Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

(Präsident Klaus Schlie)

So hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung am 29. Oktober 2020 hier gesagt, dass gerade auch diese mittelbar betroffenen Unternehmen für uns ganz wesentlich sind; denn sie sind die Stütze des ganzen Systems, nicht nur die Hotels und Gastronomiebetriebe, die geschlossen worden sind, sondern auch alle, die da dranhängen, die Zulieferer sind, die am Veranstaltungsbusiness dranhängen. Das ist ein wichtiges Thema für uns.

Was dann aus Berlin kam, war, um es mit den Worten von Gabriel Felbermayr gestern Nachmittag zu sagen, handwerklich schwierig.

(Beifall FDP)

Es war auch in der Sache, jedenfalls aus unserer Sicht, unzureichend.

Was das Thema der mittelbar Betroffenen angeht, so waren nur diejenigen bedacht worden, die vom Grundsatz her Umsätze in Höhe von 80 % mit unmittelbar betroffenen Unternehmen machen. Das aber tun die allerwenigsten Unternehmen. Es ist eigentlich ausgeschlossen, dass man sich so auf eine einzige Branche oder ein einziges Unternehmen fixiert, dass man damit 80 % seiner Umsätze macht.

Das ist übrigens auch für Soloselbstständige eine Regelung, die mich dazu veranlasst hat, dem Bundeswirtschaftsminister zu sagen, eigentlich ist jemand, der als Soloselbstständiger 80 % mit nur einer Firma macht, scheinselbstständig und nicht soloselbstständig.

(Beifall FDP)

Deshalb kann man die Regelung, wie sie vorgesehen ist, eigentlich so nicht recht nachvollziehen.

Deshalb war es ganz wichtig, dass wir dafür gekämpft haben, dass nun auch diejenigen in die Unterstützung hineinkommen, die notfalls auch über Mittler in diese Geschäfte eingebunden sind. Der Messebauer, der keinen Vertrag mit dem Messeveranstalter hat, sondern mit einer Firma, die einen Messestand macht, ist ja mittelbar mindestens genauso betroffen, wie diejenigen Betriebe, die von der Schließung betroffen sind.

Es ist dann mit viel Druck gelungen, diese mittelbar Betroffenen, die über Vermittlung, also Veranstaltungsagenturen oder andere, betroffen sind, einzubeziehen. Das war der erste Erfolg, den wir erringen konnten.

Der zweite Erfolg war am vergangenen Freitag, dafür zu sorgen, dass nicht nur irgendwelche mittelbar von den Schließungsmaßnahmen Betroffenen einbezogen werden, sondern dass im Überbrückungs

hilfeprogramm III auch diejenigen, die mit ihren Umsätzen um mehr als 50 % eingebrochen sind, grundsätzlich einen Zuschuss bekommen können. Wir hätten uns auch mehr vorgestellt, wir hätten es gerne bei 30 % angesetzt, weil es auch schon eine gewisse Größenordnung ist. Immerhin ist es gelungen, die mittelbar Betroffenen in dieser Größenordnung einzubeziehen. Ich bin dankbar, dass uns das gelungen ist.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein wirklich herzliches Dankeschön gilt dabei, und das ist selten, da ich selten in unterschiedlichste Richtungen lobe, wenn es nicht um mich selbst geht,

(Heiterkeit)

in diesem Falle dem Einsatz des Ministerpräsidenten. Das möchte ich ausdrücklich sagen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wie man in der letzten Woche gesehen hat, ist es für einen Ministerpräsidenten nicht selbstverständlich, dass er sich den Forderungen der Wirtschaftsminister nicht nur anschließt, sondern dass er mit vorangeht und selbst die Gespräche führt, dass er mit den betroffenen Wirtschaftsunternehmen in Kontakt steht und eine eigene Expertise dazu entwickelt und weiß, worüber geredet wird.

(Heiterkeit FDP und SSW)

Das ist wirklich ein Ministerpräsident, der anders als viele andere Ministerpräsidenten seine Rolle wahrnimmt.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich will ein Dankeschön an dieser Stelle auch in eine andere Richtung sagen, und mich ganz besonders bei der Opposition bedanken. Mein Staatssekretär war mit Frau Midyatli in engem Kontakt, und auch darüber haben wir es geschafft, mit Einfluss zu nehmen. Serpil Midyatli, herzlichen Dank dafür, weil es so gelungen ist, von zwei Seiten Druck auf Berlin auszuüben, um diese Regelungen nachzubessern. Das war bitter nötig. Herzliches Dankeschön!

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

So ist nun auch eine kleine Einbeziehung der Soloselbstständigen gelungen, wenn auch die Einbeziehung der Soloselbstständigen in ein Neustart-Hilfeprogramm groß angekündigt wurde. Wenn wir ehr

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

lich sind, ist es ein schwieriges Thema. Mit einer Höchstgrenze von 5.000 €, die allerdings für den gesamten Zeitraum von rückwirkend November 2020 bis Ende Juni des kommenden Jahres gewährt wird, kommen wir auf Beträge von etwas über 700 € pro Monat, die man neben der Grundsicherung und möglicherweise neben anderen Fixkostenhilfen behalten darf. Aber ein richtig großes Programm zur Rettung der Soloselbstständigen ist das nicht. Immerhin ist es aber ein Anfang.

(Beifall FDP, Anette Röttger [CDU] und Christian Dirschauer [SSW])

Ich will allerdings nicht verhehlen, dass bei diesen Regelungen immer noch einige dabei sind, die nicht mit Zuschüssen oder anderen Hilfen ausgestattet sind. Diejenigen, die derzeit große Umsätze mit der Gastronomie, aber auch den mehrheitlichen Umsatz mit dem Handel machen, sind nicht mit ihrem Umsatz zu 50 % eingebrochen und haben somit keinen Anspruch auf Überbrückungshilfe III. Sie werden daher keine Zuschüsse in Anspruch nehmen können.

Die Förderhöchstsumme wurde erweitert. Bislang war sie auf 50.000 € pro Monat gedeckelt, nun beträgt sie 200.000 € je Monat. Das ist viel Geld. Gerade für die mittelständische Wirtschaft in Schleswig-Holstein sind 200.000 € für einen Monatsausgleich sehr viel Geld, aber es gibt auch einige mit Umsätzen in Millionenhöhe, die parallel zusehen müssen, wie ihr Eigenkapital wie die Butter in der Sonne schmilzt, und die auch in Schwierigkeiten geraten. Wir haben die Verantwortung, die Aufgabe, auch da über unsere Härtefallprogramme nachzusteuern und dafür zu sorgen, dass notfalls über Beteiligungen, über Darlehenskapital oder andere Themen auch in diesem Bereich Hilfe gewährt werden kann. Wir werden das weiterhin genau beobachten.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir stehen nun vor der Abwicklung der Programme, was sich ja, wie Sie alle sicher wissen, nicht so ganz leicht gestalten lässt. Schon für den Monat September wird eigentlich Überbrückungshilfe II gewährt. Das entsprechende Programm liegt vor, die Anträge können gestellt werden, können aber nach wie vor nicht bearbeitet werden; denn aus Berlin liegt die entsprechende Software zur Bearbeitung der Anträge noch nicht vor, weil Brüssel das Programm noch nicht notifiziert hat. Wir sammeln also zurzeit fleißig Anträge ein, können aber für

das, was ab September entschädigt werden soll, noch immer keine Auszahlungen vornehmen.

Der Bundeswirtschaftsminister hat angekündigt, dass all diejenigen, die für November Geld bekommen sollen, auch möglichst noch im November das Geld bekommen sollen. Bis jetzt haben wir noch nicht einmal ein Front-End dafür, und Abschlagszahlungen, die möglicherweise noch im November geleistet werden sollen, müssen auch bearbeitet werden. Ich hoffe, dass es noch gelingt. Angekündigt ist es, dass ab nächstem Mittwoch ein Portal zur Verfügung steht, sodass erste Abschlagszahlungen vielleicht schon im November geleistet werden können. In Wahrheit sind das dann Beträge von 5.000 € oder 10.000 € für den Monat November. Das ist für viele auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wir haben alles dafür vorbereitet, dass viele Menschen in der Abarbeitung mithelfen können. Über 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Landesministerien werden jetzt zusammengefasst, um die Abwicklung dieses Novemberhilfe- und Überbrückungshilfeprogramms einzuleiten. Diese Mitarbeiter haben bisher auch nicht nur dagesessen und nichts getan. Es wird deshalb an einigen Stellen - das sage ich ganz deutlich - in der Landesverwaltung Arbeit liegenbleiben müssen. Da wir aber wollen, dass die Unternehmen schnell an entsprechende Gelder kommen, haben wir die Verwaltung, und da bin ich den Kolleginnen und Kollegen, die alle ihren Beitrag geleistet haben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzustellen, sehr dankbar, in die Lage versetzt, jetzt auch handlungsfähig zu sein. Mit über 130 Mitarbeitern ist das ein guter Start.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Doris Fürstin von Sayn-Witt- genstein [fraktionslos])

Ich möchte noch drei Punkte nennen, die mir wichtig sind; denn am nächsten Mittwoch steht die nächste Ministerpräsidentenkonferenz an. So, wie sich die Inzidenzen zurzeit in Deutschland entwickeln, geht, glaube ich, heute niemand davon aus, dass sich große Lockerungsszenarien in Deutschland unmittelbar für Anfang Dezember einstellen werden.

Wer weiter an den entsprechenden Schließungen festhält, muss auch die Entschädigungen für die Unternehmen fortschreiben.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und AfD)

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Ich wäre dankbar dafür, wenn wir das nicht nach Soforthilfe I, Soforthilfe II, Überbrückungshilfe I, Überbrückungshilfe II, Überbrückungshilfe III und Novemberhilfe mit noch einem weiteren zusätzlichen Programm machen, sondern dann, wenn es so kommt, aus der November- eine November-/ Dezemberhilfe nach denselben Bedingungen machen. Denn alles andere überfordert die Verwaltung und würde nur zu Verzögerungen führen. Ich bitte jetzt schon daran zu denken, dass das praktikabel wird.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Ein Weiteres ist mir wichtig, und das ist gestern auch in der Anhörung gesagt worden und spielt eine wichtige Rolle. Wenn wir jetzt die Konjunktur anschieben wollen, verstehe ich viele, die jetzt ganz viel Strukturveränderung wollen. Aber beides hat nichts miteinander zu tun. Wer jetzt die Wirtschaft mit Forderungen nach strukturellen Veränderungen überfordert, lähmt den Erholungsprozess der Wirtschaft.

(Beifall FDP, CDU, AfD und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Deshalb bitte ich darum, dass wir alles versuchen, die Wirtschaft zu modernisieren, den Strukturwandel zu beschleunigen, aber die Hilfeleistungen nicht nur an diejenigen anzukoppeln, die dazu in der Lage sind, sondern allen zu helfen, denen jetzt geholfen werden muss.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Wenn Sie mir ein Drittes zu sagen gestatten: Da, wo sich die Möglichkeit der Vereinfachung ergibt, wäre es schlau, einmal an Vereinfachung zu denken. Wir haben für sehr viel Geld eine Mehrwertsteuerabsenkung bis zum Ende des Jahres vereinbart. Die Wirksamkeit dieser Mehrwertsteuerabsenkung ist zweifelhaft.

Aber wir haben parallel dazu in der Gastronomie für die Speisen, aber nicht für die Getränke, einen Umsatzsteuersatz, den wir erst auf 7 % und dann auf 5 % reduziert haben, während die Getränke weiterhin 19 % beziehungsweise 16 % kosten, und beim Außerhausverkauf ist es wieder anders. Wäre es nicht eine schlaue Idee, alle Lebensmittel, ob im Handel oder in der Gastronomie, mit dem abgesenkten Mehrwertsteuersatz zu versehen und so auch der Gastronomie zu helfen?

(Vereinzelter Beifall)

Ich mache einmal diesen Vorschlag. Ich sehe - nicht alle Vorschläge sind abgestimmt -, Monika Heinold ist nicht unbedingt dieser Auffassung. Das ist auch richtig so. Es ist ein Vorschlag. Wir sollten in diesen Zeiten jedenfalls auch über solche Vereinfachungen nachdenken. Ansonsten sind Monika Heinold und ich ein Herz und eine Seele, was die Einigkeit in Wirtschaftsdingen angeht. Aber bei solchen Vorschlägen darf es auch Unterschiede geben.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir in diesen Fragen weiter zusammenstehen, und als Parlament des Landes mit der Hilfe und Unterstützung aus allen Gruppierungen des Parlaments in Berlin gegebenenfalls Druck machen, damit es bei diesen Dingen vorangeht; denn wir haben in der letzten Woche lernen müssen: Ohne genügenden Druck aus den Ländern passiert an manchen Stellen zu wenig. Wir waren erfolgreich mit dem, was wir in der letzten Woche gemacht haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber wir müssen auch weiterhin erfolgreich bleiben. - Herzlichen Dank.