Christian Dirschauer

Sitzungen

19/91 19/92 19/93 19/94 19/95 19/99 19/100 19/102 19/103

Letzte Beiträge

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Reihe dicht beieinanderstehender Dominosteine kann man das Umfallen nur stoppen, wenn man einen oder zwei Steine aus der Reihe entfernt. Bei einer Epidemie ist das genauso: Nur werden keine Steine, sondern Infizierte und potenziell Infizierte aus dem Spiel genommen, indem man sie in Quarantäne schickt. Das begreift eigentlich jedes Kind. Tatsache ist aber, dass viele Menschen nicht mehr wissen, wen sie vor sieben Tagen alles gesehen haben, wer also in Quarantäne gehört. Die Kontaktnachverfolgung durch das Gesundheitsamt nach einer Coronainfektion kann nur so gut sein, wie die Daten, die das Amt bekommt.
Genau dabei sollte die App helfen. Sie tut es aber nicht. Sie ist in diesem Punkt leider unzureichend. Es mag an der schnellen Entwicklung liegen oder an den hohen Vorgaben des Datenschutzes. Das interessiert mich nur bedingt, denn die Kurve können wir nur drücken, wenn sich weniger Menschen anstecken, als das jetzt der Fall ist, und dazu benötigen wir eine bessere Corona-App.
Im Frühjahr luden Millionen Menschen die App herunter. Schon damals zeigte sie Schwächen. Immer wieder musste sie auf einigen Geräten manuell erneut geladen werden, hängte sich auf oder zeigte merkwürdige Fehlermeldungen. Das kennen wir vermutlich alle. Die Kinderkrankheiten scheinen überstanden, aber immer noch meldeten im November viele User unerklärliche Abstürze der App. Darum gab es zuletzt am 26. November 2020 ein weiteres Update. Immer noch gibt es nicht die Möglichkeit, mehr als einen QR-Code pro App zu generieren. Wer schon einmal nach einem Test einen Code bekommen hat, bekommt beim zweiten Mal eine Fehlermeldung. Zwei- oder mehrmals Testen sieht die App nämlich nicht vor. Auch das muss schleunigst geändert werden. Aber auch dafür interessieren mich nicht die Gründe. Die einzige bundesweite Waffe gegen das Virus - das ist nun einmal die App - muss endlich störungsfrei funktionieren und zügig ausgebaut werden!
Immer noch entziffern die Zuständigen im Gesundheitsamt handschriftliche Listen, die unter anderem Kirchengemeinden nach den Gottesdiensten oder Altenheime führen. Schon deswegen sind elektronische Kontakttagebücher so wichtig und mehr als eben nur wünschenswert. Der Virologe Christian Drosten hatte schon im Oktober 2020 auf dieses sehr effektive Hilfsmittel hingewiesen. Passiert ist aber seitens derjenigen, die für die Corona-WarnApp zuständig sind, bisher nichts. Deswegen gibt es inzwischen eine Handvoll neuer Apps aus privater Hand, die in den jeweiligen Stores diese Lücke füllen wollen. Es kann doch nicht wahr sein, dass die deutsche Corona-Warn-App das nicht hinbekommt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der SSW unterstützt also auch in diesem Punkt die Initiative der regierungstragenden Fraktionen voll und ganz. Die Corona-Warn-App muss unverzüglich um ein Kontakttagebuch erweitert werden.
Wir schlagen darüber hinaus vor, dass die CoronaApp das Infektionsgeschehen in den Schlachthöfen berücksichtigen sollte. Deshalb sollte neben den Sprachen Arabisch, Französisch und Russisch die App auch in Rumänisch und Bulgarisch verfügbar sein. Viele Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in
den Schlachthöfen kommen aus Bulgarien und Rumänien. In dieser Berufsgruppe hatten wir bereits große Infektionszahlen. Darum ist der Einsatz der App hier besonders wichtig.
Wichtig bleibt aber neben der technischen Weiterentwicklung auch, dass wir den Menschen fortlaufend weiter erklären, welchen großen Nutzen die App hat und wie sie zu bedienen ist. Denn - das wissen wir alle - die Technik ist immer nur so gut, wie der Mensch, der sie bedient. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SSW steht beiden Gesetzentwürfen, die heute zur Beratung anstehen, grundsätzlich positiv gegenüber.
Trotzdem muss gesagt werden, dass wir es zuletzt dann doch mit einem ziemlich hurtigen Verfahren zu tun hatten. Für die mündliche Anhörung zu beiden Vorlagen blieb uns zum Beispiel nur ein halber Tag Zeit. Auch die Zusammenlegung beider Punkte für die heutige Debatte ist aus meiner Sicht nicht nur glücklich, denn jedes Gesetz regelt für sich äußerst sensible Bereiche. Es ist schon ein gravierender Unterschied, ob es sich um einen rechtskräftig verurteilten Straftäter handelt oder ob jemand aufgrund der Schwere seiner Erkrankung in der Psychiatrie untergebracht werden muss. Doch, wie gesagt, auch wenn man sich für die mündliche Anhörung mehr Zeit hätte nehmen können, sehen wir beide Gesetze positiv.
Fakt ist, dass sowohl das Maßregelvollzugsgesetz wie auch das Gesetz zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen neu gefasst werden müssen. Natürlich fordert die Rechtsprechung mitunter auch eine relativ zügige Novellierung. Aus diesem Grund und vor allem, weil ich von den Betroffenen selbst keine gravierenden Einwände gehört habe, können wir diese Regelungen gut mittragen. Dabei ist und bleibt aber wichtig, dass die praktischen Auswirkungen regelmäßig kritisch überprüft werden.
Diese Überprüfung ist für uns vor allem deshalb so wichtig, weil hier auch Regelungen zur Zwangsbehandlung von Patientinnen und Patienten getroffen werden. Allein der Begriff ist nun mal aus gutem Grund für die allermeisten Menschen negativ besetzt. Man denkt direkt an die zwangsweise Verabreichung von Medikamenten oder an Fixierung und
damit an Freiheitsentzug. Für sich genommen sind solche Maßnahmen ohne Frage schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte eines Menschen. Man kann durchaus der Auffassung sein, dass so etwas durch gar nichts zu rechtfertigen ist. Ich habe deshalb grundsätzlich Verständnis für die Forderung, jegliche Form der Zwangsbehandlung abzuschaffen.
Leider sieht der Alltag in der Psychiatrie aber häufig anders aus. Immer wieder gibt es Fälle, in denen Menschen vorübergehend oder sogar dauerhaft nicht mehr in der Lage sind, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen und welche Form der Behandlung für sie gut und vor allen Dingen auch richtig ist. Wir vom SSW wünschen uns sehr, dass diese Fälle weniger werden und eines Tages vielleicht gar nicht mehr vorkommen. Doch wenn ich mit dem Personal in den entsprechenden Einrichtungen rede, stelle ich leider fest, dass die Zahl dieser Fälle sogar eher zu- als abnimmt. Deshalb brauchen wir hier klare gesetzliche Regelungen, die dafür sorgen, dass derartige Maßnahmen mit Augenmaß, überprüfbar und insgesamt möglichst selten angewandt werden.
Es ist gut und richtig, dass sich im Umgang mit psychisch erkrankten und geistig behinderten Menschen viel bewegt. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Beispiel die Möglichkeit von Behandlungen gegen den Willen der Patienten stark begrenzt. Außerdem hat es die Patientenautonomie gestärkt und den Weg dafür geebnet, dass forensische Patientinnen und Patienten an ihrer Behandlung mitwirken. Auch wenn es immer wieder hakt, haben wir mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention das Ziel, die Rechte von geistig und seelisch behinderten Menschen zu stärken. Das macht es sicher nicht immer leichter, in der Gesetzgebung ein Gleichgewicht zu finden. Aber wir begrüßen diese Stärkung der Rechte der Betroffenen ausdrücklich. Uns freut die Tatsache, dass der Blickwinkel forensischer wie psychiatrischer Patientinnen und Patienten nun auch hierzulande stärker berücksichtigt wird.
Vor dem Hintergrund eher trockener Gerichtsurteile und Gesetzestexte müssen wir uns eins immer wieder bewusst machen: Beide Gesetze haben ganz erhebliche Auswirkungen auf den Alltag psychisch kranker Menschen. Ihre Resozialisierung beziehungsweise ihre Rückkehr in ihr soziales Umfeld, ihre Wohnung oder ihre Arbeit muss immer handlungsleitend sein. Für uns folgt daraus, dass es nicht um die Begrenzung oder gar Senkung von Kosten, sondern um die bestmögliche Versorgung dieser
Menschen gehen muss. Ihre Zukunft hängt maßgeblich von der Qualität ihrer Behandlung ab. Das sage ich auch und gerade mit Blick auf die personelle Ausstattung in den Einrichtungen.
Eine hohe Qualität der Versorgung ist auch für die Angehörigen immens wichtig. Diese Gruppe wird leider trotz ihrer Größe oft übersehen und ist häufig sehr direkt von Erfolgen oder eben auch Rückschlägen in der Behandlung betroffen. Diese Gruppe sollten wir stärker mitdenken und schauen, wie wir ihre Vorschläge, wie etwa einen niedrigschwelligen Krisendienst und eine wohnortnahe Unterbringung für schwer psychisch kranke Menschen, unterstützen können. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein ist - das ist mehrfach gesagt worden - bekanntlich das letzte Bundesland, das noch kein eigenes Landeskrankenhausgesetz hat. Neben Fragen der Krankenhausförderung und -planung, die bisher im Krankenhausfinanzierungsgesetz geregelt sind, sollen im neuen Gesetz nun alle Belange einer qualifizierten stationären Versorgung zusammengefasst werden. Es werden die Kliniken im Land zum Beispiel durch die Einführung einer Krankenhausaufsicht zu mehr Transparenz verpflichtet. Auch zu weiteren wichtigen Themen, wie etwa den Patientenrechten oder dem Rettungswesen, werden konkretere gesetzliche Regelungen getroffen. Das ist vom Grundsatz her natürlich zu begrüßen.
Mein Vorgänger Flemming Meyer hat schon in der ersten Lesung ausdrücklich anerkannt, dass wir mit diesem Gesetz zu Verbesserungen im Sinne der Patientinnen und Patienten kommen.
