Protokoll der Sitzung vom 25.09.2020

Die Kommunen haben uns jetzt signalisiert, sollten wir uns umentscheiden, dass sie dann natürlich wieder mit uns in den Diskussionsprozess eintreten wollen. Dementsprechend habe ich sie dazu auch eingeladen.

Die zweite Frage ist die, wie das mit den Kosten und mit dem Aufwand ist. Wir wissen - da wird viel erzählt -, dass dieser Umstellungsprozess in Gänze für die Steuerverwaltung einen hohen Aufwand bedeutet. Das ist völlig modellunabhängig. Wer da etwas anderes erzählt, tüdelt rum.

(Beifall Beate Raudies [SPD])

Wir werden mehr Personal brauchen. Wir werden IT brauchen in der Steuerverwaltung - je nach Modell. Es geht darum, dass in Schleswig-Holstein 1,3 Millionen Grundsteuerwerte und Grundsteuermessbeträge neu und rechtzeitig festgestellt werden müssen. Der erste Hauptfeststellungszeitpunkt ist der 1. Januar 2022. Das Zieldatum für die Annahme der Steuererklärung ist dann der 1. Juli 2022. Sie sehen also: Die Zeit läuft. Auch die Kommunen brauchen da natürlich Zeit, um ihre Hebesätze so festzusetzen, dass wir ab 2025 dann mit der neuen Rechtslage beginnen können.

Für den bisherigen Umstellungsprozess hatte ich 114 Stellen für die Finanzplanung angemeldet. Die kommen schrittweise rein. Wenn sie nach der Umsetzung dieses Prozesses frei werden, bleiben sie in der Steuerverwaltung. So ist das verabredet. Das ist mir zur Stärkung unserer Einnahmeverwaltung sehr wichtig.

(Ministerin Karin Prien)

Was ein anderes Modell an Aufwand bedeutet, werden wir wissen und einschätzen können, wenn wir wissen, welches es sein soll.

Die dritte Frage ist die Frage, was sich für die Bürgerinnen und Bürger ändert, was gerecht ist. Da müssen wir sehen, dass es auf der einen Seite wertorientierte Modelle gibt. Das ist das Bundesmodell, das ist aber auch das Bodenrichtwertmodell aus Baden-Württemberg - rein wertorientiert beide.

Dann gibt es ein Modell, das nicht wertorientiert ist, das ist das bayrische Flächenmodell. Nach dem bayrischen Flächenmodell wäre es so, dass anders als bisher - jetzt haben wir ja eine Wertorientierung - in Kiel auf dem Ostufer und auf dem Westufer die Grundsteuer gleich wäre und in gleicher Höhe erhoben würde. Ich halte das nicht für gerecht. Andere finden das gut. Darüber kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein.

Dann gibt es noch Länder, die setzen auf dem bayrischen Flächenmodell auf und packen einen Lagefaktor darüber. Damit sind diese Flächenlagemodelle teilweise wertorientiert, sie beinhalten also eine Wertorientierung, allerdings anders als das Bundesmodell und das Baden-Württembergs.

Diese Modelle mit dem Lagefaktor werden möglicherweise Hessen, Hamburg und Niedersachsen nutzen. Ich habe gerade mit meinen Länderkolleginnen und -kollegen vor zwei Tagen über die Grundsteuer gesprochen. Da ist noch viel Unsicherheit im System. Viele sind noch im politischen Entscheidungsprozess, aber auch, weil diese Lagemodelle auf Bayerns Modell aufsetzen. Dazu müsste Bayern erst einmal ein Gesetz haben, auf dem man aufsetzen könnte, und man müsste sich dann auch immer an dem bayrischen Gesetz orientieren.

Ich selbst hätte mir gewünscht, dass der Bundesgesetzgeber in unserem Föderalismus eine einheitliche Regelung schafft. Das hat nicht geklappt. Jetzt sind wir als Länder damit zugange zu entscheiden, welchen Weg wir denn gehen wollen. Die Materie ist kompliziert. Insofern verzeihe ich auch manchen, die da Dinge erzählen, die so nicht stimmen. Es ist kompliziert, da muss man sich reindenken. Eines will ich auf jeden Fall sagen: Unabhängig vom Modell wird es Gewinnerinnen und Gewinner beziehungsweise Verliererinnen und Verlierer geben. Es kann nicht so bleiben, wie es ist, sonst hätte das Verfassungsgericht nicht so entschieden. Und wir wissen, dass der Umstellungsprozess in jedem Fall Geld kostet - mal mehr, mal weniger, je nachdem wie viel eigene IT wir programmieren müssen.

Sie wissen es: Die Jamaika-Koalition hatte sich im Frühjahr darauf verständigt, nicht die Länderöffnungsklausel zu ziehen, weil es dafür keine Mehrheit in der Jamaika-Koalition gab. Lassen Sie es mich sehr klar sagen: Aus meiner Sicht ist nach wie vor das Bundesmodell eine pragmatische, eine gerechte Lösung, eine Lösung, die für unsere Kommunen auch berechenbar ist. Es ist eine gute Lösung.

(Beifall SPD)

Der Verwaltungsaufwand ist überschaubar, die Umsetzung ist im Zeitplan zu schaffen. Eine Programmierung im Länderverbund spart Kosten und gibt Sicherheit. Aber CDU und FDP haben weiteren Beratungsbedarf angemeldet, und wir alle wissen: In einer partnerschaftlichen Koalition gehen wir selbstverständlich neu aufeinander zu, wenn es neuen Gesprächsbedarf gibt. Da muss man gar nicht irgendwie „Oh“ sagen. Das ist halt so. Es gibt neuen Gesprächsbedarf, also setzen wir uns erneut zusammen und sind mitten im Prozess.

Lassen Sie mich zum Abschluss - ich wollte es eigentlich nicht, aber da mir die neue Zeitung auf den Tisch geflattert ist, tue ich es doch noch - zu meinen Freunden von Haus & Grund und vom Verband der norddeutschen Wohnungsunternehmen etwas sagen,

(Heiterkeit)

wo sich zwei Herren besonders damit beschäftigen, insbesondere mich zu kritisieren. Da ich nun die neue Zeitung erhalten habe, wo ich wieder auf Seite eins abgebildet bin

(Ministerin Heinold hält eine Zeitung in die Höhe)

da bedanke ich mich für die Werbung -, will ich einmal vorlesen welches Zitat dort steht beziehungsweise zwei Dinge sagen. Das eine ist: Ob das Wohnen im Lande künftig bezahlbar bleibt, hängt jetzt allein von der Gesprächsbereitschaft Monika Heinolds ab. - Dazu sage ich: Das ist grober Unfug. Gesetze werden hier im Landtag gemacht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Die Vorstellung, dass ein Verband sich mit einer Ministerin zusammensetzt und mal eben bespricht, wie ein Gesetz aussehen soll, ist völlig abstrus. Ich hoffe, dass das in unserer Demokratie nicht vorkommt, sondern dass hier diskutiert und entschieden wird.

(Ministerin Monika Heinold)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das ist ein lustiger Artikel. Es geht auch noch ums Wattenmeer, da wird behauptet, dass ich mit meinem Team über Jamaika diskutierte, wobei man bei einem Betriebsausflug ja eher beim Betrieb ist aber egal. In diesem lustig zu lesenden Artikel wird dann die These aufgestellt, dass Haus & Grund und VNW die Interessen aller Beteiligten verträten, namentlich der breiten Mitte der Gesellschaft.

(Vereinzelte Heiterkeit)

- Breitner - breite Mitte!

Lassen Sie mich einmal aus einer Mail zitieren, die mir vor wenigen Tagen auf den Schreibtisch kam, in der ein Bürger noch einmal sagt, wie richtig er den Entscheidungsprozess fand, aber vor allem Folgendes sagt: Weder der Verband Haus & Grund noch der Verband der norddeutschen Wohnungsunternehmen spricht pauschal für die Masse der Grundbesitzer in Schleswig-Holstein.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: - So ist es! - Beifall Lasse Petersdotter [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, dass wir das immer wieder in den Blick nehmen müssen.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit ein paar Zitaten von Haus & Grund und dem Verband der norddeutschen Wohnungsunternehmen schließen. Die beiden Herren treten ja gemeinsam auf. Dort heißt es, ich sei links aus dem Ruder gelaufen, würde Steuergelder verschwenden und hätte Gerechtigkeitsfantasien, die den steuerpolitischen Verstand fressen. - Meine Damen und Herren, ich sage, jeder und jede muss für sich selbst entscheiden, wie weit er oder sie sich an der Verrohung von Sprache gegenüber Verantwortungsträgern beteiligen will.

(Anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Ich glaube, es war notwendig, dass ich so viel Zeit gelassen habe, damit die große Mehrheit des Hauses Ihrer Rede, gerade in der letzten Passage, auch Beifall zollen konnte. Ich danke Ihnen auch für die Nachhilfestunde in Sachen politischer Bildung. Hoffentlich erreicht sie alle, die sie treffen soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Ich will darauf hinweisen, dass die Ministerin etwas überzogen hat. Sie müssen

aber von dieser zusätzlichen Redezeit keinen Gebrauch machen.

(Heiterkeit)

Ich erteile für die SPD-Fraktion der Abgeordneten Beate Raudies das Wort.

Herr Präsident! Ich werde Sie ein bisschen enttäuschen und die Bitte nicht ganz erfüllen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Finanzministerin, ich bedanke mich sehr für Ihren Bericht zur Umsetzung der Grundsteuerreform und auch für die zusätzliche Redezeit. Das kommt mir sehr zupass. Ich will ausdrücklich auch auf den letzten Teil Ihrer Rede eingehen und sagen, wenn es Ihnen ein Trost ist: Solche Briefe bekomme ich auch, und ich empfinde es genauso wie Sie. Das hat eine Form angenommen, die nicht mehr akzeptabel ist und die zudem auch inhaltlich nicht korrekt ist. Das will ich ausdrücklich sagen, und ich teile Ihre Einschätzung und Ihre Kritik daran ausdrücklich.

(Beifall SPD, SSW und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Jetzt fange ich mit dem an, was ich zum Bericht zu sagen habe. Der Inhalt des Berichts lässt mich doch einigermaßen ernüchtert zurück. Das kann natürlich an mir liegen. Ich hatte aber schon erwartet, dass knapp 18 Monate vor dem ersten Hauptfeststellungszeitpunkt - die Frau Ministerin hat es gesagt doch etwas mehr Klarheit herrschen würde. Ich mache es mir einmal einfach und zitiere die Prüfungsbemerkungen des Landesrechnungshofs, die diesen Aspekt des Berichts sehr gut zusammenfassen. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich aus der Pressemitteilung des Landesrechnungshofes vom 21. August dieses Jahres:

„Die Finanzämter des Landes sind auf diese umfassende Neubewertung weder technisch noch personell vorbereitet: Bereits jetzt schieben die Bewertungsstellen einen Berg von 56.000 unerledigten Fällen vor sich her. Grund dafür ist die Tatsache, dass dort nur 131 Vollzeitkräfte tätig sind. Deutlich zu wenig, wie die hohen Arbeitsrückstände zeigen.

Das Finanzministerium hat diesen Zustand zu lange hingenommen. Jetzt ist es in der Pflicht, bis zu 114 zusätzliche Kräfte zu akquirieren, um die Neubewertungen vornehmen zu können. Das Finanzministerium muss deshalb dringend ein Konzept vorlegen, wie

(Ministerin Monika Heinold)

es den zusätzlichen Personalbedarf decken will.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Wir werden über diesen Bericht in der nächsten Woche noch ausführlich in der Arbeitsgruppe Haushaltsprüfung sprechen, Frau Ministerin. Da braucht es jetzt sehr schnell sehr klare Antworten, sonst fahren Sie nämlich die Umsetzung der Reform in Schleswig-Holstein an die Wand

(Beifall SPD und SSW)

- und zwar egal, für welches Modell sich Jamaika entscheidet.

Damit will ich den Punkt aufnehmen, in dem sich meine Rede wesentlich von der unterscheidet, die ich vor einem Monat gehalten hätte. Es ist ja ein Trauerspiel, was wir hier gerade erleben, wobei die Rede der Ministerin mich etwas zuversichtlicher zurückgelassen hat.

Ich war eigentlich sehr glücklich, als wir mitten in der Coronakrise heimlich, still und leise, mitten am Gründonnerstag, die Pressemitteilung erhielten, dass Jamaika sich gegen die Länderklausel entschieden habe und keinen Sonderweg bei der Reform der Grundsteuer gehen wolle, sondern das Bundesmodell umsetze.

Ich habe mich sehr gefreut und gesagt: Gut so, prima, dass es entschieden ist. Es war höchste Zeit, dass die von der Coronakrise gebeutelten Kommunen bei der Grundsteuer Klarheit bekommen. Wir haben hier schon mehrfach darüber geredet, was es mit der Kröte Länderöffnungsklausel auf sich hat. Frau Finanzministerin, Sie haben selber gesagt, diese Kröte mussten wir schlucken.