Protokoll der Sitzung vom 28.10.2020

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Suche nach einem Endlagerstandort für die hochradioaktiven Abfälle aus unseren Atomkraftwerken mit der größtmöglichen Sicherheit auf viele tausend Jahre ist eine schwierige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, vor der sich niemand drücken kann - auch wir nicht. Schleswig-Holstein will daran mitwirken, den Atomausstieg zu vollenden. Das ist schon deshalb unsere Pflicht, weil sich ein erheblicher Teil der abgebrannten Brennelemente in den schleswig-holsteinischen Zwischenlagern in Brüssel

(Heiterkeit und Zurufe)

- in Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel befindet. Wir alle haben den Strom aus Atomkraftwerken verbraucht. Der daraus entstandenen Verpflichtung zur sicheren Entsorgung der hochradioaktiven Stoffe stellen wir uns verantwortungsvoll. Wir haben uns mit Bund und Ländern auf ein gesetzliches Auswahlverfahren geeinigt. Entscheidend ist, dass dieses Verfahren auf der Basis wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse durchgeführt wird und nicht - wie in der Vergangenheit oftmals geschehen - unter Einbeziehung politischer Aspekte. Seit dem 28. September 2020 liegt mit dem sogenannten Zwischenbericht „Teilgebiete“ ein erstes Ergebnis vor. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung hat eine Karte mit Teilgebieten veröffentlicht, die im weiteren Verfahren eingehender untersucht werden. In dem Bericht werden auch mehrere Regionen in Schleswig-Holstein benannt. Das ist auch richtig

so. Insgesamt verbleiben circa 54 % des gesamten Bundesgebiets als Potenzialfläche im Verfahren.

Basis für diesen Zwischenbericht sind die vorhandenen geologischen Daten von Bund und Ländern, die nach den im Standortauswahlverfahren und -gesetz festgelegten Kriterien ausgewertet werden. Der Zwischenbericht ist damit zunächst einmal die Grundlage für eine Art Inventur der Regionen, die nach bisherigen geologischen Erkenntnissen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Schleswig-Holstein verfügt nachweislich über Salzstöcke und Gebiet mit Tonvorkommen, die nach dem Standortauswahlgesetz in die nähere Betrachtung fallen. Dass diese Regionen als Potenzialflächen ausgeführt werden, liegt auf der Hand, sagt aber noch nichts über ihre tatsächliche Eignung aus.

Die BGE ist nun in der Pflicht, eine tiefergehende Bewertung der Teilflächen vorzunehmen und die Teilgebiete weiter einzugrenzen. Dabei ist entscheidend, dass die Öffentlichkeit über die gesamte Dauer des Verfahrens umfassend und detailliert beteiligt wird. Neben der Bevölkerung und den Verbänden gilt dies natürlich auch für die betroffenen Kommunen. Der Bund plant hierzu unter anderem eine Reihe von Konferenzen, um die bisherigen Ergebnisse und das weitere Verfahren zu erörtern. Dabei sieht das Standortauswahlverfahren eine Verfahrensführung durch den Bund unter direkter Einbeziehung der Kommunen vor.

Gefordert sind hier die BGE und das Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung. Sie müssen die kommunalen Entscheidungsträger zügig, umfassend und systematisch im Verfahren beteiligen. Nur so können kommunale Sichtweisen wirksam eingebracht und die Rechte der potenziell Betroffenen auch gewahrt werden. Als Land werden wir darauf achten, uns im Verlauf der Standortsuche mit den Kommunen dazu austauschen. Hierzu stehe ich bereits mit den kommunalen Landesverbänden im Gespräch.

Aber auch wir Länder stehen in der Verantwortung, den Auswahlprozess konstruktiv und kritisch zu verfolgen, damit auch wirklich die Ziele für eine sichere Endlagerung dieser gefährlichen Abfälle nach menschlichen Maßstäben für die Ewigkeit gewährleistet werden kann. Schließlich werden wir noch viele Jahrzehnte mit den hochradioaktiven Abfällen zu kämpfen haben, bevor wir sie für die unvorstellbar lange Zeit von über einer Million Jahre hoffentlich möglichst sicher im Untergrund ablagern. Schon dies macht die Dimension des historischen Irrtums der sauberen Kernenergienutzung deutlich.

(Oliver Kumbartzky)

Der Einstieg in die Atomkraft war ein kollektiver Fehler, den wir nun in kollektiver Verantwortung alle gemeinsam - vom Atomkraftgegner bis zum glühenden Befürworter, vom Bundespräsidenten bis zum ehrenamtlichen Dorfbürgermeister, von ganz links bis ganz rechts - ausbaden müssen - leider! Gerade als jemand, der in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem bereits kollabierenden Atommülllager aufgewachsen ist und der mehrfach - zu dieser Jahreszeit! - auf den Schienen und Straßen nach Gorleben gesessen hat, sage ich Ihnen: Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden und umso deutlicher eine sachliche Orientierung an wissenschaftlichen Kriterien einfordern. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag, Drucksache 19/2430, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weise darauf hin, dass die Parlamentarischen Geschäftsführungen mit Blick auf das, was ich vorhin zum Thema SSW gesagt habe, vereinbart haben, dass die Punkte 29 und 51, Antrag und Bericht zum Weiterbildungsgesetz, sowie der Punkt 23, einen armutsfreien Mindestlohn schaffen, auf die November-Tagung verschoben werden.

Sie haben weiter vereinbart, dass wir die Sitzung heute beenden. Ich unterbreche die Tagung bis morgen früh um 10 Uhr und freue mich, Sie morgen gesund wiederzusehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:21 Uhr

(Minister Jan Philipp Albrecht)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenografischer Dienst