Heiner Dunckel

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die weiterhin hohen, zu hohen und weiter steigenden Inzidenzwerte, die vielen zu beklagenden toten Menschen, aber auch die vielen Einzelschicksale zeigen, dass das Virus vor nichts und niemandem haltmacht. Auch jüngere Menschen sind mit zum Teil schweren und langwierigen Folgen der Covid-19Erkrankung betroffen. Es kommt auf jede und jeden von uns an, um uns selbst und die Anderen zu schützen. Immer noch nehmen es nicht alle ganz ernst. In der letzten Woche habe ich in der Stadt wieder lockere Ansammlungen meist jüngerer Menschen ohne Abstand und ohne Maske gesehen. Das ist ein Problem.
Dieses Jahr werden wir - meine noch kleineren Kinder und meine Frau - nicht mit meiner fast 90jährigen Mutter Weihnachten feiern können. Das ist schmerzhaft, aber vernünftig. Umso mehr rufe ich den Coronagegnern, aber auch den Sorglosen zu:
Schützen Sie meine, schützen Sie Ihre Eltern und Großeltern, schützen Sie sich selbst! - Das Einhalten der Coronaregeln ist nun wirklich nicht so schwer, und es rettet Leben.
Corona ist nicht vorbei, Corona ist heftig, Corona ist tödlich. Wir müssen alles tun, um die Verbreitung des Virus zu stoppen oder zumindest einzuschränken. Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, die Infektionsketten nachzuvollziehen, und wir haben auch gelernt, dass es für die Gesundheitsämter bei Zahlen über einem wöchentlichen Inzidenzwert von 50 Fällen auf 100.000 Menschen deutlich schwerer bis unmöglich wird, die Infektionsketten noch nachzuverfolgen.
Hier sind wir bei der Corona-App. Die JamaikaFraktionen haben einen Antrag vorgelegt, der vieles Richtige, vielleicht aber zu viel des Guten beinhaltet. Wenn ich richtig gezählt habe, dann schlagen Sie 17 Maßnahmen vor. Wenn ich die Nebensätze mitberücksichtige, sind es weit über 20 Maßnahmen. Da kann es einem schon wie in dem Märchen passieren: Wer alles haben will, geht manchmal leer aus. Wir müssen Prioritäten setzen, Maßnahmen müssen schnell umgesetzt werden, denn wir haben keine Zeit mehr.
Erstens. Nach einer Befragung von Infratest vor gut drei Wochen wollen über die Hälfte der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger die App nicht nutzen. Außerdem würden circa 40 % der Nutzerinnen und Nutzer positive Ergebnisse nicht eintragen. Wir haben also immer noch ein massives Akzeptanzproblem. Dieses Problem dürfen wir nicht durch eine Lockerung des Datenschutzes und der Datensicherheit weiter gefährden. Verbesserung der Nutzung, wo es möglich ist, und eine massive Werbung für die Nutzung der App auf allen Ebenen und Kanälen haben aber höchste Priorität.
Zweitens. Schon vor einigen Monaten hat nicht nur Christian Drosten davor gewarnt, dass die Gesundheitsämter mit einer Kontaktverfolgung auf der Ebene Einzelner überfordert sein werden und gefordert, dass mit der App eine Cluster-Erkennung möglich sein sollte: weg von einer Kontaktverfolgung jedes Infizierten hin zu einer schnellen Reaktion möglicher Clustermitglieder, die dann zum Beispiel in Quarantäne gehen müssten.
Wir wissen mittlerweile, dass nicht so sehr Einzelbegegnungen, sondern vor allem Gruppensituationen in geschlossenen Räumen über einen längeren
Zeitraum besonders gefährlich sein können. Hier ist meinem Hamburger Kollegen Hansjörg Schmidt nur recht zu geben - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin -:
„Statt der seit Monaten bekannten Notwendigkeit zur Cluster-Erkennung höchste Priorität zu geben, haben bei der Corona-WarnApp offenbar momentan andere Features Vorrang“.
Diese höchste Priorität zur Cluster-Erkennung sollte auch in Schleswig-Holstein gelten.
Ich führe noch einmal Christian Drosten an: Im Rahmen der Corona-Warn-App sollte es einfach möglich sein, ein sogenanntes Kontakttagebuch zu führen. Auch hier sollten vorrangig Situationen erfasst werden können, bei denen man sich mit vielen Menschen in einem geschlossenen oder engen Raum aufgehalten hat.
Wir sind also gut beraten, Prioritäten zu setzen und die Maßnahmen so schnell wie möglich umzusetzen. Eigentlich haben wir auch keine Zeit mehr für ausführliche Beratungen, aber vielleicht ergibt sich doch kurzfristig die Möglichkeit, dass wir uns auf Prioritäten einigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben bis jetzt über technische Details der Corona-Warn-App gesprochen. Das ist sicherlich richtig und wichtig. Trotzdem bleibt einmal mehr festzuhalten: Es kommt auf jede und jeden Einzelnen an, wie wir durch die Pandemie kommen.
Es hängt von unserem Gesundheitssystem ab, ob und wie wir diese und zukünftige Pandemien meistern. Wenn ich vom Gesundheitssystem spreche, meine ich im Wesentlichen die Menschen im Gesundheitssystem, die schon jetzt über alle Maßen alles leisten, damit wir diese Pandemie bestehen und überleben.
Ja, wir müssen und sollten die Corona-App so schnell wie möglich besser machen. Genauso dringlich ist aber auch, dass insbesondere die Pflege quantitativ und qualitativ ausgebaut wird und endlich den Lohn bekommt, den sie verdient.
Es gibt aus der betriebswirtschaftlich orientierten Organisationswissenschaft den schönen alten Begriff der Personalpflege. Es steht an, dass endlich
das Personal der Pflege mehr und besser gepflegt wird. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, ich habe eine Frage. Wir sind uns bei vielen der Maßnahmen einig, das ist nicht das Problem. Aber es ist doch die vornehme Pflicht von Politik, genau diese Priorisierung vorzunehmen und sie nicht irgendeinem Projektmanagement zu überlassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für Ihren Bericht. Ich erkenne ausdrücklich an, dass mehr kontrolliert wird und dass schärfere Regeln insbesondere für die Unterbringung und Überprüfung möglicher Infektionen erlassen wurden. Sie haben dankenswerterweise auch mehr Personal zugesagt. Das wird sicherlich noch konkreter zu besprechen sein.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kontrollen und die öffentliche Wahrnehmung der zum Teil inakzeptablen Bedingungen auch bei uns erst verstärkt wurden, als NDR und andere diese Missstände noch einmal thematisiert und aufgedeckt haben und damit das ehrenamtliche Engagement des Stützkreises Kellinghusen, der Kirchen und der Gewerkschaften honoriert haben. Für dieses Engagement möchte ich mich ausdrücklich bedanken.
Wir haben alle noch die Bilder aus Bad Bramstedt, Böklund und Satrup vor Augen. Auch in Schleswig-Holstein zeigen diese das systematische Versagen seit vielen Jahren und die Verantwortungslosigkeit einer ganzen Industrie, nicht des Handwerks.
Mich macht immer noch sprachlos, was wir in diesem industriellen Bereich zur Kenntnis nehmen
mussten. Ich habe das nicht für möglich gehalten, obwohl ich mich schon seit vielen Jahren mit Arbeits- und Gesundheitsschutz beschäftige.
Um konkret zu machen, worüber wir reden, erlaube ich mir - mit Erlaubnis der Präsidentin -, den katholischen Pfarrer Peter Kossen aus Rheda-Wiedenbrück zu zitieren - er formuliert es zwar für die Situation in Gütersloh, aber auch allgemein für die Fleischindustrie -:
„Diese Leute … werden hier ausgebeutet. Sie werden verschlissen … Sie werden zu Konditionen beschäftigt und untergebracht, die nicht zu rechtfertigen sind … Einfach verbraucht man Menschen...“
Seit Jahren werden Teile der Fleischwirtschaft wegen ihrer Arbeits- und Unterkunftsbedingungen massiv kritisiert, geschehen ist zu wenig. Hier sind offensichtlich Menschen und Unternehmer am Werke, denen die Kritik, denen Gesetze und denen die Menschen egal sind.
Konsequenterweise hat deshalb Minister Heil das Arbeitsschutzkontrollgesetz auf den Weg gebracht, um die Missstände bei den Vertragsverhältnissen, bei der Unterbringung und der Arbeitszeit zu unterbinden.
Wir haben in diesem Haus darüber gesprochen. Ich kann nur dringend appellieren, dass das Gesetz jetzt ohne weitere Öffnungsklauseln beschlossen wird.
