Wir wollen Frauen ermutigen und ihnen zeigen, dass wir sie in der Politik brauchen - ihre Kompetenz, ihr Fachwissen, ihren Blick auf die Dinge. Ich weiß, dass der Einstieg in die Politik manchmal nicht so leicht ist. Aber es muss endlich selbstverständlich sein, dass 50 % der Bevölkerung auch 50 % der Macht haben. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Weihnachten habe ich im vergangenen Jahr ein Buch geschenkt bekommen. Es erzählt die Geschichten von Parlamentarierinnen in der Bonner Republik, von ihrem Kampf um Gleichberechtigung. Es war spannend zu lesen, was Rita Süssmuth, Annemarie Renger, Petra Kelly oder Hildegard Hamm-Brücher dort im Wasserwerk und vorher im Bundestag alles ertragen und erdulden mussten. Ihr wisst, von welchem Buch ich rede.
Wenn ich mich heute hier im Haus umgucke, sehe ich, dass fast alle Fraktionen beim Thema Gleichberechtigung Schritte vorwärts gemacht haben. Zwar sind wir von der Parität noch weit entfernt, und der Weg zur gesetzlichen Regelung wird schwieriger als gedacht, aber inzwischen gibt es zahlreiche Ministerpräsidentinnen - ab Sonntag eine mehr -, Ministerinnen und Bürgermeisterinnen. Sogar eine Bundeskanzlerin hatten wir. Verbesserte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, zum Beispiel der Ausbau der Kinderbetreuung, haben dazu beigetragen, dass Frauen auch bei Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen und sozialer Absicherung im Alter aufholen konnten.
Also alles gut? - Nicht wirklich. Der Blick in die Lebensrealität vieler Frauen in Deutschland zeigt uns ein anderes Bild. Die durchschnittliche berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen ist weiterhin oft schlechter als die von Männern. Die Pandemie hat dabei wie ein Brennglas gewirkt und bestehende Ungleichheiten noch einmal brutal in den Fokus gestellt. Verschiedene Studien zeigen, dass Frauen in Zeiten von Lockdowns, Kitaschlie
ßungen, Quarantäne und Homeschooling deutlich häufiger als Männer ihre Erwerbsarbeit reduziert haben. Wir sind von einer Arbeitsteilung von zwei Drittel für die Frauen zu einem Drittel für die Männer inzwischen bei einem Fünftel für die Männer und vier Fünftel für die Frauen angekommen.
Zu viele Frauen arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen in gesellschaftlich relevanten, aber deshalb unterbezahlten Berufen. Zwar ist der Equal-Pay-Day in diesem Jahr auf den 7. März vorgerückt. Die Lohnlücke besteht aber weiter. In Schleswig-Holstein beträgt der Verdienstunterschied immer noch rund 12 %. Richtig schockiert hat mich, dass der Unterschied in Hamburg mit 21 % sogar noch höher lag. Diese Ungleichheit bei den Löhnen ist nicht länger hinnehmbar.
Sie hat Auswirkungen auf das gesamte Leben von Frauen. Weniger Lohn heißt geringere Chancen auf eine eigenständige Existenzsicherung. Weniger Lohn heißt aber auch eine niedrigere Rente und ein erhöhtes Armutsrisiko im Alter. Denn noch deutlich gravierender als der Gender-Pay-Gap ist die Lücke bei der Absicherung im Alter. Nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen durchschnittlich ein um 49 % niedrigeres Alterseinkommen als die Männer, also nur die Hälfte. Das finde ich skandalös. Das müssen wir einfach ändern.
Die Wahrscheinlichkeit, von niedrigen Löhnen betroffen zu sein, ist in Deutschland für Frauen doppelt so hoch wie für Männer. Geringes Qualifikationsniveau, befristete Arbeitsverhältnisse, Migrationsgeschichte sowie die - wir sprachen gerade davon: meist familienbedingte - Teilzeit erhöhen das Risiko deutlich. Laut einer aktuellen Studie des WSI vom Januar 2022 zum unteren Entgeltbereich arbeiten 25,4 % der beschäftigten Frauen im Niedriglohnsektor, also ein Viertel all derjenigen, die arbeiten. Bei den Männern sind es nur 15,4 %.