Das gilt vor allem mit Blick auf die Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten. Aber auch für Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf sind kleinere Fortschritte bei der Versorgung erkennbar. So sollen zum Beispiel Betreuung und Besuchszeiten angepasst und die Mitaufnahme von Begleitpersonen ermöglicht werden. Auch wenn ohnehin kaum mehr ein Weg daran vorbeiführt, begrüßen wir grundsätzlich auch die Vorgaben zur Vernetzung und Spezialisierung unserer Kliniken. Diese Punkte will ich gar nicht in Abrede stellen.
Gleichzeitig ist uns bewusst, dass sich die Krankenhausgesetze der Länder durchaus unterscheiden. Längst nicht alles wird überall im Detail geregelt. Das ist auch gar nicht Sinn und Zweck eines solchen Gesetzes. Trotzdem ist im weiteren Verlauf bei vielen Beteiligten der Eindruck entstanden, dass die Landesregierung mit ihrem Entwurf hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Spätestens bei der mündlichen Anhörung wurde deutlich, dass durchaus relevante Dinge nicht mit in den Entwurf aufgenommen wurden. Das ist aus meiner Sicht bedauerlich, bedauerlich deshalb, weil eben nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine bessere Versorgung für besonders schutz- und hilfsbedürftige Gruppen zu erreichen.
Sowohl für Kinder als auch für Menschen mit Behinderung, aber auch für Demenzkranke und für sterbende oder unheilbar erkrankte Patientinnen und Patienten lagen entsprechende Vorschläge auf dem Tisch. Maßnahmen und Konzepte, die den Klinikalltag für diese Patientengruppen verbessern, hätte man durchaus im Abschnitt zu den Pflichten der Krankenhäuser verankern können.
Durch die erweiterten Aufsichtsmöglichkeiten hätten wir als Land eben auch auf die Einhaltung dieser Vorschriften hinwirken können.
Nach unserer Einschätzung handelt es sich nicht um Petitessen und ist auch kein „Wünsch-dir-was“, wenn der Kinderschutzbund wiederholt auf die Notwendigkeit von Schutzkonzepten hinweist. Wir nehmen es ernst, wenn der DKSB zuletzt in seiner zusätzlichen Stellungnahme anlässlich der abschließenden Beratung im Ausschuss auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen hinweist.
Junge Menschen haben nun einmal ein bundesgesetzlich verankertes Recht auf Schutz und Sicherheit in Organisationen und Einrichtungen. Die Tatsache, dass sie im Krankenhaus im doppelten Sinne abhängig und auf Schutz angewiesen sind, ist doch völlig einleuchtend. Denn sie sind nicht nur aufgrund ihrer Erkrankung, sondern auch aufgrund ihrer Entwicklung vom Klinikpersonal abhängig. Die Forderung, dies in allen Krankenhäusern, die Kinder und Jugendliche behandeln, durch gesetzlich vorgeschriebene Schutzkonzepte auszugleichen, ist und bleibt aus Sicht des SSW absolut sinnvoll und erforderlich.
Ähnliches gilt für die Versorgung von Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Auch für sie hätten wir uns in diesem Zusammenhang einen höheren Versorgungsstandard gewünscht. Denn sie sind, ähnlich wie Menschen mit Behinderung, bei einem Klinikaufenthalt in besonderem Maße auf Hilfestellung angewiesen. Nicht nur weil die Zahl der Menschen mit einer Demenz stetig steigt, brauchen wir für sie eine angemessene Ansprache und angepasste Versorgungskonzepte.
Wir hätten uns sehr gewünscht, dass wir den Krankenhäusern neben diesen Dingen auch die Bestellung von Demenzbeauftragten gesetzlich vorgeben. Damit hätte man im Übrigen auch eine wesentliche Empfehlung des Kompetenzzentrums Demenz umgesetzt.
Natürlich lösen die genannten Beispiele Kosten aus. Für uns ist klar, dass wir unsere Krankenhäuser damit nicht alleinlassen dürfen. Gleichzeitig wissen wir, dass die finanziellen Möglichkeiten des Landes zunehmend begrenzt sind. Aber bei allem Verständnis hierfür bleibt es bedauerlich, dass man vorhandene Spielräume nicht nutzt, obwohl man mitunter sogar - das haben die Debatte und die Anhörung ergeben - weitergehenden Handlungsbedarf vollumfänglich erkennt. Bleibt zu hoffen - und einige Signale habe ich empfangen -, dass die eine oder andere Chance vielleicht doch noch genutzt und hier nachgesteuert wird. Hier und heute können wir als SSW dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir uns beim Thema Frauenmilchbanken nach einigem Hin und Her grundsätzlich einig sind.
Der Aufbau und die Inbetriebnahme von Muttermilchbanken für Kliniken mit einem Perinatalzentrum Level 1 sollen geprüft und modellhaft gefördert werden. Dieses vergleichsweise schnelle Zwischenergebnis freut mich besonders, weil es hierfür eine ganze Reihe guter Argumente gibt. So ist zum Beispiel erwiesen, dass Muttermilch vor Infektionen schützt und Kinder weniger anfällig für Übergewicht, Diabetes, Atemwegserkrankungen und Allergien macht.
Weil wir die Sache von Anfang realistisch angegangen sind, fordern wir hier ja weder einen flächendeckenden Aufbau noch eine dauerhafte Finanzierung. Aber unser Ziel ist schon, dass es im Land zumindest ein grobes Netz von Frauenmilchbanken gibt. Um dies zu erreichen, ist übergangsweise auch die finanzielle Unterstützung des Landes notwendig. Schön, dass Sie alle diese Einschätzung teilen.
Laut Website der Frauenmilchbank-Initiative gibt es derzeit 31 Milchbanken in Deutschland. Davon befindet sich eine oder - eher gesagt - eine halbe in Schleswig-Holstein, eine halbe deshalb, weil die Verfügbarkeit von Spendermilch am UKSH in Lübeck von den Ressourcen der Mitarbeiter abhängt. Ohne das große Engagement vor Ort gäbe es im ganzen Land nichts, was man auch nur ansatzweise
Frauenmilchbank nennen könnte. Eine dauerhaft tragfähige Struktur sieht anders aus.
Hinzu kommt, dass die meisten der bundesweit 31 Frauenmilchbanken ausschließlich Patientinnen und Patienten der eigenen Klinik versorgen können. Nur wenige haben zusätzlich die Möglichkeit, Spendermilch an andere Kliniken abzugeben. Die überwältigende Mehrheit der Perinatalzentren Deutschlands hat also keinen Zugang zu Spendermilch. Es ist nur folgerichtig, dass wir das in unserem Zuständigkeitsbereich in Schleswig-Holstein ändern.
Man könnte meinen, dass eine Frauenmilchbank entbehrlicher Luxus ist. Aber wie angedeutet hat Muttermilch nicht nur einen positiven Einfluss auf die Entwicklung, sondern auch auf den Lebensverlauf eines Menschen. Sie beinhaltet viele Stoffe, die synthetisch nicht herzustellen sind und daher in industriell gefertigten Ersatzprodukten fehlen.
Muttermilch schützt das Kind nachweislich vor Infektionen und Allergien und sorgt für eine gesunde Darmflora. Außerdem wirkt sie auch langfristig präventiv, beispielsweise bei der Vermeidung von Diabetes, Darmentzündungen oder neurologischen Erkrankungen. Oder anders gesagt: Muttermilch ist nicht nur die perfekte Ernährung für Neugeborene, sondern dient auch dem Aufbau eines Selbstschutzes, von dem Menschen das ganze Leben lang profitieren. Gerade dieser präventive Effekt ist uns besonders wichtig, nicht nur, weil er Kosten spart, sondern weil er schlichtweg Leid verhindert.
Leider können aber längst nicht alle Mütter ihr Kind im ausreichenden Maß stillen. Vor allem bei Frühgeborenen und Hochrisikobabys kann der Bedarf die verfügbare Menge deutlich übersteigen. Gleichzeitig gibt es aber auch Frauen, die mehr Muttermilch zur Verfügung stellen können, als ihr eigener Nachwuchs benötigt. Muttermilchbanken bringen beide Seiten zusammen und leisten damit wertvolle Hilfe.
In den Milchküchen, die zumeist Kinderkliniken angeschlossen sind, wird Muttermilch gespendet, gelagert und an bedürftige Säuglinge verteilt. Dieses Verfahren ist jahrzehntelang erprobt und sicher. Denn die Spenderinnen werden wie bei einer Blutspende auf übertragbare Krankheiten wie HIV oder Hepatitis B untersucht, und die Spendermilch wird auf Krankheitserreger und Rückstände überprüft.
Daneben gibt es aber noch weitere Argumente dafür, allen Neu- und insbesondere Frühgeborenen den Zugang zu Muttermilch zu ermöglichen. Denn neben der Möglichkeit, den Allerschwächsten wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, rettet Mutter
milch im Zweifel sogar Leben. Denn es gibt erste Hinweise darauf, dass die enthaltenen Molekülkomplexe vor Krebserkrankungen schützen. Außerdem erhöht sie die Überlebenschancen unreifer Frühgeborener signifikant, weil sie zur Vermeidung der bereits erwähnten entzündlichen Darmerkrankungen beiträgt.
Mir ist bewusst, dass das Land streng genommen nur beim Thema Investitionskosten Hilfestellung geben kann. Noch dazu zeigen die Erfahrungen anderer Länder, dass auch eine Refinanzierung der Betriebskosten im Rahmen der Fallpauschalen nicht vollständig gelingt. Hier sehen wir, wie auch in unserem gemeinsamen Antrag erwähnt, die Krankenkassen in der Pflicht.
Doch die Bereitschaft ist schon jetzt trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen nicht nur in Lübeck, sondern auch an einigen anderen Klinikstandorten im Land durchaus vorhanden. Gleichzeitig ist absehbar, dass wir hier nicht über Millionenbeträge reden. Deshalb sollten wir es anderen Ländern gleichtun und nicht nur prüfen, sondern auch die entsprechende Anschubfinanzierung für diese wirklich wichtige Sache auf den Weg bringen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regionalgeschäftsführerin des DGB in Flens
burg, Dr. Susanne Uhl, thematisiert seit Langem die Arbeitsbedingungen in Husum bei Danish Crown. Vor sieben Jahren hat sie die Leiharbeiter erstmals besucht, ihre Wohnungen gesehen und auf deren Ausbeutung bei Miete und Lohn aufmerksam gemacht. Der Konzern hatte damals umgehend reagiert, aber nicht, wie Sie denken. Dort wurden nicht etwa die Wohn- und Arbeitsbedingungen verbessert, sondern es wurden Busse gemietet. Diese brachten die Leiharbeiter von ihren Unterkünften direkt in den Betrieb. Auf diese Weise sollten die Leiharbeiter nicht mehr mit den Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen reden können, die sie vor den Werkstoren erwarteten.
