Vielen Dank, Herr Minister. - Der Herr Minister hat selbst schon mitgeteilt, dass er dafür gesorgt hat, dass die nun kommenden Fraktionsrednerinnen und
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Menschen mit Behinderung wollen genau so leben wie nicht behinderte Menschen auch. Allen Menschen müssen wir die Möglichkeit zugestehen und eröffnen, ein in jeder Hinsicht erfülltes Leben zu führen. - Das ist ein Grundbedürfnis, und ein Jeder hat Anrecht darauf - im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei ist es eine ganz wesentliche Aufgabe der politisch Verantwortlichen, aktiv an der Gleichbehandlung für Menschen mit Behinderung mitzuwirken und die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Das ist der CDU-Fraktion und mir als fachpolitischer Sprecherin für Menschen mit Behinderung gleichermaßen wichtig.
Das im Dezember 2016 auf Bundesebene verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung - das Bundesteilhabegesetz - stellt in vielen Bereichen einen Systemwechsel dar. Es ist eine Reform, die insgesamt einen sehr umfassenden Umstellungsprozess in den Ländern und Einrichtungen erfordert.
Bereits mit dem 1. Teilhabestärkungsgesetz wurden die maßgeblichen landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen geregelt. Es wurden die Träger der Eingliederungshilfe bestimmt, die gesetzlich vorgesehene Mitwirkung von Menschen mit Behinderung bei der Bearbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge geregelt, eine Arbeitsgemeinschaft zur Begleitung der Umsetzung des Rechts der Eingliederungshilfe geschaffen, die im Übrigen auch im 2. Teilhabestärkungsgesetz verankert wird, und ein anlassunabhängiges Prüfrecht für die Träger der Eingliederungshilfe sowie die landesrechtliche Zuordnung der Trägerschaft an die Kreise und kreisfreien Städte geschaffen. Unsere Kommunen leisten vor Ort eine kontinuierliche und verlässliche Arbeit. Daher ist es sinnvoll und richtig, die Eingliederungshilfe in kommunaler Zuständigkeit zu belassen.
Das Land ist sich insofern auch der enormen Verantwortung und der neuen Herausforderungen bewusst. Daher soll - der Minister erwähnte es - vor
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf des 2. Teilhabestärkungsgesetzes werden wir in Schleswig-Holstein nun den dritten und letzten notwendigen Reformschritt zügig umsetzen. Konkret bedeutet das ab 1. Januar 2020 Folgendes: Eingliederungshilfe und Fürsorgeleistungen werden zukünftig getrennt. Das Recht auf Eingliederungshilfe wird aus dem SGB XII herausgelöst und in das SGB IX integriert. Das SGB IX regelt das Recht auf Rehabilitation und Teilhabe. Die existenzsichernden Leistungen wie die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung verbleiben im SGB XII.
Die Eingliederungshilfe wird sich zukünftig ausschließlich auf die reinen Fachleistungen konzentrieren. Sie bestimmen sich zukünftig nicht mehr nach der Leistungsform - ambulant oder stationär. Warum? - Weil Ziel dieser gesamten Reform ist, die Effektivität und Zielgenauigkeit der Teilhabeleistungen zu verbessern
(Vereinzelter Beifall CDU, Beifall Dennys Bornhöft [FDP] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und die Unterstützung von Menschen mit Behinderung für ein Mehr an selbstbestimmter Lebensführung zu erhöhen. Es geht im Einzelnen um die Anpassung des behinderungsbedingten Bedarfs der leistungsberechtigten Person. Es geht um mehr Selbstbestimmung, Verbesserung von Einkommen und Vermögen, bessere Teilhabe, sprich: Teilhabe am Arbeitsleben, und somit auch um die Verbesserung für Menschen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten. Es geht um soziale Teilhabe, Mitbestimmung, mehr Transparenz bei der Verteilung der Mittel, Wahlfreiheit, Verbesserung für die Leistungsträger und um Vorbeugung. Das alles sind wesentliche Elemente, die die Rechte von Menschen mit Behinderung stärken werden, den Gleichbehandlungsgrundsatz forcieren und folglich einen ganz wichtigen Beitrag zur Inklusion leisten werden.