Deswegen ist es gut und wichtig, dass die Bundesregierung die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 € auf den Weg gebracht hat. Frauen haben bereits und werden von diesem höheren Mindestlohn überdurchschnittlich profitieren, insbesondere, wenn sie in Teilzeit arbeiten oder einen befristeten Arbeitsvertrag haben, und weil sie viel häufiger in kleineren Betrieben ohne Tarifbindung arbeiten.
Meine Damen und Herren, wir müssen diese Lohnlücke schließen. Hilfreich wäre da eine Landesgleichstellungsstrategie, die ihren Namen auch verdient, Frau Ministerin: eine Strategie, die klare Ziele für die Gleichstellung definiert und Maßnahmen nennt, wie diese erreicht werden können, und zwar nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Ganz abgesehen davon, dass für die Umsetzung und Evaluation dieser Strategie personelle und finanzielle Ressourcen notwendig sind, und zwar mehr als die 200.000 €, die Sie im Haushalt bereitgestellt haben.
Vor allem sollten wir als Land alle negativen Anreize vermeiden, die bei Frauen zu einer Entscheidung gegen Berufstätigkeit führen und damit gegen den Erwerb eigener Ansprüche in der Altersversorgung. Mit dem Gesetz zur angemessenen Alimentation der Beamtinnen und Beamten haben wir gestern genau das Gegenteil getan.
Die Forderung nach Entgeltgleichheit - oder kurz gesagt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit - beschäftigt uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit mehr als 100 Jahren. Darum finde ich es haarsträubend, dass Frauen in Deutschland im Durchschnitt immer noch viel weniger verdienen als Männer. Das können und wollen wir nicht länger hinnehmen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesellschaftlichen Ebenen, vor allem in der Politik, ist die Querschnittsaufgabe von uns allen. Hier ergeben sich die Handlungsbedarfe natürlich auch für die Landesbehörden. Um sich ein umfangreiches Bild machen zu können, bietet sich hier ein Blick in die Strategie für das Land Schleswig-Holstein zur Gleichstellung von Frauen und Männern an. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei der Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack, ihrem Haus und Team für diesen aufschlussreichen und hervorragenden Bericht bedanken.
Wir müssen aufhören, in typischen Rollenbildern zu denken, und uns auf das Ziel konzentrieren, gleiche Chancen und gleiche Rechte für Frauen und Männer zu erreichen. Dabei sind wir in den letzten Jahren schon einige Schritte vorangekommen und haben auch schon einiges erreicht, wie zum Beispiel im öffentlichen Dienst, das ist immer ein Vorbild. Der allgemeine Verdienstabstand, der GenderPay-Gap, von 12 % in Schleswig-Holstein ist geringer und besser als im Bundesdurchschnitt. Damit wollen und dürfen wir uns aber nicht zufriedengeben. Wir wollen unser Ziel weiterverfolgen, und das ist die völlige Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Hierbei muss die Bundesregierung auch wie in Schleswig-Holstein handeln. Wir können nicht Jahr für Jahr beweinen, dass sich die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen nur schneckenhaft schließt. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefragt, entsprechende Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die dazu beitragen, diese Lohnlücke zu schließen.
Dazu gehört unserer Meinung nach auch, Familien besser zu unterstützen. Erfolgreiche Maßnahmen wie die Erhöhung der Zahl der Kinderkrankentage sind sehr hilfreich und unterstützen die Familien direkt. Ein weiterer wichtiger Punkt wäre aus meiner Sicht die Modifikation des Elterngeldes, das ja eine wahre Erfolgsgeschichte ist. Ich glaube, es war Frau von der Leyen. Hier wollen wir gern eine Anpassung an die modernen Familienrealitäten erreichen. Hier wird der Wunsch der Eltern laut, die Elterngeldmonate gerechter zwischen Frauen und Männern aufzuteilen. Es muss einfach mehr Vätermonate geben.
Das eigentliche A und O der Chancengleichheit ist aus unserer Sicht die Verbesserung der Möglichkeiten in der Kitakinderbetreuung. Auch hier haben wir mit der Kitareform bei uns in Schleswig-Holstein bereits eine Menge auf den Weg gebracht, und das war auch dringend notwendig. Eltern und Kommunen werden entlastet und die Betreuungsqualität verbessert: in den Kitas und in der Kindertagespflege. Gedeckelte Kitabeiträge, die freie Platzwahl und eine einheitliche Sozialstaffel sowie Geschwisterermäßigung helfen den Eltern ganz konkret, insbesondere den Alleinerziehenden, zumeist ja Frauen. Sie bewältigen dadurch ihren Alltag besser.
henden und Familien muss kontinuierlich und wirklich regelmäßig angepasst werden. Regelmäßige Anreize, die wirklich gerecht sind, brauchen wir auch in der Pflege von Angehörigen. Ich bin gespannt auf die angekündigte Initiative des Bundes. Wir wissen: Familienpflegezeit ist verdammt harte Arbeit.
Zudem brauchen wir flexible Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme für Frauen. Die Ausund Fortbildung in Teilzeit war und ist hier ein wirklich erprobtes und probates Mittel einer modernen und guten Frauenförderung.
Teilzeitarbeit braucht mehr Akzeptanz. Zu guter Letzt müssen wir dafür Sorge tragen, die Gesundheit von Frauen und Männern zu erhalten. Deswegen müssen wir alle verfügbaren Potenziale nutzen, und ganz besonders wollen wir die Gendermedizin stärken; denn Frauen sind anders krank als Männer. Frauen zeigen bei Erkrankungen oftmals andere Symptome als Männer. Meine Damen und Herren, da ist noch viel zu tun. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Wir wollen Kurs halten. - Ich sage herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Frauen verdienen weniger. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern eine Tatsache. Es gibt genügend Zahlen und Daten, die das beweisen wie beispielsweise der Gender-Pay-Gap. Gründe dafür sind zum Beispiel die schlechtere Bezahlung vor allem in den Frauenberufen, mehr Teilzeit und häufige Auszeiten wegen der Familie. Frauen arbeiten dreimal häufiger als Männer in Teilzeit, und während ihres Lebens sind Frauen fast doppelt so lange wie Männer ohne bezahlte Arbeit. Aber auch bei gleicher Befähigung und gleicher Leistung bekommen Frauen weniger Geld. Hier spielen die eben genannten Effekte keine Rolle. Sie sind herausgerechnet. Gleicher Job, anderes Gehalt, der sogenannte bereinigte GenderPay-Gap.
Wer weniger verdient, zahlt weniger in die Rentenkasse ein; wer häufiger und länger aus dem Job raus ist, ebenfalls. Das ist auch der Grund, weshalb Frauen bei der Alterssicherung draufzahlen, der so
genannte Gender-Pension-Gap. Er lag 2019 bei unfassbaren 49 %. Frauen haben deshalb auch ein höheres Armutsrisiko als Männer. Das ist ungerecht und vor allem falsch. Frauen arbeiten nicht weniger als Männer, aber anders. Care-Arbeit wird schlechter bezahlt, Familienarbeit wird gar nicht bezahlt. Viele Frauen halten auch 2022 den Familienvätern den Rücken frei und haben deshalb selber das Nachsehen.
Mädchen haben in der Schule schon lange mit den Jungen gleichgezogen und sie sogar überholt. Auch in Ausbildung und Studium haben Frauen die Nase weit vorne. Aber wenn es um den Meister, die Dissertation oder die Chefinnenposition geht, werden sie abgehängt. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es keine wirkliche Gleichstellung. Die bisherigen Maßnahmen haben zwar einiges erreicht, am Ziel sind wir hingegen noch lange nicht.
Dass Frauen ökonomisch nicht gleichgestellt sind, hat viele Gründe. Um das zu ändern, müssen wir an vielen Stellschrauben drehen. Die Ampel in Berlin hat sich eine ganze Menge vorgenommen, und ich bin froh, dass ich an diesen Verhandlungen teilnehmen konnte. Sie will das Thema ökonomische Gleichstellung ernsthaft angehen. All diese Maßnahmen werden uns voranbringen: die Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes, die Stärkung der Durchsetzung von individuellen Rechten der Arbeitnehmerinnen, die Verlängerung des elternzeitbedingten Kündigungsschutzes, der Ausbau des Ganztagsangebots, die Weiterentwicklung der Familienbesteuerung, die Einführung der Kindergrundsicherung, die Stärkung der Pflege- und Familienzeitgesetze.
Wir wollen, dass Schleswig-Holstein seinen Teil zur Umsetzung beiträgt. Wir werden auf Bundesebene und im Bundesrat dafür Sorge tragen müssen, dass die Maßnahmen umgesetzt werden. Das, was wir hier im Land tun können, müssen wir auch tun. Deshalb danke ich der Ministerin für die Vorstellung der Gleichstellungsstrategie. Ich glaube, das ist ein Beitrag, den wir leisten können. Aber, ehrlich gesagt, finde ich, neben all diesen politischen Maßnahmen, die wir diskutieren - vom Gender-Pay-Gap über all die Punkte, über die wir gesprochen haben -, braucht es trotzdem noch eine weitere Maßnahme, und das ist das Umdenken in diesem politischen Bereich. Ich habe immer wieder den Eindruck, gerade wenn ich an den politischen Bereich denke, dass wir immer wieder diskutieren, wie man vor allem gerade Frauen motivieren kann, in den politischen Bereich hineinzugehen, ganz so, als würde es nicht genügend Frauen geben, Frauen un
terschiedlichen Alters, unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, die Ambition und Lust haben, das zu machen.
Zur Ehrlichkeit gehört jedoch dazu, dass wir, wenn wir über diese Themen sprechen, auch darüber reden müssen, dass es eben auch Männer braucht, die zurücktreten, die sagen, wir haben Lust, Frauen das zu ermöglichen; denn Sie alle werden es in Ihren Parteien erleben - auch jeder Mensch, der auch nur einen Tag in der Politik verbringt -, dass es eben auch jemanden braucht, der Platz macht, weil die Geschichte zeigt: Es hat nie an Frauen gefehlt, sondern es hat immer an Strukturen gefehlt, die durchlässig waren.
Wenn man die Themenbereiche ökonomische Gleichstellung, aber auch Gleichstellungsstrategie und -politik zusammendenkt, muss auch berücksichtigt werden, dass es natürlich einen Zusammenhang gibt, was die Frage der Unabhängigkeit von Frauen und die ökonomische Ungleichstellung angeht; denn immer dann, wenn Frauen nicht ökonomisch unabhängig sind, erleben wir es, wenn wir uns den Bereich der Sicherheitspolitik angucken, dass Frauen Gewalt erfahren, weil sie in Abhängigkeiten sind und nicht die Möglichkeit haben, sich aus diesen Beziehungen zu lösen. Das mag für einige ein bisschen banal klingen, und man denkt dann immer wieder: Dann soll die Frau sich doch aus dieser Beziehung lösen. - Aber eine Frauenhausmitarbeiterin erzählte mir einmal, dass es im Schnitt sieben Jahre braucht, bis sich eine Frau aus einer gewaltvollen Beziehung löst, und ein wesentlicher Faktor ist eben die ökonomische Abhängigkeit. Es mag etwas anderes sein, wenn eine Frau noch keine Kinder hat. Aber das gilt spätestens dann, wenn die Frauen in Abhängigkeit sind, weil es gemeinsame Kinder gibt.
Ich glaube auch, den gesamten Bereich der Sicherheitspolitik und der Innenpolitik, auf Bundesebene auch die Außenpolitik, aus einer feministischen Perspektive zu betrachten, ist kein Selbstläufer oder kein Selbstzweck. Vielmehr geht es darum, immer zu berücksichtigen, wie die Situation und die Erfahrungsberichte von Frauen sind und wie man dort draufblicken muss; denn gerade dann, wenn Politik männlich dominiert ist, ist die Perspektive von politischen Maßnahmen und Entscheidungsprozessen immer eine, die Frauen nicht gleichermaßen berücksichtigt. Deshalb braucht es diese Ansätze, in der Innenpolitik, Außenpolitik und in vielen anderen Bereichen auch feministisch zu denken.