Protocol of the Session on January 27, 2022

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Nach Ihrem eigenen Bekunden ist diese Novelle kein großer Wurf. Darin sind wir uns einig. Trotzdem sind Sie, sehr verehrte Jamaika-Koalitionäre, mit der Novelle zufrieden. Wir allerdings nicht und viele andere auch nicht.

Mangelnde Autonomie, mangelnde Mitwirkung und Mitbestimmung, mangelnde finanzielle Ausstattung, aber auch das Thema Digitalisierung, das sind die Themen, die wir in der Anhörung gehört haben, die aber in der vorliegenden Novelle nicht ausreichend aufgenommen worden sind.

In der Novelle gibt es viele Präzisierungen und Erweiterungen, gegen die im Detail nichts zu sagen ist. Das Vorbereitungssemester, Regelungen in den internationalen Masterstudiengängen, die Übernahme ins Beamtenverhältnis für bestimmte Personengruppen und so weiter, das sind sicherlich vernünftige Ansätze. Wir werden sicherlich auch über den

(Anette Röttger)

erweiterten Senat noch reden müssen. Aber ich darf daran erinnern, dass es hier um die Frage der Mitwirkung aller Gruppen an den Entscheidungen in den Hochschulen geht. Da ist noch deutlich Luft nach oben.

Lassen Sie mich noch etwas zur Allianz der Lehrkräftebildung sagen. Martin Habersaat hat heute Morgen schon alles Notwendige zu dem unparlamentarischen Verfahren gesagt, durch eine kurzfristig eingebrachte Ausschussvorlage eine völlig neue Struktur zur Lehrkräftebildung einzuführen, mit der sich die Anzuhörenden gar nicht mehr auseinandersetzen konnten und die von ihnen auch nicht gefordert wurde. Diese Allianz ist über eine längere Zeit und in vielen Gesprächen mit den Hochschulen vorbereitet worden - leider an uns und an vielen Gruppen vorbei.

(Beifall SPD)

Man könnte den Eindruck gewinnen, als gäbe es für die derzeitige Koalition kein wichtigeres Thema als die unternehmerische Tätigkeit der Hochschulen und ihrer Mitglieder - auch wenn Sie das eine oder andere noch geändert haben. Die Hochschulen sind keine Unternehmen. Sie sind größtenteils staatliche Bildungseinrichtungen, die zunächst und vorrangig die Aufgabe haben, den Bedarf unserer Gesellschaft an akademisch qualifizierten Arbeitskräften sicherzustellen und Wissen für die Gesellschaft zu schaffen. Dazu brauchen die Hochschulen Eigenverantwortung, die aber nur dann funktionieren kann, wenn sie auf dem Grundsatz der Mitbestimmung basiert.

Wenn manche Damen und Herren, die an den Hochschulen Verantwortung tragen, in diesem Zusammenhang mit herablassendem Sarkasmus auf die Achtundsechziger schauen, haben sie diese Rolle der Hochschulen in und für die Gesellschaft und damit auch ihre eigene Rolle nicht richtig verstanden.

(Beifall SPD und SSW)

Mit der Optionsregelung und der Innovationsklausel haben Sie Unruhe, ja sogar Ängste unter den Beschäftigten gesät. Dies ließe sich ja ausräumen, wenn Sie in gleicher Weise unter anderem die Gewerkschaften und Personalräte in Ihre Beratungen einbezogen hätten. Haben Sie aber nicht, so die Kritik dieser und der von ihnen vertretenen Beschäftigten.

Die Fehleinschätzung der Koalition zeigt sich auch darin, dass sie nur eine marginale Korrektur an der völlig verfehlten Neuregelung der Zusammenset

zung des Aufsichtsrats des UKSH vornimmt. Der Entwurf der Regierung sah vor, dass sich die jeweils drei beteiligten Ministerien für Wissenschaft, Finanzen und Gesundheit jeweils durch externe Fachleute im Aufsichtsrat vertreten lassen, sogar im Vorsitz. Der Koalition genügt es jetzt, wenn wenigstens eines der Ministerien durch die Ministerin oder den Minister beziehungsweise durch Staatssekretärin oder Staatssekretär vertreten wird. Das ist Flucht aus der Verantwortung.

(Beifall SPD und SSW)

Das UKSH ist der größte Arbeitgeber in unserem Land, der wichtigste Träger der Intensivmedizin und der wichtigste Ort der praktischen Ausbildung unserer künftigen Medizinerinnen und Mediziner. Ich darf nebenher erwähnen, dass sich das UKSH zu einem großen Teil aus Steuergeldern finanziert. Deswegen ist es unerlässlich, dass alle drei Ministerien im Aufsichtsrat vertreten sind und Sie das nicht einfach wegdelegieren.

