Von einer qualitativ hochwertigen, passgenauen und bezahlbaren Kinderbetreuung für alle Kinder und Familien sind wir aber noch meilenweit entfernt. Es bleibt noch jede Menge zu tun. Genau das hat sich diese Koalition vorgenommen.
Das Kindertagesstättengesetz ist seit seinem Inkrafttreten 1992 weitgehend unverändert ohne angemessene Berücksichtigung der seitdem weitreichend veränderten bundesgesetzlichen Regelungen geblieben. Wir haben eine Vielzahl von neuen regelungsbedürftigen Fragen. Im Zentrum des Handlungsbedarfs steht ein überkomplexes und auch für Expertinnen und Experten kaum noch durchschaubares Kita-Finanzierungssystem.
Der vorliegende Bericht stellt seine vielfältigen Schwachstellen sehr detailliert dar. Wir haben es zu tun mit einer Vielzahl von Geldgebern, Finanzierungssträngen und Förderprogrammen, bei denen kaum noch einer wirklich durchblickt mit der Folge eines unverhältnismäßig ressourcenfressenden Verwaltungsaufwands und fehlender Planungssicherheit, mit im Ländervergleich überdurchschnittlichen Elternbeiträgen, die zudem landesweit völlig uneinheitlich sind, was dann auch für die Sozialstaffeln gilt. Schließlich haben wir eine chronische Unterfinanzierung des Systems insbesondere wegen der stetig steigenden Betriebskosten.
Aus der, wie dargestellt, hochkomplizierten und in Teilen dysfunktionalen bestehenden Regelungsstruktur ergibt sich ein entsprechend vielschichtiger Reformbedarf. Ich möchte Ihnen fünf Beispiele nennen, an denen der Reformbedarf besonders deutlich wird:
Erstens: Kindertagespflege. Die derzeitige Finanzierungsstruktur führt zu einer strukturellen Benachteiligung von Eltern, deren Kinder in der Kindertagespflege betreut werden. Historisch gewachsen werden Kitas und Tagespflege in SchleswigHolstein gänzlich unterschiedlich finanziert. So ist es den Kreisen beispielsweise untersagt, die Landesmittel für die freiberufliche Tagespflege zu nutzen mit dem Effekt, dass Tagespflegeeltern nicht selten mehr kostet als ein Kita-Platz. Das ist widersinnig, und das ist auch ungerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Genau das wollen und werden wir im Paket ändern mit besseren Rahmenbedingungen als Kindertagespflege als gleichberechtigten, unverzichtbaren Bestandteil der Betreuungsinfrastruktur.
Zweitens: Elternwahlrecht. Nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs VIII haben Eltern das Recht - das Recht! -, im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten die für sie passende Kita auszuwählen ohne örtliche Beschränkung. In Schleswig-Holstein ist die Realität allerdings bisher weitgehend eine andere. Hier können Eltern ihr Kind grundsätzlich nur in ihrer Wohngemeinde betreuen lassen. Nach dem Kindertagesstättengesetz müssen sie besondere Gründe nachweisen, aus denen sie eine auswärtige Kita bevorzugen. Nur dann zahlt die Wohngemeinde einen Kostenausgleich.
Meine Damen und Herren, das ist regelmäßig ebenso schwierig wie streitbehaftet. Seit Jahren zählen Wahlrecht und Kostenausgleich zu den Hauptgründen, aus denen Eltern das Familienministerium oder die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten um Unterstützung bitten. Wir werden das Elternwahlrecht mit einer auch für die Gemeinden guten Lösung stärken.
Drittens: Betriebs-Kitas. Alle reden zu Recht von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Forderung, Unternehmen sollten dazu beitragen, ist allgegenwärtig. Mit betrieblich organisierter Kinderta
gesbetreuung können Unternehmen genau das tun und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für ihre Beschäftigten verbessern. Nur, meine sehr geehrten Damen und Herren, die geltenden Regelungen zur Finanzierung von Betriebs-Kitas im Kindertagesstättengesetz schaffen so hohe Hürden, dass man eher von einem Anreiz sprechen muss, keine Betriebs-Kitas zu betreiben. Genau das muss anders werden. Unternehmerisches Engagement für Kindertagesbetreuung bedarf größerer öffentlicher Unterstützung.
Viertens: Zuständigkeiten. Kreise und kreisfreie Städte garantieren einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz und sind für die Bedarfsplanung zuständig. Gleichzeitig planen die kreisangehörigen Gemeinden häufig ihre Strukturen vor Ort, ohne dass dies durch Bedarfsplanung tatsächlich gesteuert wird. Häufig wird nämlich nur nachvollzogen.
