Protocol of the Session on March 25, 2022

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„Dort bewohnt ein bedauernswertes Volk hohe Erdhügel, die mit den Händen nach dem Maß der höchsten Flut errichtet sind.“

Er war jenseits der Elbe mit den Heeren des römischen Kaisers Vespasian unterwegs, und man muss hinzufügen: Plinius kommentierte aber auch, dass es unverständlich sei, dass diese Menschen bei so ärmlichen Lebensbedingungen nicht als Sklaven ins römische Reich kämen. Hier würde es ihnen dann wirtschaftlich erheblich besser gehen.

Warum berichte ich das? Es war wohl gut, dass diese frühen Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes nicht den kurzfristigen Vorteilen gefolgt sind, sondern mit ihren Strategien das Land auch nach vielen Rückschlägen weiterentwickelt haben. Und wir wissen auch, dass es in späteren Jahrhunderten auch Migrationsströme besonders aus Holland, aus Flandern waren, die mit ihren Fertigkeiten viel zum Küstenschutz und zur Entwicklung in Schleswig-Holstein beigetragen haben.

(Beifall SPD)

Der Küstenschutz hat für uns als Land zwischen den Meeren eine enorme Bedeutung und ist zugleich eine große Herausforderung, die infolge des Klimawandels noch weiter zunehmen wird.

Ohne Küsten- und Binnenwasserschutz wäre das Land so nicht lebensfähig. Die Umsetzung von

(Sandra Redmann)

Konzepten wie Klimadeichen konnte zu Beginn der letzten Legislaturperiode - 2012, 2013 - trotz knapper Kassen nur in Angriff genommen werden, weil die EU das Thema Klimaschutz mit in die Gemeinsame Agrarpolitik aufgenommen hatte. So standen Mittel der EU und des Landes zur Verfügung, und es kam eine optimale Finanzierung zustande, so wie jetzt IMPULS-Mittel in diese Bereiche hineinfließen.

Es ist erfreulich, dass wir uns bei der Einschätzung der Bedeutung des Themas über Fraktionsgrenzen hinweg einig sind und auch immer einmal wieder eine Einberufung in den Ausschuss erfolgt, um genauer zu berichten. Das ist richtig und gut. Für Investitionen in den Küstenschutz braucht es langfristige Planung und Kontinuität, unabhängig von der Kassenlage und besonders auch unabhängig von politischen Streitthemen.

Es ist gut, dass wir auch die Sicherung der zweiten Deichlinie deutlich im Antrag und in den Generalplan aufgenommen haben. Ob in den Kögen oder entlang der Flussläufe hinter den Sperrwerken, wir müssen auch ein stärkeres Augenmerk darauf richten, dass diese Sicherungen erhalten bleiben. Das gilt nicht weniger für die Umsetzung der 2015 etablierten Strategie für das Wattenmeer 2100. Entlang der Erkenntnisse muss die Anpassung der Wattenmeere an den steigenden Meeresspiegel umgesetzt werden. Wichtig ist auch, dass wir das 1,5-GradZiel halten und alles tun, um Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, und die Energiewende umsetzen, um alles in den Griff zu bekommen.

Ich spreche jetzt noch über den Antrag „Langfristiges Sedimentmanagement - Weltnaturerbe Wattenmeer schützen“. Dafür wäre eigentlich meine Kollegin Marlies Fritzen zuständig. Da diese Punkte zusammengelegt wurden, werde ich mich kurz dazu äußern.

Hintergrund für diesen Antrag war natürlich die Ankündigung der Stadt Hamburg, Elbschlick vor Scharhörn, also in unmittelbarer Nähe zum Nationalpark Wattenmeer, verklappen zu wollen. Es hat uns doch sehr irritiert, dass Hamburg diese Ankündigung gemacht hatte, ohne vorab die Verständigung mit den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein, den Anrainern der Unterelbe, herbeizuführen. Als Anwohner der Unterelbe ist mir diese Ignoranz - oder ich sage es etwas freundlicher: eigene Bewertung - Hamburgs beim Thema Elbvertiefung, Sedimentmanagement und Deichsicherheit nicht neu. Ich will nicht von den Pfeffersäcken reden.