Das war vor sieben Jahren. Die Großbetriebe sind aber auch an anderer Stelle mit dieser Taktik ganz gut gefahren. Die teils ausbeuterischen Verhältnisse in den Schlachthöfen, die die Leiharbeiter mit Rechnungen über Messer und Schutzkleidung auf Hungerlöhne runterrechneten, waren bekannt. Aber irgendwie haben sich alle damit arrangiert. Tatsächlich getan hat sich wenig.
Und dann kam Corona. Die Schlachthöfe wurden quasi über Nacht zu Hotspots, weil dort die Menschen zu dicht nebeneinander wohnen und arbeiten. Die Kette der Masseninfektionen in Schlachthöfen reißt nicht ab, wie der Schlachthof in Weißenfels zeigt, wo derzeit wohl über 170 Beschäftigte infiziert sind.
Inzwischen musste auch die hiesige Landesregierung erkennen, mit wem sie es zu tun hat. Die Schlachthofbetreiber sagen zwar viel, tun aber nicht unbedingt das, was sie sagen. Die Landesregierung musste erkennen, was von den entsprechenden Selbstverpflichtungserklärungen zu halten ist, nämlich nicht besonders viel. Es sei fraglich, ob das so gehandhabt wird, wie zuvor in der Verpflichtung angegeben wird, räumt der Bericht ein.
Jede Verbesserung für die Situation der Leiharbeiter schlägt sich nach Angabe der Betreiber angeblich auf den Preis nieder und muss einkalkuliert werden. Genau da ist wohl die Schmerzgrenze der Betriebe, die von ihren Methoden nur schwer abzubringen sind. Das gilt, wie der Bericht ausführt, ausdrücklich nur für die größeren Betriebe. Bei ihnen besteht laut Landesregierung noch Ermittlungsbedarf. Das klang noch vor wenigen Monaten anders. Diesen Fortschritt möchte ich ausdrücklich positiv hervorheben.
Eine regelmäßige und engmaschige Kontrolle der Betriebe und der Wohnungen muss in Zukunft garantiert und dauerhaft installiert werden. Mit Besorgnis sehe ich dabei die geplanten Ausweitungen der Schlachtkapazitäten, vor allen Dingen bei den Schweinen. Einerseits ist es enorm wichtig, dass der Rückstau in den landwirtschaftlichen Betrieben aufgelöst wird. Das ist auch im Sinne der Tiergesundheit und des Tierwohls eine wichtige Maßnahme.
Andererseits kann es kein Weiter-so in der Branche geben. Die Steigerung der Schlachtzahlen darf nicht weitergetrieben werden, ohne dass zumindest die staatliche Kontrolle ebenso mitwächst. Das muss unbedingt gewährleistet werden.
Der Arbeitsschutzkontrolle kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, aber auch die Vertragsbedingungen müssen verbessert werden. Da hat der SSW eine andere Haltung als die Landesregierung, die im Bericht lediglich davon ausgeht, dass die Werkvertragsunternehmen die Standards einhalten sollen. Der Regelfall sollte aber auch in den Schlachthöfen das normale Beschäftigungsverhältnis sein - mit allen tariflichen und betrieblichen Ansprüchen.
Das bedeutet, dass allen Beschäftigten auch der Zugang zur Mitbestimmung eröffnet wird. Der Berliner Gesetzesentwurf zum Verbot der Leiharbeit und von Werkverträgen in den Schlachthöfen ist dabei nicht das letzte Wort. Die Schlachthofbetreiber haben schon Unterfirmen gegründet, um die Größenbegrenzung zu umgehen. Sie haben die Verträge für die Unterkünfte teilweise ausgelagert. Das alles sind Anzeichen dafür, dass es eben noch keinen Sinneswandel bei den Schlachthöfen gegeben hat.
Susanne Uhl verlässt im Dezember 2020 Flensburg. Ihr Fazit ist bitter: Sie geht nicht davon aus - auch nach sieben Jahren nicht -, dass sich die Lebensund Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter in den hiesigen Schlachthöfen deutlich und fühlbar verbessern werden. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Ich habe die vielen Debatten rund um die Kita-Reform natürlich nicht live im Landtag erlebt. Aber ich kann für den SSW sagen, dass wir die grundlegende Zielsetzung dieser umfassenden Neuregelung unverändert teilen. Es ist aus unserer Sicht zum Beispiel überfällig, die Kita-Finanzen neu zu ordnen. Gleiches gilt für Verbesserungen bei der Qualität der frühkindlichen Bildung. Auch hier müssen wir endlich entscheidend vorankommen. Auch die finanzielle Entlastung der Eltern ist uns
seit Langem ein Anliegen und muss so schnell es geht in der Beitragsfreiheit münden.
Diese übergeordneten Ziele bleiben maßgeblich für den weiteren Prozess. An diesen Vorgaben werden wir das Kita-Gesetz selbstverständlich auch immer wieder messen.
Im vorliegenden Gesetzentwurf werden Teile der Kindertagesförderung als Kernbereich des Kita-Gesetzes angepasst und präzisiert. Diese Änderungen und Klarstellungen betreffen zwar wichtige Details, wie etwa die Tagespflege, das Kita-Portal oder die Öffnungs- und Schließzeiten. Aber die Grundausrichtung der Reform bleibt unberührt, sodass wir auch diese Änderungen mittragen können.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass dieses Gesamtpaket für uns zwar unterstützenswert ist, aber es ist lediglich ein erster Schritt hin zu einer wirklich zeitgemäßen frühkindlichen Bildung. Trotz der vielen investierten Arbeit - die wir absolut anerkennen - muss das Kita-Gesetz also fortlaufend evaluiert und im Zweifel eben auch angepasst werden. Hierüber sind wir uns hoffentlich alle einig.
Mir ist bewusst, dass die Reform erst zum Jahresbeginn in vollem Umfang in Kraft tritt. Gleichzeitig ist völlig klar, dass eine so umfassende Neuregelung nicht nur Gewinner hervorbringt. Außerdem muss in dem einen oder anderen Bereich erst einmal abgewartet werden, wie sich die Reform tatsächlich praktisch auswirkt.
Trotzdem ist längst deutlich geworden, dass es eine Reihe wirklich wesentlicher Kritikpunkte gibt. Nicht nur das Anhörungsverfahren zum heute vorliegenden Gesetz zeigt, dass viele dieser Punkte bis heute nicht ausgeräumt wurden. Viele Anzuhörende halten ihre Kritik aufrecht beziehungsweise verweisen auf ihre entsprechenden vorangegangenen Stellungnahmen.
Auch wenn man sicher nicht jede Erwartung erfüllen kann, muss die Landesregierung diese Kritik ernst nehmen. Wenn unsere Bürgerbeauftragte zum Beispiel auf Probleme im Zusammenhang mit der Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher hinweist, müssen wir über eine Lösung im Sinne der betroffenen Familien nachdenken.
Ähnliches gilt für die grundlegenden Zweifel vieler Träger, wenn es um qualitative Verbesserungen durch die vorgegebenen Standards geht. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat zu dieser Frage bekanntlich eine alarmierende Stellungnahme abgegeben. Vielerorts würde das Kita-Gesetz nicht zur Er
höhung, sondern eher zur Absenkung der Qualität führen. Diesem Hinweis muss gründlich nachgegangen werden, und zwar nicht, weil hier rund 85 % aller Einrichtungen organisiert sind, sondern vor allem, weil dadurch eine Schlechterstellung vieler Kinder droht.
Beim Thema frühkindliche Bildung hat der SSW immer betont, dass wir alles unterstützen, was die Situation der Kindertagesbetreuung und die Bildungschancen unserer Kinder verbessert. Das muss aber ausdrücklich für alle Kinder gelten, auch für diejenigen, die einen besonderen Bedarf infolge einer Behinderung haben.
Doch hier scheint die Kita-Reform Defizite zu haben, die leider erhebliche Unsicherheiten mit sich bringen. Da geht es nicht nur um die erwähnten Schwierigkeiten bei der Betreuung von gehörlosen Kindern. Auch der Beauftragte Uli Hase hält an seinen Kritikpunkten fest. Die Tatsache, dass aus seiner Sicht die Chance verpasst wurde, die frühkindliche Bildung wirklich inklusiv auszurichten, macht uns wirklich Sorgen. Daraus will ich an dieser Stelle keinen Hehl machen.
Fakt ist, dass Eltern von Kindern mit Behinderung infolge des Bundesteilhabegesetzes in vollem Umfang für die Betreuungskosten herangezogen werden. Wenn Sie mich fragen, ist es äußerst unglücklich, dass Kitas innerhalb der Eingliederungshilfe nicht mehr als teilstationäre Einrichtungen gelten. Aber wenn mich nicht alles täuscht, kann diesen Kindern auch noch unter Verweis auf einen „heilpädagogischen Bedarf“ der Zugang zum Regelangebot verwehrt werden. Diese Familien werden also eindeutig durch eine fehlende Wahlfreiheit benachteiligt. Das darf aus unserer Sicht nicht sein.
Aus gleichen Pflichten müssen auch gleiche Rechte folgen. In absehbarer Zeit muss daher jede Kita in der Lage sein, jedes Kind aufzunehmen, das in die Kita kommen möchte. Kinder, die von einer Behinderung bedroht sind oder eine Behinderung haben, dürfen nicht ausgegrenzt werden. Das muss sichergestellt sein.
Aus Sicht des SSW bleibt es also dabei: Neben viel Licht bietet diese Reform auch noch viel Schatten. Aber wir sind nicht nur hoffnungs- sondern vor allem erwartungsvoll, wenn es um den weiteren Verlauf und um die Zukunft der frühkindlichen Bildung geht. Soziale Härten und eine Schlechterstellung von Familien oder Trägern kann keiner ernsthaft wollen. Diese Dinge müssen im Rahmen der Übergangsphase und durch die gemeinsame Evaluation mit den Betroffenen ins Lot gebracht wer
den. So kann gelingen, was die Jamaika-Koalition ja längst versprochen hat: Schleswig-Holstein zum familienfreundlichsten Bundesland zu machen. Noch sind wir davon aber ein gutes Stück entfernt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung für die Einrichtung dezentraler Impfzentren in Schleswig-Holstein halte ich für überzeugend. Die Wege werden auf diese Weise verkürzt, und die Impfung kann vor Ort stattfinden. In Flensburg ist man zum Beispiel schon ganz gut davor. Das Gelände in Mürwik wird derzeitig entsprechend ertüchtigt. Die Stadt Flensburg hat der Ratsversammlung die Arbeitsweise des Flensburger Impfzentrums erläutert. Danach ist geplant, an sieben Tagen der Woche entlang von vier Linien circa 300 Menschen täglich zu impfen, sodass nach einem halben Jahr und der zweiten Impfung schätzungsweise 27.000 Personen über einen effektiven Impfschutz verfügen. Erst dann können wir auch in Flensburg etwas aufatmen und allmählich daran denken, das gewohnte Leben wiederaufzunehmen.
Während die technische Vorbereitung der Impflinien, der Abläufe und der Logistik weitestgehend im Zeitplan liegen, gibt es mit Stand heute noch keine abschließende Empfehlung der Impfkommission. Bei der Covid-19-Impfung ist die gerechte Verteilung der Impfstoffe aber zum anderen besonders wichtig. Zum einen sind die Impfstoffmengen begrenzt, aber eben auch die Infrastruktur. Darum müssen wir nachvollziehbare Kriterien entwickeln, die zur bestmöglichen Vermeidung von schweren Erkrankungen und Todesfällen beitragen: In welcher Bevölkerungsgruppe ist der Nutzen der Impfung am höchsten? Wie können alters- und berufsspezifische Risiken abgewogen werden? Und zuletzt die Frage: Welche Risikogruppen zeigen einen schweren Verlauf von Covid-19 und müssen deswegen vorrangig geimpft werden? Diesen ethischen Fragen müssen wir uns auch als Politik stellen.
Ich verhehle nicht, dass ich die Menschen in Altenund Pflegeheimen sowie die dort Beschäftigten zuerst geimpft sehen möchte, weil nur so die soziale Isolierung in den Heimen endlich aufgehoben werden kann. Menschen mit vielen Kontakten, zum Beispiel in Krankenhäusern oder aber auch im Rettungsdienst oder in Kitas, sollten ebenfalls vorrangig geimpft und damit geschützt werden. Die Ständige Impfkommission wird gemeinsam mit anderen Institutionen alle Daten bewerten und darauf basierende Empfehlungen sehr kurzfristig vorlegen. Derzeit liegt ein Entwurf vor, der noch in Abstimmung beziehungsweise im Stellungnahmeverfahren ist. Wir können aber wohl noch in diesem Jahr mit einer entsprechenden Priorisierung rechnen.
Warum ist das so wichtig? - Wir dürfen bei aller Euphorie über die blitzschnelle Entwicklung des Impfstoffes nicht vergessen, dass in den letzten Jahren eine ernstzunehmende Impfskepsis gewachsen ist. Viele Eltern lassen sich von ominösen Warnungen verunsichern und verweigern die Impfung ihrer Kinder auch gegen Röteln, Masern und Mumps. Sie wollen diesen die angeblich schlimmen Impffolgen ersparen. Was sie aber tatschlich tun, ist, das Aufflammen eigentlich ausgerotteter Krankheiten zu schüren.
Diese Angst wegen der Nebenwirkungen müssen wir deswegen offen ansprechen, gerade bei Covid-19.
Die Impfstoffproduzenten BioNTech und Pfizer geben zwar an, dass sie bei ihren Tests praktisch keine ernsten Nebenwirkungen bis auf Müdigkeit und Kopfschmerzen feststellen konnten, die Langzeitfolgen sind aber angesichts der kurzen Zeit noch unerforscht. Die Forschungen stehen erst noch an, und zwar weltweit an immerhin 150 Orten. Allerdings können auch heute schon erste Rückschlüsse aus Forschungen in der Vergangenheit gezogen werden.
Bis dahin müssen die Menschen vertrauen, und die allermeisten Menschen machen das. Das ist gut so. Auch ich vertraue. Genau das könnte aber auch zur Herausforderung werden. Ich gehe davon aus, dass wir an den Impfzentren Demonstrationen von Menschen zu erwarten haben, die auch in Zeiten von Abstandsgebot und Kontaktbeschränkung gegen die Maßnahmen demonstriert haben. Das haben sie in vielen Orten getan - Menschen, die sich in den letzten Monaten in noch nie gesehener Weise unglaublich schnell radikalisiert haben. Ein einziger Klick in die sozialen Medien, und man trifft auf eine Person, die gegen Corona wettert und hinter der Krankheit eine globale Verschwörung vermutet.
Wie gehen wir mit diesen Personen um? - Wir werden die Impfzentren schützen müssen. Wir werden die Impflinge und das Gesundheitspersonal schützen müssen. Die Publizistin Katharina Nocun hat am Wochenende noch einmal auf das Gewaltpotenzial der verschwörungsideologischen Milieus hingewiesen. Wir müssen das ernst nehmen und einen effektiven Schutz organisieren. Am besten denken wir das auch von Anfang an mit, bevor die ersten Demos stattfinden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manch einer braucht offenbar erst eine Pandemie, um sich der mitunter unhaltbaren Zustände in der Fleischindustrie bewusst zu werden. Dabei sind die allermeisten Probleme schon seit Jahren bekannt. Aber durch die Coronakrise und die daraus folgenden erhöhten Infektionszahlen fällt es jetzt natürlich noch schwerer, hiervor die Augen zu verschließen. Doch wie dem auch sei: Der SSW begrüßt ausdrücklich, dass sich auf Bundesebene endlich etwas bewegt.
Aus unserer Sicht ist insbesondere der Schritt, Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie gesetzlich zu verbieten, mehr als überfällig.
Weil das Verfahren zum Arbeitsschutzkontrollgesetz derzeit durch Lobbyinteressen ausgebremst wird, können wir den Antrag der SPD natürlich unterstützen.
Wie erwähnt, wissen wir nicht erst seit diesem Jahr, dass auch bei uns im Land in Teilen der Fleischindustrie so einiges schiefläuft. Was in den vergangenen Jahren so alles ans Licht der Öffentlichkeit drang, hat uns doch alle gemeinsam empört. Seit Jahren kritisieren wir diese teilweise unzumutbaren Zustände. Uns allen sollte also längst bewusst sein, und den Eindruck habe ich hier auch, dass die Arbeits-, Wohn- und Lebensbedingungen in der Fleischindustrie für viele Beschäftigte unzumutbar sind.
Doch passiert ist trotz allem denkbar wenig. Im Gegenteil: Wir müssen feststellen, dass die Selbstverpflichtung der Fleischwirtschaft für bessere Arbeitsbedingungen bis heute nicht erfüllt wird. Sie ist faktisch gescheitert, und auch kleinere Verschärfungen des Regelwerks haben leider nicht zu nennenswerten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen geführt.
Die Tatsache, dass es gerade im Zusammenhang mit Werkverträgen und Subunternehmen erhebliche gesetzliche Lücken gibt, ist hinlänglich bekannt. Die Liste der Kritikpunkte ist lang. Wir reden über Verstöße gegen Hygiene-, Abstands- und Arbeitsschutzbestimmungen sowie Missachtung des Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetzes.
Ganz ehrlich: Wenn Teile des Lohns für persönliche Schutzausrüstung, Miete oder für Fahrten zur Arbeitsstätte einfach einbehalten werden oder wenn
Beschäftigte 16 Stunden ohne Pause arbeiten müssen, dann ist doch gehörig etwas faul, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Noch dazu finden diese Verstöße nicht irgendwo weit weg und außerhalb unseres Einflussbereichs statt, sondern auch bei Unternehmen in Deutschland und hier in Schleswig-Holstein. Doch unsere Behörden stehen mehr oder weniger hilflos daneben und können kaum eingreifen. Ich denke und hoffe daher sehr, dass wir uns einig sind, diese Zustände nicht länger hinnehmen zu wollen.
Es ist also mehr als überfällig, das Arbeitsschutzkontrollgesetz zu verschärfen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Unternehmen der Branche stärker kontrolliert und im Zweifel auch sanktioniert werden müssen. Die hierfür nötige bessere Zusammenarbeit der zuständigen Behörden, wie Zoll, Arbeitsschutzverwaltungen, Berufsgenossenschaften sowie der kommunalen Ordnungs- und Gesundheitsämter, ist ausdrückliches Ziel der Novelle. Das ist gut und folgerichtig. Es ist genauso überfällig wie die geplante engere Kontrolldichte und die Vorgabe, nach der im Bereich der Schlachtung, Zerlegung und der Fleischverarbeitung in einem Unternehmen kein Fremdpersonal mehr eingesetzt werden darf.
Außerdem begrüßen wir es, dass die Arbeitszeit künftig elektronisch erfasst werden soll und dass für die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften in Zukunft Mindestanforderungen gelten sollen.
All diese schönen theoretischen Regelungen müssen jetzt endlich auch praktisch umgesetzt werden. Nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Unternehmen selbst müssen wissen, woran sie sind. Sie brauchen Rechts- und Planungssicherheit.
Hier sage ich für den SSW ganz deutlich: Es geht nicht darum, diese Branche zu gängeln, sondern es geht darum, Geschäftsmodelle, die Ausbeutung ermöglichen, zu unterbinden.
Dieses Ziel erreichen wir aber nur, wenn das vorliegende Arbeitsschutzkontrollgesetz nicht doch noch aufgeweicht wird. Die erwähnten Punkte, wie etwa das Verbot der Leiharbeit, die transparente Zeiterfassung und die verbindliche Kontrolldichte, müssen Teil der gesetzlichen Regelung bleiben. Nur so
kommen wir hoffentlich schnell und flächendeckend zu humaneren Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der Fleischindustrie. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Energiewende- und Klimaschutzgesetz haben wir als Küstenkoalition seinerzeit ein fortschrittliches und modernes Gesetz auf den Weg gebracht. Damit gehörte Schleswig-Holstein bundesweit zu den Vorreitern. Das war 2017, ist also noch nicht so lange her.
Wir als SSW begrüßen es, dass Gesetze regelmäßig evaluiert und auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Das gilt auch - oder: gerade - in diesem Fall. Besonders im Bereich der Energiewende und im Klimaschutz schreitet die Entwicklung zum Teil mit großen Schritten voran. Ob es sich dabei um technische Weiterentwicklungen oder um gesetzliche Rahmenbedingungen handelt - solche Sachen müssen sich im EWKG wiederfinden.
Daher begrüßen wir den vorliegenden Bericht der Landesregierung, der eben auf genau diese Faktoren hinweist und sie in Relation zum bestehenden Gesetz stellt. Besonders deutlich wird das, wenn es um die bundesrechtlichen Rahmengesetze geht. Ex
emplarisch weist der Bericht auf das Klimapaket von 2019 hin, auf die Novelle des Energieeinsparrechts aus diesem Jahr oder auf das Konjunkturprogramm, ebenfalls von 2020. Besonders deutlich wird das auch beim Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die letzte Novellierung des EEG erfolgte 2017, und der nächste Entwurf ist gerade im Bundeskabinett verabschiedet worden.
Aus schleswig-holsteinischer Sicht kann ich nur sagen, dass beide keine wirklichen Verbesserungen im Sinne der Energiewende darstellen. Was bei der EEG-Novelle 2021 herauskommt, bleibt noch abzuwarten; gleichwohl bin ich insoweit skeptisch. Wir wissen um die Kritik an der aktuellen Novelle. Und wenn eine Bundesumweltministerin dem Entwurf nur unter Vorbehalt zustimmen kann, weil sie weiteren Handlungsbedarf sieht, dann spricht das Bände, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Aus dem Bericht der Landesregierung geht deutlich hervor: Wenn wir wirklich etwas für die Energiewende und den Klimaschutz erreichen wollen, dann muss weitaus mehr getan werden. Das EEG bildet hier die Grundlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Was wir dazu aber in den vergangenen Jahren aus Berlin bekommen haben, erschwert den Ausbau der Erneuerbaren eher, als dass es deren Situation verbessert. Das erleben wir mit der vorliegenden Novelle wieder einmal.
Der Bericht der Landesregierung macht zudem deutlich, wie wichtig für uns in Schleswig-Holstein der Ausbau der Fotovoltaik ist. Das Potenzial dieser Technologie ist immens. Die Bremse für den Ausbau liegt nun im EEG-Entwurf. Ich kann ehrlich nur hoffen, dass dieser Gesetzentwurf so nicht durchgeht. Er muss vereinfacht werden. Was noch viel wichtiger ist: Er muss so ausgestaltet werden, dass es attraktiv und rentabel wird, Fotovoltaik auszubauen.
Dringender Verbesserungsbedarf wird zudem auch in anderen Bereichen der erneuerbaren Energien gesehen. Darum kann ich die Landesregierung nur auffordern: Stimmen Sie dem Gesetzentwurf in dieser Fassung nicht zu! Ihr eigener Bericht macht deutlich, dass gerade die Fotovoltaik für uns als Land Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren eine immer wichtigere Rolle einnehmen wird, um die eigenen Energie- und Klimaziele zu erreichen.
Die zu verzeichnenden Verluste im Bereich von Wind-Offshore müssen kompensiert werden. Der Bericht verweist daher auf einen verstärkten Ausbau der Fotovoltaik. Das wird aber nur gelingen,
wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. Die Hemmschuhe für den Ausbau müssen weg. Nur so können PV-Anlagen auch im privaten Bereich attraktiv bleiben. Die Dynamik im Ausbau bei PVAnlagen, die wir in diesem Jahr verzeichnen konnten, darf durch ein neues EEG nicht abgewürgt werden.
Das EWKG hat sich bei uns im Land bewährt. Die Evaluation des Gesetzes ist notwendig und richtig, um das Gesetz gegebenenfalls entsprechend anzupassen. Die im Bericht aufgeführten Passagen sehen wir als Vorschläge, die wir dann im Ausschuss näher erörtern sollten. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon im April 2018 hat das Bundesarbeitsministerium in einer Antwort auf die Frage der Abgeordneten Ferschl bestätigt, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht existenzsichernd ist. Um im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen, wäre eine massive Erhöhung notwendig: laut Berechnung der Bundesregierung von den damals geltenden 8,84 € auf 12,63 €.
Es mag vielleicht etwas drastisch formuliert gewesen sein, als die Fragestellerin daraufhin von einem Armutslohn sprach, der Menschen zu Sozialfällen mache. Aber vom Grundsatz her hat sie damit auch aus Sicht des SSW recht.
Über die exakte Höhe einer allgemein verbindlichen Regelung kann man streiten. Aber klar ist, dass der geltende gesetzliche Mindestlohn in seiner jetzigen Form nicht alle hiermit verbundenen Ziele erreicht. Er ist zum Beispiel nicht dazu geeignet, zu
einem angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen. In letzter Konsequenz schützt er nämlich nicht vor Erwerbs- oder Altersarmut.
Wir fordern, dass dieser Schutz vor Armut explizit in die Gesamtabwägung zur Erhöhung des Mindestlohns aufgenommen wird. Unser Ziel ist eine wirklich armutsfeste Lösung, die ein Arbeits- und Rentenleben in Würde ermöglicht. Außerdem muss sichergestellt sein, dass diese Regelung auch dauerhaft Armut verhindert, was nichts anderes bedeutet, als dass sie an die allgemeine Tarifentwicklung gekoppelt werden muss.
Ich bin erleichtert, dass wir nicht noch einmal ganz von vorne anfangen und über die Sinnhaftigkeit des Instruments Mindestlohn streiten müssen. Im Vorfeld der Einführung hatten Arbeitgeberverbände und Forschungsinstitute ja die schlimmsten Befürchtungen für die wirtschaftliche Entwicklung. Wir wissen längst, dass es nicht so gekommen ist. Im Gegenteil, der Mindestlohn wirkt, und er wirkt sich positiv aus. Seit der Einführung im Jahr 2015 haben über vier Millionen Beschäftigte unmittelbar von ihm profitiert. Laut Mindestlohnkommission ist in diesem Zeitraum nicht nur die Gesamtzahl der Beschäftigten gestiegen, sondern eben auch das Stundenlohn-Niveau.
Hinzu kommt der Effekt, dass der Mindestlohn sogar Löhne oberhalb dieser Grenze beeinflusst. Soll heißen: Viele Unternehmen heben generell ihre Löhne an, um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten zu haben.
Aber auch die Wirtschaft profitiert vom Mindestlohn; denn dadurch erhöht sich die Kaufkraft. Der DGB hat mehrfach darauf hingewiesen, dass ein Cent mehr Mindestlohn einen Kaufkraftgewinn von 20 Millionen € im Jahr auslöst.
Angesichts dieser Fakten steht für uns vom SSW fest: Die Maßnahme, einen Mindestlohn einzuführen, war gut und richtig. Aber diese Maßnahme war eben noch nicht weitreichend genug.
Mir ist bewusst, dass der Mindestlohn über die kommenden zwei Jahre schrittweise auf 10,45 € angehoben werden soll. Gleichzeitig ist aber schon jetzt klar, dass auch dieser Stundenlohn Beschäftigte nicht effektiv vor Armut schützt. Das hat das Bundesarbeitsministerium, wie bereits erwähnt, schon vor über zwei Jahren eindeutig bestätigt.
Für eine armutsfeste Entlohnung und ein Rentenniveau oberhalb der Grundsicherung muss der Min
destlohn deutlicher angehoben werden. Wir fordern daher die Erhöhung auf 13 €, und zwar nicht erst in ein bis zwei Jahren, sondern schnellstmöglich und an der Tarifentwicklung orientiert.
Neben dem Schutz vor Armut muss ein Mindestlohn aber auch dem Grundsatz folgen, dass für die gleiche Arbeit der gleiche Lohn gezahlt wird. Genau dies ist mit den geltenden Ausnahmeregelungen für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren und eben auch für Langzeitarbeitslose nicht gegeben. Deshalb brauchen wir auch hier eine Änderung. Diese Ausnahmen müssen konsequenterweise gestrichen werden.
Ich halte also fest: Mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative zur Änderung des Mindestlohngesetzes könnten wir dieses Regelwerk deutlich verbessern und eben auch fairer machen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um eine Verschärfung der Düngeverordnung wurde lange Zeit sehr emotional geführt. Ein Höhepunkt wurde erreicht, als die erste Nitratkulisse vorgelegt wurde, wonach - das Stichwort ist heute schon gefallen - 60 % der Landesfläche als rote Gebiete ausgewiesen wurden. Wohl wissend, auch vonseiten der Landwirtschaft, dass in Bezug auf die EU-Nitratrichtlinie etwas passieren muss, war die Ausweisung der bisherigen Gebiete ein Fehler.
Wir als SSW haben die Aussagekraft der Messergebnisse beziehungsweise deren Übertragung auf den Grundwasserkörper kritisch hinterfragt. Es ist doch niemandem plausibel zu erklären, wenn vorliegende Ergebnisse von Messstellen den Wert einhalten, diese sich aber trotzdem in einer roten Kulisse befinden. Diese Art der Darstellung war von vornherein falsch, denn die einzelnen Messergebnisse wurden nicht zugrunde gelegt, und damit wurde nicht berücksichtigt, wie die Landwirte wirtschaften.
Das sorgt für Unverständnis und für Unmut in der Landwirtschaft. Mit der neuen Nitratkulisse wird nicht mehr der gesamte Grundwasserkörper in den Blick genommen, sondern die Bereiche, in denen es wirklich eine Überschreitung der Nitratschwellenwerte gibt. Damit liegt nun eine Nitratkarte vor, die nur noch rund 10 % der Landesfläche als rote Gebiete ausweist. Nicht nur für uns vom SSW, son
dern auch für die Landwirtschaft ist das eine nachvollziehbare Karte.
Aus unserer Sicht wird nun aber auch deutlich, dass gerade im nördlichen Landesteil Bereiche der Geest betroffen sind, also dort, wo wir sandigere Böden auffinden. Damit will ich nicht sagen, dass die Landwirte dort unbedingt schlechter gewirtschaftet haben als anderswo, sondern dass die Böden dort das Nitrat eben schlechter binden. Darum ist es aus unserer Sicht wichtig, dass die betroffenen Landwirte dort noch einmal eine besondere Beratung erhalten. Die Beratung dort muss stärker die bodenkundlichen und hydrologischen Eigenschaften berücksichtigen, und dementsprechend müssen neue Düngepläne aufgestellt werden.
Zusätzlich brauchen die Landwirte dort Programme, damit sie beispielsweise Zwischenfrüchte anbauen können. Darüber hinaus muss mit moderner Ausbringungstechnik die Nährstoffeffizienz verbessert werden. Das wären erste Schritte oder Maßnahmen, die in Betracht gezogen werden können, um die Landwirte dort nicht hängenzulassen.
Wir als SSW sehen uns mit der neuen Nitratkulisse beziehungsweise mit der Auswertung der Messstellen auf dem richtigen Weg. Die Untersuchungen sind repräsentativ und aussagekräftig, aber wir können sie weiter verbessern, indem das Messstellennetz weiter ausgebaut wird. Wir sollten dabei auch in Betracht ziehen, weitere Messtiefen einzubeziehen, um frühzeitiger Ergebnisse einzuholen. Damit könnten wir die Ergebnisse der Düngeverordnung schneller evaluieren und eventuell auch früher gegensteuern.
Gerade vor dem Hintergrund drohender Strafzahlungen ist es wichtig, dass Deutschland gegenüber der EU endlich beweist, dass wir gewillt sind, etwas zu tun, um eben unser Grundwasser zu schützen. Ein engmaschigeres Messstellennetz, das früher Daten liefert, wäre sicherlich nicht verkehrt und würde zudem der Forderung der EU nach einem verbesserten Wirkungs-Monitoring entgegenkommen.
Aber wir brauchen auch ein Kontroll- und Sanktionssystem, mit dem deutlich wird, dass wir das Problem angehen wollen. Nichtsdestotrotz: Verantwortlich ist die Landwirtschaft, und wir erwarten, dass sie das Problem mit dem überschüssigen Stick
stoff in den Griff bekommt. Diesen Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen, den wollen wir mit den Landwirten gemeinsam gehen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie hat Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche unserer Gesellschaft, insbesondere eben auch auf die Wirtschaft. Während hier einige wenige Zweige sogar profitieren, stehen die allermeisten Branchen vor einer der größten Herausforderungen überhaupt. Wir brauchen nicht drum herum zu reden: Umsatzeinbrüche von 90 und mehr Prozent sind schlicht und einfach existenzbedrohend. In einer solchen Ausnahmesituation ist es absolut sinnvoll und geboten, unsere Unternehmen im Land möglichst weitgehend zu unterstützen. Und weil die Veranstaltungsbranche hier zu den wich
tigsten Adressaten gehört, begrüßen wir den Antrag der SPD ausdrücklich.
Man mag sich fragen, warum wir heute explizit über die Situation der Veranstaltungswirtschaft sprechen, denn Hilfsproramme für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für Soloselbstständige waren ja schon öfter Thema. Doch der genaue Blick ist tatsächlich alarmierend: Stand jetzt lässt sich ohne Übertreibung festhalten, dass ein riesiger Kahlschlag droht, denn Veranstalter waren nicht nur die ersten, die den Betrieb einstellen mussten, sondern sie gehören auch zu den letzten, die ihn wieder aufnehmen dürfen. Das ist spätestens mit der Einigung zum Verbot von Großveranstaltungen bis Ende des Jahres klar. Noch dazu können sie ihre verlorenen Umsätze im Gegensatz zu anderen Branchen nicht nachholen.
Der SSW hat beim Thema Coronahilfen immer für möglichst flexible Lösungen, aber auch für Augenmaß plädiert. Bundesweit belaufen sich die Verluste allein in der Veranstaltungswirtschaft auf über 50 Milliarden €. Es liegt auf der Hand, dass kein staatliches Hilfspaket die Ausfälle aller Branchen komplett auffangen kann.
Auf der anderen Seite ist aber auch völlig klar, dass wir unseren Beitrag leisten müssen, um die Arbeitsund Ausbildungsplätze in diesem Bereich zu sichern. Bund und Länder sind eindeutig mit in der Verantwortung, wenn es um einen rechtssicheren und nachvollziehbaren Rahmen für Veranstaltungen geht. Wie wir wissen, sind die Arbeits- und Ausbildungsplätze in diesem Wirtschaftszweig zunehmend bedroht. Deshalb macht es aus unserer Sicht Sinn, nach passgenauen Lösungen zu suchen.
Neben dem Dialog fordert die SPD vor allem wirksame Hilfen. Ich denke, hier haben wir den zentralen Punkt: Kredite sind zum Beispiel keine wirksame Hilfe, weil sie die Probleme der Veranstalter nur in die Zukunft verschieben. Auch die bestehenden Programme scheinen nicht ausreichend auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und damit eben auch nicht wirklich wirksam zu sein. Soloselbstständigen ohne laufende Betriebskosten helfen Zuschüsse zu eben diesen Betriebskosten herzlich wenig. Hier brauchen wir dringend flexiblere Hilfen und geringere Hürden für entsprechende Anträge.
Natürlich sollten wir an dieser Stelle nicht zu blauäugig sein, aber die Meldung aus Berlin, nach der die Überbrückungshilfe bis Dezember 2020 fortgesetzt wird, stimmt mich zumindest vorsichtig optimistisch. Laut Bundesfinanzministerium werden gleichzeitig die Zugangsbedingungen abgesenkt
und die Förderung ausgeweitet. Vor allem soll es für Unternehmen wie in der Veranstaltungsbranche, die seit einem halben Jahr nahezu stillstehen, höhere Fördersätze geben. Wir hoffen, dass diese Maßnahmen den drohenden Kollaps dieser Branche verhindern.
Wir werden uns selbstverständlich für flankierende Maßnahmen des Landes einsetzen, damit die Veranstalter im Land diese schweren Zeiten überstehen. Deshalb unterstützen auch wir den Antrag auf Ausschussüberweisung. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Der Wirtschaftsminister ist angetreten, dem Fahrrad eine bessere Infrastruktur zur Ver
fügung zu stellen. Das ist lobenswert, und mit der Einbindung verschiedenster Gruppen von Akteuren ist seinem Haus tatsächlich ein großer Wurf gelungen.
- Mit der Einbindung. - Wenn Expertise zusammengeführt wird, kommt meistens etwas Sinnvolles dabei heraus. Die Erkenntnisse im BYPAD-Verfahren sind beileibe nicht neu, aber sie wurden auf eine transparente Weise diskutiert und zusammengestellt. Es ist jetzt am Wirtschaftsministerium, die Vorschläge und Prioritäten umzusetzen.
Ich habe mir erlaubt, das Wort „Strategie“ im Duden nachzuschlagen. Von einem genauen Plan des eigenen Vorgehens ist da die Rede, der dazu diene, das politische Ziel zu erreichen.
Schauen wir uns einmal die konkreten Maßnahmen an, die diese Strategie umsetzen sollen. Genannt werden Prüfung, Bericht, Errichtung von Fahrradbügeln, Netzplanung, Runder Tisch, SelfserviceStationen und eine Mängel-App. Aus dieser Liste erschließt sich die Strategie nicht unmittelbar. Dabei sind die Voraussetzungen doch gar nicht so schlecht.
Mit den elektrisch unterstützten Fahrrädern erschließen sich gerade jetzt ganz neue Distanzen, Wegemöglichkeiten und geografische Landschaften. Das Rad ist als Fortbewegungsmittel beliebter als je zuvor. Ohne Pedelec die Hänge der Flensburger Förde zu erklimmen, ist ganz schön sportlich. Mit einem E-Bike ist das aber auch eher untrainierten Menschen möglich geworden. Der Weg von und zur Arbeit ist mit diesem Gefährt eine gesunde und ökologische Alternative.
Daraus resultiert aber auch eine wachsende Erwartungshaltung, was den Zustand der Radinfrastruktur angeht. Doch nicht einmal die Instandhaltung der bestehenden Radwege ist gewährleistet. Das belegt die Umfrage der „Husumer Nachrichten“, deren Leserinnen und Leser im Handumdrehen ein Dutzend schlimme Radstrecken nannten.
Auf Nordstrand verunglückte eine Frau in einem Elektrorollstuhl, weil der Radweg durch Wurzelaufbrüche marode ist. Dessen Sanierung liegt in weiter Ferne; denn der Kreis Nordfriesland hat schon vor Jahren im Rahmen der Haushaltskonsolidierung beschlossen, dass Fahrradwege an Kreisstraßen nur dann saniert werden, wenn die betroffenen Gemeinden den Eigenanteil übernehmen. Das können sich die kleinen Gemeinden aber oft nicht leisten. So
werden Radwege zu Radunfallwegen. Die MängelApp wird in den ersten Monaten also heiß laufen.
Ein weiteres Beispiel aus dem Kreis RendsburgEckernförde: Dort ist der Radweg von Borgstedt nach Schirnau erneuert worden, bis Holtsee geht es dann aber auf 50 cm Breite weiter. Das ist für Ortsunkundige eine böse Überraschung und ziemlich gefährlich.
Der Wirtschaftsminister verweist auf die Kommunen. Er hat ihnen angeboten, die Hälfte der Planungs-, Bau- und Grunderwerbskosten zu übernehmen. Die Kommunen haben abgelehnt. Das Geld fehlt sogar für die Vorarbeiten; Finanzmittel für einen Ausbau sind nicht vorhanden.
Darum müssen wir die Gemeinden ganz gezielt unterstützen. Der vorliegende Änderungsantrag ist dafür ein erster Ansatz. Es geht um die Unterstützung der Gemeinden nicht nur beim Neubau, sondern auch und gerade bei der Instandhaltung. Hieran hapert es besonders. Die Gemeinden wissen nämlich ganz genau, wo ein Radweg zu schmal oder durch Wurzelaufbrüche quasi nicht mehr nutzbar ist. Sie kennen ihre Stadt gut, haben aber nicht die nötigen Mittel zur Sanierung. Das wollen wir ändern, damit die Zahl der Schilder, die vor schadhaften Radwegen warnen, nicht noch weiter anwächst.
Eine Strategie, die die Menschen langfristig zum Umsteigen aufs Rad bewegen will, muss über die Instandsetzung hinaus den Ausbau des Radnetzes in Angriff nehmen. Auch hierbei geht es viel zu schleppend voran. Im Fahrradportal des Bundeswirtschaftsministeriums wurden im März die Neubauprojekte der einzelnen Bundesländer aufgelistet. Schleswig-Holstein: Fehlanzeige. Die Gründe sind neben fehlendem Geld auch die Strukturen. So gibt es keine gemeindeübergreifende Planung in Schleswig-Holstein; Radwege enden im Nichts.
Auch RAD.SH kann wohl kaum dieses Vakuum füllen. Es gibt keine flächendeckende Möglichkeit der Fahrradmitnahme im öffentlichen Nahverkehr. Die Schulwege rangieren beim Radwegebau nicht ganz oben.
Die Liste der Probleme und Baustellen könnte ich fortsetzen. Grundsätzliche Strukturverbesserungen sind auch mit der Radstrategie noch nicht zu erkennen. Aber zumindest bekommen wir bald 10.000 neue Fahrradbügel. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag griffigere Themen geben als einen Demenzplan. Aber wir sollten uns eins vor Augen führen: Im Kern geht es darum, eine möglichst breit getragene Strategie für die zukünftige Unterstützung und Versorgung von Menschen mit Demenz zu entwickeln. Es geht um verbesserte medizinische Hilfe, aber auch um Prävention, Forschungsförderung, öffentliche Bewusstseinsbildung und darum, Menschen für den adäquaten Umgang mit Demenzkranken zu schulen. Oder anders gesagt: Es geht darum, allen Menschen, die direkt oder indirekt von Demenz betroffen sind, ein gutes Leben zu ermöglichen.
Der SSW hat schon in der 17. Wahlperiode einen Demenzplan gefordert und diesen schließlich in der Küstenkoalition mit SPD und Grünen realisiert. Unsere grundlegende Erwartung war, die Versorgungsstrukturen des Landes aufzuzeigen und qualitätsgesichert weiterzuentwickeln. Natürlich gab es auch damals schon ein großes Engagement und viele Angebote für diese Zielgruppe, aber eben keine übergreifende Strategie für eine wirklich flächendeckende und sektorübergreifende Unterstützung und Ver
sorgung von Menschen mit Demenz. Mit der Einführung des Demenzplans sollten bestehende Angebote daher nicht nur gebündelt, sondern auch Lücken im Versorgungssystem erkannt und geschlossen werden.
Uns ist bewusst, dass diese Aufgabe und die Umsetzung generell ein dickes Brett sind. Gerade deshalb haben wir diesen Bericht gefordert und explizit auch nach Weiterentwicklungsbedarfen gefragt. Ich denke, dass uns heute trotz geringer Rückmeldungen aufgrund der Coronapandemie ein guter Überblick vorliegt. Dafür möchte ich mich beim Ministerium und vor allem beim Kompetenzzentrum Demenz bedanken.
Wir können sehen, dass vielfältige Maßnahmen auf den Weg gebracht und schon viele Empfehlungen aus dem Demenzplan umgesetzt wurden. Es werden nicht nur mehr Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen, sondern auch Ehrenamtler geschult. Auch die Pflegestützpunkte werden, wie eben erwähnt, als wichtige Anlaufstellen vor Ort gestärkt. Unter dem Strich konnten damit also schon deutlich mehr Menschen für die Belange von Demenzkranken sensibilisiert und auch mehr Angehörige beraten werden. Das ist im Sinne der Betroffenen und freut uns sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Mir ist trotzdem wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir es mit einem dauerhaften Prozess zu tun haben. Soll heißen: Wir haben zwar konkrete Empfehlungen im Demenzplan, die sukzessive abgearbeitet werden. Aber wir werden nie an den Punkt kommen, an dem alles abgehakt ist. Im Gegenteil: Wenn wir die Sicht der Betroffenen und ihrer Familien einnehmen, stehen wir mitunter noch ziemlich am Anfang. Das gilt für vermeintlich banale Fragen, wie zum Beispiel danach, wie wir dem allgemein steigenden Beratungsbedarf auch in der Fläche gerecht werden können, aber auch für aktuelle Herausforderungen wie die Coronapandemie, die für Menschen mit Demenz häufig besonders belastend ist und für die Zukunft mitgedacht werden muss.
Keine Frage: Der Demenzplan ist vor allem als politische Verpflichtungserklärung zu verstehen. Die Jamaika-Koalition scheint diese Ansicht auch weitestgehend zu teilen. Ich will ausdrücklich lobend erwähnen, dass sowohl der steigende Handlungsbedarf als auch der langfristige Einsatz in Sachen Demenz im Bericht anerkannt werden. Daraus folgt für uns aber vor allem eins: Nicht nur Kommunen und Kreise sind in der Pflicht, wenn es um gute
Rahmenbedingungen und um Lebensqualität für Demenzkranke und ihre Angehörigen geht. Auch wir als Land müssen dauerhaft am Ball bleiben und zum Beispiel dafür sorgen, dass das Kompetenzzentrum Demenz seine wirklich wichtige Arbeit auch über das Jahr 2022 hinaus fortsetzen kann. Zudem sollten wir immer im Blick haben, ob es bei Projekten wie etwa der mobilen Demenzberatung, für die wir uns bei den vergangenen Haushaltberatungen erfolgreich eingesetzt haben, Finanzierungslücken gibt.
Machen wir uns nichts vor: Nur durch diesen dauerhaften Einsatz auf allen Ebenen werden wir wirklich zu verbesserten Lebensbedingungen und zu einem größeren gesellschaftlichen Verständnis für die wachsende Zahl von Demenzkranken kommen. Nur so kann es uns zumindest langfristig gelingen, dem unheimlich wichtigen Thema Prävention die nötige gesundheitspolitische Aufmerksamkeit zu schenken; denn auch wenn eine Demenz nicht heilbar ist, können Ausbruch und Verlauf der Erkrankung durch gezielte präventive Maßnahmen oft um viele Jahre hinausgezögert werden. Das ist in meinen Augen die eigentliche Aufgabe, an der wir gemeinsam arbeiten müssen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, zwei Verfassungsbeschwerden zum sogenannten Containern nicht anzunehmen, wurde quasi entschieden, dass die Entnahme von Lebensmitteln aus dem Müll prinzipiell als strafbar zu erachten ist. So geht unter anderem aus der Begründung hervor ich zitiere -:
„Der Gesetzgeber darf das zivilrechtliche Eigentum grundsätzlich auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen.“
Damit wurde klargestellt, dass die Fachgerichte auf Grundlage des bestehenden Rechts geurteilt haben.
Aus der Begründung geht aber auch hervor, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf andere Grundrechte und Staatszielbestimmungen auch eine alternative Regelung hinsichtlich des Umgangs mit entsorgten Lebensmitteln treffen kann. Genau darin sehen wir den Auftrag an die Politik.
Es ist Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob alles beim Alten bleibt und das Containern weiterhin als Straftat geahndet wird, oder wir schaffen rechtliche Lösungen, die das Containern erlauben und die Eigentümer der weggeworfenen Lebensmittel vor etwaigen Haftungsrisiken ausschließen.
Hier sage ich ganz deutlich: Wir brauchen neue Regeln.
Das Containern ist überwiegend entstanden, um Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten. Dabei handelt es sich um Lebensmittel, die im Wesentlichen zum Verzehr geeignet sind und auch kein gesundheitliches Risiko darstellen.
Die Vernichtung von Lebensmitteln ist zu einem Problem geworden, ob es im privaten Bereich ist oder auch im Einzelhandel. Laut der Universität Stuttgart wird davon ausgegangen, dass deutschlandweit rund 13 Millionen t Lebensmittel der Vernichtung zugeführt werden. Die Umweltschutzorganisation WWF schätzt die Zahl noch höher ein. Demnach landen rund 18 Millionen t Lebensmittel auf dem Müll. Diese Art der Verschwendung ist Wahnsinn und gehört abgeschafft.
Die Lebensmittelrettung, die in der Regel unorganisiert vonstattengeht, ist eine Reaktion auf die Verschwendung von Nahrungsmitteln. Der Überfluss an Lebensmitteln und das daraus resultierende Vernichten ist eine Entwicklung, die so niemand will.
Wir stellen auf der anderen Seite aber auch fest, dass der politische Wille fehlt, etwas daran zu ändern. Denn wir wissen, dass der Vorstoß Hamburgs, das Containern zu legalisieren, im Bundesrat gescheitert ist. Das ist der Moment, in dem Politik sich ad absurdum führt. Auf der einen Seite gibt es das Beklagen einer verschwenderischen Entwicklung, auf der anderen Seite wird aber nicht der Mut aufgebracht, das Problem anzugehen und zu lösen.
Das Problem der Lebensmittelverschwendung ist vielfältig und daher von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Es fängt beim Erzeuger an, wenn keine ausreichenden Lager-, Transport- und Verarbei
tungskapazitäten vorhanden sind. Es geht weiter beim Einzelhandel, der tagtäglich und während der gesamten Öffnungszeit volle Regale vorhält.
Klassisches Beispiel sind die Brot- und Brötchenregale, die von Backketten immer wieder aufgefüllt werden, angeblich, weil der Kunde am Samstagabend auch noch frische Brötchen haben will.
Aber auch der Verbraucher ist von der Lebensmittelverschwendung nicht freizusprechen, der durch sein Kaufverhalten bunkert und hortet, bis es nicht mehr geht.
Wohlwissend sind alle in der Verantwortung. Und entsprechend wird gegenseitig auf den jeweils anderen gezeigt. Daher brauchen wir Strategien und Regeln, die der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken. Wir als SSW sehen in erster Linie Erzeuger, Lebensmittelindustrie und den Handel in der Pflicht; denn dort fängt das Problem an.
So sind beispielsweise große Supermärkte in Frankreich verpflichtet, mit Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten, anstatt die Lebensmittel wegzuwerfen. Italien plant ein vergleichbares Gesetz. In Tschechien ist es generell verboten, Lebensmittel wegzuwerfen. Andere Länder machen es vor, und hier bei uns wird vor Gericht gestritten, wem die Lebensmittel im Müll gehören.
Daher brauchen wir als ersten Schritt rechtliche Rahmenbedingungen, die die Lebensmittelrettung ermöglichen. Wer für einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und gegen die Vernichtung von Lebensmitteln ist, der stimmt unserem Antrag zu. Zumindest erwarte ich für heute eine Ausschussüberweisung, damit sich die Fachsprecher vertiefend mit dem Thema befassen können. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anhörungen sind für die parlamentarische Arbeit von immenser Bedeutung, das wissen wir. Sie schaffen Klarheit bei fachlich schwierigen Fragen, erweitern den Blick auf politische Themen, und manchmal sind sie inspirierend für politische Initiativen. So ist der Antrag der SPD das Ergebnis aus der schriftlichen Stellungnahme der GdP zu unserem Antrag mit dem Titel „Klimaschutz im Straßenverkehr - jetzt!“.
Aus Gründen der Verkehrssicherheit teilen wir durchaus das Ansinnen der GdP und der SPD, auf dem dreispurigen Teil der A 7 zwischen der Landesgrenze zu Hamburg und dem Bordesholmer Dreieck Verkehrsbeeinflussungsanlagen zu errichten. Bis zur Inbetriebnahme einer solchen Anlage soll es demnach auf der Strecke eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit geben.
Die Idee, eine Verkehrsbeeinflussungsanlage zu errichten, ist nicht neu. Die Forderung kam auf, weil die Unfallzahl mit Schwerverletzten und Toten auf dem Abschnitt der A 7 zugenommen hat, seitdem das Tempolimit dort aufgehoben wurde. Für mich ist dies ein Indiz dafür, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Unfallhäufigkeit und -heftigkeit sowie der Aufhebung der Höchstgeschwindigkeit.
Das hat dann auch den Verkehrsminister Buchholz auf den Plan gerufen, der sich Ende letzten Jahres für eine Verkehrslenkung auf der Strecke ausgesprochen hat, um das Teilstück sicherer zu machen. Eine Verkehrslenkung vom Bund solle her, und auch bauliche Veränderungen wären denkbar, um die Sicherheit so zu erhöhen. So war es noch im Dezember der Presse zu entnehmen.
Anfang September konnten wir nun von der Rolle rückwärts lesen. Demnach sehen die Fachleute zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anlass für die Rechtfertigung einer kostspieligen Verkehrsbeeinflussungsanlage. Auf dem gesamten Abschnitt müsse eine solche Anlage errichtet werden, und das sei aufgrund der Kosten nicht darstellbar, so der Minister. Das ist bedauerlich.
Wenn das die Einschätzung der Fachleute ist, dann ist nicht davon auszugehen, dass Minister Buchholz mit den Forderungen beim Bundesverkehrsminister gerade offene Türen einrennt. Daher gehen wir da
von aus, dass Berlin auch in den nächsten Jahren so ein Leitsystem ablehnen wird. Wir stellen doch immer wieder fest, dass die Entfernung von Berlin nach Kiel größer ist als umgekehrt. Bayern will ich gar nicht erst erwähnen.
Das bedeutet: Es ist nicht absehbar, ob und wann die High-Tech-Version für mehr Verkehrssicherheit kommt. Da hilft die Forderung von Jamaika wohl auch nicht weiter, wenn die Verkehrsunfallkommission potenziell gefährliche Streckenabschnitte identifizieren soll. Wenn wir es mit „Vision Zero - null Verkehrstote“ ernst meinen, dann dürfen wir nicht länger warten. Hier sage ich ganz klar: Es gibt Lösungen, die binnen einer Woche für mehr Verkehrssicherheit auf der gesamten Strecke der A 7 sorgen könnten: Schilder aufstellen und Geschwindigkeit reduzieren. Das kann man, wenn man es denn will.
Nun wieder zurück zum Antrag. Wir werden uns dort der Stimme enthalten. Wir teilen zwar die Intention, aber für uns hört die A 7 nicht am Bordesholmer Dreieck auf. Der gesamte nördliche Abschnitt findet keine Erwähnung, weder in Bezug auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung noch auf ein Überholverbot für Lkw auf zweispurigen Autobahnen und Kraftfahrtstraßen.
Das sind nach unserer Auffassung Maßnahmen, die schnell umgesetzt werden können, die zu mehr Sicherheit führen.
Damit möchte ich einen Punkt aus der Anhörung aufgreifen, bei dem auf eine Stellungnahme des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel hingewiesen wurde. Demnach würde eine Geschwindigkeitsbegrenzung zu mehr Zeitverlust und folglich zu höheren Kosten für die Fahrenden führen. Die durch ein Tempolimit entstehenden längeren Fahrzeiten würden demnach volkswirtschaftliche Verluste in Milliardenhöhe verursachen. Das sind kalte Zahlen und Rechenbeispiele, die meines Erachtens nicht standhalten. Die Zahlen sind kalt, weil sich Schwerverletzte oder Tote gegen nichts auf der Welt aufrechnen lassen.
Und die Berechnung des finanziellen Schadens ist ein theoretisches Rechenexempel, das der Wirklichkeit widerspricht. Wir glauben doch nicht im Ernst, dass ein Arbeitnehmer, der zu spät auf der Arbeit erscheint, nur weil er nicht 200 km/h auf der Autobahn fahren konnte, deshalb weniger arbeitet. Es gibt vereinbarte Wochenarbeitszeiten, die eingehalten werden müssen, und das ist unabhängig von einem Tempolimit oder einem Stau vor dem Elbtunnel. Solche Rechenbeispiele sind lediglich Nebel
kerzen, die von Gegnern eines Tempolimits aufgesammelt und geworfen werden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Das Thema Plastikmüll ist uns politisch so richtig auf die Pelle gerückt, als Plastikschnipsel in der Schlei gefunden wurden. Natürlich war das Problem mit dem Plastikmüll schon seit Jahrzehnten bekannt. Aber mit den Vorfällen in der Schlei hat es auf einmal eine Nähe bekommen, dass auch dieses Haus sich verstärkt politisch mit dem Thema befasst hat. So wurde zunächst festgestellt, dass die Aspekte und Fragestellungen zum Plastikmüll sehr umfangreich sind. Diese reichen vom Mikroplastik bis hin zu riesigen schwimmenden Plastikinseln in den Ozeanen. Die katastrophalen Auswirkungen auf Natur und ihre Lebensräume sind hierbei der eine Aspekt. Die Frage, inwieweit das Mikroplastik auch Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, ein weiterer Aspekt. Auch dies ver
deutlicht noch einmal, wie umfangreich das Problem ist.
Wie gesagt, das Problem mit dem Plastikmüll und die Notwendigkeit, Plastik zu vermeiden, sind seit Jahrzehnten bekannt. So hat sich bereits einiges getan, um das Problem anzugehen. Wir kennen das Projekt „Fishing for Litter“, im Rahmen dessen Fischer zusammen mit Umweltorganisationen in Nord- und Ostsee dem Plastik den Kampf angesagt haben. Das ist gut und richtig. Das sind freiwillige Projekte, die die Probleme bekämpfen. Was wir aber brauchen, sind rechtliche Grundlagen, die die Ursachen bekämpfen. Soll heißen, wir brauchen endlich politische Maßnahmen, die das Problem an der Wurzel anpacken. Zwar gibt es schon politische Initiativen, wie beispielsweise die EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle. Aber wie weit ist diese Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt? Ich befürchte, beim Verpackungsgesetz - Marlies Fritzen hat es benannt - sind wir genauso zurückhaltend und zögerlich wie bei der Bioabfallverordnung.
Gerade nach der Debatte um Plastikmüll in der Schlei ist es auf nationaler Ebene nicht gelungen, die Bioabfallverordnung dahin gehend zu ändern, dass Fremdstoffe, also auch Plastik, im Bioabfall nichts, aber auch gar nichts verloren haben. Es ist so, dass Bioabfälle bis zu 0,5% der Trockensubstanz Fremdstoffe aufweisen dürfen. Aus Sicht des SSW ist das ganz klar eine Lücke im System, und diese Lücke wurde bisher auch nicht geschlossen.
Daher muss die Frage erlaubt sein: Wie wichtig ist uns der Kampf gegen Plastik- und Verpackungsmüll? Sonntagsreden helfen an dieser Stelle nicht weiter. Wir brauchen klare Richtlinien und müssen Lücken im Gesetz schließen. Wir haben anhand der Schlei gesehen, dass solche Lücken durchaus zu Geschäftsmodellen werden können, und das kann nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir sollten den mündlichen Bericht zum Anlass nehmen, das Thema Plastikmüll und dessen Vermeidung im Ausschuss weiter zu behandeln, auch um zu erfahren, welche Schritte diesbezüglich auf anderen politischen Ebenen unternommen wurden. Was läuft bereits auf kommunaler Ebene? Welche Maßnahmen werden oder wurden dort ergriffen, um Plastik- und Verpackungsmüll zu reduzieren? So ist der Kreis Nordfriesland bereits vorbildlich vorangeschritten; denn auf Initiative des SSW wurde dort dem Plastik der Kampf angesagt. Aber man ist sich vor Ort auch bewusst, dass das die einzige und auch
begrenzte Handhabe im Kampf gegen die Plastikschwemme ist. Daher ist die klare Forderung aus Nordfriesland, dass Politik, also der Gesetzgeber, endlich klare Regeln zur Reduzierung von Plastikund Verpackungsmüll, im Privaten wie auch in der öffentlichen Verwaltung, schaffen muss. Wir können und müssen insoweit auf allen politischen Ebenen mit gutem Beispiel vorangehen.
Über die Reduzierung von Plastik- und Verpackungsmüll hinaus haben sich Städte und Kreise in Schleswig-Holstein auf die Fahnen geschrieben, den Fairtrade-Gedanken stärker zu berücksichtigen. Damit sind sie auf einem ersten Weg zur Verwirklichung der auch von Heiner Rickers benannten UNNachhaltigkeitsziele. Abschließend müssen wir aber wohl feststellen: Gleichwohl ist es noch ein langer Weg, bis wir diese erreichen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Wenn wir heute über die Kraftwerke Moorburg und Wedel reden, dann reden wir über eine Dinosaurier-Technologie, eine Technologie also, die abgeschaltet gehört - und das besser heute als morgen.
Kaum ein Kohlekraftwerk war seit dessen Planung und Errichtung derart umstritten wie Moorburg. Trotz aller Widerstände - politisch wie gesellschaftlich - wurde das Kraftwerk errichtet, und es ging 2015 ans Netz. So alt ist der Dino also noch gar nicht, aber er macht Dreck wie ein Großer. Der jährliche CO2-Ausstoß wird auf rund 8 Millionen t beziffert. Zwar gehört das Kraftwerk zu den modernsten und effizienteren Kohlekraftwerken in Deutschland, aber besonderer Beliebtheit erfreute sich das Kraftwerk nie.