Protocol of the Session on November 26, 2021

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FINISH ist im Wesentlichen in drei Phasen aufgebaut. Die erste Phase ist die der Ausschlusskriterien. Die Gelten zum Beispiel für Unternehmen, die in fossile Brennstoffe - ich habe gerade fossile Unternehmen angesprochen - investieren, die ihr Geld mit Atomkraft, mit geächteten Waffensystemen verdienen, die Menschenrechtsverletzungen begehen und zum Beispiel für Staatsanleihen von Staaten, die das Pariser Klimaschutzabkommen und wichtige UN-Konventionen nicht unterzeichnet haben, wie beispielsweise zur Biodiversität, zu Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten, Antipersonenminen sowie für Staaten, die unzureichend für Menschenrechte und Demokratie, Freiheit von Presse und andere Bereiche sorgen, oder die Rückzugsorte für Steuerkriminalität bieten. Wer hier auf der falschen Seite steht, in den wird schlichtweg künftig nicht investiert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ole-Christopher Plambeck [CDU])

Darauf folgt die zweite Phase: Best-in-class. Natürlich geht es am Ende des Tages auch um die anderen Richtschnüre, die ich eben definiert habe. Allem voran geht es natürlich auch um die Wirtschaftlichkeit. Es geht am Ende des Tages auch darum, Geld zu verdienen, und wir investieren im Best-inclass-Ansatz anschließend in die besten Branchen, Unternehmen und Staaten, die eine Rendite mit sich bringen.

Die dritte Phase ist neu dazugekommen durch die parlamentarische Anhörung: Engagement. Wir schaffen die Möglichkeit, sich auf Aktionärsversammlungen für die Ziele von FINISH einzusetzen, was unmittelbar bei der Umsetzung der Transformation in der Wirtschaft helfen wird. Diese drei Phasen gewährleisten eine wirtschaftlich kluge und nachhaltig sinnvolle Geldanlage und sind allein mit dem Blick darauf, dass es deutschlandweit das erste Gesetz dieser Art ist und mit Sicherheit nicht das Letzte, ein wichtiger Schritt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Konkret bedeutet das: Wir werden künftig 4,5 Milliarden € aus dem Pensionsfonds, aus Landesbeteiligungen, aus Stiftungen und anderem zukunftsge

recht und gegenwartsfest anlegen, und das ist genau der richtige Weg. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat uns im Oktober 2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit vorgelegt, kurz FINISH. Fast ein Jahr und eine Expertenanhörung später haben die Jamaika-Fraktionen nun einen Kompromiss gefunden, den sie mehr oder weniger alle tragen, und jetzt muss es ganz schnell gehen; keine Zeit für eine weitere Beratungsrunde im Finanzausschuss, für den Versuch, eine fraktionsübergreifende Position zu finden. Schade, denn wir finden es gut, die Anlagestrategie jetzt in einem Gesetz zu regeln und diese wichtige Frage nicht allein der Regierung zu überlassen.

(Beifall SPD und SSW)

Deswegen werden wir Ihrem Gesetz heute zustimmen, auch wenn es aus unserer Sicht noch deutlich besser hätte sein können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachhaltige Geldanlagen ergänzen die klassischen Kriterien der Rentabilität, Liquidität und Sicherheit um ökologische, soziale und ethische Bewertungspunkte. Wir müssen als Land verantwortlich entscheiden, wo wir unser Vermögen investieren. Mit unserer Anlagepolitik können wir Einfluss darauf nehmen, dass Ressourcen geschont und Ethikstandards eingehalten werden, denn in unserer globalisierten Welt entscheidet Geld, das wir einer deutschen Bank anvertrauen, mit über das Wohl und Wehe von Menschen zum Beispiel in Afrika oder Asien. Nicht nur die Rendite muss stimmen. Die Anlagen, in die wir investieren, müssen nach Nachhaltigkeitskriterien ausgewählt werden. Das finden wir gut.

Bei der Geldanlage haben sich mittlerweile bestimmte Kriterien, sogenannte ESG-Ziele etabliert. E steht dabei für „Environment“, also Umwelt. S für social, also Soziales, und G für „Governance“, womit gute Unternehmensführung gemeint ist. Das klingt zwar gut, aber, und das ist der kleine Nachteil, einheitliche Mindeststandards - weltweit oder

(Lasse Petersdotter)

europäisch - für diese Geldanlagen gibt es noch nicht. Wir müssen also selbst entscheiden. Darüber haben wir in der ersten Lesung beziehungsweise bei der Beratung des Antrags breit diskutiert. Da hätte es eine gute Idee sein können, sich an der EU-Taxonomieverordnung zu orientieren, die ab 1. Januar 2022 zumindest teilweise in Kraft tritt. Sie ist ein wichtiger Baustein des European Green Deal und steckt genaue Kriterien ab, was ökologisch nachhaltiges Wirtschaften ist, und das für die meisten Branchen.

Das war ein Weg, den uns auch die Vertreter der Geldinstitute vorgeschlagen haben und den sie gut gefunden hätten. Nein, wir backen unsere eigenen Brötchen und gehen dabei über die Regeln der EUTaxonomie noch hinaus. Zugegeben, ich glaube, das Thema Atomkraft diskutieren wir in diesem Haus durchaus anders, als es europaweit diskutiert wird. Wir hätten uns allerdings eine ausgewogenere Berücksichtigung aller Sustainable Development Goals der UNO gewünscht, zum Beispiel der Ziele Bildung für alle und Gleichstellung. Damit meine ich konkret die Istanbul-Konvention, über die wir uns ausführlich unterhalten haben und die nun leider nicht darin vorkommt.

Indes wird schon jetzt sehr deutlich: Das eigene Verfahren macht ziemlich viel Arbeit, und zwar dem Finanzministerium. Das Finanzministerium gibt selbst zu, dass die Einschätzung von Staaten in Bezug auf die Einhaltung der Kriterien eine regelmäßige Überprüfung erfordere. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich aus dem Umdruck 19/6071. Dort heißt es:

„Aufgrund der Notwendigkeit der Verfügbarkeit der relevanten Informationen zur laufenden Bewertung der investierbaren Staaten beziehungsweise Unternehmen ist die Unterstützung durch eine externe NachhaltigkeitsRatingagentur zweckmäßig.“

Ganz ehrlich, dann könnten wir das doch gleich komplett einer externen Agentur übergeben und es im Finanzministerium nur noch steuern. Wir können ja noch einmal überlegen, ob das nicht der bessere Weg wäre.

(Beifall SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, in Ihrem Gesetz fehlt derzeit noch die Möglichkeit, Geldanlagen anhand von positiven Kriterien auszuwählen. Dabei würden bestimmte Branchen bevorzugt, die im Sinne der Nachhaltigkeit besser zu bewerten sind, also zum Beispiel Investitionen in erneuerbare Energien. Ich habe in der „Zeit“ ein

schönes Zitat von Professor Hartmut Walz gelesen. Er ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen. Er sagt - Frau Präsidentin, ich zitiere erneut -:

„Wer grün investieren wolle, sollte sich lieber ein paar Solarzellen aufs Dach machen oder mit anderen gemeinsam ein Windrad kaufen.“

Er schlägt uns also ausdrücklich vor, vielleicht einmal über diese Form der Geldanlage nachzudenken. Das haben wir jetzt weitestgehend ausgeschlossen. Aber wäre es nicht auch spannend, in eine eigene Landesinfrastrukturgesellschaft zu investieren und Wohnungen zu bauen? Das wäre doch auch eine tolle Geldanlage.

(Beifall SPD und SSW)

Hinzu kommt: Die Anlagegrundsätze und insbesondere die Kriterien müssen nach unserer Ansicht regelmäßig überprüft und unter Umständen um weitere Kriterien ergänzt und weiterentwickelt werden. Ihre beste Entscheidung ist daher, eine Evaluationsklausel in das Gesetz zu schreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein letzter Satz: Bei unseren Finanzanlagen achten wir also künftig auf ökologische, soziale und ethische Bedingungen. Das ist gut. Aber für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein, die die Aufträge der öffentlichen Hand ausführen, gelten diese Kriterien leider nicht, denn Jamaika hat diese mit der Abschaffung des Tariftreuegesetzes geschliffen. Das werden wir im nächsten Jahr ändern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ole-Christopher Plambeck.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Jamaika-Ziel ist es, die Finanzanlagen des Landes Schleswig-Holstein verbindlich an ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien auszurichten. Dabei bleiben die Wirtschaftlichkeit und die Sicherung unserer Anlage weiterhin höchste Priorität. Die Ziele, die auch Lasse Petersdotter eben angesprochen hat, sollen sich gerade nicht gegenseitig ausschließen, sondern sie sollen sich ergänzen. Mit diesem Gesetz machen wir die Geldanlagen des Landes zukunftsfest.