(Beifall SPD - Zuruf SPD: Genau!)

Die schriftliche und mündliche Anhörung des Bildungsausschusses hat viele Anregungen ergeben, die über diesen Gesetzentwurf der Landesregierung hinausreichen. Wir haben sehr bedenkenswerte Anregungen erhalten, die die Struktur und die Rechtsstellung des akademischen Mittelbaus betreffen. Wir haben diese nicht in unseren Änderungsantrag einbezogen, weil diese Anregungen noch nicht Gegenstand der Anhörung waren. Wir haben auch viel über die Situation der studentischen Beschäftigten und ihren Bedarf, eine Regelung in Richtung eines eigenständigen studentischen Tarifvertrages gehört. Das kann also nur Thema für die nächste Legislaturperiode sein.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung und die Änderungsvorschläge der Koalition gehen unserer Ansicht nach trotz einiger positiver Punkte nicht in die richtige Richtung. Wir werden den geänderten Gesetzentwurf der Landesregierung daher ablehnen. Aber - wie immer -: Die nächste HSG-Novelle kommt bestimmt!

Mit noch mehr Entschiedenheit lehnen wir den Antrag der ehemaligen AfD-Fraktion ab, das Verhalten einer einzelnen Studierenden zum Gegenstand einer HSG-Novelle zu machen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)

(Dr. Heiner Dunckel)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Lasse Petersdotter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Es ist wahrscheinlich eine sehr lange Tradition, dass in jeder Wahlperiode das Hochschulgesetz reformiert wird. Natürlich werden auch wir als Koalition aus CDU, Grünen und FDP von dieser Tradition keine Ausnahme machen und haben uns bereits in den Koalitionsverhandlungen intensiv darüber unterhalten und diskutiert, wie eine solche Reform aussehen kann.

(Christopher Vogt [FDP]: Sehr schön! - Bea- te Raudies [SPD]: Und wie lang das dauert!)

Wenn wir überlegen, in welcher Situation das 2017 stattgefunden hat, können wir uns vorstellen, wie komplex diese Debatte war. Wir hatten intensive Diskussionen aus der letzten Hochschulgesetznovelle der Küstenkoalition, in der über den erweiterten Senat und über die Abschaffung der Anwesenheitspflicht diskutiert wurde. Ich erinnere mich noch: Damals saß ich oben auf der Tribüne, und der heutige Ministerpräsident hat sehr pointiert ausgeführt, weswegen der Kollege Andresen so sehr für die Abschaffung der Anwesenheitspflicht sei: nur, damit seine studentischen Freunde abends in die Kneipe gehen könnten und am nächsten Morgen nicht ins Seminar müssten. - Ich glaube, wir haben in dieser Koalition und mit dieser Hochschulgesetznovelle gezeigt, dass wir - wie wir uns vorgenommen haben - eine durchaus breit getragene und sehr ausgewogene Novelle vorlegen, aber nicht eine Reform, die große Unruhe an die Hochschulen bringt und für Unsicherheit sorgt. Deswegen haben wir uns lieber für einen Weg entscheiden, der wichtige Verbesserungen mit sich bringt, aber natürlich auch eindeutige Schwerpunkte aufweist.

Ein eindeutiger Schwerpunkt von uns allen war dabei mit Sicherheit das Vorbereitungssemester: eine Forderung, die von vielen Hochschulen, insbesondere von Fachhochschulen geäußert wurde, weil man eben gute Erfahrungen mit dem Vorbereitungssemester an der Universität in Lübeck gemacht hat. Es ist insbesondere hilfreich, ein solches Vorbereitungssemester einzuführen, wenn es um MINT-Studiengänge geht, bei denen wir alle ein großes Interesse haben, diese für Menschen attraktiver zu machen.

Aber auch Eignungstests werden wir bei internationalen Studierenden für die Master- und BachelorStudiengänge ermöglichen, um eben gezielter die Studierenden herauszufinden und herauszusuchen, die besonders geeignet sind, um diese Studiengänge aufzunehmen.

Natürlich gab es viel Diskussionsbedarf bei der Innovationsklausel. Unserer Überzeugung nach ist es so, dass eine Innovationsklausel dazu führen kann, dass Hochschulen einen gewissen Spielraum, einen gewissen Freiraum haben, neue Ideen zu verfolgen. Die Befürchtung, dass dabei die Mitbestimmung unter die Räder käme, ist meiner Auffassung nach insbesondere im Blick auf die aktuelle Hochschullandschaft unbegründet. Alle Präsidien haben ein Interesse daran, gerade Innovation mit den Statusgruppen gemeinsam zu bewältigen. Sollte das nicht geschehen, wird man hier intervenieren müssen und auch können.

