Protokoll der Sitzung vom 20.02.2020

es bereits heute enorme Engpässe. Wenn wir das Problem nicht lösen, wird das zur Wachstumsbremse.

Wir haben in Schleswig-Holstein allerdings auch eigene Wettbewerbsnachteile für junge Fachkräfte. Das hängt damit zusammen, dass Schleswig-Holstein im Lohnkeller unter den westdeutschen Bundesländern ist. Schleswig-Holstein ist eben auch der Lohnkeller für junge Ingenieure, für junge Facharbeiterinnen und Facharbeiter, die sich für andere Industriestandorte außerhalb Schleswig-Holsteins entscheiden.

Ein weiterer Grund, sich nicht für unser Bundesland zu entscheiden, sind die Kita-Beiträge, die wir als einziges norddeutsches Land noch erheben.

(Beifall Birte Pauls [SPD])

- Da können Sie gern klatschen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD)

Das macht Schleswig-Holstein doppelt unattraktiv für junge Familien und für Fachkräfte. Deshalb wird es Zeit, dass Sie begreifen, dass Sie mit dieser Politik, mit diesen Beiträgen in den Kitas dem Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein schaden.

(Beifall SPD)

Investitionsentscheidungen in Industriestandorte hängen von der Verfügbarkeit von Fachkräften ab, aber auch von der Energieversorgungssicherheit. Wir müssen den Weg in die Klimaneutralität vieler Industriebetriebe begleiten und sichern. Dafür brauchen wir eine zielgerichtete Wasserstoffstrategie und ausreichend erneuerbaren Strom, um den enormen Bedarf an Ökowasserstoff zu decken. Firmen wie Holcim in Itzehoe - ein großer CO2-Emittent müssen weiterhin produzieren können, müssen ihre Produktion klimaneutral umstellen können. Die Firma YARA im ChemCoast Park Brunsbüttel, die 100.000 m³ Erdgas pro Stunde für ihre Produktion verbraucht, muss eine Zukunft haben. Deshalb müssen wir Wege aufzeigen, wie der Wandel gelingen kann.

Energieintensive Unternehmen gerade im ChemCoast Park Brunsbüttel verlangen in Zeiten der Energiewende eine verlässliche Energieversorgung. Die müssen wir sicherstellen. Hier braucht die Branche Planungssicherheit. Aktuell steht die Branche jedoch ziemlich alleingelassen da. Das Desaster der verzögerten Regionalplanung und das andauernde Moratorium machen es allen Beteiligten schwer.

Ich finde es empörend, wie die Windenergiebranche in Schleswig-Holstein von dieser Landesregierung aus diesem Land vergrault wird.

(Beifall SPD)

Es ist auch verstörend, dass sich der Wirtschaftsminister das gefallen lässt.

Wir stehen zu dem Industriestandort SchleswigHolstein. Wir stehen aber auch zu unseren Beschäftigten. Wir wollen, dass die Entwicklungen der Digitalisierung mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Dialog stattfinden und nicht gegen oder ohne sie. Viele Beschäftigte haben große Sorgen und Ängste vor Arbeitsverlust oder Überforderung. Hier müssen Perspektiven für einen behutsamen Übergang in die digitalisierte Arbeitswelt aufgezeigt werden.

Wir brauchen ein Recht auf Qualifizierung und Weiterbildung. Das bezieht sich besonders auf die sich immer schneller verändernden Berufsanforderungen durch Digitalisierung. Die Arbeitswelt verändert sich. Wir müssen die Beschäftigten in die Lage versetzen, sich diesen Prozessen anpassen zu können.

Nachhaltige und digital vernetzte Industriepolitik setzt nicht nur auf Möglichkeiten der Weiterbildung und Qualifizierung, sondern muss vor allem sozialverträgliche Standards einhalten. Das beinhaltet gute Arbeit mit Betriebsräten, Tariflöhne und eine starke Tarifbindung.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Um den Industriestandort Schleswig-Holstein langfristig zu stärken, müssen wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die Erreichbarkeit unserer Industriestandorte gewährleistet und ausgebaut wird. Wir wollen eine starke Industrie, damit Wertschöpfung in diesem Land den Wohlstand der Bürgerinnen und Bürger fördert. Dem SSW-Änderungsantrag stimmen wir zu, wobei wir noch nach Wegen suchen müssen, wie der Inhalt dieses Antrags umgesetzt werden kann. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Lukas Kilian.

(Thomas Hölck)

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hölck, bei „verstörend“ kann man ganz gut anknüpfen. Verstörend war auch Ihre Rede. Ich finde es schon bezeichnend: Sie haben 16 Punkte für Industriepolitik aufgezeigt und fünf Minuten Redezeit gefüllt, aber irgendwie keine Kernaussage getroffen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Du bist immer nur am Maßregeln!)

Ich erlaube mir, einfach einmal ein paar Dinge aus Ihrem Antrag zu zitieren, um zu zeigen, wie Industriepolitik à la SPD aussieht. Der Wirtschaftsminister soll konkret werden und nicht nur faseln, Worten sollen auch Taten folgen. Dann überlegt man sich: Welche Taten sollen das sein? Man liest sich den Antrag durch, und darin steht unter anderem der Satz:

„Für die Herausforderungen der Digitalisierung und für weitere zentrale Themen wie Unternehmensfinanzierungen und Flächenbereitstellung für Industrie, Fachkräftesicherung, wirtschaftsnahe Forschung und Entwicklung, neue Technologien, ökologische Modernisierung, Künstliche Intelligenz und gute Arbeitsbedingungen müssen Lösungen gefunden werden.“

Man könnte im Endeffekt sagen: Man muss Wirtschaftspolitik betreiben. - Das machen wir in diesem Land. Wir betreiben Wirtschafts- und Industriepolitik, und die Landesregierung hat gerade eine Industriestrategie, 50 Seiten lang, mit ganz konkreten Maßnahmen, vorgestellt, an der ein breites Bündnis gearbeitet hat. Es haben Industrievertreter, Gewerkschaften, Arbeitnehmervertreter, Arbeitgebervertreter zusammen mit der Landesregierung ein Bündnis für Industrie in Schleswig-Holstein entwickelt, ganz konkrete Maßnahmen entwickelt, wie wir Schleswig-Holstein auch für Industriestandorte attraktiv machen wollen. Da bringt es, glaube ich, nicht besonders viel, wenn man hier im Landtag einen Antrag stellt, in dem zum Beispiel die Landesregierung aufgefordert wird, „eine zuverlässige Energieversorgung der Industriestandorte … zu sichern“.

Wir brauchen hier nicht so zu tun, als lebten wir in einem zerbombten Nachkriegsland, in dem eine Energieversorgung nicht gesichert sei. Ganz im Gegenteil! Wir müssen unsere Stärken in der Industriepolitik herausstellen und dürfen Schleswig-Holstein nicht schlechtreden.

Herr Hölck, schmunzeln musste ich bei dem Thema Kita-Beiträge. Sie haben gerade gesagt, dass wir in diesem Land extrem hohe Kita-Beiträge haben. Ich habe kurz überlegt: Sind wir in einem Bundesland, das seit Jahrzehnten von CDU, FDP und Grünen regiert wird, oder sind wir in einem Bundesland, das vor kurzer Zeit - vor zweieinhalb Jahren - eine Landtagswahl hatte, und war es eine SPD-geführte Landesregierung, die deutschlandweit die allerhöchsten Kita-Beiträge hinterlassen hat? Da ist es schon mutig, sich hinzustellen und zu sagen: Der Industriestandort Schleswig-Holstein ist schlecht, weil man extrem hohe Kita-Beiträge hat.

Sie hatten die höchsten Kitabeiträge in Deutschland hinterlassen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie haben die komplette Beitragsfreiheit abgelehnt! Reden Sie doch nicht so einen Unsinn!)

- Herr Dr. Stegner, Sie sind seit Ewigkeiten im Landtag. Ihre Fraktion stellt sich heute hierhin und beschwert sich darüber, dass die Kitabeiträge so hoch waren?

(Zurufe Wolfgang Baasch [SPD] und Beate Raudies [SPD])

Wir haben 2017 ein Land übernommen, in dem die Kitabeiträge tatsächlich extrem hoch waren. In meiner Region -

(Serpil Midyatli [SPD]: Sie haben geschla- fen! - Zurufe Beate Raudies [SPD] und Wolf- gang Baasch [SPD])

- Wie viele Jahre wollen wir denn zurückblicken?

(Zuruf SPD: Ach, jetzt auf einmal?)

Herr Abgeordneter, wenn Sie jetzt freundlicherweise mit Ihrer Rede fortfahren würden.

Ich mache das gern.

Wenn die SPD-Fraktion den Redner bitte aussprechen ließe, dann wäre das nett. - Danke schön.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Dann soll er auch einmal etwas Vernünftiges sagen! - Heiterkeit SPD)

Wissen Sie, wir ertragen ja Ihre Reden - - Entschuldigung! Herr Baasch war das. Herr Baasch, Sie haben sich heute Morgen austoben dürfen; das war lustig für uns alle. Jetzt darf ich mich austoben.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das, was Sie hier erzählen, ist leider nicht lustig!)

Wenn wir Industriepolitik in Deutschland betreiben wollen, dann müssen wir den Standort in der Form stärken, dass wir die Infrastruktur fördern. Das fordern Sie. Das machen wir! 90 Millionen € investieren wir jedes Jahr in unsere Landesstraßeninfrastruktur, weil nur mit guten Straßen eine gute Industriepolitik funktionieren kann.

Wir müssen Breitbandausbau fördern, weil die Digitalisierung eine der Zukunftsherausforderungen ist. 52 Millionen € stellen wir für den Breitbandausbau bereit. Darin herrscht parteiübergreifend Einigkeit. Dieses Land war das erste Land, das auf Glasfasertechnologie gesetzt und flächendeckend den Breitbandausbau vorangetrieben hat.

Wenn wir ganz ehrlich sind, dann müssen wir immer wieder versuchen, auch die Bundesgesetzgebung voranzutreiben, weil wir in vielen Bereichen eine Planungsbeschleunigung brauchen.

(Beifall CDU und FDP)

Wir müssen es in Deutschland schaffen, Projekte besser hinzukriegen. Schauen wir uns die geplante Ansiedlung eines großen Industriekomplexes in einem anderen Bundesland an - es geht um die TeslaFabrik in Brandenburg -: Dort hat der Stopp einer Baumrodung einen Baustopp verursacht. Ich sage an dieser Stelle: Herr Musk, Sie sind herzlich eingeladen, sich in Schleswig-Holstein einen Standort zu suchen. Wir sind das waldärmste Bundesland. Wir haben erneuerbaren Strom.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei unserem Ministerpräsidenten hätten Sie jederzeit die Chance, auf offene Ohren zu treffen, wenn es irgendwelche Probleme gibt. Wir müssen ein attraktiver Wirtschaftsstandort sein. Das funktioniert nicht durch Schlechtreden, sondern durch konsequente Verbesserung der Infrastruktur. Das machen wir. Da sind wir auf dem richtigen Weg. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP sowie Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. And- reas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Joschka Knuth.