Protocol of the Session on May 17, 2019

Login to download PDF

Mindeststandards reichen uns aber nicht aus. Unser Antrag ist deutlicher und geht weiter. Ich will Wirtschaftsminister Herrn Buchholz zitieren, der in den „Kieler Nachrichten“ gesagt hat, Rüstungsexportpolitik müsse völkerrechtlich sauber und diskriminierungsfrei sein;

(Christopher Vogt [FDP]: Richtig!)

eine restriktive Politik sei nur vertretbar, wenn sie europäisch abgestimmt erfolge. - Herr Buchholz ist heute leider nicht da; er wird vertreten. Was bedeutet denn „diskriminierungsfrei und nicht restriktiv“? Wenn das heißen sollte, dass wir an Waffenlieferungen keine moralischen Maßstäbe legen dürfen, dann sind wir da weit auseinander. Natürlich ist die Rüstungsexportpolitik in den letzten Jahren auch auf Druck der SPD zurückhaltender geworden, dennoch nimmt Deutschland im Waffenhandel nach wie vor eine zentrale Rolle ein. Wir machen eine Ausnahme, was Krisengebiete angeht: Aufgrund historischer Verantwortung liefern wir Waffen nach Israel, aber nur Defensivwaffen und keine Panzer. Das finde ich richtig.

Wir sollten keinerlei Waffen in Krisengebiete, Kriegsgebiete und Diktaturen liefern. Das ist eine klare Linie, das steht in unserem Antrag. Ich verstehe nicht, dass Sie sich in Ihrer Koalition nicht darauf verständigen können.

Das wäre das Signal, dass wir begriffen haben, dass Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Deutsche Waffen werden da eingesetzt. Was mit denen in

Diktaturen geschieht, sieht man doch. Da wird heute sozusagen der Saddam Hussein aufgerüstet gegen den Chomeini, und morgen richten sich die Waffen gegen die eigenen Verbündeten. Das haben wir doch immer wieder erlebt.

Deswegen kann die klare Linie nur lauten: Wir Deutschen sollten den Europäern nicht vorschreiben, was sie zu tun haben, sondern mit gutem Beispiel vorangehen. Deswegen steht im Wahlprogramm der Sozialdemokratie für die europäische Wahl: Wir lehnen Waffenexporte in Krisengebiete und Diktaturen ab.

(Beifall SPD)

Ich wünsche mir, dass das die Linie des gesamten Hauses wird. Was nützt es, wenn Sie mit Fleißarbeit die ganzen Textstellen aus dem Kodex aufschreiben, aber die Realität anders aussieht? Denn was gefordert wird, sind ja Waffenexporte nach SaudiArabien. Das schließen wir im Koalitionsvertrag aus, weil die unzweifelhaft am Jemen-Krieg beteiligt sind. Warum ist die Koalition nicht in der Lage, sich zu dieser Klarheit durchzuringen? Zumindest die demokratischen Fraktionen in diesem Haus könnten deutlich sagen: Wir wünschen uns das nicht, unser Ziel ist, die europäischen Partner davon zu überzeugen.

Mir ist bewusst, dass das immer auch Folgen für Beschäftigte hat. Folgen hat auch der Ausstieg aus der Atomenergie. Deswegen müssen wir Alternativen anbieten, andere Beschäftigungsformen. Ich finde nicht, dass der wirtschaftspolitische Gesichtspunkt überwiegen darf. Das hat vielmehr etwas mit Friedenspolitik zu tun, das hat etwas mit Werten der Europäischen Union zu tun, und es hat etwas mit Erfahrungen zu tun. Waffenlieferungen in solche Regionen richten nie etwas Gutes an, darunter leidet immer die Zivilbevölkerung. Kinder, unschuldige Opfer leiden in den Kriegen, die damit veranstaltet werden. Dabei sollten keine deutschen Waffen eingesetzt werden. Wir haben mehr als andere Nationen Grund, aus der Geschichte zu lernen.

Deswegen plädiere ich dafür, dass Sie unserem Antrag zustimmen und nicht die weichgespülte Version wählen, die Sie als Alternative vorgelegt haben. Ich plädiere dafür, dass Sie unseren Antrag unterstützen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Hartmut Hamerich.

(Dr. Ralf Stegner)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher auf der Tribüne! Wir streben außenpolitisch eine Situation an, in der kriegerische Auseinandersetzungen zurückgedrängt und durch politische Lösungen auf dem Verhandlungswege ersetzt werden sollten. Leider sind wir von einer Welt, in der allein Verhandlungen Konflikte lösen, noch weit entfernt. Unter diesen Umständen kann der Einsatz militärischer Mittel erforderlich sein, um Sicherheit zu schaffen, Menschenrechte zu schützen und den Terrorismus zu bekämpfen.

Deutschland arbeitet eng mit den Verbündeten in der NATO und der EU zusammen. Das bedeutet, dass man gegenseitig Verteidigungstechnologien, also auch verschiedene Waffen, nutzbar macht. Das bedeutet, dass Rüstungsexporte in verbündete Länder selbstverständlich sind, ebenso wie Rüstungsimporte aus diesen Ländern.

Über den Bereich der NATO und der EU hinaus gibt es zahlreiche Kooperationen, die für die Sicherheits- und Außenpolitik Deutschlands von Bedeutung sind, zum Beispiel die Peschmerga, die durch Waffenlieferungen im Kampf gegen die Terrororganisation IS in Syrien und im Irak unterstützt worden sind. Ebenso ist es sinnvoll, Sicherheitskräfte, die in Afghanistan oder Mali von der Bundeswehr im Kampf gegen den Terror ausgebildet werden, mit deutschen Waffen auszurüsten. Für diese Drittstaaten gelten aber besonders strenge Waffenexportregeln, die im Jahr 2015 für den Bereich der Kleinwaffen weiter verschärft wurden. Diese Grundsätze beinhalten weitergehende grundsätzliche Exportverbote und Dokumentationspflichten über den Verbleib der Waffen bei Ausnahmen vom Exportverbot. Es gibt ein Pilotprojekt für Endverbleibskontrollen vor Ort auch bei Kleinwaffen. Wir sind in der EU bei diesen Kontrollen Vorreiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik betreibt seit ihrer Gründung eine sehr verantwortungsvolle Rüstungspolitik. Das deutsche Exportkontrollsystem ist international als eines der strengsten bekannt. Die Ausfuhr aller Rüstungsgüter ist genehmigungspflichtig und unterliegt strengen gesetzlichen Kriterien, unter anderem nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz aus dem Jahr 2000, den von der damaligen rot-grünen Bundesregierung beschlossenen „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ sowie dem im Dezember 2008 vom Rat der Europäischen Union verabschiedeten „Gemeinsamen Standpunkt … des Rates... betreffend gemeinsame Regeln für die Kon

trolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um die Kontrolle noch transparenter zu gestalten, gibt es einen jährlichen Rüstungsexportkontrollbericht und einen halbjährlich vorgelegten Zwischenbericht der Bundesregierung. Die Berichte sorgen für die notwendige Offenlegung der Rüstungsexporte und werden dem Bundestag seit Beginn dieser Legislaturperiode noch schneller vorgelegt.

Rüstungsexporte sind ein legitimes und unverzichtbares Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik, etwa um Völkermord zu verhindern oder um Voraussetzungen zu schaffen, damit zum Beispiel im Irak, in Syrien und Mali humanitäre Hilfe geleistet werden kann. Rüstungsexporte können sehr unterschiedliche Güter erfassen. Es sind nicht unbedingt immer nur Waffen, sondern auch Minensuchgeräte, Feldkrankenhäuser und Zelte der Bundeswehr gehören dazu.

Nun gibt es zwei verschiedene Anträge zum Thema Rüstungsexporte: den Antrag der SPD und den Alternativantrag der regierungstragenden Jamaika-Koalition. Die SPD sagt: „Klare Regeln für Rüstungsexporte“. Wir gehen darüber hinaus.

(Zuruf: So ist es!)

Wir sagen klipp und klar: „Für eine transparente europäische Rüstungspolitik“. Das ist der Leitsatz unseres Antrags. Der wichtige Punkt ist, dass Militärgüter nur für legitime nationale Sicherheits- und Verteidigungsverwendung genutzt werden. Der Endverbleib der Exportgüter muss im Empfängerland sichergestellt sein. Darauf heben wir ab.

Die Debatte über die Rüstungspolitik muss weiter geführt werden. Friedenssicherung, Deeskalation und gewaltfreie Konfliktlösung sind neben einer Rüstungspolitik voranzutreiben. Ich beantrage Abstimmung in der Sache. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Vielen Dank. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rüstungsexporte - wir wissen es sind ein hochpolitisches Thema, und nicht nur das:

Sie sind auch ein hochsensibles Thema. Rüstungsgüter sind keinen normalen Waren für den freien Weltmarkt. Für den Export, den Handel mit Waffen und spezialisierten Technologien der Wehrtechnik sind strengste Regeln der Moral und Ethik anzulegen und Handlungsvoraussetzung. Dieses Handelsgut kann nicht mit einem normalen Wirtschaftsgut einer Branche verglichen werden. Die Parameter Gewinnmaximierung und Profitstreben, die grundsätzlich Einfluss auf Handelsbeziehungen und Wirtschaftsprozesse haben, dürfen in diesem Bereich nicht bestimmende Argumente sein.

Wir sind der viertgrößte Rüstungsexporteur weltweit. Es darf also nicht sein, dass sich die Rüstungsindustrie auf maximale Stückzahlen und den Export in Krisengebiete ausrichtet, um die Senkung der Stückkosten zu erreichen. Dieser Weg gefährdet unsere eigenen Sicherheitsinteressen. Die Einhaltung des Gemeinsamen Standpunktes aller Partnerländer der EU von 2008, wonach keine Rüstungsexporte in Länder zulässig sind, in denen bewaffnete Konflikte das humanitäre Völkerrecht verletzen, ist aus unserer Sicht selbstverständlich.

Nebenbei bemerkt: Die Tatsache, dass ein Gemeinsamer Standpunkt definiert ist, ist nicht per se eine Exportverpflichtung, sondern eine Aussage, wie im Falle einer Exportentscheidung zu verfahren ist. Diese verbindliche Regel darf nicht infrage gestellt werden. Das ist nicht im Sinne eines gemeinsamen europäischen Sicherheitsinteresses.

Der Kollege Hamerich hat bereits darauf hingewiesen, was alles läuft. Die Bundesregierung kann sehr wohl durch restriktivere Rüstungspolitik auf Länder Einfluss nehmen, die Waffen oder Waffenteile aus EU- oder NATO-Staaten importieren. Ein Land wie Saudi-Arabien, in dem Regimegegner auf grausame Weise getötet werden, das einen blutigen Krieg im Jemen unterstützt, darf keine Rüstungsgüter aus der EU erhalten.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Der „Gemeinsame Standpunkt … für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie“ sieht vor, dass diese in den Empfängerländern nur „für die legitime nationale Sicherheit und Verteidigung“ dienen darf. Das ist ein hehres Ziel; aber auch da fordern wir Kontrolle. Wir wollen gesetzliche Regeln mit klaren Kriterien, einer Begründungspflicht und einer gerichtlichen Überprüfbarkeit. Allen Beteiligten muss deutlich werden, woran sie sind. Entscheidungen ändern sich grundlegend, wenn sich die politische Lage ändert; sie müssen sich ändern und än

dern können. Es darf nicht alles zurechtgeredet werden.

Es ist ein klares Verfahren erforderlich, um bereits genehmigte Exporte zu widerrufen. Die Klarheit ist auch für Unternehmen wichtig, die sich auf diese Erzeugung einlassen. Die Grünen fordern letztlich eine Europäische Behörde für Rüstungsexportkontrolle, die der EU-Außenbeauftragten zugeordnet ist, damit man sich nicht bei jedem Verfahren wieder neu zusammensetzen muss, sondern eine Kontinuität besteht. So können die derzeitigen und zukünftigen Anforderungen aus dem Gemeinsamen Standpunkt der EU-Mitgliedsländer durchgesetzt werden.

Eine kritische Abwägung im Vorfeld muss erfolgen, ob Rüstungsgüter und Kriegsmaschinerie nicht doch weiterverkauft werden können; darauf ist von meinem Vorredner bereits hingewiesen worden. Auch der Export von technologischem Wissen, Lizenzen und Produktionsstätten ist unter diese Regeln zu fassen.

Es ist ein Skandal, wenn ein führender Rüstungsmanager der deutschen Rüstungsindustrie mit seinem Wissen zu Rüstungskonzernen von Diktaturen wechseln kann, die in Kriege verwickelt sind. Dass das möglich ist! Es darf nicht sein, dass eine deutsche Niederlassung ohne Sanktionierung aus dem Ausland in Länder liefert, die direkt von Deutschland aus nie hätten beliefert werden dürfen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Der Endverbleib solcher Güter im Empfängerland muss komplett sichergestellt sein und darf nicht als Handelsstufe missbraucht werden. Wir müssen der neuen Rüstungsspirale, die sich weltweit auftut, offensiv begegnen.

Es ist klar: Viele von uns kommen aus der Friedensbewegung - auch jenseits der Grünen. Rüstungsabbau, Friedenssicherung, Deeskalation und gewaltfreie Konfliktlösung müssen zwingend und dringlich vorangebracht werden. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Hartmut Hamerich [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Christopher Vogt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nun wahrlich keine neue Entwick

(Bernd Voß)

lung, dass wir uns im Landtag auch mit Themen beschäftigen, für die wir originär nicht zuständig sind. Es mag zunächst etwas kurios anmuten, dass wir uns auf Antrag der SPD kritisch mit der Rüstungsexportpolitik der schwarz-roten Bundesregierung auseinandersetzen. Aber es gibt in Schleswig-Holstein in dem Bereich viele Arbeitsplätze. Das Land ist ein wichtiger Produktionsstandort für Wehrtechnik mit nicht wenigen Beschäftigten. Es ist deshalb aus meiner Sicht auch sinnvoll, dass man so eine globale Debatte hier führt, wo wir vor unserer Haustür die Auswirkungen davon sehen. Das betrifft viele Beschäftigte der Unternehmen für Wehrtechnik, weil es ein sensibles und komplexes Thema ist.

Die Charta der Vereinten Nationen zeigt relativ klar die Grundsätze des internationalen Miteinanders auf. Aber die Weltlage ist in den letzten Jahren noch einmal deutlich komplexer geworden. Die Nachkriegsordnung, die einige Jahrzehnte Bestand hatte und die Welt im Wesentlichen in zwei Blöcke aufgeteilt hatte, ist nicht mehr wirklich vorhanden. Im Sicherheitsrat blockieren sich die Vetomächte in der Regel gegenseitig, und somit sind sie auch nicht gewillt und in der Lage, Konflikte zu beenden. Kriege werden auch immer weniger durch reguläre staatliche Truppen geführt, was die Konfliktlösung international nicht einfacher macht.

Ich halte es grundsätzlich für richtig und notwendig, wenn die Bundesregierung die Ausfuhr von in Deutschland hergestellten Rüstungsgütern an mit uns befreundete und verbündete Staaten genehmigt, allerdings muss man auch da genau hinschauen. Das beinhaltet zunächst einmal unsere NATO-Partner, die EU-Staaten, andere europäische Staaten wie zum Beispiel die Schweiz, selbstverständlich Israel, aber auch einige weitere Staaten wie zum Beispiel Südkorea. Es gibt noch weitere Drittstaaten - der Kollege Hamerich hat darauf hingewiesen -, die aus nachvollziehbaren Gründen in überschaubarem Maße beliefert werden.

Das Beispiel der Türkei macht aber schon deutlich, dass es auch innerhalb unserer jahrzehntelangen Verbündeten Fragezeichen und im Zweifel auch klare Stoppschilder geben muss. Denn selbstverständlich sind Rüstungsexporte zu untersagen, wenn in den Empfängerländern gegen Menschenrechte oder humanitäres Völkerrecht verstoßen wird oder wenn nachweisbar das Risiko des Missbrauchs von Rüstungsgütern besteht und ein anderes Ziel als das der legitimen Selbstverteidigung verfolgt wird. Darin sind wir uns sicherlich alle einig. Aber wir sehen gerade am Beispiel der Türkei und den Ent

wicklungen in den letzten Jahren, wie schwierig es ist, einfach nur zu sagen: Naja, die sind im NATOBündnis drin, wenn auch aus historischen Gründen. Man würde sie wahrscheinlich heute bei der jetzigen Lage nicht mehr aufnehmen. Das wird da schon zu einem Problem.