Mittlerweile haben die Hamburgerinnen und Hamburger bei dieser aktuellen Entscheidung einen Rückzieher gemacht. Das ist so weit erst einmal gut. Dennoch bleibt unsere Forderung nach einer engen Abstimmung der weiteren Schritte mit den Nachbarländern aktuell. Wir fordern Hamburg auf, ein langfristiges Sedimentmanagement im Einklang mit dem Schutz des Wattenmeeres zu machen. Hamburg muss endlich Strategien entwickeln und mit ihnen arbeiten, bei denen die Nachbarn mitgehen können. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Oliver Kumbartzky [FDP])

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Oliver Kumbartzky das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich Klaus Jensen für die hervorragende Zusammenarbeit in den letzten zehn Jahren danken, gerade bei den Themen Küstenschutz und Gänse. Lieber Klaus, vielen Dank für die Zusammenarbeit! Wir sehen uns im Sommer auf Pellworm, diesmal auch wirklich? Wir als FDP stimmen Ihnen insbesondere auch bei den letzten Sätzen zu.

Das ist das eine. Das andere: Frau Redmann, Ihnen möchte ich auch danken. Zum einen dafür, dass Sie den Antrag noch einmal vorgelesen haben, so dass Sie alle noch einmal mit an Bord geholt haben, was hier heute Thema ist.

(Beifall Christopher Vogt [FDP])

Sie sind wirklich goldig, Frau Redmann, das muss ich wirklich sagen.

(Heiterkeit Sandra Redmann [SPD])

Hätten wir das Thema nur im Ausschuss behandelt, hätten Sie sich doch hingestellt und gesagt: Nein, so etwas muss doch einmal in den Landtag! - Wir haben diesen Generalplan Küstenschutz in den Landtag gezogen, und es ist gut, dass wir heute darüber sprechen und auch einen Beschluss fassen.

(Beifall FDP und CDU)

Denn der Küstenschutz ist eine immens wichtige Aufgabe im Land zwischen den Meeren. Wir als FDP-Fraktion begrüßen die Fortschreibung des Generalplans Küstenschutz. Wir stellen uns mit unserem Antrag und Beschluss dazu voll dahinter. Die

(Bernd Voß)

Sicherheit der an unseren Küsten lebenden Menschen ist von herausragendem öffentlichen Interesse und auch künftig zu wahren.

Diese gewaltige Aufgabe erfordert natürlich deutliche Anstrengungen, deren Finanzierung über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz von Bund und Land auch weiterhin sichergestellt werden muss. Küstenschutz - so steht es ja auch im Antrag - ist eine wahre Generationenaufgabe.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Küstenschutz rettet Leben, und wie wir im vergangenen Monat gesehen haben, ist die Bedrohung durch Stürme nichts, was man einfach ausblenden kann. Mit steigendem Meeresspiegel wird auch die Ertüchtigung der Deiche voranschreiten müssen. Welcher Anteil der Landesfläche bei ansteigendem Meeresspiegel gefährdet ist, ist erschreckend. Wir haben bereits im Januar über die Niederungen gesprochen. Gerade diese müssen durch Sperrwerke, Siele und Schöpfwerke geschützt werden. Auch diese sind Teil des Küstenschutzes, und die Deichund Sielverbände sind auch weiterhin mit ausreichend Mitteln zu unterstützen. Darüber sollten wir in der Tat gern im Ausschuss noch einmal vertieft sprechen, Frau Redmann.

Auch der Katastrophenschutz ist ein wichtiger Bestandteil des Küstenschutzes und muss kontinuierlich weiterentwickelt und unterstützt werden. Gerade im Februar hat sich gezeigt, wie gut unser Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein organisiert ist. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal allen danken, die bei den Stürmen im Februar mitgeholfen haben, dass es so glimpflich gelaufen ist.

(Beifall FDP und CDU)

Ich bitte also um Zustimmung zu unserem Antrag.

Ich komme zum zweiten Antrag, zum Hamburger Hafenschlick. Um es gleich vorweg zu sagen: Der Hamburger Hafen muss natürlich auch in Zukunft erreichbar bleiben. Deswegen führt an der Baggerei kein Weg vorbei. Die Frage ist nur, wie das sogenannte Sedimentmanagement ausgestaltet sein soll, damit es nachhaltig funktioniert. Der Plan des Hamburger Senates, die Verklappung von Hafenschlick vor Scharhörn vornehmen zu wollen, ist auf Druck von diversen Seiten letzte Woche wieder geändert worden. Es ist gut, dass dieser Druck gekommen ist und Hamburg hier noch einmal überlegt hat. Hamburg muss endlich ein langfristiges Sedimentmanagement entwickeln, und zwar in enger Abstimmung mit den Ländern Schleswig-Holstein,

Niedersachsen und dem Bund. Hamburg darf an dieser Stelle keine Alleingänge machen.

(Beifall FDP, CDU und SSW)

Natürlich muss das auch im Einklang mit den Herausforderungen des Klimawandels und dem Schutz des Wattenmeeres geschehen. Wir haben die Verbringung an der Tonne E 3 als Land Schleswig-Holstein ermöglicht und tun dies auch weiterhin.

Da sind wir beim Thema: Da fließt ja Geld, das nun in ein Sondervermögen soll. Auch darüber werden wir hier noch sprechen, Frau Redmann, davon gehe ich fest aus. Wir Freie Demokraten werden Sorge dafür tragen, dass die Mittel insbesondere für die Förderung der Küstenfischerei in Elbe und Nordsee eingesetzt werden können. Des Weiteren geht es auch um die Förderung des naturnahen Tourismus an der Westküste, die Entschlickung von Hafenzufahrten und um Umweltbildungs- und kooperative Naturschutzprojekte.

Die Diskussion werden wir führen. Heute werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag, um ein ganz klares Signal Richtung Hamburg zu setzen, dass es mit solchen Alleingängen halt nicht geht.

(Beifall FDP, CDU und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat nun der Abgeordnete Christian Dirschauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Küstenschutz ist für unser Land von besonderer Bedeutung. Fast ein Viertel der Landesfläche liegt in potenziellen Hochwassergebieten. Wir wissen, dass durch den menschgemachten Klimawandel die Zahl der Hochwasser steigen wird und diese immer höher ausfallen werden. Wir begrüßen daher, dass der Generalplan Küstenschutz als Werkzeug für den Küstenschutz regelmäßig fortgeschrieben wird.

Es ist richtig und wichtig, nicht nur auf singuläre Hochwasserereignisse abzustellen, sondern auch den vorausgesagten stetigen Meeresspiegelanstieg zu berücksichtigen. Der Schwerpunkt des Generalplans liegt dabei auf der Nordsee, und das ist auch richtig so. Hier ist die Bedrohung der Küsten durch Hochwasser und steigende Meeresspiegel am größten. Was wir an das Wasser verlieren, bekommen wir nicht mehr zurück. Die Herausforderungen, die jetzt und in Zukunft vor uns liegen, sind so groß,

(Oliver Kumbartzky)

dass das Land sie nicht allein stemmen kann. Darum ist es nur konsequent, dass die Aufgabe zu 70 % vom Bund finanziert wird. Man kann mit der Küstenschutzaufgabe die betroffenen Bundesländer nicht alleinlassen. Tatsächlich sind die zur Verfügung stehenden Bundesmittel aber eher knapp bemessen, da ein Großteil der Mittel anderweitig zweckgebunden ist und für die Aufgaben des Küstenschutzes nicht zur Verfügung steht. Da aber gerade die Ertüchtigung der Deiche zu Klimadeichen eine sehr teure Aufgabe ist, sind die knappen Bundesmittel nicht gerade geeignet, den Ausbau der Küstenschutzmaßnahmen zu beschleunigen. Darum ist es wichtig, dass auch die zur Verfügung stehenden Bundesmittel mit der Größe der vor uns liegenden Aufgabe korrelieren. Hierfür müssen wir uns als Küstenland beim Bund einsetzen.

