Wir können uns in keinem einzigen Fall für die Menschenrechte und für die Menschen vor Ort einsetzen, weil Druck aufgebaut wird. Deswegen plädiere ich dafür: Nutzen Sie Ihr Machtwort – nicht hier in Schleswig-Holstein –, nutzen Sie es im Europäischen Parlament!
Kommen wir zu einer gemeinsamen Lösung. Insbesondere Ihre CDU-Kolleginnen und ‑Kollegen verhindern dort gerade eine gerechte Verteilung und ein gerechtes Asylsystem in Europa. Das wäre mal eine Lösung, die wir gemeinsam hier anpacken können. Da wünsche ich mir das Machtwort des Ministerpräsidenten.
lich regelmäßig gefragt, was hier eigentlich abläuft. Wir haben nahezu täglich aus den Zeitungen neue Meldungen bekommen. Dabei haben wir uns zuletzt vor drei Monaten über genau dieses Thema hier im Plenum ausgetauscht.
„Wir werden uns als Landesregierung also zu der Einstufung beider Staaten enthalten. Das ist politisch geeint.“
So Ministerin Touré am 15. Juni 2023. Das war bisher mein Stand. Am 5. September 2023 titelte die sh:z: „Daniel Günther will Aminata Touré auf Kurs zwingen“. 7. September 2023, Kieler Nach richten:
Das ist Machtpolitik, die Absprachen im Kabinett rückwirkend verändert. Da kann man nur froh sein, wenn man nicht Minister im Kabinett Günther ist.
Aber was hat sich hier eigentlich wirklich verändert? Etwa die Lage in den jeweiligen Staaten oder die Zahlen der von dort Fliehenden oder das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten? – Weder noch ist das der Fall.
Ich habe kurz überlegt, ob ich meine Juni-Rede wortgleich noch einmal so halten kann. Hätte ich gekonnt. Die eigentlichen Veränderungen hat es in der Bundespolitik gegeben.
Die Bundesregierung möchte Georgien und die Republik Moldau nun als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Auch die Mehrheit im Bundesrat steht – ob Schleswig-Holstein zustimmt oder nicht.
Ich habe überlegt, ob ich noch einmal darauf eingehen soll, wie die Lage in Georgien und Moldawien derzeit ist. Ich habe überlegt, ob ich noch einmal darauf hinweisen soll, dass vor allem Minderheiten unter diesen Verfahren leiden werden, ob ich noch einmal darauf hinweisen soll, dass die Menschen in Georgien ernsthafte Sorge vor einer russischen Invasion haben und mit welchen Ängsten homosexuelle Menschen dort leben oder wie schlecht es um die Situation der Roma in der Republik Moldau steht.
Ich habe auch damit gerungen, inwiefern ich überhaupt auf die Neuerung im FDP-Antrag eingehen soll, in dem nun gefordert wird, auch Algerien,
Marokko und Tunesien als sogenannte sichere Herkunftsländer einzustufen, Länder, in denen homosexuelle Menschen staatlich verfolgt und für ihre sexuelle Orientierung mit Gefängnis bestraft werden.
Ich lege stattdessen den Fokus auf Folgendes: Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht in Deutschland. Das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten doktert daran herum. Es schränkt es ein, führt zu einer Beweislastumkehr und begrenzt das individuelle Recht auf Schutz. Deswegen finde ich es fragwürdig, wenn sich Politiker hinstellen und so tun, als täte man mit der Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten den Menschen einen Gefallen, die aus diesen Ländern kommen. Es geht dabei doch vor allem um ein bürokratisches Eigeninteresse, um verkürzte Verfahren.
Asylanträge von Menschen aus den als sichere Herkunftsstaaten geltenden Ländern werden in aller Regel als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Das heißt für die Schutzsuchenden, dass ihnen nur eine Woche statt wie regulär ein Monat Zeit bleibt, um gegen die Entscheidung Einspruch einzulegen. Für die Betroffenen kann das wirklich entscheidend sein. Überhaupt zu wissen, welche Rechte man hat, den nötigen Rechtsbeistand zu finden – das alles bei teilweise großen Sprachbarrieren –, ist nicht einfach. Das ist ganz klar ein Nachteil im Verfahren. Genau diese rechtliche Ungleichbehandlung finden wir als SSW falsch.
Ministerin Touré hatte in der Debatte im Juni ein paar Zahlen mitgebracht. Asylanträge aus Moldau und Georgien in diesem Jahr jeweils unter 50 – Stand Juni. Asylanträge aus den Maghreb-Staaten machen in ganz Deutschland 0,5 Prozent aller Asyl anträge aus.
Ist den Kommunen mit der Ausweisung weiterer Herkunftsstaaten geholfen? Leeren wir damit die Gemeinschaftsunterkünfte? Entlasten wir den Wohnungsmarkt? Daran, meine Damen und Herren, glaubt doch nun wirklich keiner.
Hat die Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten massive Auswirkungen für einzelne Individuen? Ohne Frage, das hat sie.
Könnte man daher von einer innenpolitischen Symbolhandlung sprechen, die individuelle Grundrechte einschränkt? Für mich sieht es ganz genau danach aus.
Wir möchten mit unserem Änderungsantrag anstoßen, dass diese offensichtliche Ungerechtigkeit geheilt wird. Wir sehen einfach keinen Sinn darin, wenn die Klagefristen gegen einen negativen Asyl
bescheid auf eine Woche verkürzt werden. Das Rechtsschutzverfahren muss aus unserer Sicht so laufen wie bei allen anderen auch. Ansonsten ist es kein individueller Schutz mehr. Das Verfahren, wie es bisher läuft, ist einfach nicht in Ordnung, meine Damen und Herren. Solange das so ist, können wir als SSW der Ausweisung weiterer sicherer Herkunftsstaaten nicht zustimmen.
Vor dem Hintergrund, dass sich keiner zu unserem Antrag geäußert hat – das kann ich verstehen, weil er relativ kurzfristig gekommen ist –, schlage ich vor, dass wir unseren Antrag in den Ausschuss überweisen,
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Wortbeiträge haben mich veranlasst, hier das Wort zu ergreifen. Das erste, Kollegin Midyatli, ist, dass die Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten in Artikel 16 a Absatz 3 des Grundgesetzes seine Verankerung hat.
Was in Artikel 16 a Absatz 1 geregelt ist, ist nichts, was gegen das Asylrecht spricht. Es ist höchstrichterlich entschieden, dass diese Ausweitung der Verfassung entspricht. Das muss man nicht ständig hinterfragen. Das ist entschieden.
Zweitens. Wir reden natürlich gern über das Recht auf politisch individuelle Verfolgung. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass in den Jahren 2021 und 2022 in Schleswig-Holstein jeweils genau 31-mal politisches Asyl gewährt worden ist, 31-mal Zuweisungen! Es hat über 1.000 Anerkennungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention gegeben, 1.500 nach einem sicheren subsidiären Schutz. Das politisch individuelle Recht auf Asyl macht inzwischen einen minimalen Anteil von allem aus. 31 Fälle in 2021 und in 2022.
Jetzt komme ich zum Kollegen Petersdotter, der gesagt hat, wir hätten diese Debatte nur wegen ihrer internen Koalitionsthemen angestoßen. Das ist mitnichten der Fall. Kollege Harms, was sich in den letzten Monaten, auch seit der letzten Debatte, verändert hat, ist die Tatsache, dass an den europäischen Außengrenzen etwas tobt, was wir seit 2015 so nicht mehr gesehen haben.
Frontex erwartet, dass sich die Zahl der Flüchtlinge des Vorjahres, also 2022 – da waren es schon wieder 330.000 Asylanträge beziehungsweise Menschen, die zu uns kamen –, im laufenden Jahr ver dreifachen könnte. Wenn sich das bestätigt, haben vor allem wir ein massives Problem. Denn auch das gehört zur Wahrheit: In Deutschland werden 30 Prozent aller Asylanträge gestellt, obwohl nach dem geltenden Asylrecht in Deutschland überhaupt gar kein einziger gestellt werden dürfte, weil die Anträge in den anderen Ländern der Europäischen Union gestellt werden müssen. 217.000 von den Menschen, die im letzten Jahr geflüchtet sind, befinden sich in der Bundesrepublik Deutschland.
Warum wohl, Kolleginnen und Kollegen? Weil wir ein Sehnsuchtsort für die sind. Das hat etwas damit zu tun, dass wir bestimmte Leistungen bieten, die andere in Europa nicht bieten. Deshalb sage ich an dieser Stelle, Herr Ministerpräsident – ich sage es auch in Richtung Grüne –, Folgendes: Ihre Spitze in Berlin, die ja auch mit diesen Themen ringt, bewegt sich in bestimmten Fragen massiv. Sie kann sich nicht nur so bewegen, wie Frau Haßelmann das heute Morgen im Morgenmagazin gesagt hat, als sie sagte: Das lösen wir alles mit Geld.
Wir werden in den nächsten Monaten noch zu weiteren Entscheidungen kommen müssen, denn wir werden sonst das Problem nicht in den Griff bekommen. Wir kommen beim nächsten Tagesordnungspunkt zu unserer Situation in den Kommunen.
Wir haben den Antrag gestellt, weil die Ausweisung von sicheren Herkunftsstaaten in Wahrheit etwas ist, was zwingend erforderlich ist – übrigens auch für die Maghreb-Staaten.