Protocol of the Session on April 27, 2022

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Heute möchte ich mich an dieser Stelle bei den Menschen, die an unseren PerspektivSchulen arbeiten und eine unglaublich engagierte Arbeit leisten, bedanken. Zum Ende der Legislatur gilt mein Dank aber auch allen Schulleitungen, Lehrkräften und an Schule Beschäftigten aller anderen Schulen. Sie sind eine tragende Säule unserer Gesellschaft und begleiten Kinder und Jugendliche in einer Zeit, die herausfordernd und von Krisen geprägt ist.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Klimawandel, Pandemie, jetzt Ukrainekrieg - junge Menschen erleben Gefühle der Unsicherheit und des Kontrollverlusts. Sie kennen die Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass durch die Pandemie mindestens ein Drittel der jungen Menschen unter psychischen Auffälligkeiten, Sorgen, Ängsten, depressiven Symptomen und psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen leidet. Der Krieg in Europa belastet Kinder und Jugendliche zusätzlich.

Deshalb bin ich dem Landtag sehr dankbar, dass er fraktionsübergreifend zusätzliche Mittel in Höhe von 10 Millionen € für ein Sofortprogramm zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen mit psychosozialen Problemen bereitstellt. Wir werden damit die Brücke zwischen Schule, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe weiter stärken und unsere Maßnahmen der Frühintervention, Prävention und Traumapädagogik intensivieren.

Meine Damen und Herren, die fraktionsübergreifende Unterstützung dieses Antrags ist keine Selbstverständlichkeit, gerade zum Ende einer Legislaturperiode. Ich weiß das sehr zu schätzen.

Das zeigt einmal mehr, was wir in unserer Bildungspolitik in den Mittelpunkt stellen müssen: keine ideologischen Debatten von gestern, sondern das individuelle Wohl von Kindern und Jugendlichen. Das ist uns in dieser Koalition gelungen, teilweise sogar fraktionsübergreifend in diesem Haus.

Gemeinsam haben wir für ein kleines Stück mehr Bildungsgerechtigkeit gesorgt. Dafür danke ich Ihnen allen sehr.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Ministerin hat die vorgesehene Redezeit um 3 Minuten erweitert. Diese Redezeit steht nun auch allen Fraktionen zur Verfügung.

Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Tobias von der Heide das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht weit vom Landtag entfernt ballt sich Armut in wenigen Stadtteilen; Mettenhof und Gaarden sind in besonderer Art und Weise davon betroffen. In diesen Stadtteilen lebt über die Hälfte der Kinder von Sozialtransferleistungen, 60 % der Kinder haben einen Migrationshintergrund, viele Kinder sprechen Deutsch nicht als Muttersprache, der sonderpädagogische Förderbedarf ist im Vergleich zu anderen Schulen deutlich erhöht. Nicht so extrem, aber ähnlich finden wir diese Themen in anderen Quartieren; in Schleswig-Holstein ist Kinderarmut ein großes Problem, das mitten unter uns besteht. Das können und dürfen wir nicht akzeptieren.

Kinderarmut kann man über viele Wege bekämpfen. Ein sehr wichtiges Ziel ist, dass wir Bildungschancen ermöglichen. Dafür haben wir das PerspektivSchul-Programm auf den Weg gebracht. Mit diesem Programm wollen wir an unseren Schulen Ungleiches nicht mehr gleich behandeln. Uns hilft dabei der neu geschaffene Sozialindex, der in dieser Form bundesweit einmalig ist und uns sagt, wo Hilfe am notwendigsten ist. Das PerspektivSchul-Programm ist ein echter Beitrag für bessere Bildung und bildungs- sowie sozialpolitisch ein großer Erfolg der Jamaika-Koalition. Wir sind das erste Flächenland, das sich auf diese Art und Weise um Schulen in belasteten Stadtteilen kümmert.

(Ministerin Karin Prien)

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was zeichnet dieses Programm aus? Im März 2022 habe ich die Schule am Heidenberger Teich in Mettenhof besucht. Diese Schule erhält aus dem Programm sage und schreibe 250.000 € pro Jahr; das ist eine wahnsinnig große Summe. Die Schulen können selber entscheiden, was sie mit diesen Mitteln machen. Die Schule am Heidenberger Teich hat I-Pad-Klassen eingerichtet - bevor es den DigitalPakt gab - und für die MINT-Förderung LEGOEducation-Boxen beschafft und damit neue Unterrichtsmethoden eingeführt, die vorher durch andere Maßnahmen des Schulträgers nicht finanzierbar waren. Daneben fließt Geld in zusätzliches Personal und vor allem auch in Elternarbeit - Themen, für die oft keine Mittel zur Verfügung stehen und die jetzt durch das PerspektivSchul-Programm bearbeitet werden können.

Es geht - die Ministerin hat es gesagt, auch ich halte das für wichtig - aber nicht nur um Geld. Was wir mit diesem Programm machen, ist auch Schulentwicklung. Wir unterstützen die Kolleginnen und Kollegen, wir unterstützen die Schulleitung, zusammen mit Experten, mit der Wübben Stiftung, sodass sich Schule weiterentwickelt. Dabei sammeln wir Erfahrungen, von denen nicht nur PerspektivSchulen profitieren, sondern alle Schulen im ganzen Land, weil wir die Erfahrungen auf viele andere Schulen übertragen können, die ebenfalls Unterstützung brauchen.

Wie schon bei der Maßnahme „Kein Kind ohne Mahlzeit“ für eine Mittagsverpflegung von Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen, die aus einer Bürgerinitiative in Kiel gestartet ist, dann vom Land übernommen wurde und heute vom Bund bezahlt wird, ist es auch beim PerspektivSchul-Programm: Die Ampelkoalition hat beschlossen, dass das PerspektivSchul-Programm für 4.000 Schulen bundesweit ähnlich aufgezogen wird. Damit wird eine gute Idee aus Schleswig-Holstein wie bei „Kein Kind ohne Mahlzeit“ - auf viele Schulen in Deutschland übertragen. Schleswig-Holstein ist damit Motor für Bildungschancen im ganzen Bundesgebiet. Darauf können wir in SchleswigHolstein stolz sein.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir wollen, dass das nach 2024 fortgesetzt wird. Wir werden das Programm evaluieren und gucken, wie sich der Bund weiter engagiert. Es ist der richtige Weg, dass das PerspektivSchul-Programm eine

dauerhafte Institution wird und gerade belastete Stadtteile - wie ich sagte: Ungleiches nicht gleich behandeln - eine Unterstützung bekommen.

Das PerspektivSchul-Programm hilft, auch die Folgen der Coronapandemie zu dämpfen. Selbstverständlich ist das auch ein Thema für alle Schulen im Land. Dazu kommen neue Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine. Ich freue mich sehr, dass wir heute mit einem Antrag zusätzliche Unterstützung auf den Weg bringen, und das - auch das zeichnet uns mittlerweile ein bisschen aus fraktionsübergreifend. Uns als Landtag ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche Unterstützung erhalten.

Distanzunterricht, das Tragen von Masken, fehlende soziale Kontakte und bei den ukrainischen Flüchtlingen die Flucht- und Kriegserfahrungen führen zwangsläufig zu psychosozialen Folgen. Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket in Höhe von 10 Millionen € wollen wir den schulpsychologischen Dienst in allen Kreisen stärken und allein für die Schulsozialarbeit zusätzlich 5 Millionen € bereitstellen.

Aber es ist schon heute klar, dass wir diese psychosozialen Folgen nicht allein in der Schule bewältigen können. Wir haben hervorragende Beratungsstellen, die sich auf spezifische Probleme und Krankheitsbilder spezialisiert haben. Dazu gehören die Behandlung von Depressionen, Essstörungen, Suchterkrankungen, die Angehörigenbegleitung und Traumabehandlung, um nur einige Beispiele zu nennen. Schulen können diese Probleme nicht allein mit einem schulpsychologischen Dienst oder Schulsozialarbeit bewältigen. Mir ist daher wichtig, dass wir diese Expertise in ein Unterstützungssystem einbinden und es Schulen in diesem Zusammenhang erleichtern, Probleme zu bewältigen. Auch das erfordert zusätzliche Mittel, die wir zur Verfügung stellen.

Und schließlich wollen wir Frühintervention und Prävention stärken. Je früher wir Probleme erkennen, desto besser können wir helfen und schlimmere Entwicklungen verhindern. Hier ist das Projekt PRO-JUNG durch das Zentrum für Integrative Psychiatrie am UKSH zu nennen, das uns auch im Bildungsausschuss vorgestellt wurde. Das große Ziel dieses Projekts ist es, die Resilienz für Krisen und belastende Situationen zu stärken. Das hilft uns in der Folge nicht nur, bestehende Probleme zu bewältigen, sondern insbesondere auch, in der Zukunft neue Herausforderungen zu meistern. Ich glaube, es ist ein ganz wesentlicher Punkt, in die

(Tobias von der Heide)

Zukunft zu denken, gerade bei dem Thema Resilienz.

Das PerspektivSchul-Programm und unsere Maßnahmen gegen psychosoziale Folgen von Krisen bei Kindern und Jugendlichen machen deutlich, dass wir auch die Schwächsten in unserer Gesellschaft im Blick haben. Kinder und Jugendliche brauchen unsere Unterstützung, und sie bekommen auch unsere Unterstützung. Das ist unser gemeinsames politisches Ziel hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Ich glaube, der Bericht und auch der Antrag, den wir gemeinsam auf den Weg bringen, machen das sehr deutlich. Ich finde, das sind beides sehr gute Maßnahmen.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

- Herzlichen Dank für die Unterstützung, Oliver Kumbartzky.

Zum dritten Antrag von SPD und SSW zu den Schulabschlüssen ist zu sagen, dass das alles richtig ist und wir dem Antrag natürlich zustimmen. Das ist das, was sich aus dem Schulgesetz ergibt. - Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Martin Habersaat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es klang bei meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon an: Eigentlich sollte der Antrag, den wir zusammen mit dem SSW heute vorlegen, längst überflüssig sein.

(Beifall SPD und SSW)

Schleswig-Holstein hat sich vor circa 15 Jahren, bezeichnenderweise unter einer Großen Koalition, auf den Weg gemacht, unser Schulsystem umzubauen, um den fatalen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft eines jungen Menschen und seinen Bildungs- und Lebenschancen aufzubrechen. Es gibt bei uns, abgesehen vom zweiten Bildungsweg, drei Pfade zum Abitur: an den Gymnasien, an den Gemeinschaftsschulen und an den Beruflichen Gymnasien. Wenn man es da geschafft hat, dann hat man „das Abitur“, und man hat nicht etwa das Abitur Gym oder das Abitur GemS oder das Abitur BG. Ebenso wenig gibt es beim ersten und beim

mittleren Schulabschluss Abschlüsse erster, zweiter oder dritter Klasse, abhängig davon, an welcher Schule man sie erworben hat.

Dass wir das hier betonen, ist auch unseren Erfahrungen der letzten Wochen geschuldet. Da plaudert der FDP-Fraktionsvorsitzende - der gerade geht beim Philologenverband so launig über angebliche Qualitätsmängel der Beruflichen Gymnasien, dass es die anwesende VLBS-Vorsitzende nicht mehr auf ihrem Sitz hält.

(Tobias von der Heide [CDU]: Das war ich!)

- Nein, das war Kollege Vogt. Das war Ihr Part.

Und da erläutert der CDU-Fraktionsvorsitzende dem staunenden Handwerk, dass die Gemeinschaftsschulen für den nötigen Nachwuchs sorgen werden, während die Gymnasien ja für die angehenden Akademikerinnen und Akademiker zuständig seien.

(Zuruf SPD: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, das ist ein Stand in einer bildungspolitischen Debatte, den wir seit mindestens 15 Jahren eigentlich hinter uns gelassen haben.

(Beifall SPD, SSW und Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Natürlich liegt auch für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten eine goldene Zukunft im Handwerk. Klimaschutz wird schließlich vom Handwerk gemacht.

(Beifall SPD und SSW)

Herr Abgeordneter Habersaat, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Anmerkung des Kollegen Vogt?

Mit Vergnügen.

Herr Kollege Habersaat, Sie haben es mit Ihren Ausführungen geschafft, mich wieder in den Saal zu rufen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Da Sie den Beitrag als launig beschrieben haben, kann es sein, dass er durchaus von mir kam. Da ich aber dabei war und der Kollege von der Heide selbst zugibt, dass er es war: Wenn Sie Kollegen schon etwas vorwerfen, dann sage ich: Nehmen Sie das nächste Mal den richtigen, das hilft vielleicht.

(Serpil Midyatli [SPD]: Nein, das war er!)

(Tobias von der Heide)