Ich muss ehrlich sagen, dass ich eine gewisse Skepsis hatte, als ich von der Idee gehört habe. Ich habe mich gefragt: Wird man es schaffen, auf Augenhöhe und in der richtigen Ansprache die Menschen zu erreichen, die wir wirklich erreichen wollen?
Nach dem Empfang kann ich sagen: Man hat es geschafft. Es war ein voller Erfolg für alle Beteiligten. Wie alle anderen möchte ich mich dem Dank sowohl an das Team der Verwaltung, das das organisiert hat, bis hin zum Landtagspräsidenten anschließen, mich aber auch bei den zahlreichen Initiativen und Organisationen, der Stadtmission, der Diakonie, dem Paritätischen und vielen anderen mehr bedanken.
Weder der Empfang noch der Beschluss des Sozialausschusses sind allerdings nach meiner Auffassung der Höhepunkt oder gar das Ende des politischen Prozesses, der vor uns liegt. Wir stehen am Anfang einer neuen und hoffentlich auch anderen politischen Kultur in der Wohnungslosenpolitik eine politische Kultur, in der es nicht um Bemitleiden oder Belächeln geht, sondern um Verstehen.
Es gibt noch viel zu verstehen und auch sehr viel einzugestehen, denn vieles wissen wir nicht. Wir wissen viel über die Lebensrealität wohnungsloser Menschen in Deutschland schlichtweg nicht. Wir wissen nicht, wie viele es genau in den jeweiligen Bundesländern sind. Kein Bundesland ist wesentlich weiter als Schleswig-Holstein. Berlin hat sich auf den Weg gemacht, aber auch dort gibt es mehr Fragezeichen als Punkte.
Es geht aber auch um eine klare Richtung im Beschluss des Sozialausschusses, um ein klares Bekenntnis zu Housing first und zu bezahlbarem Wohnraum. Es geht um das Verstehen, dass Obdachlosigkeit jeden treffen kann. Damit meine ich jeden von uns und jeden in unserem Umfeld. Obdachlosigkeit geht häufig schnell. Wir hatten alle in den Gesprächen die Situation, in der wir uns ge
Man fragt sich: Wie schnell fallen die Dominosteine um, wenn eine Person mit welcher Begründung auch immer hochverschuldet ist, die Stromrechnung plötzlich nicht mehr bezahlen kann, dann plötzlich die Miete nicht mehr bezahlen kann, das Konto womöglich gepfändet wird oder die Krankheit Ursache für all das war?
Wenn man aus der Wohnung geflogen ist, hat man es ohne Adresse, ohne Konto, ohne Job - und das in einem angespannten Wohnungsmarkt - massiv schwer, wieder in eine Wohnung zurückzufinden.
Dazu gehört auch, dass Obdachlosigkeit kein alleiniges Thema der Wohnungspolitik ist, sondern vor allen Dingen auch ein sozialpolitisches und über alle Politikfelder hinaus wirkendes Thema. Es geht eben um viel mehr.
Eingangs habe ich gesagt, dass Obdachlosigkeit kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem ist. Es geht aber immer um individuelle Lebenswege. Es geht - das ist auch in dem Beschluss des Sozialausschusses enthalten - um Maßnahmen, und mit diesen Maßnahmen nähern wir uns tatsächlich dem Problem, aber auch der Lösung an - aber auf beiden Ebenen. Es bleibt in meiner Auffassung aber weiterhin ein Anfang.
Als nicht fachpolitischer Sprecher, aber als ein dem Thema sehr zugeneigter Politiker möchte ich vorweg noch den Hinweis geben, dass ich bestimmte Begriffe, die ich in dieser Rede gesagt habe, im Parlament nicht unbedingt noch mal wiederverwenden werde. Ich habe das mitbekommen.
Zum anderen möchte ich noch auf ein Phänomen hinweisen, das in der Debatte um Wohnungslosenpolitik leider immer wieder unter dem Radar landet. Das ist, dass Wohnungslose Kinder haben und dass diese Kinder kaum Strukturen haben, auf die sie zugreifen können. Sie sind in der Schulpflicht. Sie sind in der Klasse neben allen anderen Kindern mit ganz anderen Voraussetzungen, mit ganz anderen Lasten in ihrem Scout-Rucksack und in der Regel ist es eben kein Scout-Rucksack. Für diese Probleme müssen wir, glaube ich, eine Struktur schaffen, die einen stärkeren Blick auf die Kinder von Wohnungslosen wirft. - Vielen Dank.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])
Vielen Dank, Herr Kollege. Ich werde beobachten, ob Sie Ihren Ankündigungen Taten folgen lassen und in Ihren Redebeiträgen bestimmte Wörter nicht mehr verwenden. - Jetzt hat aber zunächst der Kollege Dennys Bornhöft für die FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine der wichtigsten Aufgaben unseres Sozialstaats ist es, dafür Sorge zu tragen, allen Bürgerinnen und Bürgern eine Existenz- und Lebensgrundlage zu gewährleisten. Und diese Aufgabe wird nie vollständig zu erfüllen sein, da wir uns immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert sehen, die Existenzen in unserem Land erschweren.
Daher freuen wir uns besonders, dass bei einem so wichtigen Thema hier und heute alle demokratischen Fraktionen gemeinsam ein gutes Maßnahmenpaket auf den Weg bringen werden.
Wir leben in einem der reichsten und wohlhabendsten Länder der Welt. Dennoch gibt es leider weiterhin Menschen in unserer Gesellschaft, die obdachlos sind oder keine eigene Wohnung haben. Dabei darf man nicht vergessen, dass das Dach über dem Kopf ein Grundrecht ist.
Obdachlosigkeit kann sehr viele Ursachen haben, und jeder Verlauf macht betroffen und wirft die Frage auf, wie es in unserer Gesellschaft überhaupt so weit kommen konnte, ohne jetzt andere Begriffe dafür zu verwenden.
Da ist es enorm wichtig, in einer bundesweiten Erhebung die Ursachen und Probleme von Obdachlosigkeit besser zu analysieren. Auf dieser Grundlage müssen dann bei uns im Land auch ganz konkret maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden. Darauf haben wir uns im Sozialausschuss auch verständigt.
Eine der Ursachen - vielleicht die schwerwiegendste -, kein Obdach zu finden, ist uns aber schon bekannt. Das ist und bleibt leider der Wohnungsmangel in unseren Städten und in Ballungsräumen. Wir können hier lang und breit in verschiedenen Sitzungen und in Ausschüssen weiter darüber debattieren, wie wir den Wohnungsmangel bekämpfen. Das ha
ben wir in der gestrigen Plenarsitzung gemacht. Wir werden aber am Ende zum logischen Schluss kommen, dass wir schlicht und einfach mehr Wohnungen bauen müssen. Das Angebot an bezahlbarem Wohnraum muss dringend ausgeweitet werden.
Der erschreckende Trend wird sich sonst weiter fortsetzen. Immer mehr Personen oder auch Familien werden von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen sein, wenn wir da nicht gegensteuern.
Dafür müssen auch etwaige Baukostentreiber identifiziert und, so sie nur politischer oder verwaltungstechnischer Natur sind, kritisch hinterfragt werden. Es müssen bei den jeweiligen Akteuren häufig sind das auch die Kommunen - auch die jeweiligen politischen Mehrheiten gegeben sein, Flächen für günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Aus meiner kommunalpolitischen Erfahrung weiß ich leider, dass es wiederkehrend vermeintlich höhere politische Ziele gibt, als neuen Wohnraum zu schaffen.
Ziel der Empfänge, die wir hier hatten, war es, beim Austausch auch etwas für die eigene Arbeit mitzunehmen. Aus den Erfahrungen der Selbstbefassung im Sozialausschuss und in vielen Gesprächen mit den Verbänden nehme ich mit, energischer auf den einen oder anderen kommunalen Entscheidungsträger zuzugehen und für die Ausweisung entsprechender Flächen zu werben.
Aber auch wenn wir sofort mit dem Bau sozialen Wohnraums anfangen würden, würde es einige Zeit dauern, bis genügend Wohnraum vorhanden ist. Deshalb ist das Modell „Housing First“, welches in Skandinavien bereits Erfolge vorzuweisen hat, so enorm wichtig, um mehr bestehenden Wohnraum für Menschen in Not zur Verfügung zu stellen. Denn dieses Modell zeigt deutlich, dass ein wertschätzender Umgang mit Betroffenen und freiwillige Angebote immer mehr Erfolg haben werden als jene Projekte, die hohe Auflagen und Verpflichtungen haben und die Hilfsbedürftige letztendlich unter Druck setzen.
Noch einen konkreten Punkt aus dem Antrag: Gefühlt hat jeder schon einmal, denke ich, negative Erfahrungen mit der Schufa gemacht, zum Beispiel aufgrund von Fehlern bei der Zuordnung von Daten und hinterlegten Berechnungen beim Scoring. Ich selbst habe das einmal vor ein paar Jahren gehabt. Da hat die Sparkasse mir über Nacht ein Kinderkonto zugeschrieben, und ich hatte keinen Dispo
mehr. Mir sind sämtliche Lastschriften - seien es 7 € bei Lidl, sei es die Stromrechnung, alles - geplatzt. Ich bekam direkt negative Schufa-Einträge. Es hat eine Weile gedauert, das wieder tatsachenentsprechend zu klären.
Das zeigt aber auch, dass die Schufa-Abfrage nicht nur bei größeren Anschaffungen wie dem Kauf eines PKWs, eines Haues oder auch bei der Miete greift. Selbst bei Handytarifen in zweistelligen Euro-Bereichen pro Jahr kann es zu einem neuen Scoring kommen. Das ist häufig als Betroffener schwer nachzuvollziehen, gerade wenn es zu negativen Bewertungen kommt. Wir plädieren dafür, dass es hier deutlich mehr Transparenz gibt und dieses System sich selbst noch etwas mehr hinterfragt und offener für die Kunden und die Nutzer wird.
Schließen möchte ich hier mit einem ganz herzlichen Dank an den Landtagspräsidenten, an das Team um den Landtagspräsidenten, an den Sozialausschussvorsitzenden, Werner Kalinka, und die jeweiligen Mitarbeiter für die tatkräftige Unterstützung bei diesem Thema, für die beiden Empfänge, die wir hatten, für den Austausch, den wir machen konnten, und - ich denke, dafür spricht auch, wie die heutige Debatte verlaufen ist, und dieser gemeinsame Antrag - für die Wertschätzung, die wir insgesamt für dieses Thema haben konnten.
Ich möchte auch ausdrücklich allen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützern der Obdachlosenhilfe in Schleswig-Holstein danken. Ich freue mich auf die weitere gemeinsame Arbeit zu diesem Thema. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Das Thema „Wohnungsnot, Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit“ betrifft leider immer mehr Menschen in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein. Das ist besorgniserregend. Insbesondere die Entwicklung bei jungen Menschen, bei Familien und die Zunahme bei Frauen muss uns hier ein Auftrag sein, uns näher damit zu beschäftigen und schleunigst Gegenmaßnahmen zu entwickeln. So hat sich die Zahl der Hilfesuchenden in den Beratungsstellen in den vergangenen Jahren stetig erhöht.
Wir müssen uns fragen, welche Ursachen dahinterstecken. Wir hörten es bereits: In den meisten Fällen ist es ein sehr langer Leidensweg, der nicht selten mit sozialen oder familiären Einschnitten, mit physischen oder psychischen Erkrankungen einherging. Verlust des Arbeitsplatzes, eine Trennung, Verschuldung und oft auch eine ausgeprägte Suchtproblematik sind Aspekte einer häufig geschilderten Leidenshistorie.
Neben diesen individuellen Ursachen gibt es seit Jahren ein grundsätzliches und sich stetig verschärfendes Problem für diesen Bereich. Das ist die Entwicklung des Wohnungsmarktes. Verknappung bezahlbaren Wohnraums, steigende Immobilienpreise, Privatisierung, Deregulierung führen zu steigenden Mieten - mittlerweile nicht mehr nur in den Ballungsräumen. Bezahlbarer Wohnraum ist inzwischen auch für die sogenannte Mittelschicht zur Mangelware geworden, und das gilt für Städte und das flache Land gleichermaßen. Die politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre sind nicht einfach mal eben so innerhalb kurzer Zeit zu korrigieren. Das gilt insbesondere für den weitgehenden Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau. Nach den aktuellen Zahlen gibt es in Deutschland immer weniger Sozialwohnungen. In den meisten Bundesländern ist der geförderte Wohnraum rückläufig. Lediglich Baden-Württemberg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern bauen mehr Sozialwohnungen. In Schleswig-Holstein wird dieser Trend nun hoffentlich umgekehrt.
Derzeit fallen aber noch immer mehr alte Sozialwohnungen aus der Mietbindung heraus, als neue gebaut werden. Was uns noch fehlt, ist eine strategische Verknüpfung der Auswirkungen dieser Marktentwicklungen mit den Bereichen Soziales und Teilhabe, die sich vor allen Dingen in gemeinsamen Strategien auf kommunaler und Landesebene zur Armutsvermeidung wiederfinden müssen.
Wir müssen folglich die individuellen Ursachen mit den objektiven Ursachen, also dem Rückgang der Sozialwohnungen, zu einem Gesamtpaket verknüpfen, um den Betroffenen wirksam helfen zu können. Wir brauchen wirksame Instrumente, um Korrekturen vorzunehmen und ein gewisses Grundniveau an Wohnungssicherheit für alle wohnungssuchenden Menschen in Schleswig-Holstein bieten zu können. In erster Linie sind hier die Kommunen in der Pflicht, den Menschen, die ein Obdach benötigen, entsprechend zu helfen.
Es gibt aber noch mehr Möglichkeiten der Hilfeleistung und auch der Prävention. Die Landesprogramme zum sozialen Wohnungsbau und auch die
Unterstützung der Kommunen beim Bau von bezahlbarem Wohnraum können verbessert werden. Selbiges gilt auch für die generationsübergreifende Quartiersentwicklung. Auch die Jobcenter müssen sensibilisiert werden, um Sanktionen oder unbillige Härten zu vermeiden, die am Ende zum Verlust des Dachs über dem Kopf führen können.
Wenn Menschen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse geraten, wird auf Dauer eine finanzielle Eigenständigkeit nicht zu erreichen sein. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen, vor allem aber eine stabile Finanzierung von Projekten und Einrichtungen für sozial schwache Menschen.
Auch die Frage, ob der soziale Wohnungsbau das alleinige Allheilmittel ist, gehört mit aufs Tableau. Wir sollten uns hier breiter aufstellen. Die Fehlbelegung von Sozialwohnungen infolge veränderter Anspruchsvoraussetzungen beim Mieter liegt zuweilen bei einem Drittel des Wohnungsbestands. Wir sollten daher auch darüber nachdenken, ob die Subventionen, die in den sozialen Wohnungsbau gesteckt werden, vielleicht vermehrt als Wohngeld ausgegeben werden. Damit ließen sich der Empfängerkreis erweitern und die Höhe der Miete anheben, bis zu der ein Wohngeld gezahlt wird. Die Kontrolle ist hier auch wesentlich einfacher als bei Sozialwohnungen. Bei einer Fehlbelegungsabgabe für eine Sozialwohnung ist das ungleich schwieriger, als das beim Wohngeld der Fall ist.