Sehr geehrter Herr Minister, natürlich haben wir zur Kenntnis genommen, dass auch Sie schon vor Ausbruch der Pandemie aktiv eine Verbesserung des Arbeitsschutzes in der Fleischindustrie angemahnt haben. Ich will ausdrücklich anerkennen, dass Sie im vergangenen Jahr eine Aufklärungskampagne für die Werkverträgler auf den Weg gebracht haben, um diese über ihre Rechte zu informieren.
Man muss sich trotzdem auf der Zunge zergehen lassen: Nach über 20 Jahren Arbeitsschutzgesetz brauchen wir ein Arbeitsschutzkontrollgesetz, also ein Gesetz, das kontrolliert, ob sich jemand an den gesetzlichen Arbeitsschutz hält, und das auch, weil die Fleischindustrie meint, sich nicht an die Gesetze halten zu müssen. Selbstverpflichtung und Ehrenkodex sind bei den „Fleischbaronen“ offensichtlich nicht viel wert.
Aber auch beim Arbeitsschutzkontrollgesetz reden wir noch nicht einmal über die Basics eines modernen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Ich möchte daran erinnern, was das seit 25 Jahren gültige Ar
beitsschutzgesetz von allen Unternehmen, auch in der Fleischindustrie, verlangt. Ich möchte ein paar Punkte nennen und kann ansonsten nur empfehlen, sich das Gesetz einmal genauer anzusehen.
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet jeden Arbeitgeber, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, die eine Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten zum Ziel haben, Gefährdungen für das Leben und die physische und psychische Gesundheit durch die Arbeitsbedingungen, Arbeitsabläufe, Arbeitsmittel regelmäßig zu analysieren und zu vermeiden, eine geeignete Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und die erforderlichen Mittel dafür bereitzustellen, Führungskräfte und Beschäftigte systematisch und ausführlich über den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu informieren.
Eigentlich ist jeder Arbeitgeber bei bekannten Gefährdungen nicht nur verpflichtet, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu entwickeln, sondern auch persönlich haftend, wenn er dies nicht tut. Das gilt übrigens für alle Beschäftigten im Betrieb, also auch für Leiharbeiter, Werkverträgler und so weiter, also auch alle in der Fleischindustrie; alle haben sich daran zu halten.
Tatsächlich hat aber weniger als die Hälfte der Betriebe einen arbeitsmedizinischen Dienst, noch weniger haben eine betriebliche Organisation zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, nur 10 % der Betriebe verfügen über einen vollständigen Prozess der Gefährdungsbeurteilung. Ich befürchte, dass das in der Fleischindustrie noch schlechter aussieht.
Die Frage ist, warum sich so viele Betriebe letztlich nicht an das Arbeitsschutzgesetz halten. Es gibt sicherlich viele Antworten darauf. Eine ist, dass es zu wenig Kontrollen und kaum Sanktionen gibt. Nicht nur in der Fleischindustrie muss mehr kontrolliert und beraten werden. Hierzu reichen die Ressourcen der StAUK sicherlich nicht aus. Der Minister hat es gesagt: Die Ressourcen des staatlichen Arbeitsschutzes müssen dringend aufgestockt werden. Wir werden das im Sozialausschuss noch genauer behandeln müssen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit fast 40 Jahren beschäftige ich mich mit den Themen Stress am Arbeitsplatz, Gestaltung humaner Arbeit sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz, und ich gebe zu, dass ich in dieser Frage besonders engagiert bin. Deswegen möchte ich einen Punkt betonen: Es geht eigentlich nicht um das Arbeitsschutzkontrollgesetz, sondern es geht es um das Arbeitsschutzgesetz. Eigentlich geht es um Arbeitsund Gesundheitsschutz, und das ist viel mehr als das, was ich gerade in den Redebeiträgen gehört habe.
Es geht um die Gestaltung von Arbeitsbedingungen, um Arbeitsverfahren, um Arbeitsmittel, es geht um den Abbau von Belastungen, und es geht um humane Arbeit. Hier ist noch sehr viel zu tun. Da können wir uns nicht zurücklehnen und sagen: Der Bericht hat das doch alles geklärt. - Das ist erst der Anfang dessen, was wir tun müssen. Die StAUK wird noch sehr viel Arbeit haben.
Noch einmal: Nur 10 %, wahrscheinlich weniger, der Betriebe machen systematische Gefährdungsbeurteilungen, die seit fast 25 Jahren in dem Gesetz von Betrieben verlangt werden. Die werden verlangt. Praktisch kein Betrieb hat eine vernünftige Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Auch dieses wird seit fast 25 Jahren vom Gesetzgeber verlangt. Um diese Themen geht es. Da reicht es mir nicht aus zu sagen: Wir reden ein bisschen über Arbeitszeit, wir reden ein bisschen über Arbeitsverhältnisse. Das ist wichtig, aber es sind nur die Basics.
Noch ein Satz zum Kollegen Richert: Wozu sind Gesetze da? - Damit man sie einhält und nicht einfach nur, damit man sie kontrolliert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischen 2005 und 2009 konnte sich die Große Koalition, wie bekannt, nicht zu einer Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich durchringen. Wir haben im Landtag mehrfach und einmütig darauf hingewiesen, dass und warum diese Aufhebung erforderlich ist. Gerade im Coronajahr würde die bundesdeutsche Hochschullandschaft völlig auseinanderfallen, wenn jedes Land sich bei der Sicherung von Lehre und Forschung nur auf die finanziellen Kräfte verlassen könnte, die es selbst hat. Die Hochschulpakte tragen seit 2007 dem Ziel des Grundgesetzes Rechnung, die Lebensverhältnisse in ganz Deutschland nicht gleichartig, aber gleichwertig zu gestalten.
Deswegen ist es nun besonders ärgerlich, vor einer Woche lesen zu müssen, dass der Bund 5 Millionen € der insgesamt 34 Millionen €, die im kommenden Jahr zu erwarten waren, gesperrt hat. Der Minister hat darauf hingewiesen. Der Grund dafür ist, dass die Hochschulen angeblich zu hohe Rücklagen bilden. Bundes- und Landesrechnungshof hatten vorher schon in dasselbe Horn geblasen und aus den Rücklagen den Schluss gezogen, dass einzelne Hochschulen eher zu viel als zu wenig Mittel erhalten haben. Dies gilt nun ganz sicherlich nicht für die Hochschulen in Schleswig-Holstein.
Zu einer verantwortungsvollen Hochschulleitung gehört eine einwandfreie Abrechnung darüber, dass Zuweisungen des Landes, des Bundes und anderer sachgerecht und wirtschaftlich verwendet werden. Das schließt aber die Notwendigkeit ein, Mittel zurückzulegen und kumuliert für größere Projekte zu verwenden. Unseren Hochschulen ist nach meiner Kenntnis nicht in einem einzigen Fall vorgeworfen worden, sie würden die ihnen zugewiesenen Gelder nicht sachgerecht ausgeben. Ich kann deshalb nur hoffen, dass es dem Bundesforschungsministerium gelingt, dem Haushaltsausschuss des Bundestages deutlich zu machen, dass die Bildung von Rücklagen gerade kein Beweis für üppige Überfinanzierung, sondern ein Beleg für verantwortungsvolle Haushaltsführung ist.
Das Zurückhalten dieser Mittel würde auch den Zukunftsvertrag erheblich tangieren. Mit dem vorliegenden Zukunftsvertrag sollen der Studienerfolg verbessert und die Attraktivität der Lehre gesteigert werden. Das sind wichtige und richtige Ziele, die
immer wieder in Gefahr geraten, nachrangig berücksichtigt zu werden.
Ein zentraler Baustein ist die Digitalisierung in allen Bereichen der Hochschulen. Wir haben gerade in den letzten Monaten gesehen, wie wichtig dieser Baustein ist, aber auch, wie viel noch zu tun ist. Es ist einfach zu sagen, dass die Hochschulen mehr oder gar vollständig digital lehren sollen. Aus vielen Beispielen weiß ich, dass hier noch erheblicher Nachholbedarf ist. Ein Podcast oder eine WhatsApp-Gruppe ist eben noch keine Digitalisierung. Nicht alle, aber viele Hochschulen und Dozentinnen und Dozenten haben hier noch deutliches Potenzial nach oben. Viele gute Beispiele im Land, aber auch vorbildliche deutsche oder internationale Hochschulen können hier als Orientierung dienen. Ein Blick in das Hochschulforum Digitalisierung mag auch helfen.
