Protokoll der Sitzung vom 27.02.2025

„Der Gesetzgeber hat bei der Wahl der Bemessungsgrundlage und bei der Ausgestaltung der Bewertungsregeln einer Steuer einen großen Spielraum, solange sie geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden.“

Damit war also das Hauptziel der Grundsteuerreform per Gerichtsurteil vorgegeben: eine realitätsgerechte Bewertung der Grundstücke.

(Annabell Krämer [FDP]: Das macht ihr ja nicht! – Ole-Christopher Plambeck [CDU]: Doch!)

Das alte Modell war verfassungswidrig, weil sich die Bewertung zu sehr von realistischen Marktwerten entfernt hatte und deshalb gegen das Gleichheitsbehandlungsgebot verstieß.

Die Tatsache, dass wir jetzt sehr große Sprünge haben, ist darin begründet, dass wir 60 Jahre nichts geändert haben. Eigentlich hätte alle sechs, sieben Jahre eine Neufeststellung erfolgen sollen. Die ist aber nicht erfolgt; die haben die Gesetzgeber in der Vergangenheit nicht gemacht. Sonst hätten wir eine ganz andere Situation, weil es immer im Mehrjahresabstand moderate Anpassungen gegeben hätte. Diese über 60 Jahre hinweg nachholend umzusetzen, hat uns das Bundesverfassungsgericht aufgetragen.

Die Ministerin hat schon sehr viel zu den Zielen gesagt, die hinter diesem Gesetz stehen. Deswe

gen verliere ich ein paar Worte zur Genese. Diese Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts waren nämlich im Gesetzgebungsprozess umzusetzen, und zwar mit Frist bis zum 31. Dezember 2019. Dabei gab es durchaus unterschiedliche Länderinteressen, die in das Bundesgesetz eingeflossen sind. Das mag man kritisieren, aber Föderalismus ist eben manchmal kompliziert und von unterschiedlichen Interessen bestimmt.

Am Ende gab es eigentlich einen weitgehenden Konsens, bis Bayern ausgeschert ist und eine Länderöffnungsklausel durchgesetzt hat. Damit hat sich nun ein Flickenteppich unterschiedlicher Modelle entwickelt, was den Aufwand in den einzelnen Modellen zum Teil deutlich erhöht hat, weil jetzt selber eigene Modelle auf die Beine gestellt wurden.

Monika Heinold hat sich als Finanzministerin des Landes, unabhängig von der Frage der Ausgestaltung, immer dafür eingesetzt, dass die Länder möglichst beieinanderbleiben und dieses Szenario vermeiden – am Ende leider vergeblich. Ob das bayerische Flächenmodell, das die FDP immer gefordert hat, den Leitgesetzen der realitätsgerechten Bewertung entspricht, indem es jegliche Wertsteigerung auf alle Zeiten ausklammert, bezweifle ich entschieden.

(Annabell Krämer [FDP]: Steigen die Mie- ten, steigen die Grundsteuern!)

Aber das werden die Gerichte entscheiden, denn auch gegen das Grundsteuergesetz in Bayern gibt es – wie in anderen Ländern auch – Klagen.

Ein weiteres Ziel der Grundsteuerreform war die Aufkommensneutralität für die Kommunen, denn es ging nicht um eine Steuererhöhung, sondern um eine Neuverteilung der bisher von den Kommunen erhobenen Steuersumme. Einerseits sollte diese wichtige Einnahmequelle nicht geschwächt, andererseits sollte das neue Gesetz auch nicht von Kommunen dazu genutzt werden, im Zuge der Reform unbemerkt von den steuerpflichtigen Eigentümerinnen und Eigentümern Mehreinnahmen zu erzielen. Dieses Ziel haben auch die kommunalen Landesverbände eindeutig unterstützt.

Die Landesregierung hat mit Veröffentlichung des Transparenzregisters offen kommuniziert, wodurch sich Aufkommensneutralität ergibt. Mit dem Transparenzregister kann also nachvollzogen werden, welche Änderung der Hebesätze auf die Grundsteuerreform und welche auf mögliche zusätzliche Finanzbedarfe einer Kommune zurückzuführen ist. Dabei ist völlig klar, dass die Hebesatzautonomie der Kommunen gewahrt bleibt, das heißt, dass die

(Ole-Christopher Plambeck)

Stadt- und Gemeindevertretungen wie bisher jedes Jahr neu entscheiden können, wie sie ihre Hebesätze bemessen, ganz unabhängig von der Grundsteuerreform.

Daher spricht für mich vieles dafür, dass die Ziele der Grundsteuerreform erreicht wurden. Doch für ein abschließendes Fazit müssen wir abwarten, bis das Grundsteuergesetz und die abweichenden Gesetze von Bundesländern, die die Öffnungsklausel gezogen haben, ausgeurteilt sind und die fiskalischen Auswirkungen auf die Kommunen längerfristig betrachtet werden können. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort der Kollegin Beate Raudies. – Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die meisten von uns sind in den letzten Wochen im Wahlkampf unterwegs gewesen, und an den Infoständen, an den Türen war das Thema Grundsteuer immer wieder eines, auf das man angesprochen wurde. Das neue Recht gilt seit Anfang des Jahres. Die Kommunen haben die Steuerbescheide verschickt – pünktlich zum Bundestagswahlkampf: 15. Februar ist Fälligkeitstermin. Kein Wunder, dass die Menschen Fragen haben und wir das Ziel dieser Reform immer wieder erklären müssen.