Weiterhin erheben Gemeinden sehr unterschiedliche Elternbeiträge mit der Folge, dass bei den Kreisen sehr unterschiedliche Sozialstaffelaufwendungen entstehen. Während die Kreise für Organisation und Finanzierung der Tagespflege zuständig sind, werden die Einrichtungen im Wesentlichen von den Gemeinden finanziert. Auch besteht ein Anreiz, die Tagespflege überhaupt nicht so attraktiv zu machen, wie sie sein sollte, damit entsprechende Finanzierungslasten erst gar nicht entstehen.
Fünftens - aus meiner Sicht eines der größten Probleme -: Elternbeiträge. Hier können in einigen Regionen schon einmal zwischen 700 € und 800 € für einen Ganztagsplatz im U-3-Bereich erhoben werden, während die Kosten in anderen Gegenden unter 200 € liegen. Das ist weder fair, noch ist das sinnvoll. Eltern müssen vergleichbare und tragbare Finanzierungslasten haben.
Auch im Hinblick auf die Qualität der Kindertagesbetreuung sind Reformbedarfe ersichtlich. Ich diskutiere mit der demokratischen Opposition, die die Forderung stellt, Elternbeiträge sofort auf null zu setzen, gern über diese Forderung oder über den Dreiklang, Eltern zu entlasten, Kommunen zu entlasten und in Qualität zu investieren. Ich glaube, dass dieser Dreiklang die richtige Antwort auf die Herausforderungen ist, vor denen wir stehen.
Ich will etwas zur Strukturqualität sagen. Es fehlen verbindliche Zeitanteile für Leitungsaufgaben, ebenso für Vor- und Nachbereitung, für Teamsitzungen, für Elterngespräche, also für den gesamten Bereich mittelbarer pädagogischer Arbeit. Der Fachkraft-Kind-Schlüssel muss mit den Herausforderungen und der Organisation von Kitas Schritt halten können.
Teil der Weiterentwicklung von Kindertagesbetreuung muss auch sein, regionale Qualitätsunterschiede zu reduzieren. Es geht um gleiche Bildungschancen überall in Schleswig-Holstein. Wir brauchen Strukturstandards für die Rahmenbedingungen in allen Kindertageseinrichtungen. Davon umfasst sein sollen etwa Aspekte wie Sprachförderung, Motorik, Integration, Inklusion, Gesundheit, Ernährung und Medienkompetenz, wobei - auch das will ich ausdrücklich sagen - eigene Schwerpunktsetzungen weiterhin möglich sein sollen und möglich sein müssen.
Diese Ausführungen zeigen, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Es ist aber auch deutlich geworden, dass wir sämtliche im Oppositionsantrag angesprochenen Themen längst aufgegriffen haben und nicht nur Punkt für Punkt abarbeiten, sondern dies auch deutlich besser tun, als in Wahrheit von der Opposition gefordert.
Die Koalitionsfraktionen haben dies dankenswerterweise bereits entsprechend herausgearbeitet. Ich will auf einen Punkt näher eingehen. Natürlich begrüßt Schleswig-Holstein, dass der Bund bereit ist, zusätzliche Mittel für die Kindertagesbetreuung bereitzustellen. Weniger begrüßen wir allerdings, dass der Bund die bisherigen Betreuungsmittel streicht und das Engagement des Bundes erst 2020 wieder die vollen Höhen erreicht.
Ich halte das für problematisch und werde die JFMK in der nächsten Woche dafür nutzen, die neue Bundesfamilienministerin - übrigens eine sehr charmante Frau - darauf anzusprechen, weil ihr die Kita-Qualität in Wahrheit auch ein wichtiges Anliegen ist.
Was haben wir im bisherigen Arbeitsprozess erreicht? - Wir haben eine tragfähige Beteiligung von Arbeitsstrukturen für den Reformprozess geschaffen, den es in dieser Form noch nie gegeben hat, die
Transparenz und vor allem die Einbindung aller Akteure gewährleistet. Erstmals beziehen wir sämtliche beteiligten Gruppen in den Veränderungsprozess ein. Wir haben das Finanzsystem und die gesetzlichen Qualitätsstandards analysiert und darauf basierend erste Überlegungen für die Gestaltung eines neuen Finanzsystems angestellt - ebenso wie die qualitativen Reformbedarfe im Kita-Gesetz.
Ende des vergangenen Jahres ist es uns gelungen, gemeinsam mit allen am Prozess Beteiligten gemeinsame Reformziele zu formulieren, nämlich Eltern und Kommunen finanziell spürbar, deutlich und verlässlich zu entlasten, Qualität in der Kindertagesbetreuung weiterzuentwickeln, Finanzstrukturen und Kompetenzen klarer zu regeln und zu vereinfachen. Wichtige ganz konkrete Schritte sind bereits getan. Das Land hat sein finanzielles Engagement im Kita-System deutlich gestärkt, um Kommunen zu entlasten, um damit für die beiden kommenden Jahre den Weg für stabile Elternbeiträge zu ebnen.
