Protokoll der Sitzung vom 15.11.2019

Ich sage Ihnen schon jetzt an dieser Stelle: Wenn ich von Flexibilisierung der Arbeitszeiten spreche, spreche ich nicht von Entgrenzung. Das ist ein Unterschied. Ich lege Wert darauf, dass zur Kenntnis genommen wird, dass diese Jamaika-Koalition es genauso sieht: Wir reden über Flexibilisierung, nicht über Entgrenzung von Arbeitszeit.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mir am Abgeordneten Knuth ein Beispiel genommen und extra nicht nur die junge Mutter, sondern auch den jungen Vater ins Homeoffice gesetzt. Da kann sie oder er natürlich berufliche Aufgaben erledigen. Das ist erst durch mobiles Arbeiten möglich und sehr viel vorteilhafter geworden.

(Werner Kalinka [CDU]: Das ist wahr! Das stimmt!)

Der junge Vater oder die junge Mutter kann beispielsweise in den Morgenstunden ganz regulär zum Dienst erscheinen und sein oder ihr Kind am Mittag oder am frühen Nachmittag vom Kindergarten, von der Kita oder auch von der Schule abholen

und danach zu Hause betreuen. Wenn das Kind versorgt ist, kann der jeweilige Elternteil anschließend im Zweifel die dienstliche Tätigkeit noch für einen begrenzten Zeitraum wieder aufnehmen. Solche Möglichkeiten sind nicht nur positiv für die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten - sowohl von Frauen als auch von Männern -, sondern stärken auch die Bindung zu den Kindern und fördern somit mittelbar das Kindeswohl und ein intaktes Familienleben, wenn man das intelligent regelt.

(Birte Pauls [SPD]: Das gibt es doch alles schon!)

Die Bestimmungen des deutschen Arbeitszeitgesetzes, Frau Pauls, erschweren nach wie vor zum Teil diese flexible Gestaltung der Arbeitszeit, insbesondere - da beißt die Maus keinen Faden ab - widerspricht die Regelung einer ununterbrochenen Ruhezeit von elf Stunden dem häufigen Wunsch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wie im eben skizzierten Beispiel deutlich geworden ist, der Familie wegen für ein paar Stunden die Arbeitszeit zu unterbrechen.

Beantwortet der junge Vater oder die junge Mutter in den Abendstunden noch kurz ein paar E-Mails das Beispiel kam bereits in einem Beitrag, und es ist ein Problem, das man regeln könnte -

(Wortmeldung Serpil Midyatli [SPD])

Herr Minister?

Nein, im Moment gestatte ich keine Zwischenfrage, sondern würde gern meine Ausführungen zu Ende bringen.

Wird also noch eine E-Mail beantwortet, weil man sich zuvor um das Kind gekümmert hat, wirkt das ruhezeitunterbrechend. Das Arbeitszeitgesetz ist in dieser Hinsicht noch nicht auf dem neuesten Stand.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Vielleicht, Frau Abgeordnete Midyatli, stellen Sie Ihre Zwischenfrage einfach einen Moment später. Ich wollte zunächst diesen Gedankengang zu Ende bringen. Danach können Sie gern eine Zwischenfrage stellen, Sie wissen, dass ich die grundsätzlich zulasse. Wenn Sie also noch einmal mögen?

(Minister Dr. Heiner Garg)

Ich entnehme der Einlassung des Herrn Ministers, dass die Zwischenfrage oder -bemerkung damit gestattet ist.

Selbstverständlich, Herr Präsident.

Vielen Dank, Herr Minister. Ich wollte Ihrem Beispiel nur die Erläuterung hinzufügen, dass dies bereits möglich ist. Jemand, der acht Stunden arbeitet, kann seinen Arbeitsalltag auf 13 Stunden erweitern, also erst arbeiten, dann eine Auszeit nehmen und dann weiterarbeiten. Es geht uns tatsächlich um die Ruhephasen. Mein Kollege Heiner Dunckel hat sehr genau ausgeführt, warum gerade diese Ruhephasen wichtig sind, um tatsächlich den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewährleisten. Ich wollte Ihrem Beispiel nur diese Bemerkung hinzufügen.

- Frau Midyatli, die Tatsache, dass ich als Minister des Sozialministeriums, das für die Arbeitszeitgestaltung zuständig ist, hier vorn stehe, zeigt, dass dieser Koalition der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein ungeheuer wichtiges Anliegen ist.

Ich möchte Ihnen einmal Folgendes sagen: Sie haben in Ihrer Rede deutlich gemacht, wo wir angesichts des Fachkräftebedarfs hinlaufen. Auch Redner der Koalition haben das erwähnt. Wenn Gesundheitsschutz und -förderung bei den Arbeitgebern nicht ganz oben stünde, würde das dazu führen, dass diese nicht mehr an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kämen. Jeder Arbeitgeber und jede Arbeitgeberin tut sich einen Gefallen, in die Gesundheit ihrer oder seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren. Das rentiert sich doppelt und dreifach.

(Serpil Midyatli [SPD]: Genau! - Vereinzel- ter Beifall CDU und Beifall Serpil Midyatli [SPD])

Die EU-Arbeitszeitrichtlinie ist da fortschrittlicher, denn sie sieht Ausnahmen für gelockerte Ruhezeitregelungen vor. Demnach sind Abweichungen gemäß der in Artikel 3 festgelegten Mindestruhezeiten bei Tätigkeiten, die über den Arbeitstag verteilt sind, zulässig. Das deutsche Arbeitszeitgesetz könnte auf eine solche Weise modernisiert werden.

Angesichts des Verlaufs der Debatte sage ich noch einmal, dass der Landesregierung zwei Punkte besonders wichtig sind. Erstens. Eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit ist überhaupt nur in bestimmten beruflichen Tätigkeiten und nicht in allen Branchen möglich. Voraussetzung ist beispielsweise, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Aufgaben in Heimarbeit oder auch von unterwegs erledigen können.

Zweitens. Die stärkere Flexibilisierung - das wiederhole ich immer wieder gern, damit hier am Ende der Debatte kein falscher Zungenschlag stehen bleibt - darf nicht zur Entgrenzung der Arbeitszeit führen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Punkt, den ich für besonders wichtig halte: Insbesondere ist zu vermeiden, dass eine ständige Erreichbarkeitserwartung entsteht. Arbeitnehmer müssen davor mit begleitenden Vorgaben geschützt werden, denn auch die Arbeitgeber müssen ein Interesse am dauerhaften Schutz der Gesundheit ihrer Beschäftigten haben. Deswegen streben wir gesetzliche Regelungen an, die es den Tarifpartnern ermöglichen, jeweils Regelungen zu vereinbaren, die den Interessen sowohl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch der Betriebe bestmöglich Rechnung tragen.

Der Abgeordnete Wolfgang Baasch hat die Frage der Tarifbindung angesprochen. Eine Tarifbindung könnte die Tarifvertragsparteien stärken, da genau sie die branchenbedingten und -spezifischen Besonderheiten am besten kennen. Der Bund wird deswegen gefordert sein, das Arbeitszeitgesetz weiterzuentwickeln und für arbeitnehmerfreundliche, aber auch familienfreundliche Verhältnisse in der deutschen Arbeitswelt zu sorgen. Das Land SchleswigHolstein wird sich natürlich vorbehalten, im weiteren Verfahren mit entsprechenden Vorschlägen auf die bayrische Initiative einzugehen. - Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten und 30 Sekunden überzogen. Diese Redezeit stünde nun theoretisch allen anderen Fraktionen zur Verfügung; ich sehe aber, dass hiervon kein Gebrauch gemacht wird.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich vergewissere mich noch einmal, dass Ausschussüberweisung

nicht beantragt worden ist? - Das ist so. Dann kommen wir zur Abstimmung in der Sache.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/1788, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Mitglieder der Fraktion der SPD und die Abgeordneten des SSW. Wer ist dagegen? - Das sind alle anderen Abgeordneten. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich lasse dann über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1825, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten der FDP -

(Christopher Vogt [FDP]: Fraktion der FDP!)

- Bitte? Es sind doch trotzdem Abgeordnete!

(Christopher Vogt [FDP]: Aber als Fraktion zusammengeschlossen!)

- Die Abgeordneten der Fraktion der FDP, wenn es dem Fraktionsvorsitzenden lieber ist.

(Beifall und Heiterkeit FDP)

Weiter sind es die Abgeordneten der Fraktion der CDU, die Abgeordneten der Fraktion der AfD und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Meine Damen und Herren, ich teile Ihnen mit -

(Unruhe - Zurufe)

Sie haben natürlich vollkommen recht. - Gibt es Gegenstimmen gegen den Antrag? - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und die Abgeordneten des SSW. Vielen Dank für den Hinweis.

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, damit Sie es in Ihrem Zeitbudget entsprechend einplanen können, dass ich beabsichtige, im Anschluss an die Plenarsitzung eine Sitzung des Ältestenrats in meinem Dienstzimmer einzuberufen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf:

Schleswig-Holstein steht hinter der Provinzial!

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1797

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort für die

CDU-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Tobias Koch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Jahr 2012 die Fusion der Provinzial NordWest mit der Provinzial Rheinland ins Spiel brachte, war die Erleichterung groß. Schließlich konnte mit diesem Vorschlag ein Verkauf an die Allianz zunächst einmal abgewendet werden.

Seit sieben Jahren wird nun also über eine Fusion der beiden öffentlichen Versicherer verhandelt. Trotz mehrerer Anläufe ist die größte Hürde, nämlich die Bewertung der beiden Unternehmen, nach wie vor nicht gelöst. Ob es am Ende dieses Mal tatsächlich zu einer Fusion kommt, ist deshalb nach wie vor offen.