Liest man die Fortschreibung des Generalplans Küstenschutz 2022, so fällt ins Auge, dass die Ostseeküste hier keine große Rolle spielt. Tatsächlich ist die Gefahrenlage an der Ostsee nicht dieselbe wie an der Nordsee. Aber auch hier bleiben der Anstieg des Meeresspiegels und die häufigeren und höheren Hochwasser nicht ohne Folgen. Vor allem der steigende Meeresspiegel wird zum Dauerproblem für Orte, die nur knapp über dem Meeresspiegel liegen. Hier geht es zwar nicht gleich um Leib und Leben, aber, metaphorisch gesprochen, doch um sehr nasse Füße. Die sind auf Dauer auch ein Problem.

An der Ostseeküste gibt es nur wenige Landesschutzdeiche. Überwiegend haben wir hier Regionaldeiche, die in die Zuständigkeit von Wasser- und Bodenverbänden fallen. Da, wo es keine Deiche, sondern etwa Straßendämme gibt, ist die Zuständigkeit wieder eine andere. Um dem Schutz der Ostseeküste gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels entsprechend Rechnung zu tragen, sollten wir gemeinsam überlegen, inwieweit die Strukturen der Zuständigkeiten den Herausforderungen künftig noch gerecht werden können.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatregion nennen: die kleine Stadt Arnis an der Schlei, ein wunderschön an der Schlei gelegener Ort. Bei Hochwasser wird Arnis zu einer in der Schlei gelegenen Insel, und die Leute bekommen im Garten eben diese sehr nassen Füße. Durch steigende Wasserstände wird es immer häufiger zu einer Insel. Arnis ist aber keine Insel und wird darum auch nicht wie eine Insel vor Hochwasser geschützt. Die Menschen in Arnis und in anderen Küstenorten brauchen aber eine Perspektive. Wir brauchen auch für die Ostseeküste eine Vorausschau für dieses Jahr

hundert: Wo wird man in 50 Jahren noch leben können, wo nicht mehr? Welche konkreten Maßnahmen braucht es, damit die Menschen an diesen Orten in Wasserlage auch in Zukunft leben können? Hier mahnen wir konkretere Szenarien und Maßnahmenkataloge in der Fortschreibung des Generalplans an.

Ein anderes Thema, das zwar nicht unmittelbar mit dem Hochwasser korreliert, doch aber mit menschengemachten Veränderungen der Umwelt, ist das Sedimentmanagement der Elbe. Mit jeder Elbvertiefung sind die Probleme größer geworden, und die Problematik des Sedimentrückflusses hat sich verstärkt. Die Elbe versandet, man baggert, sie versandet wieder, man baggert weiter. Die Naturschutzverbände sagen, das Ökosystem Elbe ist so gut wie tot. Das kann man so nicht hinnehmen. Ein so großes Ökosystem muss besser geschützt werden.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wir in Schleswig-Holstein können und wollen nicht hinnehmen, dass das Baggergut aus der Elbe die Nordsee in der Nähe des Nationalparks Wattenmeer belastet. Hier müssen in Zusammenarbeit mit der Stadt Hamburg nachhaltige und ökologisch vertretbare Lösungen gefunden werden, und da meine ich echte Lösungen, keine kurzfristigen Problemverschiebungen. Hier muss die Landesregierung tätig werden. Es ist unsere Aufgabe, für den Schutz des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres einzustehen. - Herzlichen Dank.