Trotz aller Digitalisierung ist festzuhalten: Schon bei vielen interaktiven Lehrveranstaltungen wie Seminaren ist es etwas anderes, ob eine Hochschullehrerin oder ein Hochschullehrer mit 30 Studierenden interagieren kann oder nur auf dem Bildschirm sieht, ob sich jemand gemeldet hat oder nicht. Eine akademische Diskurs- und Diskussionskultur ist digital sicherlich nicht zu erreichen. Es gibt natürlich auch Lehrveranstaltungen - in den Naturwissenschaften sicherlich häufiger als in den Geisteswissenschaften -, bei denen das Labor oder die Werkstatt nicht einfach auf den Bildschirm übertragen werden kann. Wenn Lehre attraktiver werden soll, dann kann und muss sie analog und digital weiterentwickelt werden. Der Hochschuldidaktik und der Mediendidaktik muss sicherlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Erarbeitung und das Aushandeln der Zielvereinbarungen viel Zeit in Anspruch nehmen. Das dem Landtag zugeleitete Paket konnte daher kaum auf die Situation von Lehre und Studium in Coronazeiten eingehen. Die Frage der Studierbarkeit wird aber wichtiger denn je. Niemand von uns will, dass wegen Corona Bildungskarrieren abgebrochen werden. Gar keine Frage: Corona wird dafür sorgen, dass viele Studierende länger an der Hochschule bleiben müssen, als es ohne Corona der Fall gewesen wäre. Dafür sind wir nicht richtig vorbereitet. Da gibt es das immer noch ungelöste Problem der durchaus bescheidenen Studienfinanzierung durch BAföG und einige ergänzende Maßnahmen, die das nicht entsprechend entschärfen. Dass die fortgefallenen Jobs das noch schwieriger machen, wissen wir mittler
weile auch. Das Bildungsministerium könnte hier in bestimmen Fällen noch mehr machen.
Das seit ewigen Zeiten bestehende Problem, dass die Fristen zwischen dem Ende eines Lehramtsstudiums und der Bewerbung für das Referendariat zu kurz sind, hat sich in diesem Jahr ganz erheblich verschärft. Das liegt nicht an den faulen Studierenden, sondern daran, dass ihnen wesentliche Bestandteile der Infrastruktur der Hochschulen schlicht und einfach nicht zur Verfügung standen von Beratungen über informellen Austausch bis hin zu den Bibliotheken. Es kann angesichts eines jedes Jahr stärker werdenden Lehrermangels nicht der Weisheit letzter Schluss sein, wenn das Bildungsministerium auf einen zu engen Zeitplan bei der Verteilung der Referendare hinweist und es in Kauf nimmt, dass qualifizierte Nachwuchslehrer und Nachwuchslehrerinnen erst ein halbes Jahr später in den Vorbereitungsdienst einsteigen können. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn diese in andere Bundesländer abwandern.
In den meisten Bereichen sind die vorgelegten Zielvereinbarungen ein tragfähiges Gerüst für die Arbeit unserer Hochschulen. Darauf haben auch die Hochschulen hingewiesen. Wenn man die Autonomie der Hochschulen ernst nimmt - und das tun wir unbedingt -, dann muss man dem Votum der Hochschulen folgen. Meine Fraktion wird den Zielvereinbarungen deshalb zustimmen. Es ist richtig, dass wir uns im Bildungsausschuss einstimmig dafür ausgesprochen haben, den Anteil der unbefristet Beschäftigten, insbesondere auch im Mittelbau, an den Hochschulen bis 2027 auf 40 % anzuheben. Dies wird durch den von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN initiierten Antrag festgehalten. Dem wollen wir gerne zustimmen.
Es bleiben auch noch einige Wermutstropfen. Als Flensburger muss ich auf die schwierige Situation der Fachhochschule in Flensburg hinweisen. Sie hat ein strukturelles Defizit und hat darauf hingewiesen, dass sie die Ziele aufgrund dieses Defizits nicht erreichen kann. Darauf muss schnell und nicht erst 2025 reagiert werden.
Wir haben auch noch das Problem der Lehraufträge zu bearbeiten, insbesondere was die mangelnde Finanzierung und Vergütung dieser Lehraufträge angeht. Dazu findet sich in diesen Zielvereinbarungen nichts. Das müssen wir sehr schnell angehen, um die Lehre in den Hochschulen aufrechterhalten zu können.
Ferner vermisse ich noch einige Antworten, nämlich einmal auf die Frage der Standorte sowie auf die Frage der Studienplätze für die Pflege. Das ist nicht beantwortet. Zudem möchte ich noch einmal darauf hinweisen - der Staatssekretär hat es im Bildungsausschuss auch gesagt -, dass trotz dieses Zukunftsvertrages das Hochschulsystem in SchleswigHolstein unterfinanziert ist. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich bin ein bisschen älter als Sie; ich sage auch nicht, welcher Jahrgang. Ich habe in den vielen Jahren über dieses Thema gelernt, dass es eigentlich ein Thema von Frauen ist und Frauen dies besser entscheiden können.
Was mir aber wichtig zu sagen ist, ist Folgendes: Uns haben in Flensburg viele Frauen erreicht, die besorgt sind, die auch mit der jetzt angedachten Lösung nicht zufrieden sind. Ich denke, das Geringste wäre, dass wir die Sorgen dieser Frauen ernst nehmen und in aller Ernsthaftigkeit die Anträge im Sozialausschuss beraten. Das ist das Mindeste.
Das jetzt aus kleinkariertem Kalkül einfach durchzustimmen, finde ich einfach nicht vernünftig.
Ein Satz zu Flensburg: Nach meiner Kenntnis ist es eine Idee, noch keine Lösung und allemal keine umsetzungsreife Entscheidung. Insofern wären wir gut beraten, es im Sozialausschuss zu beraten. Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht.
Das Weiterbildungsgesetz war in der Form, wie es 2012 noch kurz vor der Landtagswahl verabschiedet worden war, nach Einschätzung vieler Betroffener nicht geeignet, diese - neben Kita, Schule, Berufsbildung und Hochschule - fünfte Säule unseres
Bildungssystems voranzubringen. Wer nachrechnen mag, wird sagen, es sei die vierte Säule. Aber die Kita ist ja auch eine Säule des Bildungssystems. Die Küstenkoalition hat dieses Gesetz deswegen noch im Jahre 2017 umfassend novelliert.
Die damals beschlossenen Veränderungen sind von denen, die im Weiterbildungsbereich unterwegs waren und sind, im Wesentlichen begrüßt worden. Kritisiert wurde allerdings, dass es im Unterschied zu den entsprechenden Gesetzen in den anderen Bundesländern - wir haben es gerade schon gehört Leistungen des Landes nicht festschreibt. Es beschränkt sich in der Nachfolge des früheren Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetzes auf Art und Umfang der Bildungsfreistellung und auf die Anerkennungsmodalitäten. Deren Förderung durch das Land wird unter die Maßgabe des Haushaltes gestellt, ohne jedoch Größenordnungen dafür festzulegen.
Die Landesregierung hat entsprechend der in dem Gesetz festgelegten Berichtspflicht jetzt ihren ersten Weiterbildungsbericht auf der Grundlage dieses Gesetzes vorgelegt, der in den Umsetzungsberichten zum Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz seine Vorläufer hat.
Schon damals mussten wir regelmäßig feststellen, dass die Zahl derer, die Bildungsfreistellung auf der Grundlage des Gesetzes in Anspruch nehmen und erhalten, sehr gering ist. 2019 waren etwa 1.060.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, gut 78.000 nahmen an den durchgeführten anerkannten Bildungsfreistellungsveranstaltungen teil. Gemessen an der Zahl der antragsberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land bleibt es dabei, dass die vorhandenen Angebote viel zu wenig genutzt werden.
Das hat traditionell vielfältige Gründe. Viele Menschen wissen von ihrem Recht nichts. Viele Arbeitgeber ermutigen ihre Beschäftigten auch nicht, dieses Recht in Anspruch zu nehmen. Das ist sicherlich kurzsichtig, weil auch Arbeitgeber von zusätzlichen Qualifikationen ihrer Beschäftigten profitieren können, wofür es ein geringer Preis ist, wenn diese ein paar Tage nicht im Betrieb sind.
Aber - das muss man natürlich auch sagen - in kleineren und mittleren Unternehmen reißt eine Abwesenheit oft schwer zu schließende Lücken.
Auch in diesem Bericht stellen Sie das geringe Weiterbildungsniveau fest. Was ich allerdings vermisse,
sind Ideen und Vorschläge, wie die Nachfrage deutlich gestärkt werden kann. Bedarfsanalyen sind sicherlich ein erster Schritt, reichen aber nicht aus.
Wir müssen befürchten, dass das Coronajahr 2020 für die Weiterbildung verheerend sein wird. Viele Angebote der Weiterbildung mussten wegen des Versammlungsverbotes gestrichen werden. Für viele Angebote gab es nicht die Option, sie ins Netz zu verlagern, und die wirtschaftliche Schieflage vieler Betriebe wird zusätzlich dazu führen, dass Beschäftigte ihren Rechtsanspruch nicht wahrnehmen werden und können.
Dass Frauen eher als Männer den Weiterbildungsbonus in Anspruch nehmen, ist nur eingeschränkt eine gute Nachricht, weil sich das besonders im Bereich Gesundheit/Pflege abspielt, der nun einmal weiblich dominiert ist.
Die Coronakrise hat viele Einrichtungen der Fortund Weiterbildung in Schleswig-Holstein in eine tiefe Krise gestürzt. Die Beitragseinnahmen eines Semesters sind fast völlig weggebrochen, und es bleibt abzuwarten, was das Wintersemester 2020/21 besonders für die Volkshochschulen und Bildungsstätten bringen wird.
Die Weiterbildungsstrukturen in Schleswig-Holstein sind in der Rechtsform und in der Größe der Einrichtungen sehr unterschiedlich. Was nicht passieren darf, ist, dass der nächste Weiterbildungsbericht ein Massensterben kleiner Volkshochschulen und Bildungsstätten verkünden muss.
Was wir brauchen, ist eine abgestimmte Strategie zwischen dem Land, den Kommunen und den sonstigen Trägern der Einrichtungen, mit der sichergestellt werden muss, dass es nicht zu einem flächendeckenden Zusammenbruch unserer Weiterbildungslandschaft kommt.
Der Bericht beinhaltet die Jahre 2017 bis 2019. An nur zwei Stellen wird kurz auf die Coronapandemie eingegangen. Hier hätte ich - auch bei diesem Bericht - mehr erwartet, denn es ist uns doch allen klar, dass wir vor ganz neuen Herausforderungen in Quantität und Qualität insbesondere von OnlineFormaten und -Inhalten stehen.
In Ihrem Bericht vermisse ich noch einen zweiten Punkt. Der Weiterbildungsmarkt ist sehr unübersichtlich und die Qualität der Angebote sehr unterschiedlich. Ich glaube, dass wir, dass Sie sich mehr der Frage der Qualitätssicherung widmen müssen. In Ihrem Bericht fand ich dazu leider nichts. Darüber sollten wir uns federführend im Bildungsaus
schuss, aber auch im Wirtschaftsausschuss unterhalten, auch darüber, wie die gesetzlichen Grundlagen der Weiterbildung so weiterzuentwickeln sind, dass ihre Strukturen krisenfest werden.
Der SSW hat in seinem Antrag - und Jette Waldinger-Thiering in ihrer Rede - das Richtige dazu gesagt. Eine interministerielle Arbeitsgruppe, die mindestens die Kommunen und die Volkshochschulen in ihre Beratungen einbezieht, kann eine Strategie zur Reform und zur Stärkung der Weiterbildung erarbeiten. Wir stimmen deshalb dem Antrag des SSW zu, würden uns aber auch nicht gegen eine Überweisung des Berichts in den Ausschuss wenden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Regierungserklärung 2017 haben Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, formuliert, und ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
„Ja, wir sind eine Koalition der Möglichmacher. Wer gute Ideen hat, dem werden wir helfen, damit er sie in Schleswig-Holstein verwirklichen kann, etwa dadurch, dass wir unnötige bürokratische Hürden abbauen. Schleswig-Holstein soll richtig sexy sein für Unternehmensgründer …“
Das betone ich, nicht der Ministerpräsident. - So richtig ist das nicht gelungen. So stellten schon vor gut einem Jahr die „Kieler Nachrichten“ fest, dass aus dem Versprechen nichts geworden ist. Die FDP wollte das dann ändern, das hat aber auch nicht funktioniert, denn schon vor einem Jahr sprachen die Zahlen eine andere Sprache, und sie tun es immer noch. Deutschland und Europa hinken immer noch im Vergleich zu den USA, Israel oder asiatischen Ländern bei den erfolgreichen Unternehmensgründungen und Start-ups hinterher, die Zahlen sind sogar rückläufig.
Es ist richtig, dass es auch bei uns in SchleswigHolstein attraktive Gründungsaktivitäten durch verschiedene Maßnahmen wie dem Seed- und StartUpFonds, Start-up-Wettbewerbe, Crossover-Labs an der Fachhochschule in Kiel oder auch Bundesprogramme zur Gründungsförderung gibt. Das reicht aber anscheinend nicht. Im KfW-Gründungsmonitor von 2019/2020 steht Schleswig-Holstein trotzdem nur an zehnter beziehungsweise elfter Stelle der Bundesländer. Vergleichbare Zahlen finden Sie auch in anderen Veröffentlichungen. Platz zehn ist nicht wirklich sexy, und er beschreibt sicherlich nicht ein Land der Selbstständigkeit.
Für uns stellt sich zudem das Problem, dass Hamburg als Ballungsraum deutlich attraktiver für Gründerinnen und Gründer ist, ohne dass dieses Gründungsklima auf Schleswig-Holstein übergeht wie etwa in Berlin und Brandenburg.
Jetzt haben wir wieder einen Antrag vorliegen nach dem Motto: „Alle Jahre wieder“, der es nun wohl richten soll.
Es soll der Gründergeist weiter gestärkt werden, und es werden Maßnahmen genannt, die nicht falsch und in anderen Ländern, an anderen Hochschulstandorten schon seit vielen Jahren Realität sind, aber meistens konkreter und finanziell unterfüttert. Wie so häufig soll wieder geprüft, erleichtert, unterstützt, ermöglicht werden. Den Gründergeist mag man damit vielleicht noch stärken, aber erfolgreich wird damit nicht gegründet, da muss es schon etwas konkreter werden.
Die FDP hat durch Herrn Kollegen Vogt, dem ich von hier aus gute Besserung wünsche, ja schon im März 2017 den Gründergeist stärken wollen. Das scheint nicht gelungen zu sein, wenn wir im November 2020 noch einmal den Gründergeist stärken sollen. Wie wäre es denn jetzt einmal mit konkreten Maßnahmen und Beschlüssen? Es ist in der Tat an der Zeit, dass mehr und erfolgreich gegründet wird und nicht, dass der Gründergeist beschworen wird.
So könnten Sie zum Beispiel zusätzliche Stipendienprogramme für studentische Gründer auflegen, zusätzliches Wagnis-Kapitel bereitstellen und Stellen für Gründungsberaterinnen und -berater und Projekte an den Hochschulen verstetigen und finanzieren und dann auch noch die Patentverwertungsagentur stärken. Als Flensburger erlaube ich mir, hier auch an das erfolgreiche Jackstädt-Zentrum und die VentureWærft zu erinnern.
Nur eine kurze Bemerkung zum Gründungssemester: Vermutlich haben Sie übersehen, dass die Senate der Hochschulen schon jetzt die Gründung eines Unternehmens als Beurlaubungsgrund aufnehmen können, gegebenenfalls auch schon aufgenommen haben. Das machen die Hochschulen, nicht die Landesregierung. Damit ist das Gründungssemester aber nicht finanziert. Wir können sicherlich feststellen, dass finanzielle Rahmenbedingungen und die physische Infrastruktur - denken Sie nur an die Breitbandversorgung in den ländlichen Räumen eine wesentliche Rolle für Start-ups spielen. Hier muss mehr getan werden.
Wir sind uns vor dem Hintergrund verschiedener Studien sicherlich auch einig, dass wir eine bessere Gründungskultur mit einer Can-Do-Einstellung, Risikobereitschaft und einer Kultur einer zweiten
Chance brauchen. Dies richtet sich auch an uns, denn Expertinnen und Experten und Gründerinnen und Gründer kritisieren das vermeintlich mangelnde Engagement der Politik. Die Menschen erwarten allerdings von uns, von Ihnen, keine allgemeinen Aussagen, sondern Maßnahmen.
Sicherlich gilt auch, dass Wirtschafts- und Gründungsthemen in der Ausbildung besser verankert werden müssen. Hierzu haben wir ja schon Anfang des Jahres debattiert. Wir brauchen mehr Frauen als Gründerinnen. Das ist auch schon gesagt worden. Bemerkenswert finde ich allerdings, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine tendenziell größere Gründungshäufigkeit und -motivation aufweisen, obwohl sie zusätzliche Hürden überwinden müssen. Für diese Menschen brauchen wir besondere Finanzierungsmodelle.