(Beate Raudies)

Wir wollen die Finanzanlagen stärker an sozialen und ökologischen Kriterien wie Ressourcenschutz und Vermeidung von CO2-Emissionen sowie an guter Unternehmensführung ausrichten. Dabei laufen wir nicht irgendeinem Mainstream hinterher, sondern wir geben auf die Probleme unserer Zeit auch bei den Finanzanlagen die richtigen Antworten. Im Geiste der Jamaika-Koalition verbinden wir hier Ökonomie und Ökologie.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Liebe Frau Raudies, dabei geht es gerade nicht darum, nur bestimmte Branchen, Unternehmen und Staaten zu vermeiden, sondern die positiven Bereiche wie Umwelt- und Ressourcenschutz und gute Unternehmensführung mit der Anlage zu stärken. Damit werden wir unser gesamtes Gewicht mit immerhin 3,8 Milliarden € in die Waagschale legen. Das sind große Beträge, mit denen man Einfluss nehmen kann. Wir werden positiv investieren. Es gibt die Themen Medizin und Gesundheitstechnik, Umwelt- und Klimaschutz, Landwirtschaft und Unternehmensgründungen, Brennstoffzelle - all das, was den Standort Schleswig-Holstein stärkt, und das schließen wir definitiv nicht aus, sondern das werden wir stärken.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Die Anhörung zum Gesetzentwurf und viele Beratungen haben wir genutzt, um diese Themen genau zu diskutieren und abzuwägen, was nachhaltig, sozial oder ethisch korrekt ist und was eben nicht. Dabei war der Leitgedanke immer, dass die Sicherung des Vermögens und auch eine anständige Rendite nicht verlorengehen dürfen. Ganz im Gegenteil, das Ziel ist, sie zu stärken.

Denn wir haben eine große Verantwortung, wie wir mit den Mitteln des Landes, insbesondere mit dem Versorgungsfonds, der vor allem die Pensionen der Zukunft absichern soll, umgehen.

Zudem haben wir uns die Kriterien für den Ausschluss von Staaten noch einmal genau angesehen und abgewogen, ob es wirklich sinnvoll ist, ein Land wie zum Beispiel Estland, welches beim Thema Digitalisierung Spitzenreiter ist, auszuschließen. Gerade uns als CDU ist es wichtig, neben dem wirtschaftlichen Aspekt den europäischen Gedanken und die Zusammenarbeit sowie die europäischen Werte mit unseren Nachbarn weiter zu vertiefen und eben nicht durch unnötige Ausschlüsse zu gefährden. Ich glaube, da haben wir mit unseren Änderungsanträgen auch wirklich einen guten Punkt gesetzt, um den Entwurf auch entsprechend anzu

passen. Denn wir werden das mit dem wirtschaftlichen Aspekt und auch mit Investitionen in Staaten deutlich unterstreichen.

Ich halte es auch für richtig, dass wir uns alles einmal genau ansehen. Deswegen ist es richtig, eine Evaluierung nach drei Jahren einzuführen. Vor allem wird auch im Finanzausschuss regelmäßig über die Entwicklungen berichtet werden. Das Parlament ist also eng eingebunden. Wenn Anpassungsbedarf besteht, werden wir diesen natürlich auch vornehmen.

Ich finde, wir haben eine gute politische Lösung gefunden, um Ökonomie und Ökologie in den Finanzanlagen des Landes zu vereinen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Annabell Krämer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem hier und heute vorliegenden Gesetzentwurf für eine nachhaltige Finanzanlagestrategie für unser schönes Land Schleswig-Holstein setzen wir ein weiteres Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Schleswig-Holstein soll künftig Finanzanlagen wählen, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, ohne hierbei Abstriche bei der Wirtschaftlichkeit zu machen.

Es ist durch repräsentative Studien belegt, dass die Sicherheit und Rendite von Finanzanlagen nicht unter der Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien leiden müssen. Und genau das ist für uns Freie Demokraten heute auch die zentrale Botschaft, da für uns bei Finanzanlagen die finanzielle Nachhaltigkeit unverzichtbar ist.

(Beifall FDP und CDU)

Worauf wir aber verzichten wollen, ist unnötiger bürokratischer Aufwand. Denn auch ein erhöhter Bürokratieaufwand gefährdet die Wirtschaftlichkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Aus diesem Grund ist es uns Freien Demokraten wichtig, dass das neue Gesetz nur für Finanzanlagen von Landesbeteiligungen greift, sofern deren