Protocol of the Session on March 24, 2022

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Der dritte Fall, auf den ich eingehen möchte, war ebenfalls Gegenstand einer Berichterstattung des „Norddeutschen Rundfunks“ aus dem Dezember 2021, diesmal kein sogenannter Präsident, aber eine Person, die nahe an der Führungsriege der Hells Angels Kiel dran gewesen sein soll. Diese habe dem Landeskriminalamt Aufklärungshilfe geleistet und dabei Einblicke in die Ermittlungsarbeit und weitere polizeitaktische Informationen erhalten. Eine Verpflichtungserklärung habe die Person nicht unterschrieben. Diese Aussage hat mir das Innenministerium zwischenzeitlich bestätigt. Eine Verpflichtungserklärung wurde in diesem Zusammenhang nicht unterzeichnet. Warum nicht, weiß man im Innenministerium auch nicht.

Auch in diesem Fall wurde seinerzeit vom Innenministerium eine Sperrerklärung abgegeben, die ich zwischenzeitlich lesen konnte. Ich halte diese für unzulässig. Damit ist die unzulässige Sperrerklärung aus dem Subway-Verfahren - da gab es auch eine - schon kein Einzelfall mehr.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss nochmals auf ein Kernproblem, welches sich wie ein roter Faden durch diesen PUA zieht, zurückkommen. Das ist die Fehlerumgangskultur. Andere Redner vor mir haben schon darauf hingewiesen: Fehler werden immer und überall gemacht, das ist menschlich. Die große Herausforderung ist jedoch, wie mit diesen Fehlern umgegangen wird.

Das aktuelle Negieren der Notwendigkeit dieses PUA ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Schlussberichtes bereitet mir deswegen Sorgen. Da wird wenige Stunden nach Veröffentlichung des Abschlussberichtes von interessierter Seite pauschal behauptet, in der Polizei sei bereits

(Burkhard Peters)

im Mai 2017 alles aufgearbeitet gewesen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den über 1.100 Seiten des Berichtes erfolgte erkennbar nicht. Ja, wie denn auch in diesen wenigen Stunden! Das ist die Fehlerumgangskultur der Zwanzigerjahre - leider des letzten Jahrhunderts. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Jan Marcus Rossa das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich zunächst dem Dank meiner Vorredner an. Der Dank gilt vor allen Dingen dem Geschäftsführer des Untersuchungsausschusses, Morten Alpes, Frau Riedinger vom Wissenschaftlichen Dienst, die hinter mir sitzt, aber auch den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Fraktionen, die hier einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet haben, damit wir dieses umfassende Werk am Ende gemeinsam erstellen konnten.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich ausdrücklich auch bei den Ausschussvorsitzenden einschließlich des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden bedanken, die mit großer Besonnenheit durch diesen Untersuchungsausschuss geführt haben, der ja politisch durchaus heiß war an der einen oder anderen Stelle, viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzeugte. Auch da wurde mit ruhiger Hand agiert. Da gilt mein Dank Christian Claussen, Tim Brockmann, aber auch Thomas Rother. Vielen Dank für diese nicht immer einfache Arbeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Meine beiden Vorredner haben deutlich gemacht, dass an einem einzigen Punkt die Meinungen zu dem Ergebnis des Untersuchungsausschusses auseinandergelaufen sind. Das ist in der Tat richtig. In der wesentlichen Aussage aber stimmen wir alle überein. Es hat insbesondere beim Umgang mit verdeckten Quellen, verdeckten Hinweisen Fehler gegeben. Die sind herausgearbeitet worden. Es sind auch die Verantwortlichkeiten herausgearbeitet worden. Auch dort stimmen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses weitgehend überein.

Aber an einem Punkt konnten wir uns dem Mehrheitsvotum dann nicht anschließen, und das war die Frage, welche Weisungsbefugnisse zum Beispiel der Leiter der Soko Rocker gegenüber Ermittlungsbeamten in einer Soko hat. Diese Frage konnte bis zum Schuss zwischen uns nicht geeint werden.