Für uns Grüne war ganz besonders wichtig, dass wir die Ämter der Diversitätsbeauftragten, die wir in der Küstenkoalition geschaffen haben, nach den guten Erfahrungen der ersten Jahre jetzt ausbauen und stärken. Diversitätsbeauftragte werden künftig den Gleichstellungsbeauftragten gleichgestellt. Das ist ein wichtiger Schritt und war eine wichtige Forderung der Landeskoordination der Diversitätsbeauftragten. Damit sind sie bemächtigt, in allen Gremien stattzufinden, in Beratungen, aber auch im Rederecht gleichgestellt zu sein mit den Gleichstellungsbeauftragten, die traditionell und zu Recht in Schleswig-Holstein eine sehr starke Position haben. Außerdem haben wir ergänzt, dass im Bereich der Struktur- und Entwicklungspläne - also dort, wo wirklich alles für die Hochschulen entschieden und organisiert wird - die Nachhaltigkeit und der Klimaschutz künftig eine wichtige Rolle einnehmen werden.

Wir haben auf Grundlage der erfolgten Anhörung Veränderungen zum ursprünglichen Regierungsentwurf vorgenommen, beispielsweise im § 69, wo im Regierungsentwurf vorgesehen war, dass studentische Beschäftigte auch im administrativen Bereich eingesetzt werden dürfen. Machen wir uns nichts vor: Es passiert an den Hochschulen oft, dass studentische Beschäftigte in diesem Bereich eingesetzt werden. Trotzdem sollte dies nicht über das Gesetz legitimiert werden, denn das Interesse muss weiterhin sein, hier auf diesen Stellen, wo oft Tarifverträge gelten, Leute zu positionieren, die den Job einfach auch gelernt haben. Irgendein Germanistikstudent kann es in der Regel eben nicht so gut wie Menschen, die diesen Job gelernt haben.

Wir haben auch viele Gemeinsamkeiten mit dem Antrag der Opposition, beispielsweise bei den Diversitätsbeauftragten, die ich eben benannt habe, aber auch bei der Beibehaltung des erweiterten Senats, die uns hier gelungen ist, und auch beim Nachteilsausgleich für Studierende in besonderen Lebenslagen. Der Gesetzentwurf ebenso wie jetzt das finale Gesetz in zweiter Lesung enthalten die Handschrift aller Koalitionspartner, und das ist auch gut so, denn wir werden in Zukunft die Hochschulen nicht überfordern und insbesondere in dieser Zeit nicht überlasten.

Diese unternehmerische Fokussierung, die an der einen oder anderen Stelle steht: Ich würde dafür werben, dass sie nicht nur mit Skepsis betrachtet wird. Es hat auch Vorteile, wenn Ausgründungen an Hochschulen nicht direkt auf den offenen Markt gehen müssen und sich dem Venture-Kapitalismus aussetzen müssen, sondern wenn sie im kleinen Rahmen Unterstützung von den Hochschulen direkt bekommen können und so auf der einen Seite ihre Marktfähigkeit beweisen können und auf der anderen Seite aber auch eher ihre Unabhängigkeit und ihre Gemeinwohlorientierung oder Social-Innovation-Orientierung vertreten können. Hier sehe ich keine große Gefahr für unser Bildungssystem. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, Christopher Vogt.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tietze, diese Novelle des Hochschulgesetzes ist sicherlich keine Revolution - das hat Herr Dr. Dunckel, glaube ich, richtig eingeordnet -, aber wir werden damit viele wichtige Verbesserungen für unsere Hochschullandschaft auf den Weg bringen. Wir erhöhen ja auch schrittweise die Grundfinanzierung für unsere Hochschulen und ganz besonders die Investitionen. Davon profitieren übrigens auch die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen. Natürlich ist es ein Thema der Anhörung gewesen, aber es wird natürlich nicht nur im Hochschulgesetz geregelt, sondern im Haushalt.

