Wolfgang Kubicki

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal sagen, ich habe großen Respekt, Frau Kollegin Touré, vor Ihrer Rede, nicht nur rhetorisch, sondern auch inhaltlich, obwohl ich in Nuancen etwas anderer Auffassung bin als Sie. Aber ich finde es schön, mit welcher Verve Sie hier vorgetragen haben, was dafür sprechen könnte, einen pauschalen Abschiebestopp zu veranlassen.
- Nein, das hat mit redlich nichts zu tun. Frau Kollegin, die SPD muss vielleicht einmal begreifen, dass sie in der Opposition angekommen ist, obwohl wir noch nicht wissen, dass Sie da angekommen sind. Das wissen Sie wahrscheinlich selbst nicht. Sie müssen Ihre Linie vielleicht noch finden. Ich komme darauf gleich zurück, weil das, was Sie hier vortragen und was Frau Midyatli vorgetragen hat, in einem diametralen Gegensatz zu dem steht, was die SPD auf Bundesebene gerade praktiziert.
Als Freie Demokraten haben wir in der Vergangenheit immer klar gemacht, dass neben dem unverhandelbaren Recht auf Asyl auch die konsequente Rückkehr derjenigen stehen muss, die keinen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland bean
spruchen können. Im Koalitionsvertrag hat sich dies im Bekenntnis zu einem konsequenten Rückführungsmanagement niedergeschlagen. Die Durchsetzung der Rückkehrpflicht ist mehr als reiner Selbstzweck. Sie ist nicht nur rechtsstaatlich geboten, sie ist auch ein Beitrag zur Sicherung unserer Fähigkeit, auch in Zukunft denjenigen zu helfen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Die Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik und seine gegebenenfalls erforderliche Durchsetzung sollen und können aber nur im Einklang mit unseren humanitären Grundüberzeugungen stehen. Unter den politisch Verantwortlichen innerhalb des demokratischen Spektrums sollte dies eigentlich eine Binsenweisheit sein.
Herr Kollege Dr. Stegner, ich werde den Verdacht nicht los, dass die SPD dabei ist, aus kurzfristigen taktischen Erwägungen heraus einen breiten Konsens in diesem Parlament, der über Jahre getragen hat, aufzukündigen, was ich sehr bedauern würde.
Mit einigem Staunen habe ich zur Kenntnis genommen, dass diese genannten Voraussetzungen von der SPD als derzeit nicht gegeben angesehen werden und dass eine inhumane Abschiebepraxis wirken soll. Man geht sogar weiter und suggeriert eine Abschiebepraxis des Landes Schleswig-Holstein, die lebensgefährdend sei. Eine solche Praxis würden wir selbstverständlich weder unterstützen, noch wäre sie rechtsstaatlich überhaupt möglich; denn es ist von Verfassung wegen verboten, Menschen in den Tod zu schicken.
- Frau Midyatli, dass Sie dem Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, den Ausländerbehörden und dass Sie den Gerichten, die das ja stoppen können, was sie ja gelegentlich auch tun, unterstellen, sie würden die Verfassung brechen und Menschen in den Tod schicken, finde ich unverantwortlich im Schleswig-Holsteinischen Landtag und darüber hinaus.
Vielleicht hilft zunächst ein Blick auf die Tatsachen, bevor man Vorschläge an der Realität vorbei unterbreitet: Kommt ein Antragsteller nach Deutschland, so prüft das BAMF nicht nur die Vor
aussetzungen von Asyl, Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz, sondern es wird auch das Vorliegen von Abschiebeverboten geprüft. Ein solches Abschiebeverbot liegt bei konkreten Gefahren für Leib und Leben vor. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Erst wenn man dieses Abschiebeverbot verneinen würde, wäre der Antragsteller ausreisepflichtig und damit von der Frage eines Winterabschiebestopps betroffen. Über einen solchen ließe sich reden, wenn die vollziehbar festgestellte Ausreisepflicht eine pauschale Abschiebung nach sich ziehen würde. Aber besser und gerechter als pauschale Regelungen in die eine oder andere Richtung ist die Orientierung und Bewertung im Einzelfall.
Es war daher gut und richtig, was die SPD vor zwei Jahren mit ihrem Erlass zur Aufenthaltsbeendigung in den Wintermonaten durchsetzte: Kein pauschaler Winterabschiebestopp, sondern eine Einzelfallprüfung, ob eine Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich ist. Dies ist der Weg, den wir weiter fortsetzen wollen. Ich kann den Innenminister nur auffordern, sich an diese Regelung auch konsequent zu halten. Abschiebungen werden nur bei einer Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich sein.
Die schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten vollziehen in den letzten Wochen erstaunliche 180-Grad-Wenden. Bei manchen Themenfeldern mag man darin einen echten begrüßenswerten politischen Fortschritt erkennen, etwa bei den Straßenausbaubeiträgen. Bei dem Antrag zum Winterabschiebestopp zeigt sich allerdings, dass diese Wendung nicht an der Sache, sondern am Effekt orientiert ist. Anders lässt sich doch nicht erklären, dass man eine Regelung, die man selbst eingeführt hat und als ein Mehr an Einzelfallgerechtigkeit gepriesen hat, nun als inhumane Praktik klassifiziert. Glaubwürdige Oppositionspolitik sieht wirklich anders aus.
Frau Midyatli, ich bin wirklich fasziniert, dass Sie erklären, Dublin III soll nun nicht mehr gelten. Deutschland, die Sozialdemokratie in SchleswigHolstein kündigt einseitig eine europäische Regelung auf, zu der alle europäischen Staaten gebracht werden sollen.
- Ich komme gleich dazu. Die Europäische Kommission verklagt gerade drei Länder, die nicht bereit sind, ihr Flüchtlingskontingent aufzunehmen, um durchzusetzen, dass wir eine gemeinsame Regelung haben, die tragfähige Grundlage für eine ge
meinsame europäische Politik ist. Und ausgerechnet die SPD in Schleswig-Holstein erklärt, für uns soll das auch nicht gelten?
Herr Schulz erklärt, bis 2025 wolle er die Vereinigten Staaten von Europa durchsetzen. Auf welcher Grundlage denn? Wir fordern alle eine gemeinsame europäische Asylpolitik. Auf welcher Grundlage denn? Noch einmal: Wer demokratische Staaten innerhalb der Europäischen Union so klassifiziert wie Sie, der verabschiedet sich von einem gemeinsamen Europa. Das sage ich in aller Deutlichkeit. Das ist nicht das, was dieses Haus wollen kann.
Ich bin begeistert, immer wieder festzustellen, wie idealtypisch die Sozialdemokraten bundesweit zusammenarbeiten. Ich empfehle einen Blick nach Niedersachsen, Frau Midyatli. Ich empfehle einen Blick in andere Bundesländer, bei denen die Sozialdemokraten mitregieren, wie dort die Abschiebepraxis funktioniert.
Bisher konnten wir stolz sein auf das, was wir in Schleswig-Holstein geleistet haben.
Ich bin sofort fertig, Herr Vizepräsident. - Einen letzten Satz dazu: Ich kann Ihnen versichern, nicht nur weil ich große Hoffnung in BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in diesem Jamaika-Bündnis setze, dass die Freien Demokraten in Schleswig-Holstein dafür Sorge tragen werden, dass die Flüchtlingsspolitik, die ein Markenzeichen für unser Land war, beibehalten wird, auch wenn die SPD sich davon verabschiedet. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch immer wieder faszinierend festzustellen, wie der Kollege Stegner mit der Geschichte umgeht, auch der Geschichte der Sozialdemokratie in diesem Lande.
Herr Kollege Stegner, ich bin wahrscheinlich einer der wenigen neben dem Kollegen Lehnert, der Sie als Innenminister in Schleswig-Holstein erlebt hat. Dass Sie damals ein Linker gewesen seien, das kann man mitnichten behaupten. Im Gegenteil: Sie haben Otto Schily rechts überholt. Das haben wir im Parlament mehrfach kritisiert und auch gesagt: Mit Ihren Polizeigesetzen verstoßen Sie gegen geltendes Recht und die Verfassung, was im Zweifel auch bestätigt worden ist.
Dass Sie jetzt als sechster stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD versuchen, einige Wendungen, die jetzt laufen -
- Warum? Ist er aufgerückt?
- Ja, aber er hat doch auf Platz sechs kandidiert. Deshalb ist er Sechster.
Das ist auch völlig egal. Aber dass Sie Ihre eigenen Wendungen und Wendungen der Sozialdemokratie jetzt versuchen zu kaschieren, finde ich auch schon einen Hammer. Erklären Sie doch einmal, Herr Dr. Stegner, warum die Küstenkoalition maßgeblich auf Ihr Betreiben hin von dem pauschalen Abschiebestopp zu einer Einzelfallbewertung übergegangen ist. Das muss doch einen Grund gehabt haben. Wenn Sie sagen, es habe sich gar nichts geändert und es sollte sich gar nichts ändern, dann brauchten Sie auch keine Neuregelung. Es ist doch erklärungsbedürftig, dass Sie jetzt sagen, dass diese Neuregelung, die faktisch nichts verändern sollte, der wir jetzt folgen, allerdings mit einem anderen Impetus, nämlich möglichst die Spielräume, die Sie beschrieben haben, zu nutzen - das war immer Konsens zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, uns und Ihnen -, etwas Böses sein soll, nur weil jetzt von Oktober bis Dezember mehrere Anrufe bei Frau Midyatli eingegangen sind und noch immer eingehen, die früher übrigens auch immer stattgefunden haben, weil alle Menschen, die davon betroffen sind, jeden Strohhalm nutzen wollen, um zu vermeiden, dass sie Deutschland verlassen müssen. - Das müssen Sie trotzdem erklären.
Die zweite Geschichte ist die: Der Eindruck, den Sie hier dauernd erwecken, hier würden unsere Behörden willkürlich handeln, was gelegentlich vorkommen kann, aber jedenfalls die Rechtsprechung sei in Deutschland nicht mehr Rechtsprechung und auch nicht mehr verfassungsgemäß, diesen Eindruck zu erwecken, halte ich für ziemlich bedenklich.