Das ist eine juristisch hochkomplexe Frage. Das hat damit zu tun, auf welcher Basis die Polizei in Ermittlungsverfahren tätig wird. Es ist überhaupt gar keine Frage: Wenn die Staatsanwaltschaft einen konkreten Ermittlungsauftrag an Ermittlungsbeamte gegeben hat, dann ist die weisungsbefugte Institution die Staatsanwaltschaft, und Personen, die nicht Ermittlungsbeamte im Sinne des GVG sind, sind dann nicht mehr weisungsbefugt. Diese Beauftragung hat es aber in der Soko Rocker und auch im Hinblick auf das Subway-Verfahren nicht gegeben, sondern die Polizei ist zunächst aufgrund ihrer eigenen Verpflichtung, Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren aufzunehmen, tätig geworden. Sie ist dann ersucht worden, entsprechende Ermittlungsverfahren fortzusetzen, und im Rahmen eines solchen Ersuchens bleibt es eben bei den Weisungsbefugnissen, wie sie innerhalb der Polizei vorherrschen.

Genau an dem Punkt mussten wir uns gegen das Mehrheitsvotum stellen, weil wir nicht bescheinigen konnten, dass der Leiter der Soko Rocker und der Leiter der Abteilung LKA 2 rechtswidrig gehandelt haben. Einen solchen Nachweis hat der Untersuchungsausschuss nicht erbracht, und ein solches Ergebnis konnten wir daher nicht mittragen.

(Beifall FDP)

Der wesentliche Punkt des Untersuchungsausschusses war aus meiner Sicht und insbesondere aus der Sicht von Juristen, dass hier die ganz akute Gefahr bestanden hat, dass entlastende Tatsachen, die im Rahmen verdeckter Ermittlungen gewonnen werden konnten, möglicherweise nicht in ein Strafverfahren hätten eingeführt werden können, weil eine Verschriftlichung dieser Erkenntnisse verweigert wurde.

Hier muss man auch sagen - das zeigt den Willen einer objektiven Aufklärungsarbeit aller Ausschussbeteiligten, der Kollege Kai Dolgner hat dies eben selbst ausgeführt -: Am Anfang waren wir alle aufgrund der Hinweise davon ausgegangen, dass ein dringender Verdacht bestand, dass die Landespolizei für die Nichtverschriftlichung dieser Hinweise verantwortlich gewesen ist. Das hat sich im Rahmen der Untersuchungen des Untersuchungsausschusses als nicht richtig erwiesen, und auch das ist

(Burkhard Peters)

in unserem Untersuchungsbericht gemeinsam festgestellt worden. Da gibt es keine zwei Meinungen.

Dass hier entlastende Hinweise nicht verschriftlicht wurden, hat ein Staatsanwalt im Rahmen seiner Entscheidungsbefugnisse entschieden. Darüber, ob die Entscheidung richtig war oder falsch, kann man vielleicht noch streiten. Ich halte sie für falsch, weil damit die Durchführung eines fairen Strafverfahrens gefährdet war. Entlastende Umstände müssen Beschuldigten und ihren Verteidigern stets zugänglich gemacht werden.

(Beifall FDP, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Und weil diese Gefahren eben immanent sind, wenn ich mit verdeckten Quellen und vertraulichen Hinweisen arbeite, haben wir für Schleswig-Holstein wiederum gemeinsam die Konsequenz gezogen und im Rahmen der Novelle des Polizeirechts eine Regelung zum Umgang mit V-Leuten, mit VPersonen geschaffen, die ihresgleichen sucht, die zukunftweisend ist und die auch der besonderen Sensibilität in diesem Bereich der Zusammenarbeit mit verdeckten Quellen Rechnung trägt.

Mein Kollege Burkhard Peters hat es schon gesagt: Für das Strafprozessrecht ist der Bundesgesetzgeber zuständig, und wir können nur hoffen, dass dort ähnliche Konsequenzen gezogen werden, denn dass V-Leute und die mit ihnen gewonnenen Erkenntnisse rechtsstaatlich ein Problem darstellen, das ist aufgrund vieler Untersuchungsausschüsse in den vergangenen Jahren hinreichend bekannt.