Von den 481 Millionen € zusätzlich in dieser Legislaturperiode im System werden 135 Millionen € als kommunale Entlastung wirksam. Für die Entlastung der Eltern stehen 136 Millionen € zur Verfügung. Für die Sicherung und Steigerung von Qualität stehen gut 210 Millionen € zur Verfügung.
An dieser Stelle will ich sagen: Liebe Monika Heinold, ich möchte mich bei Ihnen sehr herzlich für die Zusammenarbeit bei einem der wichtigsten Reformprojekte von Jamaika bedanken. Mit Ihnen haben wir immer jemanden an der Seite - auch wenn Sie immer auf alle gucken müssen -, dem Kita-Politik genauso ein Herzensanliegen ist wie den Sozialund Familienpolitikern. Danke schön dafür!
Meine Damen und Herren, wir steigern die Betriebskostenzuschüsse und sorgen für eine auskömmliche Finanzierung. Ich bin sehr froh, dass der Einstieg in die konkrete Projektarbeit im Januar begonnen hat und nun kontinuierlich geführt wird. Herr Potten, vier Sitzungen pro Projektgruppe haben bereits stattgefunden, ja, natürlich auch streitbar, aber geprägt - das ist das Wichtige daran - von Wertschätzung und Kooperationsbereitschaft. Auch hier gilt: Das Ziel verbindet.
Was sind die vor uns liegenden Schritte? In den kommenden Monaten wird es darum gehen, mit Trägerverbänden, Kommunen Einvernehmen über die zukünftige Struktur der Finanzbeziehungen zu erzielen und Qualitätsstandards zu definieren, und das Ganze unter Einbeziehung der Eltern. Das wird das Fundament der gesetzlichen Neuregelung werden. Dabei werden wir versuchen, alle Positionen mit aufzunehmen, aber auch von Landesseite natürlich einen Umsetzungsvorschlag unterbreiten. Da liegt viel Arbeit vor uns, aber diese Kita-Reform gehört nun einmal zu den Leitprojekten von Jamaika. Noch in dieser Legislaturperiode werden sich alle Bürgerinnen und Bürger von der gesamten Reform ein Bild machen können, und ich sage das in vollem Ernst auch vor dem Hintergrund der Debatte von heute Morgen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir ein gutes Ergebnis abliefern werden. Ich will die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Beteiligten aus den kommunalen Landesverbänden, aus der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände und der Landeselternvertretung für die engagierte und tatkräftige Arbeit an diesem gemeinsamen Projekt zu bedanken.
Wir haben uns viel vorgenommen, das wissen wir. Wir haben einen straffen Zeitplan, aber wir sind auf einem guten Weg, damit in Schleswig-Holstein Familie und Beruf besser miteinander vereinbart werden können. Meine Damen und Herren, aber vor allem: Wir sind auf einem guten Weg, unseren Jüngsten faire und gleiche Startchancen mit auf den Weg in ein hoffentlich glückliches Leben zu geben. Das ist das Allerwichtigste, und das ist mit das Schönste, zu dem Politikerinnen und Politiker mit ihrer Arbeit beitragen können.
Ich habe meine Redezeit um 5 Minuten und 49 Sekunden überzogen, aber dieses Thema ist das auch wert. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ja, der Minister hat die Redezeit um fast 6 Minuten überzogen und damit ausgedehnt. Diese Zeit steht jetzt auch allen Fraktionen zur Verfügung. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Garg, vielen herzlichen Dank.
Ja, es stimmt, heute ist ein denkwürdiger Tag für die Kita-Politik. Herr Minister, vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht und vielen Dank auch an Ihr Haus. Auf Ihren Bericht zur Neuordnung der Kita-Gesetzgebung haben wir alle gewartet. Ich empfehle wirklich allen Paaren, die einen Kinderwunsch haben, oder Menschen, die neu in die Komplexität der Kita-Finanzierung und in die Kita-Welt in Schleswig-Holstein einsteigen möchten, diese Lektüre. Aber für all diejenigen, die heute erste Eckpunkte zur Kita-Reform und zur Neuordnung der Kita-Finanzierung erwartet haben, ist der Bericht leider eine Enttäuschung.
Er ist eine Bestandsaufnahme der Kita-Landschaft in Schleswig-Holstein, und genau diese haben Sie eben auch wiedergegeben. Er beantwortet die Fragen, was, wo, wie und vor allem von wem geleistet wird. Für alle Beteiligten wie die kommunalen Landesverbände, die Träger, die Landeselternvertretung und auch die Kita-Sprecherinnen dürften die Ergebnisse nichts Neues sein.
Bevor Sie nun alle fragen, wie ich darauf komme: Sehr geehrter Herr Minister, auf Seite 5 sagen Sie dies selbst. Frau Präsidentin, ich zitiere: