Protocol of the Session on May 17, 2019

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Totalitäre Staaten wie Saudi-Arabien, die die Menschenrechte mit Füßen treten und brutale Kriege führen, können meines Erachtens grundsätzlich kein Partner für Deutschland beim Export von Rüstungsgütern sein.

(Beifall FDP und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Daher ist es in der Sache auch überhaupt nicht zu kritisieren, dass sich die Bundesregierung kürzlich gegen den Export rein deutscher Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien ausgesprochen hat. Es zeigt aber deutlich, dass es der Bundesregierung an einem klaren und objektiven Rahmen für Rüstungsexportgenehmigungen fehlt.

Der Antrag der SPD geht aus meiner Sicht deshalb in weiten Teilen in die richtige Richtung. Einzig in der Begründung wird nicht ganz korrekt argumentiert. Sie stellen die Lage so dar, als wäre Deutschland das Zentrum zügellosen Waffenhandels. Das ist allerdings nicht der Fall. Der Gesamtbetrag an Rüstungsexporteinnahmen ist zwar hoch, allerdings darf man nicht übersehen, dass U-Boote und Fregatten enorm hohe Einzelpreise haben. Wir exportieren aktuell zum Beispiel U-Boote nach Norwegen - auch wenn die manchmal Ausparkschwächen haben. Kleinwaffen wurden dagegen fast ausschließlich an unsere Bündnispartner verkauft. 2018 war der Anteil mit knapp 17.000 € sehr klein, der auf Drittländer entfiel. Man darf also nicht nur die reinen Summen sehen, sondern muss schauen, an wen geliefert wird und an wen nicht geliefert werden sollte. Die reinen Summen sind wenig aussagekräftig, man muss an der Stelle differenzieren.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Stegner, ich weiß nicht, ob Sie die Anträge so genau studiert haben, aber ich finde unseren Antrag bei den Kriterien deutlich klarer als den recht allgemein gehaltenen SPD-Antrag.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ziel muss aus meiner Sicht am Ende eine europaweit verbindliche Rüstungsexportverordnung mit klaren Regeln sein. Es darf nicht der Anschein entstehen, als würden diese willkürlich ausgelegt.

(Christopher Vogt)

Wenn man ein starkes Europa und eine verlässliche Außen- und Sicherheitspolitik möchte - wie es zum Glück mehrere Parteien im Europawahlkamp befürworten -, muss man das auch in Bezug auf Rüstungsexporte entsprechend unterstützen und darf sich nicht wegducken. Man muss dabei beachten: Nicht alle Produktionsstandorte mit deutscher Beteiligung sind tatsächlich in Deutschland angesiedelt. Airbus ist ein Beispiel dafür. Man muss sich deshalb um das Thema Rechtssicherheit kümmern; auch dafür ist Airbus ein Beispiel. Das Unternehmen droht gerade der Bundesregierung mit einer Klage, weil nicht klar war, was man darf und was man nicht darf.

Abschließend sage ich: Von inländischen Aufträgen allein wird unsere Wehrtechnikbranche in den meisten Bereichen nicht überleben können. Wir werden wahrscheinlich aktuell mehr in den Wehretat hineingeben müssen. Ich bin nicht davon überzeugt, dass das unbedingt 2 % sein müssen, wie es die Amerikaner von uns fordern und teilweise - auch von Sozialdemokraten in der Vergangenheit - zugesagt worden ist. Wir brauchen aber klare Kriterien, damit wir Sicherheit für die Beschäftigten in der Branche haben, denn wir brauchen die Wehrtechnik in Deutschland, um Sicherheit und Frieden zu wahren und der Gewalt in der Welt entgegenzutreten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Weltweit nimmt der Waffenhandel weiter zu. Die Gesamtsumme der internationalen Großwaffenverkäufe lag im Zeitraum 2014 bis 2018 um 7,8 % über dem Vergleichszeitraum 2009 bis 2013. Das geht aus einer Studie des Friedensforschungsinstituts in Stockholm hervor.

Die USA behaupten sich mit großem Abstand an der Spitze. Deutschland liegt immerhin auf Rang 4. Weltweit größter Waffenbezieher ist Saudi-Arabien, das sich gerade massiv militärisch im Jemen engagiert, aber auch Homosexuelle zum Tode verurteilt oder Menschen kreuzigt, wie der aktuellen Berichterstattung zu entnehmen ist. Die fünf größten Waffenexporteure bleiben die USA, Russland, Frankreich, Deutschland und China. Diese Top 5 stehen

allein für drei viertel des weltweiten Waffenhandels. Deutschland tauschte den Platz mit Frankreich, das nun auf Platz 3 liegt. Die meisten Waffensysteme gehen dabei - wie schon gesagt - nach Saudi-Arabien, aber auch nach Indien, Ägypten, Australien und Algerien.

Die AfD hat hier - wie bei vielen anderen Themen auch - eine glasklare politische Linie und spricht sich dafür aus, Waffenexporte in Krisenregionen und insbesondere an Willkürregime umgehend zu beenden.

(Beifall AfD)

Dazu zählt auch das Königreich Saudi-Arabien.

Die AfD-Fraktion stimmt daher dem ersten Absatz des Antrags der SPD vollumfänglich zu. Wir sind da ganz auf Ihrer Seite, Herr Dr. Stegner, auch wenn Ihnen das nicht gefällt. Wir benötigen in der Tat eine verlässliche, wertegeleitete und restriktive Rüstungsexportpolitik.

Mit dem zweiten Absatz - das muss ich leider auch sagen - des Antrags der SPD gehen wir jedoch nicht konform. Wenn Sie von einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik sprechen, ist das der Weg zur Schaffung einer gemeinsamen EU-Armee. Dies lehnen wir strikt ab. Stattdessen setzen wir uns dafür ein, dass der europäische Teil der NATO gestärkt wird.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Wir halten aber am deutschen Parlamentsvorbehalt für den Einsatz unserer Soldaten fest. Wir wollen nicht, dass zukünftig auch noch Brüssel über den Einsatz unserer Soldaten irgendwo in der Welt bestimmen kann.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Deshalb lehnen wir den SPD-Antrag ab, obwohl die Kernaussage - das sage ich ausdrücklich noch einmal - zu den Rüstungsexporten von uns geteilt wird. Die ist durchaus richtig.

Den Jamaika-Antrag halten wir für ausgewogen und zustimmungswürdig. Dem werden wir zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

(Christopher Vogt)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich zielt der SPD-Antrag natürlich in die richtige Richtung. Allerdings stellt sich schon die Frage, was der Anlass für den Antrag sein könnte. Da die Landesregierung aufgefordert werden soll, sich auf Bundesebene für eine verlässliche, wertegeleitete und restriktive Rüstungsexportpolitik einzusetzen,

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

gehe ich davon aus, dass die SPD hier im Landtag der Auffassung ist, dass dies derzeit nicht in vollem Umfang gegeben ist.

(Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das heißt, dass die Bundestagsmehrheit aus CDU und SPD zumindest in Teilen diesen Vorstellungen noch nicht folgt, es deshalb also eines korrigierenden Eingriffs der Landesregierung bedarf. Das nehme ich einmal so hin. Ich glaube aber nicht, dass das so ist.

Im Antrag ist dann noch der Gemeinsame Standpunkt der EU zur Ausführung von Rüstungsgütern genannt, der natürlich eingehalten werden soll. Da dies Grundlage der Politik der letzten Bundesregierung war, sehe ich diesen Punkt eigentlich als erfüllt an. Trotzdem kann man so etwas noch einmal bestätigen, schaden tut es auf jeden Fall nicht.

Die eigentliche Neuerung und politische Forderung findet sich aber im letzten Satz des ersten Absatzes, dieser heißt:

„Rüstungsexporte in Krisengebiete und Diktaturen sind auszuschließen.“

Im Grundsatz sind wir damit natürlich einverstanden. Das wird uns wohl allen so gehen. Dass aus strategischen Erwägungen heraus Länder wie Saudi-Arabien von uns mit Rüstungstechnik ausgestattet wurden, ist nur schwer erträglich - um es einmal freundlich zu formulieren.

Während wir beim Ausschluss von Diktaturen vielleicht noch weitgehend einig sein können, wird es bei den Krisengebieten schon etwas schwieriger. Der Nahe Osten ist definitiv in Gänze ein Krisengebiet. In dieses Gebiet liefern auch wir Waffen, nämlich nach Israel. Das wäre nach dem Text des Antrags in Zukunft nicht möglich. Wollen wir das wirklich?

Israel ist die einzige funktionierende Demokratie in der Region, für die wir immer noch eine gewisse

Verantwortung empfinden sollten. Aus SchleswigHolstein wurden vor einiger Zeit U-Boote nach Israel geliefert. Ich glaube, das ist zu Recht geschehen.

(Beifall CDU und FDP)

Wie sieht es mit den kurdischen Kämpfern aus, die wir mit Waffen zum Kampf gegen den IS ausgestattet haben und die sich nun mit diesen Waffen gegen die türkische Aggression wehren? Diese Kämpfer befinden sich in Syrien und im Irak eindeutig in einem Krisengebiet. Wollen wir sie wirklich nicht mehr unterstützen?

Wie sieht es eigentlich mit den USA aus? Die USA selber befinden sich natürlich nicht in einem Krisengebiet, aber ihre Soldaten schicken die USA ständig in irgendwelche Krisengebiete. Damit kommen natürlich auch die Waffen in Krisengebiete, ohne dass wir wissen, wofür sie verwendet werden.

(Zuruf FDP)

Muss man da nicht eigentlich auch Waffenlieferungen an die USA verbieten?

(Zuruf FDP)

Dann ist da noch die Türkei. Unser NATO-Bündnispartner bekämpft mit deutschen Waffen seine eigenen kurdischen Bürger. Formal war die Türkei vor einigen Jahren auf dem Weg zu einer echten Demokratie, und man dachte schon über eine EUMitgliedschaft nach. Nun entwickelt sich die Türkei immer mehr hin zu einer Diktatur, mit der wir verbündet sind. Wie sollen wir uns da eigentlich verhalten?

Sie sehen schon, die Fragestellungen zu Rüstungsexporten sind wesentlich komplizierter, als man es in wenige Worte einer Resolution hier im Landtag fassen kann. Alles, was zwischen „alles kann raus“ und „Rüstungsexporte für niemanden“ liegt, muss man wahrscheinlich im Einzelfall abwägen. Da macht es insbesondere Sinn, unsere Wertvorstellungen von Demokratie und Menschenrechten zur Grundlage zu machen. Das wäre wohl der beste Kompass, wenn es um Rüstungsexporte geht.

Der Kollege Vogt hat recht: Wir haben hier Betriebe, wir haben auch eigene Interessen, wir haben Arbeitsplätze. Wir haben aber auch das Interesse, selber wehrhaft zu sein.