Ein weiterer Aspekt, den ich hier erwähnen möchte, ist die Verantwortung unserer Medien, und zwar mit Blick auf die Pflicht zu einer wahrhaftigen und wahrheitsgemäßen Berichterstattung. Diese hat hier eben nicht stattgefunden. Das ist auch ein Ergebnis des Untersuchungsausschusses.

Es ist bedauerlich, dass gerade Unwahrheiten, die in den Medien durch eine Regionalzeitung hier in Schleswig-Holstein verbreitet wurden, Auslöser des Untersuchungsausschusses geworden sind. Es standen Verdächtigungen im Raum, die ungeheuerlich gewesen wären, wenn sie denn wahr gewesen wären. Die Landespolizei soll Journalisten und Mitarbeiter eines Zeitungsunternehmens abgehört und elektronisch überwacht haben. Meine Damen und Herren, wir sind uns einig: Einen solchen Angriff auf unsere freien Medien würden wir niemals dulden. Aber wenn solche Behauptungen sich am Ende als wahrheitswidrig erweisen, dann ist das mindestens genauso schlimm. Ich bin froh, dass diejeni

gen, die dafür die Verantwortung tragen, heute hier in der Landeshauptstadt keine Rolle mehr spielen. Aber ich bedaure es außerordentlich, dass die redlichen Redakteure in dieser Redaktion die verlorengegangene Reputation mühsam wiederaufbauen müssen. Wir sollten ihnen aber meines Erachtens einen Vertrauensvorschuss in Bezug auf ihre Redlichkeit geben. Das war ein Einzelfall, und wir sollten das genauso wie die Unterdrückung von Beweismitteln durch einen Staatsanwalt als Einzelfall behandeln.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss noch eine Erkenntnis, die zwar nicht unmittelbar auf die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss zurückzuführen ist, die aber doch aufgrund zahlreicher Hintergrundgespräche, die ich geführt hatte, immer wieder aufflackerte. Ich habe mich von Anfang an gefragt, welche Rolle unsere Polizeibeauftragte in dieser Affäre spielte, und ich bin mir heute sicher, meine Damen und Herren, dass diese Rolle keine passive gewesen ist. Schon zu Beginn des Ausschusses wurde mehr als deutlich, dass gewisse Informationen bei der Polizeibeauftragten zusammenliefen. Sie selbst hat das in einem Tätigkeitsbericht von 2018 dokumentiert. Das wiederum hat bei mir immer wieder die Frage aufgeworfen, warum eigentlich behördeninterne Probleme in der Landespolizei nicht durch die Gremien behandelt werden, die seit Jahrzehnten bestehen und von den Beschäftigten demokratisch gewählt wurden.

Ich bin der Überzeugung, dass es ein Webfehler des Gesetzes ist, dass sich die Polizeibeauftragte in Angelegenheiten der Landespolizei einmischen darf, ja, sogar initiativ werden darf. Solche Themen fallen in die Zuständigkeit der demokratisch legitimierten Personalvertretungen. Einen Nebenpersonalrat brauchen wir wahrlich nicht und schon gar nicht die Angehörigen der Landespolizei, die nämlich ihre Interessenvertretung demokratisch selbst wählen und dafür keineswegs der Hilfe des Landtags bedürfen, der ihnen eine Landesbeauftragte vor die Nase setzt.

(Serpil Midyatli [SPD]: Scheinbar ja doch!)

Das sollten wir in der nächsten Legislaturperiode auf den Prüfstand stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Vielen Dank.

(Jan Marcus Rossa)

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat nun deren Vorsitzender Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ausgangspunkt unserer Untersuchung war ein nur drei Menschen betreffender Konflikt. Daraus wurde eine stetig anschwellende und mehrjährige Auseinandersetzung, die zunächst die Polizei vereinnahmte, dann Staatsanwaltschaften, Gerichte und schließlich den Untersuchungsausschuss. Im Laufe der Jahre dürften mehrere hundert Menschen in Tausenden von Arbeitsstunden mit diesem Fall und seinen Folgen beschäftigt gewesen sein.

Obwohl diese Eskalation mit guter Führung durch Vorgesetzte hätte vermieden werden können, wurde hier fast klassisch aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Wir können von Glück sagen, dass wir schon vor Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses eine Untersuchung des ehemaligen Innenministers Buß vorliegen hatten. Die Analysen und Schlussfolgerungen dieses Berichts haben sich bestätigt. Ohne diesen Bericht wäre die Arbeit noch aufwendiger gewesen.