Wir haben gestern bei der Anhörung gehört, dass wir zielgenaue Förderung brauchen. Insofern ist in der Tat durch Start-ups insbesondere an Hochschulen der notwendige gesellschaftliche Wandel durch soziale, unternehmerische, gemeinwohlökonomische und ökologische Projekte zu unterstützen.
Lassen Sie mich einen letzten Punkt nennen: Sie haben alle das Positionspapier von StartUp SH mit Forderungen an die Politik bekommen, die ich mir gern zu eigen machen möchte. Eine Verstetigung der Projektaktivitäten von StartUp SH über 2021 hinaus und die dauerhafte Finanzierung von Gründungsberaterinnen und -beratern an den Hochschulen sind sicherlich sinnvolle Forderungen. Das alles sollten wir gern im Bildungsausschuss und im Wirtschaftsausschuss weiter debattieren. - Vielen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, zunächst vielen Dank
für Ihren Bericht. In der Tat, die Coronapandemie hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung auch von Verwaltungsleistungen ist und welchen Nachholbedarf wir insoweit noch haben. Ich hoffe auch, dass durch die Pandemie die Bereitstellung effizienter digitaler Bürgerdienste auf allen Ebenen einen weiteren Push erhält.
Auch in Schleswig-Holstein - Sie haben es bereits gesagt - möchte ein Großteil der Menschen Anträge bei Behörden online stellen, ob es die Anmeldung oder Ummeldung des Wohnsitzes, das Kindergeld, der neue Personalausweis und so weiter und so fort sind, alles das soll online geschehen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass etwa die Hälfte der Menschen den direkten Kontakt zu ihrer Verwaltung nicht missen mag. Vor gut einem Jahr habe ich schon an dieser Stelle festgestellt, dass die Umsetzung des Gesetzes mehr als schleppend verläuft. Die Überschriften kennen Sie. Auch jetzt ebbt die Kritik nicht ab, auch wenn sie sich etwas verschoben hat. Untersuchungen und Berichte stellen fest, dass die Kommunen verunsichert sind, sich nicht mitgenommen und sich nicht ausreichend in die Landes- und Bundesaktivitäten einbezogen fühlen, klare Absprachen und verlässliche Zusagen vermissen und die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, kurz OZG, für wenig bürgerfreundlich halten.
Ein zentrales Problem scheint aber zu sein, dass das Personal, die Menschen in den Kommunen, die das OZG ja tagtäglich umsetzen sollen, nicht mitgenommen werden. Die Zahlen für Schleswig-Holstein sind noch nicht konkretisiert, aber ich befürchte, dass das Bild nicht großartig anders ist.
Dem Minister ist darin Recht zu geben, dass Digitalisierung im Allgemeinen und das OZG als Teil davon nicht nur eine technische Maßnahme sind, sondern, wie Sie immer gesagt haben, bedeutet, dass wir unsere Art, zu leben, zu wirtschaften und den Staat verwalten, nicht nur radikal hinterfragen, sondern auch tatsächlich ändern werden.
Digitalisierung wie auch die Umsetzung des OZG ist eine soziotechnische Maßnahme, die umfassende Transparenz, Beteiligung und Akzeptanz insbesondere der Beschäftigten sowie der Bürgerinnen und Bürger verlangt. Hier besteht das größte Manko. Zumindest in Ihrem Bericht habe ich dazu nur wenig gehört. Genau genommen war es lediglich ein technischer Bericht.
Meine Skepsis wird auch durch entsprechende Veröffentlichungen genährt. Sehen Sie sich das Vorgehensmodell des ITVSH an: Dies ist nun wahrlich ein technisch getriebenes Vorgehensmodell, das in
Formulierungen wie „fabrikmäßige Umsetzung einfacher Antragsprozesse“ gipfelt.
Das Verständnis einer soziotechnischen Systemgestaltung mit wesentlichen Komponenten wie Beteiligung, Quantifizierung oder Personalmanagement fehlt weitgehend. Auch in Ihrem Bericht habe ich dazu nur wenig gehört.
Nun frage ich es doch: Wo wird das in Ihrem Konzept thematisiert? Wo werden die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen und die Beschäftigten radikal beteiligt? Die Bürgerinnen und Bürger haben es verdient, deutlich besser informiert und beteiligt zu werden, wenn es denn um eine, wie Sie sagen, radikale Veränderung unserer Art geht, zu leben und zu wirtschaften.
Aus der Software- und Technikentwicklung kennen wir seit Jahren, seit Jahrzehnten Beteiligungskonzepte und -verfahren. Von diesen habe ich von Ihnen nichts gehört.
Ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin noch einmal aus dem Vorgehensmodell des ITVSH zitieren:
Sehr geehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, Beteiligung der Beschäftigten sieht wahrlich anders aus. Was wir aber bei der Digitalisierung der Verwaltung brauchen, ist die Akzeptanz der Beschäftigten sowie der Bürgerinnen und Bürger. Ich hatte schon bei der Debatte im letzten Jahr gesagt, die Bürgerinnen und Bürger müssen sich einen Überblick darüber verschaffen, wie sie die digitalen Angebote nutzen können, sie müssen eine Haltung entwickeln können und die Vorteile sehen. Die Coronapandemie hat hier sicherlich einiges beschleunigt. Aber das entledigt Sie nicht, weiter für Transparenz, Beteiligung und Akzeptanz zu sorgen.
Was wir unbedingt brauchen: Wir müssen die Beschäftigten nicht nur mitnehmen, sondern wir müssen sie auf allen Ebenen beteiligen. Um es konkret zu machen: Wir müssen auf allen Ebenen ein Management haben, das für das Verständnis bezüglich der digitalen Prozesse wirbt. Wir brauchen eine ordentliche Projektplanung. Wir brauchen Iterationsrunden, nutzerzentriertes Vorgehen, Reflexionsrunden und Retros. Wie gesagt, diese Verfahren kennen
wir alle. Sie sind bekannt. Sie müssen nur gemacht werden. Ich denke, wir sind gut beraten, im Innenund Rechtsausschuss darüber zu beraten, wie wir die Bürgerinnen und Bürger und die Beschäftigten bei der digitalen Revolution mitnehmen und beteiligen können. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Lehnert hat gerade behauptet, dass die Zeit der Kaufhäuser alter Prägung zu Ende gehe. Kollege Knuth hat sogar festgestellt, dass die Konzepte verstaubt seien.
Lieber Kollege Knuth: Ich hätte großen Spaß, mit Ihnen zusammen in Flensburg mit den Kolleginnen und Kollegen, dem Betriebsrat, den Beschäftigten, den Bürgerinnen und Bürgern, den Gewerkschaften darüber zu diskutieren, dass die Konzepte verstaubt sind. Wir kommen gleich noch einmal dazu.
Wir haben in Flensburg in der Tat viele Gespräche mit den Beschäftigten, mit dem Betriebsrat, den Gewerkschaften, aber auch mit den Bürgerinnen und Bürgern geführt. Wir konnten feststellen: Erstens, das Haus in Flensburg schreibt schwarze Zahlen.
Kollege Richert hat es gerade festgestellt.
Wir konnten zweitens feststellen, dass es Konzepte gibt, die vom Betriebsrat in Kooperation mit der lokalen Filialleitung erstellt wurden, die aber leider von der Konzernleitung nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Diese Konzepte sind es durchaus wert, einmal vernünftig geprüft zu werden.
Kollege Dirschauer hat es gerade gesagt: Wir haben festgestellt, dass Karstadt in Flensburg durchaus nach wie vor ein Publikumsmagnet für die Touristinnen und Touristen aus Dänemark ist. Das ist vielleicht auch der Grund, warum dort schwarze Zahlen geschrieben werden.
Wir fordern, dass die Schließungen wenigstens verschoben werden, damit diese Konzepte der Beschäftigten und Gewerkschaften überhaupt zur Kenntnis genommen und geprüft werden können.
Ich kann nur noch einmal feststellen: Das ist mit hohem Engagement der Beschäftigten - auch in ihrer Freizeit - gemacht worden. Sie wollen nämlich ihre Arbeitsplätze und Karstadt in Flensburg erhalten. Wir konnten uns davon überzeugen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Städte ihren Beitrag
leisten. Zumindest für Flensburg kann ich feststellen, dass sich die Stadt auf den Weg gemacht hat. Sie kennen die Diskussion um eine Veränderung der Verkehrsführung, das ist nicht so ganz ohne, geschieht aber genau mit dem Blick auf Karstadt.
Es ist Christian Dirschauer durchaus zuzustimmen: Wir brauchen für die verschiedenen Standorte individuelle Lösungen. Zumindest für Flensburg sind sie möglich. Ich glaube, das gilt auch für die anderen Standorte. - Vielen Dank.
Vielen Dank. Dann haben Sie auch die Möglichkeit, vielleicht noch drei oder vier weitere Sätze zu sagen. Mir ging es nur um die Regelungswut, die Sie angesprochen haben. Da Sie diese Regelungswut kritisieren, würde ich schon gern wissen, wie Sie die aktuellen Paragrafen der Arbeitsstättenverordnung bewerten. Da herrscht ja die Regelungswut schon. Wir wollen ja nur, dass diese konkretisiert werden, wenn Sie § 3 oder 3 a nehmen. Die kennen Sie sicher alle. Darin geht es um Gefährdungsbeurteilung und Gesundheitsschutz. Die sind ja schon da. Wollen Sie die abschaffen, oder was wollen Sie mit der Regelungswut machen?
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin über einen Satz von Lasse Petersdotter gestolpert, den ich anders interpretiere oder vielleicht noch geraderücken kann.
Wir sind uns sicherlich einig, dass es erforderlich ist, dass wir in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz klare Regelungen brauchen, damit wir - wie Sie gesagt haben - den Arbeitgebern nicht auf den Leim gehen. Das ist wohl unstrittig. Sie haben aber auch gesagt - wenn ich das richtig mitgeschrieben oder verstanden habe -, dass natürlich auch die Arbeit an einem Küchentisch möglich sein soll, wenn das alle okay finden können. Das glaube ich nicht. Wenn wir uns die einschlägigen Arbeitsschutzgesetze angucken, kann ich jetzt schon sagen, dass das Arbeiten am Küchentisch wahrscheinlich nicht möglich sein dürfte.
Das ist aber nicht mein Hauptpunkt, sondern mein größter Punkt ist der, dass wir Regelungen brauchen, die nicht davon abhängig sind, ob und wer das okay findet. Ich glaube, wir brauchen klare Regelungen zum Arbeiten zu Hause und nicht einfach nur Regelungen, der der eine oder andere zustimmt oder auch nicht.
Das war der Punkt, den ich noch einmal betonen wollte. - Danke schön.
Das wird im Ausschuss sicherlich sehr spannend werden. Ein Punkt ist mir aber wichtig: Es macht einen Unterschied, ob Sie als Selbstständiger zu Hause arbeiten, oder ob der Arbeitgeber Sie häuslich arbeiten lässt. In dem Fall ist nämlich der Arbeitgeber für den Arbeits- und Gesundheitsschutz auch an diesem Arbeitsplatz zuständig.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben 2018 hier im Landtag über das Thema diskutiert und beschlossen. Wir waren uns einig, dass eine Open-Source- und Multi-Vendor-Strategie sinnvoll und vernünftig ist. Die Landesregierung wurde beauftragt, bis zum ersten Quartal 2020 einen Bericht vorzulegen, wie und bis wann die Nutzung von Open-Source-Software umsetzbar ist. Der Bericht liegt seit März dieses Jahres vor, dafür vielen Dank. Die Strategie ist beschrieben, die Begründungen sind nachvollziehbar. Digitale Souveränität der Verwaltung, Green IT, Multi-Vendor-Strategie sind hier sicherlich die richtigen Stichworte.
Ich will noch auf zwei oder drei Punkte eingehen. Vielen Dank, Herr Kollege Kilian, dass Sie die Aspekte Nutzerakzeptanz, easy-to-use und Schulungskonzepte angesprochen haben. Diese Punkte sind zwar angesprochen worden, aber ich finde sie nicht wirklich in der Strategie wieder.
Wir finden auch wenig zeitliche Angaben, die ja eigentlich auch zu einer Strategie gehören. In Bezug auf Microsoft Office wird es ein bisschen konkreter. Als Datum für den Übergang zu LibreOffice oder anderen quelloffenen Codes wird der 14. Oktober 2025 genannt. Ansonsten finden sich allenfalls vage Zeitangaben für eine erste Evolution einzelner Einsatzszenarien oder Erprobungen.
Einmal mehr fällt bei diesem wie bei vielen anderen Digitalisierungsberichten der Landesregierung
auf, dass wieder viel konzeptionell erarbeitet und ausprobiert wird. Aber klare Aussagen, wie und bis wann zum Beispiel Open-Source-Software umgesetzt wird, finden sich nicht wirklich.
Es wird darauf verwiesen, dass eine Open-SourceStrategie nicht vom Vorgehen anderer Bundesländer und des Landes abgekoppelt werden kann. Das ist sicherlich richtig. Jedoch hätten wir nach zwei Jahren eine konkrete Zeitschiene erwartet, also eine klare Aussage darüber, bis wann in welchen Bereichen Open-Source-Software eingeführt wird.
Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten noch einmal an den Beschluss aus dem Jahre 2018 erinnern - ich zitiere -:
„Das zentrale IT-Management wird gebeten, bis zum ersten Quartal 2020 zu berichten, wie und in welchem Zeitfenster das Ziel der vollständigen Ablösung von Closed Source durch Open-Source-Software zu erreichen ist.“
Das ist, glaube ich, durch den Bericht nicht erreicht.
Einen weiteren Punkt halte ich dann doch für mehr als enttäuschend, nicht nur, weil ich und weil wir das schon vor zwei Jahren formuliert haben. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir über Schnittstellenproblematik, die Notwendigkeit der Qualifizierung, der Anwenderschulung und über Möglichkeiten der Unterstützung unserer mittelständischen Wirtschaft gesprochen. Die Einführung von Software ist nie nur ein technisches Projekt. Es geht immer um Organisationsveränderungen, es geht um Personalentwicklung. Softwareeinführung ist immer ein soziotechnisches Projekt. Hierzu aber lesen wir in dem Bericht gar nichts.
Nehmen Sie das Beispiel MSOffice. Seit Jahrzehnten wird mit dieser Software gearbeitet. Es gibt unzählige Dokumente, Datenbanken, PowerPoint-Präsentationen, Aufgabenlisten, E-Mail-Konten und so weiter und so fort. Auch wenn es uns nicht gefällt: MS-Office ist Standard.
Die Migration, wie zum Beispiel MS-Office zu LibreOffice, und die Akzeptanz einer neuen Softwarelösung wird nur gelingen, wenn das neue System die gleiche Funktionalität hat, vorhandene Dokumente einfach zu nutzen erlaubt und sich ohne große Friktionen in die gewohnten Arbeitsabläufe einbetten lässt.
Wenn man zum Beispiel mir als Hochschullehrer einfach eine andere Software vorsetzt und nicht ge
währleisten kann, dass Hunderte von PowerPointPräsentationen einfach genutzt und migriert werden können, wird das nicht unbedingt meine und auch nicht die Akzeptanz der anderen mit sich bringen.
Erlauben Sie mir noch ein kleines Zitat aus der „CHIP“ aus diesem Jahr:
„Oft kämpft LibreOffice jedoch mit dem Layout, sodass Sie dieses möglicherweise manuell anpassen müssen. Gerade in der Geschäftswelt, wenn Sie Daten unter Kollegen austauschen, kann das ziemlich nervig sein.“
Selbst wenn die Migration technisch und organisatorisch gelingt, was nicht trivial ist und zum Beispiel an der aktuellen Diskussion über die Datensicherheit von LibreOffice deutlich wird, bedarf es erheblicher Anstrengungen bei der Fort- und Weiterbildung der Arbeitenden und der Nutzerinnen und Nutzer.
Das Schulungskonzept ist zwar erwähnt, in dem Bericht aber nicht wirklich ausgeführt. Da erwarte ich nach zwei Jahren wirklich mehr.
Aufgrund Ihres Berichts habe ich nicht den Eindruck, dass Ihnen diese Zusammenhänge wirklich klar sind.
Wer schon einmal Software, insbesondere in diesem Maßstab, eingeführt hat, weiß, dass das erst einmal mehr Geld und Aufwand bedeutet. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung, dass die Ablösung von MSOffice Geld in Millionenhöhe sparen würde, bestenfalls unbedarft.
Uns scheint es deswegen aufgrund dieser Punkte dringend geboten, das Thema im Innen- und Rechtsausschuss zu vertiefen und insbesondere diese Punkte nachzuarbeiten. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Sie ermöglichen mir damit ein stressfreies Wochenende. Denn ich hätte gern noch eine Information. In der Tat habe ich Zahlen dazu gelesen, was wir sparen, wenn wir Microsoft Office ablösen. Was ich nicht gelesen habe, was aber, wie ich finde, zu einem Konzept dazugehört, ist eine Antwort auf die Frage, was wir dann mit dem Geld machen. Sie haben gerade gesagt - vielleicht wissen Sie insoweit ein bisschen mehr als ich -, das Geld werde dafür eingesetzt, diese Strategie entsprechend umzusetzen. Ich hätte gern Genaueres dazu erfahren - das kann ich auch gern im Ausschuss platzieren -, wie hoch zum Beispiel der Schulungsaufwand ist. Schulungskonzepte kosten Geld. Dazu hätte ich gern etwas gelesen; aber vielleicht wissen Sie ja schon mehr als ich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Prinzip bedarf es gar nicht der Ergänzung der Ausführungen des Kollegen Dolgner, weil er in großartiger Weise die Probleme des vorliegenden Gesetzentwurfes benannt hat.
Ich möchte Ihnen jedoch zwei konkretisierende Anmerkungen meines Flensburger Kämmerers an die Hand geben und ans Herz legen, die auch dem Städteverband und dem einen oder anderen von Ihnen sicherlich bekannt sind.
Zum einen bezweifelt er nachvollziehbar, dass die Einwohnerveredelung die Sonderlasten der Kommunen und insbesondere auch der kreisfreien Städte im Bereich der Schulträger-Kita-Aufgaben auch nur irgendwie hinreichend abbildet.
Wir haben gerade schmerzlich festgestellt - Martin Habersaat hat darauf hingewiesen -, welche Bedarfe wir haben. Das sind nur keine ausschließlichen Coronabedarfe. Wenn wir auch in Flensburg über ausreichende Hygiene und hinreichend viele Toiletten reden und darüber, dass die Klassenräume viel zu klein sind, oder darüber, dass wir im Bereich der Digitalisierung erheblichen Nachholbedarf haben, dann sehen wir, dass hier sehr viel mehr zu tun ist, als Sie derzeit vorschlagen.
Schließlich vermerkt der Kämmerer - für mich ebenfalls nachvollziehbar -, dass der Gesetzentwurf zu wenige Anreize für das Flächensparen und die Natur- und Landschaftspflege beinhaltet. Ich kann Ihnen das entsprechende vorliegende Zahlenwerk gar nicht ausführen, hoffe aber, dass dieses nicht nur in der kreisfreien Stadt Flensburg, sondern auch in den anderen kreisfreien Städten in den Ausschussberatungen zur Kenntnis genommen wird.
- Ich sage es einmal so, lieber Lars Harms: Dinge, die vernünftig und richtig sind, sollte man durchaus ansprechen.
Nun doch noch eine kurze Anmerkung zur Kollegin Krämer: Sicherlich ist es die Aufgabe von Wissenschaft, ihre Aussagen möglichst konkret und nachvollziehbar zu formulieren. Es geht aber nicht darum, ob sie Ihnen plausibel sind - wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Wissenschaftliche Ergebnisse sind richtig oder falsch. Es wäre natürlich schön, wenn sie auch plausibel - einleuchtend - sind. Das ist aber nicht das zentrale Kriterium wissenschaftlicher Qualität. - Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie hatten dankenswerterweise im Bildungsausschuss bereits darüber berichtet, was die Hochschulen wirklich in kürzester Zeit geleistet haben: neue digitale Angebote, neue Plattformen, neue Angebote im künstlerisch-musischen Bereich. Das ist großartig, dafür möchte ich mich und dafür möchte meine Fraktion sich bei den Hochschulen im Land ausdrücklich bedanken.
Viele Regelungen unterstützen wir, da sie den Hochschulen ermöglichen, flexibel auf die Situation einzugehen. Ich möchte aber doch betonen: Das muss auch weiterhin selbstverwaltet und autonom in den Hochschulen geschehen.
Die Pandemie hat aber auch gezeigt, wie groß der Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung an den Hochschulen ist. An bestimmten Tagen reicht zum Beispiel die Serverkapazität nicht. Auch verfügen nicht alle Studierenden über die Endgeräte oder
- das muss man hinzufügen - im ländlichen Raum über die Netzkapazitäten, die erforderlich wären, um an den entsprechenden Angeboten teilzunehmen. Auch die technische und personelle Infrastruktur ist an den Hochschulen auszubauen. Wie Kollege von der Heide hoffe ich, dass wir erkennen, dass auch an den und für die Hochschulen im Bereich Digitalisierung mehr gemacht werden muss.
Ich möchte noch einmal betonen, dass wir es gut und richtig finden, die interdisziplinäre Forschung auch in Schleswig-Holstein zum Thema Corona zu intensivieren. Das ist gut und richtig. Wir brauchen da mehr Wissen.
Ihr Antrag - wir springen hier in der Tat thematisch immer ein bisschen - zu BAföG-Nothilfe ist natürlich nicht falsch, er ist aber ein bisschen wenig ambitioniert und natürlich auch ein wenig überholt.
- Halt halt, ganz ruhig.
Sie haben es ja schon gehört: Wir wollen etwas anderes. Das will ich Ihnen noch einmal erklären.
Sie haben sicherlich zur Kenntnis genommen, dass es eine Einigung im Bund gibt, die sowohl die Nothilfe an die Studentenwerke in Höhe von 100 Millionen € als auch die Bereitstellung von 1 Milliarde € für die KfW-Studienkredite beinhaltet.
Sie haben aber sicherlich auch zur Kenntnis genommen, dass die Forderung der SPD, die Unterstützung der Studierenden durch nicht rückzahlbare Zuschüsse über eine Erweiterung des BAföG zu realisieren, von der Bundesbildungsministerin und Teilen der CDU bis zuletzt abgelehnt worden ist.
Ich darf noch einmal daran erinnern, worüber wir reden: Nach der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes
benötigen in Schleswig-Holstein ungefähr ein Drittel der Studierenden – plus/minus 24.000 - dringend einen bezahlten Nebenerwerb zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes. Ich bin sehr skeptisch, ob die bereitgestellten Mittel zur Unterstützung dieser Studierenden ausreichen werden. Diesen Studierenden
wäre in der Tat mit unbürokratisch gewährten Zuschüssen mehr geholfen als mit Krediten, die letztlich erst einmal nur Schulden sind. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Hölck hat es heute schon ausgeführt: Der Masterplan ist in der Tat zu begrüßen. Hier sind viele gute Punkte benannt, die ich übrigens auch schon im industriepolitischen Papier der Küstenkoalition gefunden habe. Insofern ist dies durchaus eine entsprechende Verlängerung.
Stutzig hat mich allerdings eine Bemerkung des Kollegen Kilian von heute Morgen gemacht, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Sie haben sinngemäß formuliert, wir würden Industriepolitik mit Arbeitspolitik verwechseln. In dem Masterplan, und
das finde ich durchaus positiv, habe ich zumindest gelesen, dass Industriepolitik eine Querschnittsaufgabe sei, unter anderem von Technologiepolitik, Klimapolitik und - ich betone - von Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik und vielem anderen mehr.
Sehr geehrter Herr Minister, das ist für mich ein wichtiger Punkt. Ich - wir - würden Sie daran messen, inwieweit Ihre industriepolitischen Maßnahmen auch einen Beitrag zur guten Arbeit, zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, aber auch zur Tarifbindung bieten. Das wird eine durchaus wichtige Sache sein, die wir dann bewerten müssen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, auch von uns aus vielen Dank für Ihre umfangreiche und durchaus informative Antwort auf unsere Große Anfrage. Mein Dank richtet sich natürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses, denn eine Große Anfrage in diesem Umfang bedeutet viel Arbeit. Ich hoffe sehr, dass das nicht zu einer zusätzlichen anlassbezogenen Gefährdungsbeurteilung bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führt, aber wenn, wäre das juristisch auch korrekt.
Sicherlich hat unsere Große Anfrage auch einigen Aufwand bei den Kolleginnen und Kollegen der StAUK verursacht. Ich möchte mich bei diesen explizit bedanken und schon einmal vorab festhalten, dass sich kritische Anmerkungen explizit nicht auf die engagierte Arbeit dieser Kolleginnen und Kollegen vor Ort beziehen.
Natürlich ist mir bewusst, dass die Geschichte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in SchleswigHolstein nicht erst mit der derzeitigen Landesregierung beginnt, aber - wie im Folgenden zu zeigen ist - wir müssen spätestens jetzt für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schleswig-Holstein mehr tun. Sie, sehr geehrter Herr Minister, können das auch.
Stellen wir zunächst anhand großer repräsentativer Studien, zum Beispiel der der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung, kurz BAuA, oder des DGB im Rahmen des „Index gute Arbeit“ fest, dass sich die Belastungen im Allgemeinen und die psychischen Belastungen im Besonderen seit Jahren auf einem hohen Niveau bewegen - mit steigender Tendenz.
In der Untersuchung beispielsweise der BAuA aus dem Jahr 2018 wird festgestellt, dass etwa die Hälfte der Beschäftigten angibt, häufig unter Terminund Leistungsdruck zu arbeiten, häufig bei der Arbeit gestört oder unterbrochen zu werden oder Verschiedenes gleichzeitig bearbeiten zu müssen. Außerdem zeigt sich, dass die wahrgenommenen Belastungen durch die Arbeitsbedingungen über die Jahre zugenommen haben. Die Folgen dieser Belastungen für die Gesundheit sind bekannt, nicht zwangsläufig - wie es in Ihrer Antwort heißt -, aber statistisch absolut gesichert.
So ist zum Beispiel in vielen internationalen Studien belegt, dass Arbeitsstress, insbesondere Zeitdruck, ständige Unterbrechungen, hektische Arbeitsumgebung und so weiter ein eindeutiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, also Herzerkrankungen, ist. Wenn also die psychischen Belastungen, die aus gutem Grund 2013 in das Arbeitsschutzgesetz aufgenommen wurden, auf konstant hohem Niveau bleiben oder sogar steigen, dann können wir eben nicht - wie in Ihrer Antwort mehrfach formuliert - davon ausgehen, dass die Aufsichtsbehörde und die StAUK ihrem gesetzlichen Auftrag mit dem zur Verfügung stehenden Personal nachkommen. Das können wir eben nicht, denn das Gesetz verpflichtet doch jeden Arbeitgeber zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen, insbesondere auch der psychischen Belastungen, zur Entwicklung von Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes - und dies nicht erst seit gestern.
Für mich ist der gesetzliche Auftrag - so steht es zumindest im Arbeitsschutzgesetz -, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Wenn dies offensichtlich nicht erreicht wird, dann wird der gesetzliche Auftrag auch nicht erfüllt.
Irritierend finden wir auch, dass bei vielen Antworten im Bericht darauf verwiesen wird, dass keine Statistiken vorliegen beziehungsweise die StAUK keine Statistiken führt. Ich erwarte aber von einer Fachaufsicht oder von der für den Arbeitsschutz zuständigen höchsten Landesbehörde, dass wenigstens genaue Zahlen vorliegen beziehungsweise die StAUK veranlasst wird, derartige Zahlen zu ermitteln.
So ganz stimmen Ihre Aussagen dann übrigens auch nicht, denn an der einen oder anderen Stelle finden sich dann doch erstaunlich aussagekräftige Statistiken. Eine möchte ich herausgreifen. In der Antwort zu Frage 56 finden wir die erstaunliche Feststellung - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin -:
„Über alle untersuchten Branchen hinweg war festzustellen, dass bei 63,5 % der aufgesuchten Betriebe keine oder unzureichende Gefährdungsbeurteilungen hinsichtlich psychischer Belastungen vorgelegt wurden.“
Weiter wird erwähnt, dass die Zahl in einigen Branchen noch deutlich höher ist. Ich betone noch einmal: In fast zwei Dritteln - in einigen Branchen deutlich mehr - der aufgesuchten und vermutlich aller Betriebe finden keine oder unzureichende Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen statt, obwohl das Gesetz und einschlägige Urteile des Bundesarbeitsgerichts diese unmissverständlich verlangen.
Lassen Sie mich in aller Kürze noch einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn ich richtig gezählt habe, dann sind derzeit gerade einmal gut 35 VZK der StAUK als Aufsichtsbeamte vor Ort tätig. Das heißt, eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ist für gut 3.000 Betriebe oder knapp 29.000 Beschäftigte zuständig. Dass das zu wenig ist, sieht man auf den ersten Blick.
Aber auch ein zweiter Blick in die Veröffentlichungen des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik zeigt, dass wir bei der Personalausstattung mit Bezug auf die ILO von einem Verhältnis von einem Inspektor, einem Aufsichtsbeamten, auf 10.000 Beschäftigte ausgehen müssen, um die Aufgaben angemessen erfüllen zu können. Davon sind wir weit entfernt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen - wie eingangs schon angekündigt -, dass wir in Schleswig-Holstein noch viel für den Arbeits- und Gesundheits
schutz tun müssen. Wir konnten heute nur an der Oberfläche kratzen. Viele weitere Fragen sind noch nicht hinreichend beantwortet und bedürfen der ausführlichen Beratung und Würdigung im Sozialausschuss und mitberatend im Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege, ich hätte gern eine Erläuterung. Sie sagen, im Prinzip sei es zufriedenstellend. Ich frage Sie: Wenn im Jahr 2018 nur 1,75 % der Betriebe besichtigt werden konnten, wenn offensichtlich zwei Drittel bis drei Viertel der Betriebe ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen - sie machen keine Gefährdungsbeurteilung; das steht in dem Bericht -, wie können Sie dann von „zufriedenstellend“ reden?
Gestatten Sie mir nur einen kleinen Hinweis. Ich will das gar nicht im Detail bewerten. Aber das UKSH ist explizit Thema der Großen Anfrage. Darauf hat sich meine Kollegin bezogen. Das ist also kein gesonderter Punkt, sondern wir haben explizit gefragt: Wie ist der Stand des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im UKSH? Das ist beantwortet worden. Insofern bezieht sich das explizit auf die Große Anfrage.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, erst einmal vielen Dank für Ihren Bericht, der mich an der einen oder anderen Stelle nicht ganz befriedigt. Ich werde gleich erläutern, an welcher Stelle das ist.
Unser Berichtsantrag hat zwei Anlässe:
Erstens. Wie viele andere Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus bin ich häufig im Land unterwegs von Flensburg nach Heide, Kappeln, Richtung Hamburg oder Lübeck, und Ihre Strecke von Ahrensburg nach Kiel kann man auch dazuzählen.
Was erleben wir dort? Natürlich in der Regel kein 5G, aber auch kein 4G, häufig auch kein 3G.
- In der Regel erleben wir 0G - das ist die Erfahrung. Es gibt bisher große 3G-Versorgungslücken und Funklöcher, die immer noch nicht gestopft sind. Schon bei der Versteigerung der 3G-Funklizenzen im Jahr 2000, die im Übrigen das Achtfache der jetzigen Versteigerung erbrachte, wurde hohe Netzverfügbarkeit, wenn nicht sogar flächendeckende Netzverfügbarkeit versprochen. Das Ergebnis kennen wir: Deutschland ist im internationalen Vergleich weit abgeschlagen. Das Versprechen von flächendeckendem 5G mag deshalb zumindest den Einwohnerinnen und Einwohnern unseres Landes außerhalb der Ballungszentren wie blanker Hohn vorkommen- so kommt es bei den Bürgerinnen und Bürgern an -, denn sie werden im Alltag lediglich mit EDGE-Geschwindigkeit, also deutlich unter 3G unterwegs sein.
Zweitens. Der zweite Anlass war die Antwort des Wirtschaftsministeriums der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage zu 5G im Juni dieses Jahres. Dort erklären Sie lapidar - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin -, dass „der Landesregierung … keine Erkenntnisse über den geplanten Ausbau mit 5G“ vorliegen, „da der Ausbau des Mobilfunks privatwirtschaftlich durch die Mobilfunknetzbetreiber erfolgt.“ So geht es weiter, wenn wir nach der Anzahl der Funkmasten, den Frequenzen und so weiter fragen - es liegen beziehungsweise lagen ihnen keine Erkenntnisse vor. Sehr geehrter Herr Minister, das war und wäre im Umgang mit einer Basis- und Zukunftstechnologie zu wenig.
- Bitte?
- Nein, Sie müssen auch etwas ändern. Da kommen wir gleich noch zu.
Es geht - Sie haben das ausgeführt - um die gesellschaftliche Akzeptanz für die neue, wichtige 5GTechnologie. Da reichen solche lapidaren Äußerungen nicht. Offensichtlich hat sich aber Ihre Erkenntnis - wir haben das in Ihrem Bericht gehört - in den letzten Wochen bemerkenswert geändert. Das ist schön.
Dankenswerterweise haben Sie vor einer guten Woche zusammen mit den 5G-Netzbetreibern erklärt, dass es in Schleswig-Holstein 531 Funklöcher gibt,
wenn ich es richtig gelesen habe. 90 von diesen Funklöchern sollen bis Ende nächsten Jahres geschlossen werden. Ob es hier um 5G oder LTE oder nur 3G geht, konnte man zumindest der Presse und Ihrem Bericht nicht entnehmen. Meine Frage ist natürlich: Was passiert mit den restlichen 441 Funklöchern?