Protokoll der Sitzung vom 30.10.2020

Meine Damen und Herren, das sind gigantische Summen. Und natürlich stellt sich die Frage der Generationengerechtigkeit; denn es sind unsere Kinder, es sind unsere Enkel, die wir mit dem dazugehörigen Tilgungsplan verpflichten, diese Kredite zurückzuzahlen, und zwar ab 2024 über 40 Jahre lang, beginnend mit 50 Millionen €.

Aber in der Abwägung, jetzt mit Notkrediten zu handeln oder nicht zu handeln, entscheidet sich das Parlament für Handeln, für neue Schulden. Aus Sicht der Landesregierung sage ich: Diese politische Entscheidung ist richtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Ja, der Rechnungshof äußert Kritik. Es gibt auch Gutachten aus anderen Ländern, die sich mit der Frage beschäftigen, ob Notkredite überjährig verwendet werden dürfen, die dieses in Teilen auch als problematisch einstufen. Aber, meine Damen und Herren, gerade in dieser unsicheren Zeit, in der Konjunkturprognosen wie Steuerschätzungen eine länger andauernde Wirkung auf die Einnahmesituation des Staates vorhersagen, gerade in dieser Zeit ist es richtig, nicht gegen die Krise anzusparen, sondern zu investieren, Sicherheit zu geben und die Daseinsvorsorge des Staates aufrechtzuerhalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Es ist auch verantwortbar, gerade auch gegenüber der zukünftigen Generation, weil wir die Mittel nutzen, um die gravierenden Folgekosten der Krise abzumildern und weil wir sie einsetzen, um die Zukunft des Landes zu sichern. Wir bauen Krankenhäuser und Hochschulen, stärken den sozialen Wohnungsbau, sanieren Schulgebäude; wir investieren in Innovationen und Mobilität sowie in die Modernisierung unseres Landes.

Zudem schichten wir auch innerhalb des Haushaltes noch mit dem Nachtragshaushalt um, stocken das Sondervermögen Ausgleichsausgabe auf und stellen damit sicher, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch weiterhin Unterstützung bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung erhalten können. Wir stellen 15 Millionen € für die Rücklagenfinanzierung der Hochschulen bereit und 100 Millionen € für Baumaßnahmen des UKSH. Auch diese Investitionen, meine Damen und Herren, sind generationengerecht.

Haushaltspolitik muss sich immer am Maßstab der Generationengerechtigkeit messen lassen und damit natürlich auch an der Frage, ob die eingeplanten Mittel insbesondere dazu beitragen, unsere Klimaziele zu erreichen. Und ja, es gibt in der JamaikaKoalition unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Dynamik, welchen Nachdruck es braucht, um die Klimaziele zu erreichen. Aber es gibt auch die klare Verabredung, dass wir die Klimaziele erreichen müssen, dass wir ökologisch klug und damit ökonomisch wirksam handeln müssen. Das ist die Grundlage unseres Koalitionsvertrages. Deshalb ist Haushaltspolitik der Jamaika-Koalition auch immer Klimapolitik.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Nachtragshaushalt bringen wir 35 Millionen € für den Radverkehr und 10 Millionen € für erneuerbare Energien an Schulgebäuden auf den Weg.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit dem Haushalt 2021 setzen wir die Reihe von Klimaschutzmaßnahmen fort mit rund 14 Millionen € für die Sanierung von Gebäuden und für die Erzeugung von regenerativer Energie in Landesliegenschaften, mit 9 Millionen € für kommunale Wärmeplanung, mit 5 Millionen € für Elektromobilität. Hinzu kommen weitere Haushaltsmittel für den Klimaschutz, für Wasserstoffstrategie, für eine emissionsarme Fähre, für unser Förderprogramm „Klimaschutz für Bürgerinnen und Bürger“.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist nachhaltige Finanzpolitik, ebenso, lieber Lasse Petersdotter, wie unser Gesetzentwurf FINISH, mit dem wir die Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien für alle wesentlichen Finanzanlagen des Landes ausweiten und gesetzlich verankern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung stellt Ihnen heute einen Haushaltsentwurf vor, 13 Milliarden € schwer. Mit den bereinigten Einnahmen sind vorerst 403 Millionen € aus den Notkrediten veranschlagt, um die pandemiebedingten Folgekosten abzufedern. Wir überführen 287 Millionen € Altschulden HSH in den Landeshaushalt und planen mit einer zusätzlichen Nettokreditaufnahme von 346 Millionen €. Somit betragen die bereinigten Einnahmen rund 13,3 Milliarden €, die bereinigten Ausgaben ohne die HSH rund 13,6 Milliarden €.

(Ministerin Monika Heinold)

Den größten Teil dieser Ausgaben, rund 35 %, planen wir für unsere Beschäftigten ein. Mit rund 4,8 Milliarden € für Gehälter, für Besoldung, für Pension, Beihilfe und Heilfürsorge, davon allein rund 1,5 Milliarden € für die 23.000 Lehrerstellen und die fast 28.000 Lehrkräfte in unseren Schulen. Damit, meine Damen und Herren, sichern wir die Unterrichtsversorgung, damit schaffen wir Kapazität für spezifische Unterstützungsangebote.

Unser gemeinsames Jamaika-Ziel ist eine Verbesserung der Chancengerechtigkeit in unseren Schulen. Deshalb ist es gut, dass wir dafür 2021 rund 9,7 Millionen € für die PerspektivSchulen bereitstellen; denn gerade die letzten Monate haben gezeigt, wie sehr wir auf ein gutes Bildungssystem, wie sehr wir auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen sind, auf eine gut aufgestellte Verwaltung, die ihre originären Aufgaben angemessen wahrnehmen kann.

Deshalb ist es richtig, dass wir mit dem Haushalt 2021 zusätzlich 327 Stellen insbesondere für Polizei, die Justiz, für die Steuerverwaltung und für die Nachwuchskräfte schaffen. Es ist richtig, dass wir rund 15 Millionen € für die Besoldungsstruktur in die Hand nehmen, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu verbessern, gerade im Einstiegsbereich.

Wir brauchen dringend gut ausgebildete qualifizierte Fachkräfte. Deshalb sind 69 zusätzliche Nachwuchskräfte die richtige Antwort in dieser Zeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, neben den Personalausgaben ist der kommunale Finanzausgleich mit rund 1,88 Milliarden € der zweitgrößte Ausgabeposten. Mit der Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs hat Jamaika ein klares Signal gesetzt. Wir stärken unsere Kommunen; denn sie sind es, die vor Ort die Daseinsvorsorge sichern und unsere Gesellschaft zusammenhalten - mit ganz viel Ehrenamt, mit Engagement, mit Nachbarschaftshilfe.

Auch mit unserer Mammutreform des Kindertagesstättengesetzes haben wir Nägel mit Köpfen gemacht. 2021 planen wir 535 Millionen € für unsere Kitas ein: für Bildungsqualität, für die Entlastung der Eltern und für die Unterstützung der Kommunen.

Natürlich ist es richtig und notwendig, dass Bund und Land die Kommunen auch in dieser schwieri

gen Coronazeit unterstützen, dass sie mithelfen, dass es gelingen kann.

Das Land nimmt bis zu 92 Millionen € in die Hand, um die Wirkung der Steuermindereinnahmen 2020 auf den kommunalen Finanzausgleich abzufedern, und übernimmt noch einmal 165 Millionen €, um 50 % der Gewerbesteuerausfälle auszugleichen. Die anderen 50 % trägt der Bund. Das entsprechende Landesgesetz soll heute verabschiedet werden.

Für die Jahre 2021 und 2022 planen wir bis zu 110 Millionen € für Steuerausfälle unserer Kommunen ein.

Zusätzlich stellen wir mit dem Notkredit noch einmal 460 Millionen € für die kommunale Infrastruktur bereit: für Krankenhausmodernisierung, Klimaschutz, Schulbau, Mobilität, soziale Wohnraumförderung und für die Entwicklung von Innenstädten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, vereinzelt SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, wie sehr der JamaikaKoalition die Kommunen am Herzen liegen, zeigt sich auch beim dritten großen Ausgabeblock, bei der Infrastruktur. 1,4 Milliarden € für Investitionen im Jahr 2021. Auch hiervon profitieren unsere Kommunen kräftig mit noch einmal rund 156 Millionen € für Krankenhausbau, Kindertagesstätten, Schulen, Sportstätten und kulturelle Einrichtungen.

Meine Damen und Herren, es fühlt sich verdammt gut an zu sehen, dass wir in Schleswig-Holstein bei der Sanierung und Modernisierung unseres Landes mit Siebenmeilenstiefeln vorankommen, dass IMPULS wirkt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Es ist richtig, das IMPULS-Programm mit den Notkrediten abzusichern, damit wir im Bereich der Investitionen nicht auf eine Vollbremsung zusteuern müssen. Unser Land braucht diese Investitionen in Hochschulen, in die Verkehrsinfrastruktur, in die Barrierefreiheit, in den Küstenschutz, in den Klimaschutz, in die Innovation, in Kultur und Sport und insbesondere natürlich auch in die Digitalisierung. Denn auch hier hat uns die Coronakrise eine klare To-do-Liste geschrieben. Wir müssen unser Land mit Hochdruck weiter digitalisieren.

Es ist richtig, aus dem Notkredit 25 Millionen € für die Digitalisierungsmaßnahmen bereitzustellen. Es ist richtig, den Digitalisierungshaushalt mit dem Haushalt 2021 um rund 30 Millionen € aufzustocken. Es ist richtig, noch einmal 10 Millionen € für

(Ministerin Monika Heinold)

den Ausbau des Glasfasernetzes in die Hand zu nehmen, auch wenn wir im Bundesvergleich hier schon überdurchschnittlich gut sind. Aber ob Wirtschaft, Verwaltung, Bildungseinrichtungen oder Privathaushalte: Schnelles Internet gehört heute zur notwendigen Grundausstattung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, die Entscheidung, in der jetzigen Situation schuldenfinanziert zu investieren, ist auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase verantwortbar. Schauen Sie einmal in die Finanzplanung aus dem Jahr 2011. Da waren für 2021 rund 1,6 Milliarden € für Zinsen eingeplant. Heute planen wir mit weniger als 500 Millionen €. Teilweise, und das ist schon eine sehr eigenartige Situation, verdienen wir sogar an unseren Schulden. In diesem Jahr haben wir 50 Millionen € eingenommen, die wir jetzt nicht für Zinsen zur Bank tragen, sondern in unser UKSH investieren können, was natürlich großartig ist.

Auch in den kommenden Jahren können wir die Zinsausgaben nach der jetzigen Prognose relativ stabil halten. Dafür ein dickes Dankeschön an das Referat für Kredit- und Zinsmanagement im Finanzministerium, das mit hoher Expertise hervorragende Arbeit leistet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Dennoch ist Vorsicht geboten. Natürlich führen steigende Schulden mittelfristig zu steigenden Zinsausgaben. Die Schulden des Landes werden durch die HSH und durch die Pandemie auf rund 38 Milliarden € steigen. Darauf werden und müssen wir uns mit der Finanzplanung einstellen.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist es in den letzten zehn Jahren gelungen, den Haushalt zu konsolidieren, weil die Steuereinnahmen gestiegen und die Zinsen gesunken sind, aber auch, weil wir solide gewirtschaftet haben, weil wir jeden Euro dreimal umdrehen. Hier im echten Norden sitzen die echten Schwaben und halten das Geld zusammen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Und ja, es ist nicht immer einfach, den Betroffenen zu erklären, warum wir in so vielen Bereichen weniger als andere Bundesländer machen können und im unteren Ausgabedrittel liegen. Aber nur so haben wir es geschafft, den Haushalt zu konsolidieren, so, wie es der Gesetzgeber vorgegeben hat. Nur

so konnten wir in den Jahren 2015 bis 2019 rund 1,3 Milliarden € Haushaltsüberschüsse erwirtschaften, für Sondervermögen verwenden und das große Sanierung- und Modernisierungsprogramm IMPULS auflegen - mit einer Planungssicherheit, wie es sie vorher nicht gab und die uns auch in den nächsten Jahren weiterhelfen wird.

Gleichzeitig ist es mitten in der Haushaltskonsolidierung gelungen, weitere große Herausforderungen zu meistern. Das Land wurde und wird seiner humanitären Verantwortung der Aufnahme und Integration von Geflüchteten jederzeit mit Mitteln für Unterbringung, Versorgung und Integration gerecht.

Wir haben es zusätzlich geschafft, mitten in dieser Haushaltskonsolidierung unser Bildungssystem zu stärken. Ich möchte den Kraftakt der Kita-Reform, den Aufwuchs von Stellen für Lehrkräfte bis hin zur Stärkung unserer Hochschulen, für die wir auch im Jahr 2021 erneut zusätzlich 5 Millionen € einplanen, erwähnen. Durch diese Kraftanstrengungen der letzten Jahre haben wir ein solides Fundament geschaffen. Nach zehn Jahren Haushaltskonsolidierung und Überwachung durch den Stabilitätsrat konnten wir sagen: Wir haben es geschafft!

Kaum war dieser Satz gesagt, kam die Pandemie. Eine maximale Herausforderung, die es unumgänglich macht, unseren Kompass neu zu justieren. Blitzartig ist die Debatte eines Altschuldentilgungsplans Schnee von gestern, stattdessen planen wir mit Milliarden neuer Schulden und müssen erst einmal dafür einen Tilgungsplan aufstellen. Im Vordergrund steht in der Debatte heute nicht mehr die schwarze Null, sondern das Ziel, unser Land sicher durch die Krise zu führen - mit weniger Steuereinnahmen als bisher geplant, mit der Verpflichtung, die Notkredite wieder zurückzuzahlen, mit dem Wissen, dass wir nach der Krise einen Konsolidierungsplan brauchen, mit der Auflage, dass wir künftig in Zeiten guter Konjunktur vorerst nicht vermehrt investieren können, weil wir auch die konjunkturell bedingten Schulden von rund 1,7 Milliarden € tilgen müssen, wenn die Zeiten wieder besser sind.

Hinzu kommt, unabhängig von der Coronakrise, dass wir noch eine Reihe weiterer großer Baustellen haben. Zur Ehrlichkeit der Debatte gehört auch, darüber zu reden. Wir haben Mehrausgaben durch die Bundesgesetzgebung, durch den Ausbau der Ganztagsbetreuung, durch Risiken in der Besoldung, wie im Finanzausschuss dargestellt, durch Investitionsverpflichtungen des Landes, die wir gegenüber dem UKSH übernommen haben, durch die Finanzierung von noch nicht finanzierten Rückla

(Ministerin Monika Heinold)