Auch deshalb haben wir jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht, der es ermöglichen soll, in Zukunft einen Ermittlungsbeauftragten vor Beginn der Arbeit eines Untersuchungsausschusses einsetzen zu können. Auf Bundesebene und in Baden-Württemberg hat man mit solchen Ermittlungsbeauftragten sehr gute Erfahrungen gemacht.

Meine Damen und Herren, unsere Polizistinnen und Polizisten sind Menschen, die in ihrem Dienstalltag mit vielfältigen und auch eigenen Konflikten, Ängsten oder Traumatisierungen konfrontiert sind. Wer sich offen dazu bekennt und etwa die Hilfe und Begleitung von Konfliktberatern, Mediatoren oder Psychologen in Anspruch nimmt, ist kein Versager, sondern eine solche Person hat das Verständnis und die Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen und insbesondere ihrer Vorgesetzten verdient.

(Beifall SSW)

In diesem Zusammenhang steht als Folge eines nicht gelösten Konflikts der Vorwurf des Mobbings im Raum. Ob Mobbing stattgefunden hat, konnten wir nicht feststellen.

Mobbing scheint dabei ein rechtlich schwierig einzuordnender Begriff zu sein und Mobbing- oder

Gerichtsverfahren für Mobbingbetroffene eine große und zusätzlich belastende Hürde. Wesentlich ist deshalb, den Verlust des gewohnten dienstlichen Umfeldes der Leidtragenden etwa durch Umbesetzungen zu vermeiden und bei Bedarf eine Wiedereingliederung voranzutreiben. Hierbei dürfte es vorwiegend darum gehen, die Einflussmöglichkeiten von Personalräten auszubauen und insgesamt aufzuwerten mit Blick auf die rechtlichen, qualifikatorischen und handlungspraktischen Möglichkeiten der Personalvertretung.

Mit einem Mehr an Aufmerksamkeit und Empathie sowie Wissen im Umgang mit psychischen Belastungen hätte sich eine Eskalation wie in unserem Fall bereits im Vorfeld vermeiden lassen. So sollte es für die Polizeiführung und dabei insbesondere für die Leitungsebene der Polizeiabteilung selbstverständlich sein, sich ihren Mitarbeitern gegenüber kooperativ zu verhalten und sich auch für den Umgang mit psychischen Belastungen zu qualifizieren. Was Mobbing betrifft, sollte eine solche Qualifizierung obligatorisch sein.

Eine der Ursachen für den Ursprungskonflikt zwischen den beiden Abteilungen des LKA, genauer gesagt, eine sich konflikthaft bis in die höchsten Führungsebenen hocheskalierende Meinungsverschiedenheit zwischen Mitarbeitern zweier Dezernate, war der Wildwuchs von Kommunikationssträngen innerhalb des LKA. Es ist leicht nachvollziehbar, dass konspirative Gespräche zwischen Mitarbeitern, Flurfunk der Mitarbeiter untereinander oder situativ Handgestricktes von Vorgesetzten wenig Orientierung geben können.

Für eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit muss es klare, auf der Führungsebene abgestimmte und für alle Mitarbeiter nachvollziehbare und vor allem schriftlich fixierte Regelungen und Anweisungen geben. Wo so etwas noch nicht geregelt ist oder wo Unklarheiten bestehen, hat die Führungsebene die Mitarbeiter einzubeziehen, sie zu unterstützen und im Zweifel auch vor Fehlinterpretationen zu schützen.

Meine Damen und Herren, Vermerke sind nicht nur grundsätzlich, sondern immer anzufertigen. Vermerke müssen die wesentlichen Informationen enthalten. Gleichzeitig muss der Schutz von Personen gewährleistet sein. Dies ist selbst in einem so sensiblen Ermittlungsbereich wie bei der Rockerkriminalität möglich, dies im Übrigen auch schon vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses möglich gewesen, wie dies im Bericht des ehemaligen Innenministers Buß festgestellt worden ist.