Protokoll der Sitzung vom 22.09.2023

Der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist spätestens mit der Istanbul-Konvention eine gesetzliche Aufgabe geworden, und solange es Gewalt an Frauen gibt und die Zahlen weiter steigen, wird es notwendig sein, das Schutzsystem konsequent auszubauen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, und ich danke für den gemeinsamen Antrag.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort der Kollegin Beate Raudies.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal bin ich es ein bisschen leid, immer wieder diese Zahlen herunterzubeten. Wir haben sie schon so oft gehört, aber rütteln sie uns überhaupt noch auf? Tun wir genug, um den Opfern zu helfen? Und tun wir genug, um die Taten zu verhindern?

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 240.547 Betroffene häuslicher Gewalt registriert, davon 157.818 im Kontext von Partnerschaftsgewalt. Das ist ein Anstieg der Partnerschaftsgewalt um mehr als neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 80 Prozent der Betroffenen, und das ändert sich nicht, sind weiblich. Gewalt gegen Frauen, häusliche Gewalt, ist heute kein Tabuthema mehr. Auch deswegen steigen die Zahlen, denn die Taten werden öffentlich. Sie werden angezeigt, und sie werden bestraft. Trotzdem bleibt noch so viel zu tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Zum Beispiel macht es mich fassungslos, was ich in der vergangenen Woche zum aktuellen Entführungsfall in den Medien gelesen habe. Wir werden darüber im Innen- und Rechtsausschuss noch sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben gemeinsam das Kompetenzzentrum gegen häusliche Gewalt auf den Weg gebracht. Dort wollen wir

die Maßnahmen gegen Gewalt bündeln, evaluieren, neue präventive Maßnahmen entwickeln, aber es wird noch eine Weile dauern, bis alle diese neuen Maßnahmen greifen. Und bis dahin? – Gewalt gegen Frauen ist eben kein Randphänomen mehr und noch nie eines gewesen, aber es ist auch keine Privatsache. Sie ist zentral in der Gesellschaft verankert. Jeden Tag werden Frauen durch Männer verletzt, misshandelt, traumatisiert oder getötet. Ihre Autos werden zerkratzt, ihre Wohnungen werden angezündet. Sie kriegen Spam-Mails auf dem Handy, es gibt keine Grenzen.

Oftmals erleben Kinder die Gewalt in der Partnerschaft mit. Sie werden teilweise selbst Opfer, und leider übernehmen sie manchmal auch Verhaltensweisen, weil es kein besseres Beispiel gab. Beispiele sind wichtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen ist es kein Spaß, wenn ein Ministerpräsident im Bierzelt sexistische Lieder grölt.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen dringend bessere Schutzkonzepte für Frauen. Wir müssen noch besser hingucken, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt. Wie und wo laufen denn Strafverfahren, Gewaltschutzverfahren, polizeiliche Gefahrenabwehr zusammen? Funktioniert überhaupt der Austausch von Informationen zwischen diesen unterschiedlichen Schutzsystemen, und wie kann man das noch verbessern? Liebe Kolleginnen und Kollegen, für all das werden wir vor allem eines brauchen, nämlich Geld.

Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen und alle anderen Einrichtungen brauchen verbindliche Planungssicherheit durch eine bedarfsgerechte Förderung. Die Bedarfsanalyse, zu der wir uns seinerzeit durchgerungen haben und für die wir bundesweit gelobt werden, beschreibt das ganz klar: mehr Frauenhausplätze, Erstattung der realen Miet- und Betriebskosten und noch sehr viele andere Dinge. Sie empfiehlt außerdem eine Verständigung mit den Kommunen. Da sind wir mit dem FAG auf einem guten Weg.

Alle staatlichen Ebenen sind bei dem Gewaltschutzthema gefordert. Deswegen ist natürlich eine Forderung an den Bund richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch das Land ist in der Pflicht. Unser Landesinvestitionsprogramm war so viel älter als das Bundesprogramm. Die 4 Millionen Euro haben wir gern mitgenommen, aber wir hatten uns ja vorher auch schon Gedanken gemacht. Da will ich gern noch einmal Sabine Sütterlin-Waack dan

(Catharina Johanna Nies)

ken, die in den letzten Jahren mit kreativen Ideen hinsichtlich sozialer Wohnraumförderung viel mehr Geld ausgegeben hat als im Investitionsprogramm stand.

(Beifall SPD, CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es geht im Verhältnis zu dem Landeshaushalt in Höhe von 14 Milliarden Euro nicht wirklich um viel Geld. Ja, es ist Geld, und wir haben auch schon ganz viel erreicht, aber wir brauchen irgendwie immer noch mehr. Wir wollen auch einmal nach vorn gucken und uns nicht immer nur dafür loben, was wir gemeinsam alles geschafft haben. Das ist toll, aber ich finde: Lasst uns kreativ gucken: Wofür brauchen wir noch mehr Geld? Mir persönlich wäre die Beteiligung des Bundes an den laufenden Kosten viel wichtiger als noch ein Investitionsprogramm. Darauf kann ich zur Not verzichten. Also: Lassen Sie uns doch darauf gucken. Ich persönlich werde nicht müde werden, dieses Haus und auch die Landesregierung immer wieder daran zu erinnern, um was es bei diesem Thema geht.

Jetzt habe ich in den letzten Tagen gelernt, dass sich die Koalition eigentlich finanziell hinsichtlich der Haushaltsberatungen nicht festlegen will. Umso mehr habe ich mich über den Vorschlag zu dem gemeinsamen Antrag gefreut. Deswegen unterstützen wir ihn auch gern. Aber ich sage noch einmal ganz klar: Das ist das Mindeste und nicht das Ende der Fahnenstange. Deswegen bitte ich auch, über unseren Ursprungsantrag abzustimmen, den Antrag, den wir als Alternativantrag eingebracht haben. Ich würde mich freuen, wenn unseren großen Worten und Bekenntnissen auch nachhaltige Taten folgen, nicht nur in Form von Geld, sondern auch in Form von vielen anderen Dingen, denn es geht um ein gewaltfreies Leben für die Frauen in unserem Land, und das sollte uns etwas wert sein. – Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Kollegin Annabell Krämer das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Schwarz-Grün präsentiert uns heute einen Antrag mit dem Titel: Finanzierung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen durch den Bund weiter sicherstellen. Er suggeriert, der Bund plane, sich aus der Finanzierung von Frauenfacheinrichtungen zu

rückzuziehen. Für 2024 werden 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, eine Verlängerung des Programms darüber hinaus wurde in Aussicht gestellt. Dass eine haushaltsrechtliche Zusage hierfür – bei Projekten – aufgrund des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens noch nicht erfolgen kann, wissen Sie ganz genau.

Sie haben hier gestern konkrete Zusagen selbst für den kommenden Haushalt verweigert. Der Bund hat nicht vor, sich aus der Finanzierung zurückzuziehen. Das weiß auch die Landesregierung. Ich zitiere:

„Als Ministerium sind wir am Runden Tisch ,Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen‘ von Bundesfamilien- und -frauenministerin Lisa Paus beteiligt. In den entsprechenden Arbeitsgruppen zur weiteren Entwicklung und Ausgestaltung der Regelungen und der Finanzierung wirken wir mit.“

Frau Ministerin Touré, hakt es etwa in der Kommunikation mit Ihrer Kollegin, der grünen Bundesministerin Paus? Sollten Sie hier einen Konflikt haben, bitte ich Sie herzlich, diesen nicht auf dem Rücken schutzsuchender Frauen auszutragen.

(Beifall FDP und SSW)

In Ihrem – zum Glück angepassten – Antrag war diese Forderung an den Bund übrigens der einzige inhaltsreiche Punkt. Der Antrag war wirklich dünne Suppe.

Wir haben uns gemeinsam im letzten Jahr darauf geeinigt, dass wir die Finanzierung der Frauenhäuser und Frauenfacheinrichtungen auch auf Landesebene stärken müssen. Wir Freie Demokraten haben im Januar deswegen die folgenden Anträge gestellt: erstens auf die Überführung der bisher jährlich neu über den Haushalt zu bewilligenden 750.000 Euro zur Förderung von Frauenfacheinrichtungen in den kommunalen Finanzausgleich. Da sage ich ganz ehrlich: Ich danke Ihnen für die Übernahme dieses Punktes von uns in Ihren jetzt neuen Antrag und dass Ministerin Touré ihre Zusage vom 18. Januar 2023 eingehalten hat. – Danke, Frau Ministerin!

(Beifall FDP und SSW)

Eine einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser und Frauenfacheinrichtungen über das Finanzausgleichsgesetz gewährleistet eine verlässliche und bürokratiearme Finanzierung; das bete ich jetzt schon seit Jahren rauf und runter. Die wichtige Entfristung der Arbeitsplätze in den Frauenfacheinrichtungen wird somit endlich möglich. Das ist ei

(Beate Raudies)

ne wunderbare Nachricht für unsere Frauenfacheinrichtungen.

Zweitens beantragen wir die Erhöhung der Zuweisungen zur Förderung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen gemäß § 23 FAG um weitere 1,25 Millionen Euro durch eine Erhöhung der Fi nanzausgleichsmasse.

Drittens haben wir eine jährliche Dynamisierung dieser zusätzlichen Mittel und der umgeschichteten Mittel um 2,5 Prozent gefordert. Für die Dynami sierung der umzuschichtenden Mittel sorgen Sie heute; auch dafür gilt Ihnen mein ganz herzlicher Dank.

Durch zusätzliche Frauenhausplätze und gestiegene Betriebskosten ergibt sich jedoch schon lange ein Finanzierungsdefizit. Es muss endlich gewährleistet sein, dass auch die Mitarbeiter in unseren Frauenhäusern anständig nach TVöD vergütet werden können. Die geforderten zusätzlichen Mittel hierfür lehnen Sie jedoch weiterhin ab. Dabei hat die Ministerin am 18. Januar 2023 in der Landtagsde batte auch zu dieser Forderung von uns Freien Demokraten wie folgt Stellung bezogen – ich zitiere –:

„Die FDP macht in ihrem Antrag sehr gute finanzielle Vorschläge, die aber leider für den Haushalt 2023 nicht mehr umsetzbar sind, für den Haushalt 2024 aber schon.“

(Ein Handy klingelt)

Entschuldigung, Frau Kollegin Krämer.

Können Sie meine Redezeit stoppen?

Ja, wir stoppen Ihre Redezeit selbstverständlich. – Ich darf die Kollegin bitten: Es gibt bei Handys eine Sonderfunktionstaste.

(Heiterkeit)

Ich will das nicht näher ausführen.

(Beifall)

Vielleicht können wir sonst noch eine Fortbildung anbieten. – Frau Kollegin Krämer, Entschuldigung, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident! – Ich wiederhole es noch einmal und zitiere:

„Die FDP macht in ihrem Antrag sehr gute finanzielle Vorschläge, die aber leider für den Haushalt 2023 nicht mehr umsetzbar sind, für den Haushalt 2024 aber schon.“

Schwarz-Grün hat damals unseren Antrag abgelehnt. Die Landesregierung hat die Umsetzung unserer Forderungen für 2024 aber angekündigt. Unsere geforderte Aufstockung der Landesmittel um 1,25 Millionen Euro deckt mitnichten die bestehen den Bedarfe in unserem Land. Zudem brauchen wir dringend weitere Frauenhausplätze; da sind wir uns doch alle eigentlich einig.

Es ist eine zentrale Aufgabe unseres Rechtsstaats, alle Frauen in diesem Land vor häuslicher Gewalt zu schützen.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und SSW)