Wir werden allerdings finanziell leider zumindest kurzfristig nicht mit Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg mithalten können, die natürlich Jahr für Jahr ganz andere Beträge in ihre Hochschullandschaft investieren. Unsere Hoch

schulen sind gerade deswegen auf ein modernes Hochschulgesetz angewiesen, das ihnen neue Perspektiven eröffnet, um sich noch besser entfalten zu können. Der von mir sowohl fachlich als auch persönlich sehr geschätzte Kollege Professor Dr. Heiner Dunckel sagte dazu in seiner Pressemitteilung vom 20. Januar unter anderem, dass diese Hochschulgesetznovelle den „Geist des Wirtschaftsliberalismus“ atme.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

Ich muss sagen: Dieses anerkennende Lob ist an der Stelle absolut berechtigt.

(Beifall FDP - Lachen Beate Raudies [SPD])

Auch die FDP-Fraktion begrüßt die klare liberale Handschrift im Gesetzentwurf. Sie ist das Ergebnis unserer intensiven Beratungen in den vergangenen Monaten. Mit der neuen Experimentierklausel sollen die Hochschulen befristet neue Strukturen austesten und ihre jeweiligen Stärken noch besser ausspielen können. In den Bereichen Bau und Personal werden wir den Hochschulen mehr Autonomie ermöglichen. Damit entsprechen wir dem langjährigen Wunsch der Landesrektorenkonferenz.

Wir hätten uns bei der Hochschulautonomie - der Kollege Petersdotter hat es angedeutet - sehr gut noch mutigere Schritte vorstellen können, aber dies ist schon ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Ich freue mich auch sehr darüber, dass wir uns in der Koalition auf die Möglichkeit eines Vorbereitungssemesters einigen konnten. Bei den technischen und MINT-Studiengängen ist die Nachfrage mittlerweile leider oft viel geringer als das Angebot an Studienplätzen. Dabei sind die Jobchancen sehr groß, und unsere Gesellschaft braucht immer dringender Fachkräfte. Um die Nachfrage zu stärken und die Abbrecherquoten in diesem Bereich zu verringern, wollen wir jetzt ein attraktives Angebot zum Orientieren, Ausprobieren und Vorbereiten machen. Das ist vor allem für unsere Fachhochschulen interessant; der Vorschlag kam ja auch von den Hochschulen, vor allem von der Fachhochschule Kiel; das setzen wir jetzt entsprechend um.

Es gibt teilweise ähnliche Angebote an den Hochschulen. Uns war die gesetzliche Verankerung wichtig, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Zweifel den Studierendenstatus erhalten, BAföG-berechtigt werden, sich günstig krankenversichern können und Leistungen, die sie in diesem Semester erreichen, angerechnet bekommen können und sich das Ganze lohnt.

(Lasse Petersdotter)

Die Hochschulen werden Modellversuche starten können, die möglichst zu den Schwerpunkten und Bedingungen der jeweiligen Hochschule passen sollten. Es wird wohl so laufen, dass man vielleicht drei verschiedene Module auswählen kann, um sich auszuprobieren.

Besonders wichtig ist für uns auch die Verbesserung des Wissens- und Technologietransfers; da gibt es in Schleswig-Holstein noch viel Luft nach oben. Auch hier entsprechen wir dem Wunsch der Hochschulen und insbesondere der Gründerszene. Gründungsinteressierte Studierende sollen in einem Gründungssemester ihre Ideen bereits im laufenden Studium mithilfe der Hochschule ausprobieren können. Ausgründungen werden durch eine angemessene Beteiligung der Hochschulen an den neuen Unternehmen erleichtert.

Da gab es eine interessante Konstellation: Ich war für mehr Staatsbeteiligung an Unternehmen, der Kollege Petersdotter war eher skeptisch; so ist es manchmal im Leben.

Wir werden auch die Wissenschaftskommunikation als wichtige Aufgabe der Hochschulen festschreiben. Es ist in meinen Augen eine wichtige Lehre der Pandemie, dass man die Erkenntnisse aus den Hochschulen heraus stärker in die Bevölkerung kommuniziert.

Zudem wollen wir die Wissenschaftsfreiheit und den wissenschaftlichen Diskurs an unseren Hochschulen stärken. Wir sehen vor allem im angelsächsischen Raum eine besorgniserregende Entwicklung, dass das Meinungsspektrum immer enger wird und missliebige Meinungen über Druck auf Dozenten und Professoren aus den Hochschulen herausgehalten werden sollen. Ich finde, dass Hochschulen Orte des wissenschaftlichen und demokratischen Diskurses sein müssen. Deswegen sind solche Entwicklungen nicht im Sinne unserer liberalen Demokratie. Dem sollten wir in Deutschland frühzeitig entgegenwirken, auch wenn es manchmal unangenehm ist. Wir brauchen an unseren Hochschulen wieder mehr und nicht weniger Diskurs, natürlich alles im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen.