Protokoll der Sitzung vom 22.09.2017

Eckhorst und Stockelsdorf sind nur zwei Gemeinden, die ich hier nennen will, in denen sich Bürgerinnen und Bürger ungerecht behandelt fühlen, da sie zu Straßenausbaubeiträgen herangezogen werden. Es handelt sich - auch das ist mehrfach gesagt - eben nicht um 10 € für falsches Parken. Wir sprechen von 1.000 € oder von 10.000 €.

(Werner Kalinka [CDU]: So ist es!)

Es gibt viele Menschen, die sich das nicht leisten können. Das müssen wir im Blick behalten; denn das führt in vielen Fällen - das habe ich in der letzten Legislaturperiode auch schon gesagt - zu existentiellen Belastungen.

(Beifall CDU, FDP und AfD)

Mir ist durchaus bewusst, dass eine freiwillige Erhebung von Beiträgen die Gemeinden in die Pflicht nimmt, klar. Aber die jetzige Regelung macht es eben möglich, auf das Land zu verweisen und zu sagen: Wir können gar nicht anders. - Aber ist das wirklich richtig? Wollen wir das? Ich meine nicht. Ich bleibe dabei: Es ist eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, zu entscheiden, welchen Weg diese im Einzelfall wählt.

(Beifall CDU, FDP und AfD)

Denn diejenigen, die vor Ort die Entscheidung tragen, wissen am besten, was sie tun. Frau Kollegin Raudies, das Zauberwort an dieser Stelle heißt „kommunale Selbstverwaltung“: selbst in der Kommune entscheiden zu können.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen erhalten die Kommunen nun die Möglichkeit, zukünftig in eigener Verantwortung auf Straßenausbaubeiträge zu verzichten. Wichtig ist uns dabei, dass der Verzicht auf die Erhebung von Ausbaubeiträgen nicht zum Nachteil bei der Genehmigung des Kommunalhaushaltes oder bei einer anderen Mittelzuweisung durch das Land führt.

(Beifall CDU und FDP)

Weiterhin muss es Ziel sein, dass im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihrer Verpflichtung zum Ausbau der kommunalen Straßen nachkommen zu können.

Kurz zum AfD-Gesetzentwurf: Herr Kollege Schnurrbusch, Sie müssen die Gemeindeordnung ändern, um die verpflichtende Erhebung abzuschaffen. Eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes hilft Ihnen an dieser Stelle nicht weiter.

(Beifall CDU und FDP - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Sie müssen beides ändern!)

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den anderen beiden regierungstragenden Fraktionen. Wir gehen jetzt ins parlamentarische Verfahren. Wir werden mit Sicherheit noch die Möglichkeit haben, Änderungen einzupflegen, ob seitens des Wissenschaftlichen Dienstes oder von anderer Seite. Ich fordere

Sie herzlich auf, auch von der SPD und vom SSW, weitere Eingaben zu machen.

Die CDU steht zur kommunalen Selbstverwaltung.

(Unruhe - Glocke Präsident)

In über 1.100 Gemeinden wollen wir den Kommunen diese Entscheidungsbefugnis nicht entziehen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Volker Schnurrbusch [AfD])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Herr Präsident!

(Unruhe)

- Wir können darüber im Rahmen der Anhörungen des Rechtsauschusses noch gut diskutieren.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ines Strehlau. Ich bitte insgesamt um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit gegenüber den Rednerinnen und Rednern hier am Pult.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Petra Nicolaisen, ich nehme den Dank für uns Grüne sehr gern an. Es war kein leichter Gang für uns, uns zu diesem Gesetzentwurf durchzuringen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Problem kennen wir! - Heiterkeit)

„Eine Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen besteht nicht“ - so schlicht kann ein Gesetzentwurf sein, der eine weitere Wendung in einem lange währenden Streit darstellt. Hatten CDU und FDP 2012 noch rasch die Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aufgehoben, hatte die Küstenkoalition als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Verpflichtung wieder eingeführt. Die Argumente pro und kontra sind lange ausgetauscht; wir haben gerade einen Eindruck davon bekommen. Beide Seiten erheben Anspruch auf deren Richtigkeit.

(Petra Nicolaisen)

Es stimmt: Seit Langem sind die Kommunen untereinander uneins und viele von ihnen mit dem Status quo nicht einverstanden. Auch in den Städten sind die Stimmen immer lauter geworden, mit der Einziehung der Beiträge sei ein unnötiger bürokratischer Aufwand verbunden. Bürgerinnen und Bürger monieren immer wieder nicht nachvollziehbare Entscheidungen der Verwaltung. Das bedeutet nicht nur Rechtsunsicherheit, es führt im schlimmsten Fall sogar zu juristischen Auseinandersetzungen und Klagen. Das ist eine Kritik, die wir ernst nehmen und die uns Grüne dazu bewogen hat, im Koalitionsvertrag dem Anliegen von CDU und FDP zuzustimmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Während der Regierungszeit der Küstenkoalition haben wir betont, dass uns der Gleichklang aller Kommunen wichtig ist. Unsere Sorge war und ist weiterhin: Es darf nicht zu einem Wettbewerb unter den Kommunen kommen. Wir wollten verhindern, dass die finanziell schwächer aufgestellten Kommunen, wie vor allem die großen Städte, noch mehr Druck zu spüren bekommen und zu finanziell unsoliden Entscheidungen getrieben werden.

Nun soll die Rechtspflicht abgeschafft werden. Die Befreiung von der Pflicht, Straßenausbaubeiträge zu erheben, muss sich in der Praxis bewähren. Man muss keine Prophetin sein, um vorherzusagen: Auch in dieser Konstellation wird es Unzufriedene geben.

Wenn Kommunen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nun abschaffen, stellt sich die große Frage, wie die Straßen vor Ort finanziert werden. Die Kommunen, die es sich leisten können, sind fein raus und können auf ihr Finanzpolster zurückgreifen. Die Kommunen, die sie abschaffen und in denen die Kasse jetzt schon klamm ist, werden wohl oder übel Steuererhöhungen durchsetzen müssen. Aus unserer Sicht ist das nicht die ungerechteste Lösung, weil dann alle gleichmäßig an den Straßenausbaukosten beteiligt werden. Das wäre eine interessante Entwicklung der Grundsteuer hin zu einer kommunalen Infrastruktursteuer.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, mit dem Gesetzentwurf liegt mehr Entscheidungsfreiheit bei den Kommunen vor Ort. Aber in dieser Freiheit liegt auch eine Verantwortung, nämlich die Verantwortung zum sorgsamen Umgang mit den kommunalen Finanzen. Bereits jetzt werden Stimmen laut, das Land müsse es nun richten und für solide Straßen in den Kommunen sorgen.

Das Land beteiligt sich schon jetzt mit einem zweistelligen Millionenbetrag am kommunalen Straßenbau, und wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Erhalt kommunaler Straßen noch stärker zu unterstützen. Außerdem werden wir den Anteil der GVFG-Mittel für die Sanierung von kommunalen Straßen auf 65 % erhöhen.

Unabhängig von diesen Mitteln bleibt die Frage, ob und wie sich das Land darüber hinaus beteiligt, so wie es sich die Kommunen wünschen. Dies wird uns sicherlich im Rahmen der Beratungen zum kommunalen Finanzausgleich wieder begegnen. Wir Grüne werden uns für eine solide Finanzierung der Kommunen einsetzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Ja.

Frau Kollegin Strehlau, können Sie mir als geschätzte Kommunalexpertin erläutern, wie eine Kommune GVFG-Mittel für die Sanierung von Anliegerstraßen einsetzen können soll?

- Das ist ein Paket zur Sanierung von kommunalen Straßen. Davon kann man auch Anliegerstraßen finanzieren.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Ich glaube, das soll- ten wir noch einmal in der Anhörung näher besprechen!)

- Dann ist das ein interessanter Punkt für die Anhörung. Ich lerne gern dazu.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Kommunen vor Ort müssen ihre Hausaufgaben machen. Mit der Abschaffung der Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist also nicht verbunden, dass das Land jetzt die Kosten für die Sanierung der Straßen trägt. So mag es in einigen Wahlprogrammen gestanden haben, nicht aber im Wahlprogramm der Grünen, und es hat nicht Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kommunen sollten deshalb intensiv abwägen, ob sie wirklich die Beiträge abschaffen oder ob sie

(Ines Strehlau)

nicht doch weiterhin die Anwohnerinnen und Anwohner beteiligen.

Mir ist klar, dass das Thema im bald beginnenden Kommunalwahlkampf ein wichtiges Thema sein wird. Das Versprechen, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen, hört sich verlockend an. Aber zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass damit noch nicht das Geld für die Sanierung einer Straße auf dem Gemeindekonto ist. Ich hoffe, die Parteien bringen im Kommunalwahlkampf diese Ehrlichkeit auf.