Die Menschen wünschen sich und haben berechtigt gefordert, dass sie mit ihren Bedürfnissen und Erfordernissen ernst genommen werden. Dies wird in Zukunft eine wesentlich bessere Berücksichtigung finden. Wir schaffen damit im Übrigen auch ein modernes Teilhaberecht auf der Grundlage der UNBehindertenrechtskonvention.
„Nicht ohne uns über uns“: Das war auch bei der Gestaltung des Bundesteilhabegesetzes der Grundsatz. Für uns war und ist es daher selbstverständlich, dass die Menschen mit Behinderung in den Gestaltungsprozess einbezogen und selbstverständlich weiterhin an der aktiven Umsetzung beteiligt sein werden.
Aber auch die Kommunen, Betroffenenvertreter und Wohlfahrtsverbände waren und sind weiterhin an dem Gestaltungsprozess beteiligt. Dafür herzlichen Dank - und auch Ihnen danke ich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem 1. Teilhabestärkungsgesetz, das am 26. April 2018 in Schleswig-Holstein in Kraft getreten ist, liegt uns nun das zweite Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes der Landesregierung zur Beratung vor. Es wurde schon erwähnt: Mit der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes wird ab 2020 die Trennung von Fachleistungen von der Eingliederungshilfe und den existenzsichernden Leistungen umgesetzt werden. Dieses Vorhaben führt bei vielen Menschen, die bisher auf Leistungen der Eingliederungshilfe angewiesen waren, und bei den Angehörigen von Menschen mit Behinderung zu Sorgen und Befürchtungen.
In diesem Prozess erweist es sich als richtig und gut, dass wir mit dem 1. Teilhabestärkungsgesetz die Beteiligungs- und Mitspracherechte der Menschen mit Behinderung gestärkt haben. Die Einrichtung des Landesbeirates zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung und seine Beteiligung an den Verhandlungen, zum Beispiel auch zum Landesrahmenvertrag, sind eine angemessene Form des zentralen Grundsatzes der UN-Behindertenrechtskonvention „Nicht ohne uns über uns“.
Für die Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein wurde mit dem 1. Teilhabestärkungsgesetz eine Arbeitsge
meinschaft eingerichtet. Darin sind auch Menschen mit Behinderung beteiligt. Nun wird aber im vorliegenden Gesetzentwurf diese Arbeitsgemeinschaft neu definiert und im Grunde genommen durch eine neue Arbeitsgemeinschaft abgelöst. Allerdings werden der neuen Arbeitsgemeinschaft im Gesetzestext keine konkreten Aufgaben mehr zugewiesen.
Das sieht für mich eher nach einem zahnlosen Tiger aus, wenn Beteiligung - man könnte sagen: - vorgegaukelt wird.
Andere Bundesländer sind da viel konkreter. So haben wir die Befürchtung, dass alles wieder dem Steuerungskreis der Eingliederungshilfe überlassen wird, wo Menschen mit Behinderung nicht beteiligt sind.
Zur Beteiligung muss ich noch anmerken, dass es ein Unding ist, dass Menschen mit Behinderung sich nur auf eigene Kosten an den Landesgremien beteiligen können. Nicht einmal Reisekosten oder Auslagen werden erstattet. Diese negative Konkretisierung findet sich jetzt im aktuellen Gesetzentwurf. Das ist für mich keine Stärkung der Beteiligung, da wir doch wissen, dass Menschen mit Behinderung nicht gerade die einkommensstärkste Gruppe in unserer Gesellschaft sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Schleswig-Holstein sind noch viele Fragen offen, zum Beispiel die Bedarfsermittlungsinstrumente. Hier kommt es darauf an, landesweit einheitliche Standards zu schaffen. Die sollten auch in einem Gesetz festgeschrieben werden, damit es bei der Umstellung der Leistungen nicht zu Qualitätseinbußen und zu Verschlechterungen für Menschen mit Behinderung kommt.
Bei der Umsetzung der Förderung von Arbeit für Menschen mit Behinderung sind die Regelungen noch gänzlich vage. Im Rahmen des Budgets für Arbeit ist nicht einmal festgelegt, welche Förderhöhen durch Landesbeteiligung erbracht werden sollen. Hier bedarf es größerer Klarheit und Verlässlichkeit für die Menschen mit Behinderung. Auch die Regelungen zum Thema „andere Leistungsanbieter“ sind nicht ausreichend präzise beziehungsweise führen nicht dazu, die Sorgen und Befürchtungen der Menschen mit Behinderung und ihrer
Angehörigen über den Fortbestand und die Sicherung ihrer bisherigen Arbeitsplätze und Wohnformen zu zerstreuen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Prozess zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Schleswig-Holstein eher schleppend und langsam vorankommt. Dies ist keine gute Voraussetzung für einen erfolgreichen Reformprozess. Darum bleiben die Eckpunkte zur Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein bestehen. Es bedarf nachvollziehbarer Standards, um die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung zu stärken. Es muss ein verlässlicher Rahmen geschaffen werden, damit die einheitlichen Lebensbedingungen und die einheitliche Leistungsgewährung in ganz Schleswig-Holstein für Menschen mit Behinderung umgesetzt werden.
Hierzu müssen die Menschen mit Behinderung selbst sowohl in die Verfahren als auch in die Bedarfsermittlung einbezogen werden. Es darf nicht vom Wohnort abhängen, ob Menschen mit Behinderung Zugang zu bestimmten Leistungen haben. Wir brauchen in Schleswig-Holstein ein flächendeckendes, qualitativ hochwertiges und ausfinanziertes Angebot, damit Menschen mit Behinderung ihr Wunsch- und Wahlrecht wahrnehmen können und in ihrer Teilhabe und Selbstbestimmung gestärkt werden. Deshalb werden wir im Sozialausschuss verstärkt in diese Richtung darüber diskutieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Menschen mit Behinderung haben die gleichen Rechte wie alle anderen auch - und das nicht erst seit der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern das ist aus sich selbst heraus eine Selbstverständlichkeit.
Wir haben eine ganze Reihe von Gesetzen, die diese Selbstverständlichkeit juristisch formulieren und sie individuell einklagbar machen. Das Grundgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Bundes- und Landesgleichstellungsgesetze
stellen klar: Menschen mit Behinderung müssen gleichbehandelt werden. - Das zeigt deutlich auf, dass diese Selbstverständlichkeit nicht immer Konsens gewesen ist - nicht in der Gesellschaft, nicht in der Politik und auch nicht im Recht.
Noch in den 1970er-Jahren war der Blick auf Menschen mit Behinderung geprägt von Sorge und Fürsorge. Selbst-Empowerment und die Aussage „Nicht ohne uns über uns“ lagen noch in weiter Ferne. Der Perspektivwechsel kam allmählich. Er ist unter anderem der Interessenvertretung „Selbstbestimmt Leben“ und ihren Aktivistinnen und Aktivisten zu verdanken. Natürlich war und ist die UNBehindertenrechtskonvention hierbei ein Meilenstein.
Wir müssen Menschen mit Behinderung unterstützen, so viel und so weit, wie sie es brauchen und wollen. Das ist ihr Recht und unsere Aufgabe. Heute streben wir eine inklusive Gesellschaft an, keine Exklusion und keine Integration.
„Eingliederung“ ist ein sperriger Begriff. Er spiegelt einen veralteten Ansatz in der Behindertenpolitik wider. Menschen, die außen vor sind, in die Gesellschaft hereinzuholen, eben einzugliedern - in Zeiten von Inklusion passt dieser Ansatz nicht.
In Schleswig-Holstein leben knapp 520.000 Menschen mit Behinderung. Das ist nahezu jeder Fünfte. Rund 340.000 Menschen in Schleswig-Holstein sind schwerbehindert. Sie alle haben gleiche Rechte, aber sie nützen ihnen nur dann etwas, wenn sie in der Praxis mit Leben gefüllt werden. Das ist nicht immer und nicht überall der Fall.