Denn ich will Ihnen sagen, dass Sie damit Wasser auf die Mühlen derjenigen gießen, die ihrerseits den Eindruck zu erwecken versuchen, in unserem Staat ginge nichts mehr mit rechten Dingen zu, sondern es sei willkürlich. Sie betreiben im Moment argumentativ das Geschäft von ganz rechts außen.
Darüber müssen Sie nachdenken. Sie betreiben argumentativ das Geschäft von ganz rechts außen nach der Devise: Es gilt nicht mehr Recht und Gesetz, sondern es gilt politische Willkür - ob Ihnen das passt oder nicht. Herr Kollege Dr. Stegner, ich bin gespannt, wie Sie jetzt erklären, dass die Sozialdemokraten beispielsweise dem Stopp des Flüchtlingsnachzugs zugestimmt haben, dem Stopp des
Nachzugs von Frauen und Kindern aus Kriegsgebieten, die nach Deutschland kommen sollten, weil ihre Männer hier bereits ansässig waren. Ich bin sicher - und das gebe ich Ihnen schriftlich -, dass Sie an erster Stelle, die Sozialdemokratie, auch bei den jetzigen Koalitionsverhandlungen mit der Union dem weiteren Stopp des Flüchtlingsnachzugs zustimmen werden. Dann schauen wir einmal, wie Sie mit Ihren ganzen großen Worten und Ankündigungen einer humanen Flüchtlingspolitik noch gehört werden wollen.
Besonders gern, denn ich hatte nur noch 13 Sekunden übrig. Jetzt habe ich 1 Minute 13 Sekunden.
Ja. Ich werde ihn vermissen.
Ich wäre so froh, wenn wir das bis 18 Uhr fortsetzen könnten.
Davon abgesehen: Die Einigung mit der Union auf Bundesebene, die ich übrigens nicht besonders gut fand, war wie folgt: Wir hatten eine 3+2-Regelung für Flüchtlinge, die hier einen Ausbildungsplatz haben wollen und die dann - das hat die SPD gefordert - ein Aufenthaltsrecht von drei plus zwei Jahren bekommen. Die Union war nur dazu bereit, dieses zu machen, was ich für junge Menschen, die als Geflüchtete hierhergekommen sind, wirklich wichtig finde, wenn gleichzeitig der Familiennachzug ausgesetzt wird. Das war in der Tat die Position der Union. Ich habe sie nicht geteilt. Ich habe sie kritisiert. Es war die Vereinbarung auf Bundesebene. Im Hinblick auf die Aussage, die SPD habe das gefordert, sage ich: Das ist falsch. Gefordert hat
es in der Tat die FDP. Da gibt es Interviews von Herrn Lindner und von anderen, die solche Sachen fordern. Das ist nicht unsere Position. Sie behaupten hier immer wieder Dinge, die nicht stimmen.
Sie haben eine gute Gelegenheit, das hier zurückzunehmen.
- Erstens, Herr Kollege Stegner, ich äußere, im Gegensatz zu manch anderem, meine Meinung nicht, weil ich Applaus von irgendjemandem haben will, sondern weil es meine Meinung ist.
Zweitens. Ich schaue - anders als das Kaninchen auf die Schlange - nicht immer auf die andere Seite. Ich habe nur festgestellt, dass ein wesentlicher Teil von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von Freien Demokraten und auch ein erheblicher Teil der Christdemokraten meine Ausführungen mit Applaus bedacht hat.
Herr Dr. Stegner, auch Sie bekommen gelegentlich Applaus von der AfD. Ich habe gesehen, dass der Kollege Trittin im Deutschen Bundestag von der AfD Applaus bekommen hat, dass die Linken regelmäßig von der AfD Applaus bekommen haben. Wenn wir uns davon abhängig machen wollen, ob eine kleine Minderheit bestimmen kann, was wir hier sagen,
dann klatschen die jetzt nur noch. Das kann nicht richtig sein.
In der Sache selbst: Ich akzeptiere, dass Sie und dass wir alle - Frau Midyatli, das ist das, was mich hier bekümmert - wirklich eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik hatten, die wir weiter umsetzen wollen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Freien Demokraten - jedenfalls in diesem Hause - sind Garanten dafür, dass wir das, was wir machen, an humanitären Grundsätzen orientieren. Ich bin sicher - wir haben ja miteinander gesprochen -: Auch der Ministerpräsident ist genau dieser Auffassung. Das Problem, das Sie momentan anreißen, ist, dass Sie diesen Konsens, der hier bestanden hat, mit einer, wie ich finde, emotional sehr interessanten, aber inhaltlich weniger interessanten Debatte beginnen aufzukündigen. Das wäre das Schlimm
ste, was passieren kann; denn unser Gegner befindet sich nicht in unseren Reihen, der steht ganz woanders. Deshalb bitte ich, bevor ich dieses Haus verlasse, darum, dass wir die Tradition der letzten 20 Jahre aufrechterhalten und versuchen, uns nicht mit Behauptungen auseinanderdividieren zu lassen, die an der Realität scheitern.
Ach so, das war keine Zwischenfrage, sondern ein Dreiminutenbeitrag. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und für den Applaus aus den Reihen der Koalitionsfraktionen. - Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hoffen, dass das am Ende meiner Rede auch so sein wird. Aber ich nehme den Applaus gerne entgegen.
Ich will am Anfang sagen: Seitdem ich die Kollegin Touré höre, weiß ich, wie sinnvoll es war, in diese Jamaika-Koalition zu gehen. - Vielen Dank für Ihre Beiträge, die ich heute gehört habe.
Ich weiß nicht, ob es Schicksal oder Bösartigkeit meiner Fraktion ist, dass ich ausgerechnet zu einem AfD-Antrag meine letzte Rede hier im Parlament halten soll.
- Ja, Sie sind wirklich ein Schicksal, ein Schicksalsschlag sozusagen.
Ich werde mit Ablauf des heutigen Tages aus dem Parlament ausscheiden und will drei Sätze zur AfD und zu Ihrem Antrag sagen, weil Sie im Schafspelz daherkommen mit der angeblichen Sorge um die, die zurückkehren sollen, aber in Ihrem Antrag selbst genau klassifizieren, wie rassistisch Sie eigentlich sind.
- Ja, doch, wie rassistisch Sie sind. Wissen Sie, wenn Sie dazu auffordern, dass Syrer und Iraker, deren Ausbildungsniveau zwar nicht mit dem deutschen vergleichbar, aber doch sehr hoch ist, dass diese Flüchtlinge, die zu ihrem Schutz bei uns sind, mit Grundfertigkeiten ausgestattet werden sollen, dann machen Sie mit Ressentiments Politik.
Die brauchen die Grundfertigkeiten nicht. Es gibt eine ganze Menge hochqualifizierte Syrer und Iraker in Deutschland, auch unter den subsidiär Geschützten. Wir haben eine ganze Reihe syrische und irakische Ärzte in unseren Kliniken; Sie sollten sich vielleicht einmal darüber informieren. Die sollen aus Ihrer Sicht Grundfertigkeiten lernen, also in acht Wochen Bauhelfer oder Müllwerker - weil Ent- und Versorgungsbetriebe genannt sind - werden. Sie diskriminieren damit die Menschen, die bei uns sind. Die brauchen Ihre Fürsorge nicht. Die wollen sie im Zweifel auch gar nicht.
Denn wir sind verpflichtet, solange sich die Menschen bei uns aufhalten, sie in all den Bereichen an der gesellschaftlichen Entwicklung und auch beruflich teilhaben zu lassen und nicht zu diskriminieren, wie Sie es gerade tun.
Damit hat die AfD auch schon genug an Redebeitrag von mir bekommen.
Ich möchte, weil ich ja nicht aus dem politischen Betrieb ausscheide, sondern nur aus dem Landtag, und weil ich Schleswig-Holstein nicht verlasse, sondern nur den Landtag, jetzt keine großen Reden halten über das, was Kolleginnen und Kollegen tun müssen, über den Wert der Demokratie. Wer das in diesem Parlament nicht weiß, wer nicht weiß, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, und zwar jedes einzelnen Menschen, egal, welcher Herkunft, welcher Hautfarbe, welchen Geschlechts, welcher Orientierung, dem kann ich auch mit meinem Redebeitrag nicht mehr helfen.
Ich möchte mich bedanken für 25 ½ Jahre toller Tätigkeit in diesem Haus - - Tja, selbst mir passiert so etwas.
Ich möchte mich bei denen entschuldigen, denen ich mit meiner - zugegebenermaßen manchmal sehr spitzen - Zunge wehgetan habe. Das lag meistens nicht in meiner Absicht, aber manchmal schon.
Ich möchte mich bei dem Kollegen Dr. Stegner entschuldigen, der zu meinem Lieblings-Counterpart geworden ist.
- Nun weiß ich nicht, ob das Glück oder Strafe ist, um es mal so zu sagen. Aber ich möchte Ihnen sagen, Herr Dr. Stegner, Sie haben mit Ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten eine große Verantwortung, und die wird stärker werden in diesem Parlament. Sie müssen nur nach Gegenüber gucken. Ich bin sicher, dass Sie dieser Verantwortung gerecht werden - jedenfalls hoffe ich das. Ich möchte mich für sehr viele, sehr scharfe Debatten auch bei Ihnen
bedanken und sagen, trotz aller Widrigkeiten: Das Parlament wäre ohne Sie definitiv ärmer gewesen.
Ich möchte mich bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedanken, dass sie mich solange ertragen haben. Mittlerweile beginnen wir ja, uns liebzugewinnen, und jetzt muss ich gehen. Ich werde versuchen, das trotz aller Widrigkeiten auf Bundesebene nachzuholen, was bisher nicht gelungen ist. Aber da Robert Habeck sich entschieden hat, mir nach Berlin zu folgen - ich hoffe, es funktioniert -,
kann daraus ja doch noch was werden.
Ich möchte mich bei der Union, bei Daniel Günther bedanken. Ich hoffe, ich habe Ihnen, Herr Ministerpräsident, nicht geschadet, indem ich gesagt habe, sie seien in sechs bis acht Jahren so weit, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschlands zu werden. Ich hoffe nicht, dass die Kanzlerin nun schon ein Meterband angelegt hat. Aber das ist meine feste Überzeugung.
Ich möchte mich bei der CDU-Fraktion für die Jahre wirklich vertrauensvoller Zusammenarbeit bedanken, insbesondere bei dir, mein Freund, HansJörn Arp. Es ist selten, dass man im politischen Betrieb in dem hohen Alter, das uns beide ja auszeichnet,
noch Freundschaften schließen kann.
Ich möchte mich bei meiner Fraktion bedanken und beim SSW sowieso, denn der Kollege Harms ist ja ein Meister der Verbindung. Mit dem SSW kann man nicht nur politisch zusammenarbeiten, sondern auch daneben natural.
Ich wollte damit sagen: Ich habe meine alkoholischen Wettschulden vollständig bezahlt. Ich bin deshalb auch in der Lage, entlassen zu werden.
Jedenfalls auch an euch und an meine Fraktion: herzlichen Dank! Ihr wart so zauberhaft und traumhaft und habt mir so viel ermöglicht.
Bevor ich nun, Herr Präsident, Ihnen mitteile, dass ich als Vizepräsident auch Zeitüberschreitungen zulasse,
möchte ich auf eines noch hinweisen - das ist eine Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen -: Macht euch nicht zu klein. Wir hatten gerade im Deutschen Bundestag die Diskussion über das Gesetzgebungsverfahren, wie Diäten angepasst werden. Wir können machen, was wir wollen. Es gibt immer Menschen, und zwar Menschen, die nicht begreifen, was Parlamentarismus und Demokratie eigentlich bedeuten, die in Frage stellen, ob die, die im Parlament sitzen, das Geld wert seien, das sie bekommen. Ihr seid es - bis auf ganz wenige Ausnahmen - alle wert! Ich kann das sagen, weil mir keiner nachträgt, dass ich im Parlament sitze, weil ich Geld verdienen will. Von denen, die hier sitzen, sind das die Wenigsten. Die Meisten machen einen richtig tollen Job.
Wenn aber Massenmedien die Frage stellen, wie teuer Demokratie ist, dann müssen wir ihnen selbstbewusst antworten: Das Teuerste ist die Nichtdemokratie; denn sie kostet Freiheit und unter Umständen auch das Leben. Wir müssen unsere demokratischen Grundwerte verteidigen, auch gegenüber denjenigen in den eigenen Parlamenten, links oder rechts, vor allen Dingen in den Medien, die das parlamentarische System und damit die Abgeordneten in Frage stellen. Seien wir selbstbewusst genug, mit geradem Kreuz rauszugehen. Dieses Land hat diese Demokratie und diesen Parlamentarismus verdient, und Schleswig-Holstein hat dieses Parlament verdient. - Ich bedanke mich ganz herzlich!
- Moment, Moment! Ich sage jetzt nicht auf Wiedersehen, sondern einfach nur: Tschüs und viel Erfolg weiterhin!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemeinhin wird behauptet, dass der Kollege Dr. Stegner einen messerscharfen Verstand hat. Ich würde ihm empfehlen, ein bisschen mehr Sachverstand durch lebenslanges Lernen hinzukommen zu lassen, damit er verschiedene, wirklich falsche Behauptungen nicht einfach aufstellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst einmal verlangt der Rechtsstaat von seinen Bürgerinnen und Bürgern nichts anderes als die Befolgung von Gesetzen. Alles andere wäre Willkür. Es zählt nicht der politische Wille, sondern es zählt das Gesetz. Solange sich die Menschen an die Gesetze halten, können wir das gut oder schlecht finden. Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir Gesetze ändern. Deshalb denke ich, dass die Behauptung, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung stünden auf der gleichen Stufe, nicht nur sachlich falsch ist, sondern vor allen Dingen dazu führt, dass wir Riesenprobleme bekommen. Steuerhinterzieher brechen das Gesetz, Steuervermeider und Steueroptimierer halten sich an das Gesetz. Herr Dr. Stegner, warum heißt ein Steuerberater Berater und nicht Buchhalter?
Wenn Sie dort hingehen, sagen Sie natürlich: Nennen Sie mir alle Möglichkeiten, die legal sind, um möglichst wenig an das Finanzamt abzuführen. Das macht Herr Stegner nicht. Der geht hin und sagt: Nehmen Sie mehr von mir, als ich eigentlich geben muss, weil es sozial verträglich ist.
Auch das muss ich Ihnen sagen: Wenn jemand als Steuerberater seine Mandanten nicht steueroptimal berät, macht er sich schadenersatzpflichtig. Wenn eine Kapitalgesellschaft im Vorstand keine Steueroptimierungsmodelle nutzt, macht sie sich schadenersatzpflichtig und begeht möglicherweise sogar den Straftatbestand der Untreue, weil sie das Vermögen der Gesellschaft mehren muss, jedenfalls aber schützen muss.
Noch einmal sage ich: Wenn wir feststellen, dass es Möglichkeiten gibt, die wir als Gesetzgeber nicht wollten, die sich aus gesetzgeberischen Fehlverhal
ten entwickelt haben, dann können und müssen wir das ändern. Das ist der Sinn dessen, was die Finanzministerin hier will und was die Europäische Kommission auch will, übrigens europaweit. Seit Juni gibt es einen Richtlinienentwurf zur Meldung von Steuergestaltungsmodellen, die grenzüberschreitenden Verkehr nutzen. So etwas können wir in Deutschland auch einführen, da sind wir uns einig, obwohl das nicht so ohne Weiteres unproblematisch ist, erstens wegen der Verschwiegenheitspflicht der Berufe, die damit befasst sind, zweitens, weil jede Meldung - das sehen wir beim Geldwäschegesetz - die Behörden mit der Folge überfluten könnte, dass man dann in dem großen Haufen die Nadel nicht sieht, die wichtig wäre, um zu erkennen, wo man etwas ändern muss.
Herr Dr. Stegner, wen sehen wir bei den Paradise Papers? - Da sehen wir beispielsweise die HSH Nordbank. Deren Aufsichtsrat waren Sie. Herr Kollege Stegner, ich habe schon einmal gefragt: Als die HSH Nordbank 2007 erklärt hat, dass sie auf den Cayman Islands und auf den Kanalinseln unterwegs ist, was haben Sie gedacht, was die da machen? Bananen kaufen oder mit Kokosnüssen handeln oder das britische Pfund stützen? - Was haben Sie als Aufsichtsrat der HSH Nordbank gedacht, was die Bank da macht?
Wir hören und lesen in den Papieren, dass Gerhard Schröder dort namentlich auftaucht, ohne dass wir wissen, warum eigentlich und in welchem Zusammenhang. Trotzdem wird kolportiert, da könnte etwas Kriminogenes oder Kriminelles sein. Der Rechtsstaat hat übrigens auch die Unschuldsvermutung für Personen jeder Art, vor allem auch für Konzerne. Dort lesen wir: Alle bundesdeutschen Konzerne, die Rang und Namen haben, sind dort vertreten. Sie sind außerdem in Luxemburg, in Delaware und auf den Cayman Islands vertreten. Ich kann Ihnen noch viel mehr nennen. Das wissen wir doch alles. Das hat teilweise auch seinen Grund. Wenn wir jetzt dazu übergehen zu sagen, wir wollen jetzt gegen andere Länder, die Steueroptimierungsgestaltungen anbieten, vorgehen: Auch da kann man sagen, das sei interessant.
Ich warne vor Schnellschüssen und sage: Achtung an der Bahnsteigkante! Wenn die Chinesen oder die Inder auf die Frage kommen, warum VW die Wertschöpfung, die man in China macht, dort nicht versteuert, sondern in Deutschland, dann könnten die Chinesen auch auf die Idee kommen und sagen: Alle Umsätze, die VW oder unsere exportorientierte Wirtschaft in anderen Ländern machen, müssen
dort versteuert werden und nicht hier. Ich bin mir nicht sicher - jedenfalls ist sich das Bundesfinanzministerium nicht sicher -, ob das im Ergebnis für Deutschland besser oder schlechter wäre. Ich vermute einmal, dass es für Deutschland eher schlechter wäre.
Herr Kollege Dr. Stegner, Sie müssen uns auch noch einmal erklären, warum ausgerechnet der Genosse Schulz, Ihr Bundesvorsitzender, der Kanzlerkandidat der Herzen, der über das Wasser laufen kann, verhindert hat, dass in Europa die Luxemburg-Leaks ordentlich aufgeklärt worden sind - damit sein Freund Juncker geschützt wird. Sie müssen uns einmal erklären, warum der VW-Konzern - momentan bestimmt zur Hälfte durch Gewerkschafter, alles SPD, und geführt vom SPD-Land Niedersachsen unter Herrn Weil - nichts dagegen unternommen hat, dass VW sich innerhalb der Paradise Papers bewegt hat, dass VW beispielsweise Gewinne gar nicht erst über Deutschland in diese Oasen transferiert, sondern das direkt aus den Drittländern macht, damit das den deutschen Kreislauf gar nicht erreicht. Das müssen Sie doch einmal erklären.
Ich kann Ihnen sagen - der Kollege Koch hat darauf hingewiesen -: Die Cum-Ex-Geschäfte wären in der Größenordnung unmöglich gewesen, wenn Herr Steinbrück genau das gemacht hätte, was Wolfgang Schäuble 2012 gemacht hat,
nämlich zwei Sätze im Einkommensteuerrecht zu verändern.
Wir müssen uns schon fragen, warum das unter Führung von Steinbrück und Asmussen - jetzt fragen Sie sich einmal, wo der damalige Staatssekretär heute unterwegs ist - damals nicht geschehen ist, obwohl man es gesehen hat. Ich bin froh, dass es Schwarz-Gelb gewesen ist, das diese Lücke geschlossen hat.
Ein Letztes: Ich finde Ihre Angriffe auf mich als Person mittlerweile
- ja, lustig, das wollte ich sagen - lustig. Das werde ich wirklich vermissen. Ich werde gelegentlich vorbeikommen und mich auf die Tribüne setzen, damit der Kollege Stegner Gelegenheit hat, wieder herumzufuhrwerken.
Aber eines kann ich Ihnen sagen: Rechtsanwälte sind Organe der Rechtspflege. Sie sind von Gesetzes wegen verpflichtet, ihre Mandanten vor staatlicher Willkür zu schützen. Das steht ausdrück
lich in der Berufsordnung der Rechtsanwälte. Ein schöner Satz. - Warum? - Weil wir wissen, dass es natürlich staatliche Willkür geben kann. Wenn Sie regieren würden, hätten wir nur staatliche Willkür.
- Definitiv, weil er immer sagt, es sei entscheidend, was der politische Wille aussagt und nicht, was das Gesetz aussagt! Aber mir jetzt wie Herrn Steinbrück, dessen Rolle wir noch einmal genau untersuchen werden, was die Jahre 2006 und 2007 angeht, zu sagen, ich könnte eine bestimmte Funktion nicht einnehmen, weil ich Anwalt sei und meine Mandanten vertreten würde, wozu ich übrigens gesetzlich verpflichtet bin, so etwas von einem Sozialdemokraten gesagt zu bekommen, der als Sozialdemokrat Otto Schily zum Innenminister gemacht hat, obwohl der Terroristen verteidigt hat, das ist schon eine Menge Holz. Da war es in Ordnung, und bei Kubicki, weil es Kubicki ist, ist es nicht in Ordnung.
Herr Dr. Stegner, gehen Sie davon aus - das besprechen wir auch gerade in den Sondierungsgesprächen -, dass wir alles unternehmen werden, um das Steueraufkommen in Deutschland so hoch wie möglich zu halten. Daran haben wir ein unmittelbares Interesse, weil wir anders die vielen Ausgaben, die wir tätigen wollen, gar nicht finanzieren können, denn wir dürfen uns nicht mehr verschulden. Gehen Sie davon aus, dass wir das machen, was Rot-Grün und Rot bei Rot-Schwarz versäumt haben: Wir werden das Steuersystem in Deutschland auf ein festes Fundament stellen, ohne dass wir uns welt- und europaweit sozusagen verkämpfen.
Innerhalb Europas ist momentan wichtig, dass wir einheitliche Bemessungsgrundlagen bekommen. Dass wir innerhalb Europas auch Steuerwettbewerb haben müssen, leuchtet ein. Warum glauben wir denn, dass europaweit die deutschen Steuersätze die richtigen sind, wenn wir schon bei der einheitlichen Bemessungsgrundlage Probleme haben? Beispielsweise bei der Körperschaftsteuer sind wir einen wesentlichen Schritt weiter. Dabei könnten Sie uns helfen und nicht dauernd nur moralische Reden ohne jegliche Substanz halten. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man beginnt eine Rede mit großen Worten. Deshalb möchte ich damit anfangen, dass ich sage: Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa schaut auf Schleswig-Holstein.
- Ich denke nicht so klein wie Sie, Frau Fritzen.
Denn es steht die spannende Frage im Raum, ob es in Berlin gelingen kann, eine Koalition zwischen den Fraktionen von CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu schmieden. Denn daraus folgen politische Konsequenzen nicht nur für Deutschland, sondern für Europa insgesamt. Ich sage: Wenn es uns nicht gelingt, das hinzubekommen, dann werden wir die Demokratieverdrossenheit in Deutschland in einem Maß steigern, dass uns angst und bange werden muss. Wir sind zum Erfolg verdammt, und man schaut auf Schleswig-Holstein, weil wir es geschafft haben, aus völlig unterschiedlichen Positionen heraus zumindest eine Vertrauensbasis zu entwickeln, die das Projekt Jamaika in Schleswig-Holstein zum Erfolg führen kann. Dafür möchte ich mich zunächst bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in besonderer Weise bedanken, aber auch bei der CDU. Das war von Anfang an nicht so ohne Weiteres zu sehen. Aber es ruckelt sich mittlerweile zurecht. Ich bin sicher, dass das Projekt in Schleswig-Holstein erfolgreich werden kann, wie auch das Projekt auf Bundesebene.
Ich möchte mich bei dem Ministerpräsidenten des Landes ausdrücklich für seinen Auftritt bei „Berlin direkt“ bedanken, als er auf die Frage, ob die CDU/ CSU nach rechts rücken muss, gesagt hat, er empfehle seiner eigenen Partei, sich einmal anzuschauen, wie die Wahlergebnisse in den Ländern aussehen, wo die Protagonisten des Rechtsrucks sitzen, und in denen, wo sie es nicht tun. Wenn man sich die Landkarte anschaut, dann haben die Unionskräfte dort zugelegt - jedenfalls nicht so stark abgenommen -, wo es eine moderate Politik gegeben hat. Die Jamaika-Koalition hat ja insgesamt hier in Schleswig-Holstein bei der Bundestagswahl gut abgeschnitten, wenn man sich die Bundestrends anguckt. Auch das ist vielleicht ein Fingerzeig darauf, dass es nicht darum geht, rechts oder links zu stehen, sondern eine verantwortbare Politik für die Menschen zu machen, die ihnen die Hoffnung gibt, dass wir die Probleme, die vor uns liegen, auch tatsächlich bewältigen werden.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal mit dem Kollegen Dr. Stegner beschäftigen - ganz kurz nur, weil meine Büroleiterin gesagt hat, ich solle das lassen, es lohne sich nicht mehr, und es lohnt sich tatsächlich nicht mehr - und sagen: Herr Dr. Stegner, die Tatsache, dass Robert Habeck und Daniel Günther in Berlin gewünscht und gebraucht werden und dass ich mich selbst dazu erkläre, dass ich gewünscht und gebraucht werde,
ist etwas, worauf wir stolz sein können. Das unterscheidet sich jedenfalls von dem, was Ihre Parteifreunde dauernd twittern, nämlich, Sie mögen bitte im Fernsehen nicht mehr auftreten, weil es die SPD Prozente kostet. Das ist der Unterschied, dass man uns will und Sie offensichtlich nicht will. Sie stellen sich heute hier hin und sagen, Sie nehmen es dem Ministerpräsidenten übel, dass er sich in Berlin dazu geäußert hat, dass CDU und CSU zumindest einmal zu einem Kompromiss gefunden haben, was ja eine Grundlage für Gespräche sein kann. Hätten sie es nicht gemacht, dann könnten wir gar nicht miteinander reden. Gleichzeitig werfen Sie ihm vor, er habe damit akzeptiert, dass der Flüchtlingsnachzug weiterhin begrenzt oder ausgesetzt bleibe. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Vertrauen Sie auf die Kampfstärke von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Freien Demokraten. Wir werden das in Berlin schon so durchsetzen, wie wir es hier vereinbart haben; definitiv.
Sie müssen sich trotzdem fragen lassen: Wo war eigentlich die Sozialdemokratie dieses Landes? Wo waren Sie eigentlich, als der Bund beschlossen hat, den Familiennachzug auszusetzen? Sie hätten das doch verhindern können, Herr Stegner. Sie dokumentieren dauernd Ihre eigene Schwäche und werfen den anderen vor, dass sie sich nicht so verhalten, wie Sie sich verhalten haben.
Ein letzter Punkt dazu: Mir würden die FacebookAuftritte von Ralf Stegner fehlen, weil ich mich durch sie morgens immer aufbauen und mir sagen kann, warum ich Politik betreibe. Aber in einem Punkt gebe ich Ihnen recht, Herr Dr. Stegner, das meine ich jetzt in allem Ernst. Das habe ich Ihnen vor der letzten Wahl schon gesagt: Sie haben recht, wenn Sie auf Ihrer Facebook-Seite formulieren, die SPD müsste sich inhaltlich und personell neu aufstellen. Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen und hier nicht wieder die Reden der letzten Jahrzehnte halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein stand in der Vergangenheit still. Die letzte Regierung hat geflickschustert, gemauschelt, geredet, kaum etwas getan, nichts gestaltet, nichts bewegt. Auch das ist die Wiederholung meiner Reden, als es diese Regierung noch gab; unter Torsten Albig, der interessanterweise erklärt hat, dass nicht er für die Wahlniederlage verantwortlich war, sondern der Landesvorsitzende, weil dieser eine falsche Strategie angewandt habe, nicht die Erfolge der Regierung Albig zu proklamieren, sondern auf Themen zu setzen, von denen sich die Menschen in der überwiegenden Mehrheit nicht angesprochen fühlten.
Die Straßen verkamen, das können wir feststellen, die Schulen und die öffentlichen Gebäude wurden rissig wie auch das Image Schleswig-Holsteins. Staub hatte sich über das Land gelegt; Staub, den die Bürgerinnen und Bürger nur mit großer Mühe und viel Engagement an mancher Stelle beiseite fegen konnten.
Die alte Regierung verharrte in alten Denkmustern. Es fehlte ihr an Weitsicht und Kreativität. Mit der Wahl haben sich die Bürgerinnen und Bürger gegen das Alte und für das Neue entschieden. Sie wollten Veränderung, weil sie spürten, dass Schleswig-Holstein dringend Veränderung braucht. Sie spürten: Ein „Weiter so!“ ist nicht mehr möglich. Diese Koalition hat es sich zur Aufgabe gemacht, den drin
gend nötigen Wandel endlich einzuläuten; mit Klarheit, Pragmatismus, zupackend und entschlossen.
Ja, CDU, Grüne und FDP liegen inhaltlich nicht immer auf der gleichen Linie, doch ich sage ausdrücklich, das ist kein Nachteil. Das ist eine gewaltige Chance, um neu zu denken. Alle Koalitionsparteien waren schon vorab dazu gezwungen, sich zu hinterfragen und zu prüfen, welches der eigenen Anliegen das Land wirklich voranbringt. Am Ende dieses Prozesses und der Verhandlungen stand eine Koalition, die die Einheit in der Vielfalt, die unsere Gesellschaft braucht und präsentiert, repräsentiert, und ich bekenne mich dazu, dass jede Partei innerhalb einer Koalition, die eine gemeinsame Projektion hat, immer noch ihr eigenes Gesicht wahren muss, weil ansonsten das Gefühl entsteht: Wir haben unsere politischen Positionen, die wir zur Wahl gestellt haben, nicht ernst genommen.
Es ist ein wirklich einzigartiges Bündnis, das wir hier eingegangen sind; ein Bündnis, das über egoistische Parteiinteressen hinweg endlich neue Wege einschlagen kann. Wir Freie Demokraten wollen und werden in dieser Regierung dazu beitragen, dass die Potenziale und Kräfte, die in SchleswigHolstein verborgen liegen, endlich freigesetzt werden. Wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass jeder Einzelne die Möglichkeit und die Freiheit bekommt, seine Fähigkeiten voll zu entfalten. Wir möchten, dass die Menschen dieses Landes nicht verzagen, sondern mutig nach vorn blicken. Sie dürfen nicht weiter von einer tatenlosen engstirnigen Regierung frustriert werden. Sie müssen wieder das Gefühl bekommen, in einem Land zu leben, das ihren Erfindergeist, ihren Wissensdurst, ihr Engagement und ihren Unternehmerdrang fördert.
Wir befinden uns in einer einzigartigen Situation. Es gibt jetzt ein Momentum, das wir als Regierung nutzen; das heißt wir, der Ministerpräsident und die Kabinettsmitglieder. Tatsächlich haben wir auch schon manches erreicht, beispielsweise in der Bildung. Landtag und Regierung haben zügig für die Umstellung von G 8 auf G 9 gesorgt und dies, ohne einfach über die Wünsche von Schülern und Eltern hinwegzurollen. Das ist übrigens der Unterschied zu den Sozialdemokraten der letzten Regierung. Da gab es keine Möglichkeit der Wahlfreiheit. Sie hatten dies zu 100 % ausgeschlossen. Wir ermöglichen zumindest dann, wenn zwei Gruppen überzeugend darlegen können, dass sie etwas mit Zustimmung der dritten Gruppe wollen, dass sie bei ihrem Mo
dell bleiben können, ohne dass wir ihnen von Ministeriumsseite etwas anderes aufoktroyieren.
Die FDP hat sich klar dafür eingesetzt, dass die Schulkonferenz frei darüber entscheiden können soll, welche Schulform für ihre Schule die richtige ist. Die Schullandschaft soll plural bleiben. Das war unser Wunsch, und das war übrigens auch der Wunsch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das muss ich ausdrücklich sagen. Unsere Koalitionspartner sahen das zumindest im Grundsatz ähnlich, und so werden wir die Wahlfreiheit im Schulgesetz verankern.
Die Bearbeitung des Rettungsdienstgesetzes wurde in Angriff genommen, sodass wir bald mit der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs rechnen können. Die Notfallrettung wird dann künftig für private Anbieter offen sein und kann damit flexibler und effizienter ablaufen.
Das Sozialministerium stößt auch eine neue Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern an, um die frühen Hilfen finanziell abzusichern. Eltern und Kinder werden fortan besser geschützt und unterstützt, genauso wie Menschen mit Behinderung. Ein Gesetzgebungsverfahren wurde bereits eingeleitet, das die Frage der Trägerschaft der Eingliederungshilfen besser regeln soll.
Was erwarten Sie eigentlich noch in den ersten 100 Tagen? - Ich sage: Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Selbst Gott brauchte mindestens sechs Arbeitstage, um die Welt zu erschaffen. In 100 Tagen können wir den Koalitionsvertrag nicht vollständig abarbeiten. Wir sind auf einem guten Weg.
Schließlich haben sich Minister Garg und sein Haus eine wahre Mammutaufgabe vorgenommen. Sie wollen das Chaos in der Kita-Finanzierung endlich beseitigen, über das wir doch auch schon seit mehr als zehn Jahren reden. Über Jahre wurde ohne Plan und Konzept ein Flickenteppich an Erlassen produziert, bei dem keiner mehr, weder Land, noch Kommunen, noch die Kitas, so richtig durchblickt. Die Folge ist Unsicherheit bei den Beschäftigten und Verunsicherung bei den Eltern. Herr Minister Garg hat bereits gezeigt, dass er sich dafür einsetzen wird, dass das ein Ende hat. Zugleich wird dafür gesorgt, dass alle Kitas künftig denselben Qualitätsstandards unterliegen und dass die Elternbeiträge gedeckelt werden. In den nächsten Jahren wird deshalb die Landesregierung deutlich mehr Geld in das
Kita-System fließen lassen: in 2022 ganze 180 Millionen €. Das ist ein wichtiges Signal dafür, dass die frühkindliche Bildung für uns, für diese Regierung, für diese Koalition, einen zentralen Stellenwert hat.
Diese Koalition denkt nicht nur an das Jetzt, sondern auch an die Zukunft. Mit dem Zukunftslabor soziale Sicherung, das der Landtag auf den Weg brachte, wird eine Plattform entstehen, die dazu dient, dass sich Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über die soziale Sicherung von morgen austauschen können. Wir brauchen doch neue Modelle, die den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht werden. Wenn es nach uns geht, dann wäre dies ein Bürgergeld, das es jedem erlaubt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Steuerfinanzierte Sozialleistungen wollen wir zusammenfassen und damit Bürokratie abbauen.
Unsere Koalitionspartner haben zum Teil andere Vorstellungen, aber das ist überhaupt nicht schlimm. Das bessere Modell oder vielleicht eine Mischung aus den besten Gedanken soll sich am Ende durchsetzen, damit wir das Optimum für Schleswig-Holstein und Deutschland erreichen. Die Gestaltung der Zukunft wird nicht am Parteigezänk scheitern. Auch das ist doch etwas, worauf wir stolz sein können. Ich höre aus Berlin immer wieder: Wenn wir so etwas in Berlin einrichten könnten, dann wären wir bei der Frage der Altersversorgung und der Frage der Digitalisierung und des Anpassungsdrucks für viele Beschäftigte einen deutlichen Schritt weiter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich deutete es bereits an: In Schleswig-Holstein muss etwas getan werden. Investitionen braucht das Land. Jahrelang wurde kaum bis gar nicht in die Infrastruktur investiert. Schulen, Straßen, Brücken und Universitäten befinden sich zum Teil in einem Zustand, der eine Schande ist. Darunter leidet nicht nur jeder Einzelne jeden Tag, wenn er auf dem Weg zur Arbeit im Stau steckt, wenn er als Student in maroden Hörsälen sitzt oder wenn seine Kinder nicht mehr gern zum Sportunterricht gehen, weil die Turnhalle auseinanderzufallen droht. Am Ende spürt das das ganze Land, weil die Wirtschaftskraft erlahmt und der Wohlstand sinkt.
Wenn ich jetzt lese und höre, dass man uns vorwirft, wir hätten die Investitionsquote von 10 %
noch nicht erreicht, dann finde ich das ganz lustig. Das können wir nicht in den ersten 100 Tagen leisten, auch nicht im ersten Jahr. Es steht bei uns, dass wir eine Erhöhung der Investitionsquote wollen. Im FDP-Wahlprogramm stand: bis 2020 auf 10 % und bis 2015 auf 12,5 %. Dass wir aber deutlich mehr Geld für Investitionen ausgeben, liegt auf der Hand. Dafür danke ich auch der Finanzministerin, die ja in anderen Bereichen dafür Sorge tragen musste, dass das Geld zusammenkommt, um Straßenbau, Straßenerneuerung und Infrastrukturausbau möglich zu machen.
Herr Dr. Stegner, dass wir das im nächsten Jahr nicht alles abarbeiten können, mag sein, aber dafür trägt die Vorgängerregierung die Verantwortung. Uns fehlen die Planungskapazitäten, die Sie hätten aufbauen müssen. Die haben Sie nur nicht aufgebaut, weil Sie das nicht wollten. Jetzt müssen wir nachholen, was Sie versäumt haben. Werfen Sie uns das nicht vor. Wir werden das so schnell wie möglich auf die Reihe bringen.
Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2017 haben wir weit über 100 Millionen € mehr Steuern eingenommen als im vergangenen Jahr. Diese Einnahmen müssen wir jetzt reinvestieren. Seit Jahren haben wir darauf gedrängt, die Investitionen zu steigern. Unter der Vorgängerregierung war die Investitionsquote so niedrig wie kaum zuvor. Nun sorgen wir - ich betone: zusammen mit unseren Koalitionspartnern - dafür, dass das dringend benötigte Geld endlich kommt.
2018 wird erstmals über 1 Milliarde € in den Aufbau unseres Landes fließen. Das sind immerhin 300 Millionen € mehr als 2016. Die Haushaltslage erlaubt solch große Sprünge. Sie ist Teil des einzigartigen Momentums, von dem ich vorhin sprach und das wir nicht ungenutzt vorüberziehen lassen dürfen. Täten wir es, so versündigten wir uns an den nachfolgenden Generationen dieses Landes.
Um mit Märchen aufzuhören, kann ich hier noch einmal betonen: Monika Heinold und ich waren uns in den Koalitionsverhandlungen, was die Finanzlage des Landes und die weitere Strukturierung angeht, immer einig. Das wird auch so bleiben. Wir waren uns auch einig, was die Frage der Grundund Erwerbsteuer angeht. Der Vorschlag zur Kompensation eines Freibetrages für junge Menschen, die ja Eigentum bilden sollen - wer denn sonst, wenn nicht junge Menschen? -, kam von uns. Wir haben es gemeinsam durchgesetzt und sagen: Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben.
Wenn es uns auf Bundesebene gelingt, die bisherige Ausnahmeregelung für Kapitalgesellschaften wegzuhebeln, dann werden wir die Mittel, die dadurch frei werden, diesen jungen Familien zurückgeben. Das ist ein gutes Konzept, dafür kann man uns nicht kritisieren. Man müsste uns dafür eigentlich loben.
Aber dafür brauchen wir zunächst eine Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes auf Bundesebene, und zwar in beiden Bereichen, sowohl was die bisherige Bevorzugung der Kapitalgesellschaften als auch die Freibetragsregelung angeht, die bisher nicht möglich ist, weil es die gesetzliche Grundlage nicht gibt.
- Sie können sich entspannen. - Ich bin froh, dass auch die neue Bundesregierung, wenn sie aus CDU, CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zusammengesetzt sein sollte, dies unabhängig von der Initiative aus Schleswig-Holstein auf den Weg bringen wird.
Wir denken in dieser Regierung - das mag Herrn Stegner vielleicht nicht gefallen - und namentlich im Wirtschaftsministerium in großen Maßstäben. Deshalb wird auch die Begrenzung des Investitionssondervermögens IMPULS 2030 aufgehoben. So wird die Möglichkeit geschaffen, die Mehreinnahmen, die wir derzeit erzielen, einzupreisen. Wir schaffen damit das, woran es der alten Regierung gefehlt hat: Flexibilität.
Mit viel Geld allein sind Probleme des Landes natürlich nicht in den Griff zu bekommen. Es geht darum, wie schnell dieses Geld umgesetzt wird. Um rasche und sinnvolle Investitionen zu ermöglichen, hat das Wirtschaftsministerium eine Taskforce geschaffen, die die Vorhaben, die im Rahmen von IMPULS unternommen werden, straffer, zügiger und unbürokratischer ins Werk setzen kann. Gleichzeitig wird ein effektives Controlling stattfinden, das die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft. Selten wird die Entschlossenheit zum Wandel, die diese Regierung beseelt, deutlicher als genau hier. Wir möchten die Veränderung - schnell, einfach, pragmatisch, effektiv.
Zum Glück haben wir einen Wirtschafts- und Verkehrsminister, der mit seiner zupackenden Art schon aufgefallen ist.
- Ich verstehe auch nicht, warum hier gelacht wird. Man kann sich natürlich darüber beschweren, dass eine öffentliche Performance besser ist als die anderer. Aber Wettbewerb ist in diesem Bereich wichtig und nicht das Vermeiden von öffentlicher, und zwar positiver, Erwähnung.
Als erstes großes Infrastrukturprojekt wird nun auch dank seiner Tatkraft und seines Verhandlungsgeschicks der sechsspurige Ausbau der Rader Hochbrücke in Angriff genommen. Es stimmt: Die alte Regierung hatte schon manche Vorarbeit geleistet. Herr Stegner wird ja nicht müde, darauf hinzuweisen, womöglich deshalb, weil die letzte Wahlperiode ansonsten so arm an verkehrspolitischen Initiativen vonseiten der Regierung war. So rechnet man es sich eben hoch an, immerhin ein Projekt zumindest angestoßen zu haben.
Schleswig-Holstein ist kein Land der Großindustrie. Der Wohlstand unseres Landes beruht auf der Leistungs- und Innovationskraft unserer mittelständischen Unternehmen. Dieser großen Bedeutung des Mittelstandes wird es gerecht, dass vorige Woche der Mittelstandsbeirat im Wirtschaftsministerium zusammentrat. Dieses regelmäßig tagende Beratergremium aus Industrie, Handel, Handwerk, Wissenschaft und freien Berufen liefert den Input, den das Wirtschaftsministerium braucht, um zielgerichtet unbürokratisch dort anzupacken, wo es hapert. Wenn die Entscheidungen der Regierung wirklichkeits- und praxisnah sein sollen, dann braucht es eine solche direkte Kommunikation. Vom grünen Tisch aus regiert man kein Land.
Wir fühlen uns dem Ziel verpflichtet, den Bürokratieabbau endlich wirksam voranzutreiben. Deshalb wird die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn vereinfacht und praxisnäher gestaltet. Das derzeitige Verfahren ist zu kompliziert, zu realitätsfern und eine Fessel für unsere Wirtschaftskraft. Im kommenden Monat bringt deshalb Schleswig-Holstein einen im Wirtschaftsministerium erarbeiteten Gesetzentwurf in den Bundesrat ein, der die bestehenden Regelungen reformiert. Auch da kann ich sagen: Wenn es auf Bundesebene zu einer konstruktive Lösung kommen soll, müssen wir nicht den Mindestlohn abschaffen - was soll das? -, sondern wir müssen die Dokumentationspflichten reduzieren, und zwar nicht nur beim Mindestlohn, sondern vor allen Dingen auch bei den pflegenden und erziehenden Berufen. Wenn ich höre, dass 50 % der Arbeitskraft dafür verwendet werden, zu dokumen
tieren, dann denke ich, dass wir in diesem Bereich sehr viel für die Menschen tun können, wenn wir die Dokumentationspflichten reduzieren.
- Ich höre gerade von sozialdemokratischer Seite, wir hätten abgelehnt. Wir haben nicht abgelehnt, die Dokumentationspflichten zu reduzieren, sondern wir haben abgelehnt, sie zu erhöhen. Das haben Sie ja vorgenommen. Das ist Ihr Versäumnis und nicht unser Versäumnis.
Es ist unser Wille und der des Wirtschaftsministers, die bestehende Gesetzeslage auf Bundesebene in absehbarer Zeit zu ändern.
Die Wirtschaft zu stärken, das bedeutet nicht nur Wohlstand zu schaffen. Wenn der SPD gar nichts mehr einfällt, holt sie das alte Klischee von der wirtschafts- beziehungsweise neoliberalen FDP, die den kleinen Mann vergisst, aus der Mottenkiste. Auf die Heuchelei, die dahinter steht, mag ich gar nicht weiter eingehen. Keiner der SPD-Granden muss sich um sein Auskommen sorgen oder stammt aus prekären Verhältnissen. Die SPD vergisst immer, dass erst eine starke Wirtschaft Arbeitsplätze schafft und dass erst diese Arbeitsplätze es den Menschen erlauben, ein selbstständiges, unabhängiges und freies Leben zu führen, ein Leben, wie es auch jene führen wollen, die erst seit Kurzem in unserem Land sind, und die, die noch kommen möchten. Deshalb ist erste Aufgabe eine starke Wirtschaft, die viele Arbeitsplätze zur Verfügung stellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten die Wirtschaft stärker als bisher als einen Faktor der Integration und als ein Mittel betrachten, die Ressentiments, die in diesem Land gewachsen sind, zu zerstreuen. Die AfD, ein Produkt dieses Ressentiments und der Angst, setzt auf die Rezepte der Vergangenheit, die von der Geschichte wahrlich ausreichend widerlegt wurden. Wir als Koalition möchten andere Wege gehen und mutig nach vorn blicken. Wenn den Menschen, die hierherkommen, die Möglichkeit gegeben wird, zu arbeiten, dann werden nicht nur die Lügen gestraft, die meinen, die Immigration koste Deutschland zu viel, sondern es führt auch dazu, dass sich die Einwanderer als wertgeschätzte Mitglieder dieser Gesellschaft fühlen können.
In diesem Sinn hat das Wirtschaftsministerium einen Entwurf zur Änderung der bestehenden bundesgesetzlichen Lage vorbereitet, wodurch das Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse beschleunigt und verbessert werden soll. Ich begrüße diese Initiative auch sehr, weil so dem Fachkräftemangel wirklich zielgerichtet begegnet werden kann.
Ich sage noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir wollen die Zukunft gestalten und nicht die Vergangenheit verwalten. Dazu gehört auch, dass wir an den Herausforderungen, die auf uns zukommen, wachsen. Die Digitalisierung ist eine solche Herausforderung, die uns, wenn wir sie richtig angehen, voranbringen und ein großer Segen für Schleswig-Holstein sein kann.
Das Wort „Digitalisierung“ ist derzeit in aller Munde. Es ist aber mehr als nur ein Modewort und bezeichnet mehr als einen flüchtigen Trend. Die Digitalisierung ist ein Prozess, der unweigerlich alle Bereiche unseres Lebens erfassen und nachhaltig verändern wird. Zum Teil geschieht dies ja schon. Dieser Sturm der Veränderung wird uns umwerfen, wenn wir versuchen, uns wegzuducken. Wir müssen uns von ihm tragen lassen und dabei das Steuer fest in der Hand halten. Was wir dabei brauchen, ist Zuversicht, Entschlossenheit und vor allen Dingen eine klare Strategie. Die FDP wird in dieser Regierung, übrigens mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN da haben wir eine wirklich tragende Gemeinsamkeit -, dafür sorgen, dass das Thema der Digitalisierung nicht unter den Tisch fällt und Schleswig-Holstein die neuesten Entwicklungen nicht verschläft. Unsere Koalitionspartner, allen voran der Digitalisierungsminister Robert Habeck - ich muss mich erst einmal daran gewöhnen, dass er Digitalisierungsminister ist -, gehen diese Wege mit uns.
- Er ist online, ja, ich sehe es. Er verfolgt diese Rede einfach online. - Das Digitalisierungskabinett hat nun erstmals getagt und wird fortan als Forum des Austauschs dienen, damit wir die Defizite der letzten Jahre endlich aufholen können. Der Breitbandausbau wird und muss flächendeckend kommen, genau wie die Digitalisierung der Verwaltung, sei
es in den Behörden, in der Justiz oder in den Schulen.
Diese Regierung war alles andere als untätig. Manche unserer Maßnahmen habe ich noch gar nicht erwähnt, wie etwa die zur Verbesserung der Sicherheit in diesem Land. So bleiben dank dieser Regierung die Polizeistationen auf dem Land erhalten. Der Opposition genügt dies natürlich nicht. Herr Stegner & Co. machen das, was man als Opposition eben so macht, wenn man wenig zu kritisieren hat: Man pickt sich Einzelthemen heraus, überzeichnet die tatsächliche Lage und bemerkt dabei manchmal gar nicht, dass man sich selbst widerspricht.
Herr Stegner, Sie müssen im Tiefschlaf gewesen sein - die Kollegin von Kalben hat das vielleicht auch schon angesprochen -, wenn Sie nicht gesehen haben, was wir jetzt schon in nur drei Monaten trotz Sommerpause bewegt haben. Gleichzeitig sagen Sie, dass Ihnen vieles zu schnell gehe, zum Beispiel die Einführung von G 9, mit der wir frühzeitig Klarheit und Planungssicherheit für die Eltern schaffen. Mal geht es zu langsam, mal geht es zu schnell. Entscheiden Sie sich einfach einmal. Die Opposition fällt zum Glück nicht nur mit der Polemik von Herrn Stegner auf, die kaum noch jemand in diesem Saal und draußen ernst nimmt und die allmählich nur noch peinlich wirkt. An guten Tagen ermuntert uns der vernünftige Rest der Opposition - er kommt ja noch - dazu, nicht müde zu werden und an Tempo nicht nachzulassen.
Die Regierung hat während der letzten Monate viel erreicht, aber es liegt tatsächlich noch viel mehr vor uns. Ich kann Sie beruhigen: Wir werden uns nicht in Eigenlob ergehen und uns nicht entspannt zurücklehnen. Wir werden weitermachen.
Wir wollen in Schleswig-Holstein weiter investieren, nicht nur finanziell. Wir wollen in die Bildung unserer Kinder investieren, um diese endlich auf ein Spitzenniveau zu heben. Die Kinder sollen zu eben solchen freien, selbstbestimmten, kritischen, weltoffenen und innovativen Köpfen werden, wie wir es uns als Freie Demokraten vorstellen. Wir wollen selbstverständlich auch dazu beitragen, dass kein Kind mehr ohne Abschluss die Schule verlässt. Sie müssen umfassend ausgebildet werden. Dazu gehört eben auch eine Ausbildung in den Kulturtechniken der Zukunft. An den Schulen muss der Umgang mit Informationstechnologien und digitalen Medien einen höheren Stellenwert bekommen als bisher. Damit das überhaupt möglich ist, braucht es vor allem mehr Lehrer. Den Lehrkräftemangel zu beseitigen, ist eine der größten Herausforderun
gen der Bildungspolitik dieser Regierung in den nächsten fünf Jahren.
Es liegt an uns, die Jüngeren auf die Lebens- und Arbeitswelt von morgen vorzubereiten. Das bedeutet auch, die berufliche Ausbildung auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Auszubildenden werden künftig besser auf die Herausforderungen der Industrie 4.0 vorzubereiten sein. Zugleich muss ihre Ausbildung praxisnäher werden. Um die Berufsausbildung zu stärken, wird deshalb das SHIBB im Wirtschaftsministerium aufgebaut - das SchleswigHolsteinische Institut für Berufliche Bildung. Die Neuverteilung der Zuständigkeiten zwischen Wirtschafts- und Bildungsministerium sind Ausdruck des neuen Stellenwertes, den die Berufsausbildung jetzt in Schleswig-Holstein hat.
Die Zukunft zu gestalten, bedeutet auch, dass wir die Wissenschaft endlich als ein politisches Schwerpunktfeld begreifen. Bislang ist es vor allem dem Engagement der Hochschulen zu verdanken, dass Schleswig-Holstein ein profilierter Wissenschaftsstandort ist. Im Ländervergleich besteht aber immer noch Nachholbedarf. Damit wir den Anschluss nicht verlieren, wird fortan mehr Geld in die Renovierung und den Ausbau der Hochschulen fließen. Es wird eine klarere wissenschaftspolitische Strategie zu erkennen sein.
Schleswig-Holstein soll smarter werden. Das gilt auch für die Energieversorgung, die vernetzt werden muss, wenn wir umwelt- und wirtschaftsfreundlich zugleich sein wollen.
Schleswig-Holstein soll mutiger und zuversichtlicher werden. Das Wirtschaftsministerium wird noch mehr dafür tun. Darauf können Sie und können wir uns verlassen. Die Meistergründungsprämie und ein bürokratiefreies Jahr für Unternehmensgründungen werden dazu führen, dass sich mehr Bürgerinnen und Bürger dazu entschließen, ihre unternehmerischen Pläne und ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Die Gelegenheit ist günstig. Fördern wir Entrepreneurship und Gründergeist, und wir, Frau Heinold, diskutieren nach wie vor darüber, ob es nicht möglich ist - jedenfalls bei den neuen Firmen, bei den Start-ups -, in den ersten Jahren eine nachgelagerte Besteuerung vorzunehmen, statt Vorauszahlungen zu leisten, damit die Liquidität im Unternehmen bleibt und zunächst nicht vom Finanzamt eingezogen wird. Auch da, glaube ich, finden wir eine vernünftige Lösung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein soll moderner werden. Den Staub der Vergangenheit haben wir so langsam abgeklopft. Nun
müssen wir uns für die Zukunft bereitmachen. Dafür ist noch viel zu tun. Doch die Chance ist da, und ich sage Ihnen, wir werden sie nutzen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon erstaunt, und da kann ich dem Kollegen Andresen nur zustimmen, dass der Kollege Dolgner kritisiert, dass wir uns mit einem Thema beschäftigen, das bundesweit von Bedeutung ist und bei dem es auf die Haltung des Parlaments in Schleswig-Holstein ankommt.
Warum wollen wir heute die Erklärung abgeben, dass wir, unabhängig von der Frage, ob dieser überhaupt zugeleitet werden wird, dem Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht zustimmen? - Damit die anderen Bundesländer merken, dass wir eine einheitliche Regulierung brauchen und sich jetzt gemeinsam mit uns auf den Weg machen, das Glücksspielrecht in Deutschland insgesamt neu zu ordnen. Machen wir das nicht, dann bleiben die Gerüchte im Raum stehen: Schleswig-Holstein wird schon einknicken, wir machen das jetzt erst einmal, und dann machen wir das andere später.
Wir wollen diese Illusion bei den anderen zerstören, und ich hoffe, dass die Staatskanzleien der anderen Länder genau zuhören, dass dieses Parlament jedenfalls in diesem Jahr den Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht als Gesetzgebungswerk umsetzen wird. Damit muss man sich auf den Weg machen, etwas Neues zu organisieren.
Warum? - Der Zweite Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist genauso rechtswidrig wie der bestehende Glücksspielstaatsvertrag, und zwar deshalb, weil er genau den zentralen Bereich, auf den es ankommt, nämlich das Online-Spiel, weder für Sportwetten noch für Poker noch für Kasinospiele regelt und reguliert. Die Kohärenz besteht darin, dass der Glücksspielmarkt entweder insgesamt reguliert wird oder dass Teilbereiche wie dieser ausgenommen werden. Das führt tatsächlich dazu, dass die Europarechtsfähigkeit nicht gegeben ist. Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass Sie über einen An
bieter in Dänemark spielen können und in Schleswig-Holstein, in Deutschland, nicht?
Wir wollen endlich den staatlichen Rahmen schaffen, indem wir auch bei privaten Anbietern dafür Sorge tragen können, dass der Suchtprävention Genüge getan wird. Wir stehen mit dem derzeitigen Totalverbot der Online-Spiele vor der absurden Situation, dass wir dadurch nicht mehr für die Suchtprävention tun, sondern ihr sogar noch entgegenwirken. Es hat sich ein riesiger nicht kontrollierter Markt gebildet. Wir reden hier von einem Milliardengeschäft, auf das keiner von uns irgendeinen Einfluss hat, egal wie man sich auch rhetorisch für die Suchtprävention einsetzen mag. Einfluss gewinnen wir erst wieder, wenn wir den illegalen und nicht regulierten Markt zurückdrängen, und das geht nur durch attraktive legale Angebote in einem regulierten Markt. Dafür sind wir doch zuständig.
Vier Fünftel des Marktvolumens im nicht regulierten Glücksspiel entfallen auf das Online-Spiel, und 50 % der Bruttospielerträge im nicht regulierten Glücksspielmarkt werden durch Online-Spiele erzielt. Das ist die Größenordnung an Glückspiel, das sich staatlicher Regulierung in Deutschland bisher entzieht, und hier müssen wir dringend etwas tun, und zwar mit den anderen Ländern gemeinsam. Von heute geht das Signal aus: mit den anderen Ländern gemeinsam. Aber wir beteiligen uns nicht mehr an rechts- und europarechtswidrigen Maßnahmen der anderen Länder, nur um das Lotteriemonopol zu retten, das wir ja auf andere Weise stärken können.
Dass ausgerechnet Sozialdemokraten sich dagegen wehren, zeigt mir, dass sie in der neuen Welt noch nicht angekommen sind. Herr Stegner, die Digitalisierung ist vielleicht noch ein Schlagwort für Sie, aber Sie müssen sich einmal anschauen, was im Internet passiert. Dann kann Ihnen sicher nicht mehr entgangen sein, dass wir dort Regulierungen schaffen müssen, die wir durchsetzen können und die nicht nur rhetorischer Natur sind, indem wir sie hier reklamieren.
- Ich weiß, dass Sie damit nichts zu schaffen haben. Das ist auch gut so, dass Sie damit nichts mehr zu schaffen haben. Das ist ja der Sinn der letzten Wahl gewesen, dass Sie damit nichts mehr zu schaffen haben,
aber ich dachte, ich kann zur Fortbildung der Sozialdemokratie beitragen, weil ich immer noch hoffe, dass Sie mehr wollen als 21 oder 22 % bundesweit.
Das, was mich, was uns alle aber am meisten ärgert, ist, dass uns pro Jahr circa 1,3 Milliarden € an Mitteln verlorengehen, die den Ländern zur Verfügung stehen würden. Seit fünf Jahren verzichten wir bundesweit pro Jahr auf 1,3 Milliarden € an Mitteln, die den Ländern zur Verfügung stehen würden. Ich kann Ihnen einmal sagen, was wir alles damit machen könnten. Dass eine Sozialdemokratie und andere das einfach sehenden Auges hinnehmen, aus welchen Gründen auch immer, ist mir unverständlich. Wir sind darauf angewiesen, dass wir nicht nur darüber reden, dass wir bessere Bildung und bessere Straßen brauchen, und wir werden vielleicht für die Schulden der HSH Nordbank aufkommen müssen. Wir müssen deshalb auch dazu beitragen, dass die Ertragssituation sich für die Länder insgesamt verbessert, und dazu leisten wir heute den entscheidenden Beitrag.
Noch einmal: Wir fordern die anderen Länder auf, mit uns gemeinsam von jetzt an den Weg zu gehen, denn der alte Glücksspielstaatsvertrag ist europarechtswidrig. Er hält keine drei Monate mehr. Wir haben ein halbes Jahr Zeit, das vernünftig zu regeln. Wir haben gute Vorlagen: Dänemark, Schleswig-Holstein, was auch immer. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Das ist auch meine Bitte an den Ministerpräsidenten dieses Landes, nämlich das in der MPK deutlich zu machen. Wir strecken die Hand aus, aber wir beteiligen uns nicht mehr an rechtswidrigen Aktionen. - Herzlichen Dank.
Herr Kollege Dr. Dolgner, wir kennen uns lange und gut. Habe ich Sie jetzt dahin gehend richtig verstanden, dass, wenn Ministerpräsidenten einen Staatsvertrag ausgehandelt haben, die Parlamente diesen Staatsverträgen immer zustimmen müssen, weil ansonsten ja ein, zwei oder drei Länder, die dem nicht zustimmen würden, den anderen ihren Willen aufzwingen würden? Müssen wir jetzt Staatsverträge immer zustimmend abnicken, oder hat das Parlament noch Entscheidungsmöglichkeiten?
Ich wollte Sie nur fragen, ob Ihnen die Studie der KfW bekannt ist, der zufolge deutschlandweit 34 Milliarden € aufgewendet werden müssten, um die Schulen insgesamt auf den Stand des aktuellen Baurechts zu bringen? Für mich ist es sehr schwer vorstellbar, dass dies ein Land allein stemmen kann. Deshalb fragt sich, ob die Beteiligung des Bundes an solchen Maßnahmen nicht vielleicht sinnvoll sein könnte.
Herr Kollege Baasch, da Sie so vehement erklären, dass die Sozialdemokratie schlechthin für das starre Renteneintrittsalter 67 sei: Ist der letzte Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, von dem ich noch vor einigen Wochen gehört habe, dass er eine starre Altersgrenze für den Renteneintritt für falsch hält, aus der SPD ausgetreten, oder gehört er noch zu Ihnen?
Ja, ich bin tatsächlich betroffen von dem, was Sie hier sagen, Herr Dr. Stegner.
Sie polemisieren gegen die private Altersversorgung, sie polemisieren gegen kapitalgedeckte Vorsorge. Herr Dr. Stegner, spielt in Ihrem Rentenkonzept oder Ihrem Kopf die Betriebsrente noch irgendeine Rolle? - Wenn ja, würden Sie mir freundlicherweise sagen, wie die Betriebsrente finanziert wird!
- Verehrter Herr Kollege Kubicki, Sie sind ja schon eine Weile politisch in Schleswig-Holstein tätig, sodass Sie wissen dürften, dass die Anzahl der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die Betriebsrenten erhalten, deutlich geringer ist als in anderen Ländern, weil wir hier weder große Unternehmen, Großindustrie haben noch die Leute -
- Darf ich bitte antworten, Herr Kollege Vogt, wenn Ihr - noch! - Vorturner da etwas fragt und ich versuche, die Frage zu beantworten?
Die Betriebsrente ist eine schöne Ergänzung, wenn man sie hat. Aber viele Menschen haben sie nicht. Unsere Aufgabe ist doch, dafür zu sorgen, dass für die Menschen, die weder ein eigenes Haus, das schuldenfrei ist, noch eine Betriebsrente haben und auch nicht privat vorsorgen können, die gesetzliche Rente reicht. Das ist unser Job, den wir hier zu machen haben. Das unterscheidet uns eben. Wir wollen nicht einfach andere diskreditieren.
Es ist schön, wenn man das kann, wenn man in einem großen Betrieb tätig ist, der eine solche Betriebsrente hat. Es ist schön, wenn man ein Einfamilienhaus hat, das schuldenfrei ist. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Wenn man privat vorsorgen kann, ist das auch gut. Aber unsere Aufgabe ist es doch, den Menschen zu sagen: Soziale Sicherung ist für alle da, auch für diejenigen, die das alles nicht können.
Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: Die Sozialdemokratie kümmert sich um solche Menschen. Da mögen Sie das hundertmal kritisieren und das Gegenteil vorschlagen, da sind wir einfach unterschiedlicher Meinung.
Ich gehe davon aus, dass das Steuerkonzept der SPD nicht nur für Bordesholm und Schleswig-Holstein gemacht wird, sondern für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Sonst müsste ich mich anders orientieren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich bemühen, in die Debatte mit sachli
chen Beiträgen einzugreifen, weil ich mich immer wieder wundere, welches Demokratieverständnis hier Sozialdemokraten gelegentlich von sich geben.
Frau von Kalben hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Gesetze im Parlament gemacht werden. Selbstverständlich hatten wir in der Vergangenheit - und ich gehöre diesem Parlament seit nunmehr 25 Jahren an - häufiger Beiträge von Regierungsmitgliedern, die keine Zustimmung im Hohen Haus gefunden haben.
Ich erinnere mich daran, dass Herr Studt beispielsweise in der Innen- und Rechtspolitik gelegentlich Positionen vertreten hat, die nicht einmal von uns geteilt worden sind - was ja schon viel heißt -, von den Regierungsfraktionen aber auch nicht. Herr Meyer hat regelmäßig mit dem Kollegen Tietze über die Verkehrsfrage diskutiert. Manchmal war der Kollege Tietze davon überrascht, dass sein Redebeitrag von Herrn Meyer komplett abgeräumt worden ist.
- Darunter leidet er heute noch. - Wir leben in einer freien Gesellschaft, in der die freie Meinungsäußerung für alle gilt, auch für Regierungsmitglieder. Man darf nicht so tun, als seien Äußerungen von Regierungsmitgliedern immer gleich das, was das Parlament beschließt.
Wir haben einen Koalitionsvertrag. Im Gegensatz zu Sozialdemokraten, die sich das wahrscheinlich gar nicht vorstellen können, halten wir uns daran. Jeder von uns hat sich verpflichtet - das wird auch so sein -, dass das, was wir vereinbart haben, gegen den Willen eines Partners nicht verändert wird. Das ist die Grundlage einer vernünftigen Koalition. Auf dieser Basis arbeiten wir.
An der Scheindebatte, die hier geführt wird, stört mich einiges. Hier wird erklärt, alles, was unter 9,99 € liege, sei Lohndumping. Herr Kollege Baasch, bisher hat mir keiner erklärt, warum die Sozialdemokraten mit dem Landesmindestlohn von 9,18 € Lohndumping im Land zugestimmt haben.
Sie fordern von uns etwas, was die SPD im Bund nicht durchgesetzt hat. Wer stellt denn den Wirtschaftsminister im Bund? Die Macht des Kollegen Stegner, sechster stellvertretender Bundesvorsitzender, hätte doch ausreichen müssen, in Berlin dafür Sorge zu tragen, dass der Bundesmindestlohn auf 12 € angehoben wird.
Sie merken gar nicht - das werden Ihnen die Wählerinnen und Wähler Sonntag zeigen -, dass Sie Scheindebatten führen und damit Ihre eigene Poli
tik konterkarieren, dass Sie unglaubwürdig werden, indem Sie andere angreifen, um Ihre eigenen Versäumnisse zu kaschieren. Das ist der zentrale Punkt.
Wir haben hier mehrere Debatten. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass die SPD im Land die Bundestagswahl bereits verloren gibt. Wenn wir alles machen sollen, was die SPD auf Bundesebene eigentlich machen könnte, wenn sie Regierungsverantwortung hat, dokumentieren Sie damit, dass Sie nicht daran glauben, dass Schulz Kanzler wird. Das glaube ich eh nicht. Eine Niederlage einzugestehen, bevor der Wahltag überhaupt da ist, ist die neue Form der Offenheit und Sachlichkeit der Sozialdemokratie.
Hören Sie damit auf, als Sozialdemokraten mit dem Finger auf andere zu zeigen! Gustav Heinemann hat einmal gesagt: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich selbst. Das trifft Sie jetzt in besonderem Maße. - Herzlichen Dank.
Lieber Herr Kollege Baasch, es kann sein, dass ich noch nicht richtig wach bin.
Herr Kollege Baasch, ist Ihnen bekannt, dass Menschen, die sonntags arbeiten, eine besondere Vergütung erhalten, die über der liegt, die sie normalerweise bekommen, wenn sie an Wochentagen arbeiten?
Herr Minister Buchholz, ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass im Weltwirtschaftsprogramm des Kanzlerkandidaten Martin Schulz der Begriff Flexibilisierung mindestens ein halbes Dutzend Mal auftaucht, insbesondere bei der Frage der Dienstleistungen aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes. Martin Schulz will dafür Sorge tragen, dass die Bürger über die Flexibilisierung sieben Tage in der Woche 24 Stunden rund um die Uhr öffentliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. Ich habe bisher nicht geglaubt, dass das mit einem Verlust an Arbeitsnehmerrechten im öffentlichen Dienst verbunden sein soll. Wenn ich den Kollegen Stegner gerade richtig verstanden habe, müssten sich die öffentlich Bediensteten Sorgen machen, wenn das Programm von Martin Schulz jemals umgesetzt werden sollte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An sich wollte ich ruhig ins Wochenende gleiten, aber die Ausführungen des Kollegen Dr. Stegner geben mir Veranlassung, noch einmal das Wort zu ergreifen.
- Im Gegensatz zu Ihnen kann ich auch etwas hören, wenn ich nicht im Saal bin.
Es ist mir relativ egal. Ich verstehe die Wunden der Sozialdemokraten dieses Landes, weil sie die Wahl verloren haben. Es ist nun einmal so.
Das wird sich bestätigen. Ich nehme das gern hin, ich warte nur auf den Arzttermin. Es ist aber eigentlich unerhört und unverantwortlich, dass Genosse Stegner den Eindruck vermittelt, dass medizinische Leistungen
in Deutschland vom Einkommen derjenigen abhängig sind, die Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen müssen. Reden Sie einmal mit Ärzten, beispielsweise in den Kliniken. Da fragt kein Operateur, ob der, der auf seinem Tisch liegt, Privat- oder Kassenpatient ist.
Da werden medizinische Leistungen angeboten. Das ist auch rechtlich vorgeschrieben. Sie können da gar nicht differenzieren.
Herr Dr. Stegner, was mich besonders beeindruckt, ist immer diese Verve der Sozialdemokraten, etwas zu fordern, was Sie selbst im eigenen Leben nicht erfüllen.
Wir haben Diskussionen über die Frage geführt, ob Privatschulen einen Sinn machen. Die Genossen sagen dauernd: Unerhört, dass wir Privatschulen haben. Die müssen in den öffentlichen Sektor. - Wenn Sie aber einmal gucken, wo die Kinder von Sozialdemokraten zur Schule gehen, dann sind das überwiegend Privatschulen.
- Das kann ich Ihnen zeigen. Wir hören Herrn Dr. Stegner, der gegen die private Versicherung argumentiert. Ich garantiere Ihnen, dass Kollege Dr. Stegner privat versichert ist. Warum wohl?
- Fragen Sie ihn doch mal! Weil er glaubt, dass er damit bessere medizinische Leistungen bekommt? Nein. Oder ist das so? Gehen Sie davon aus, dass Sie als privat Versicherter bessere medizinische Leistungen als andere bekommen?