nordbank. Deren Aufsichtsrat waren Sie. Herr Kollege Stegner, ich habe schon einmal gefragt: Als die HSH Nordbank 2007 erklärt hat, dass sie auf den Cayman Islands und auf den Kanalinseln unterwegs ist, was haben Sie gedacht, was die da machen? Bananen kaufen oder mit Kokosnüssen handeln oder das britische Pfund stützen? - Was haben Sie als Aufsichtsrat der HSH Nordbank gedacht, was die Bank da macht?
Wir hören und lesen in den Papieren, dass Gerhard Schröder dort namentlich auftaucht, ohne dass wir wissen, warum eigentlich und in welchem Zusammenhang. Trotzdem wird kolportiert, da könnte etwas Kriminogenes oder Kriminelles sein. Der Rechtsstaat hat übrigens auch die Unschuldsvermutung für Personen jeder Art, vor allem auch für Konzerne. Dort lesen wir: Alle bundesdeutschen Konzerne, die Rang und Namen haben, sind dort vertreten. Sie sind außerdem in Luxemburg, in Delaware und auf den Cayman Islands vertreten. Ich kann Ihnen noch viel mehr nennen. Das wissen wir doch alles. Das hat teilweise auch seinen Grund. Wenn wir jetzt dazu übergehen zu sagen, wir wollen jetzt gegen andere Länder, die Steueroptimierungsgestaltungen anbieten, vorgehen: Auch da kann man sagen, das sei interessant.