Auch das Parlament tut gut daran, regelmäßig das Handeln der Regierung zu hinterfragen und zu bewerten. Grundsätzlich ist so ein Bericht also sinnvoll. Doch, liebe Kollegin Krämer, ein fünfminütiger mündlicher Bericht scheint mir diesbezüglich nicht so richtig geeignet, und dann noch zu diesem Zeitpunkt. Die breite Datenlage, auf die Sie jetzt abstellen, haben wir noch gar nicht.

(Ole-Christopher Plambeck [CDU]: Genau!)

Kommunen können Grundsteuern im laufenden Jahr bis zum 30. Juni festsetzen. Mindestens diesen Termin hätten wir mal verstreichen lassen müssen, um zu wissen – –

(Zuruf Annabell Krämer [FDP])

Ja, und wenn das nur ein Mµ ist. Vielleicht verzieht dieses Mµ die Statistik. So fair muss man sein zu sagen: 30. Juni ist der Stichtag; darauf gucken alle. Ich habe übrigens auch allen Kommu

nalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern geraten, die mich gefragt haben: „Wie gehen wir denn jetzt mit dem Transparenzregister und in der Umsetzung um?“: Guckt zum Halbjahr, wo ihr steht. Wenn ihr dann das an Einnahmen für das halbe Jahr habt, was ihr haben wolltet, dann ist das gut; sonst müsst ihr korrigieren. – Das fordere ich dann auch ein. Das muss man hier auch noch mal sagen.

(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Ministerin für den Bericht, der nicht so wahnsinnig viel Erhellendes hat. Ich habe aber einen Vorschlag, nämlich, dass wir der Kollegin Krämer ein paar Stunden Bewertungsrecht spendieren, also eine Fortbildung im Bewertungsgesetz.

(Beifall Ole-Christopher Plambeck [CDU] und Dagmar Hildebrand [CDU])

Danke, da klatschen die Fachleute.

Ich durfte in meiner Laufbahnprüfung sogar eine sechsstündige Klausur darüber schreiben.

(Beifall Marc Timmer [SPD])

So einfach und so umfassend ist das. Da gab es immer pauschalierte Bewertungsgrundsätze. Ich kann doch gar nicht jedes Grundstück und jedes Haus in Schleswig-Holstein eins zu eins bewerten. Wer soll denn das machen? Wie groß soll dann die Steuerverwaltung werden?

(Annabell Krämer [FDP]: Auch die großen Bodenrichtwerte!)

Ja, auch die Bodenrichtwerte muss ich pauschalisieren. Auch da kann ich bei der Vielzahl der Grundstücke nicht für jedes Grundstück gucken. Das ist nachgebessert worden.

(Zuruf Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt die Möglichkeit des Einspruchsverfahrens, um das noch mal prüfen zu lassen. Wir tun gut daran, das zu monitoren, vielleicht in einem Jahr, um zu sehen: Wie hat sich das in den Kommunen entwickelt? Welche Wertverschiebungen haben wir? Aber jetzt, zu diesem Zeitpunkt, liebe Kollegin: Bundestagswahl war letzte Woche. Nicht mal dafür taugt heute dieser Punkt.

(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte etwas zu der wiederholten Kritik an dem Bundesmodell und dessen Umsetzung sagen. Ich habe mit großem Interesse den Artikel im Spie

(Oliver Brandt)

gel gelesen – letztes Jahr im Juli, glaube ich, war das.

(Unruhe)

Vielleicht hört ihr auch mal zu, aber egal. – Da wurde ein Ehepaar aus Stuttgart zitiert, dessen Grundstückswert in Baden-Württemberg sich, glaube ich, mehr als verzehnfacht hatte. Sie haben das ganz einfache Modell, aber seit 50 Jahren ein Grundstück in der Stuttgarter Innenstadt, das immer noch mit dem Wert von 1964 bewertet wurde. Das hat auch was mit der normalen Wertentwicklung zu tun. Das, was ich mir aufgeschrieben hatte, kann man alles nachlesen.

Ich möchte an dieser Stelle etwas zum Thema Messzahlen sagen, liebe Kollegen Plambeck und Brandt. Ich glaube, wir tun gut daran, uns das Thema dahin gehend noch mal anzugucken, möglichst noch in dieser Legislaturperiode, also vor dem nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt, ob wir nachsteuern könnten. Der Gesetzentwurf liegt jetzt im Finanzausschuss. Wir können ihn noch ein wenig liegenlassen und dann gemeinsam gucken, ob das ein Weg ist, vielleicht beim nächsten Mal etwas zu steuern, um diese Wertverschiebung zwischen Wohn- und Gewerbegrundstücken in den Griff zu kriegen. Das ist das eine, was ich sagen wollte.

Das andere ist, weil es zur Ehrlichkeit dazugehört: Wir haben das als Land, als Finanzverwaltung selber verbaselt. Die Umsetzung war nicht optimal; sie hätte besser laufen können. Zu glauben, dass für 1,3 Millionen Grundstücke alle Grundstücksbesitzerinnen und ‑besitzer in der Lage seien, mit einer vereinfachten Elster-Software umzugehen und nur sechs Daten einzutragen, war sehr optimistisch gedacht. Da hätte man viel Frust und viel Ärger abschürfen können. Wenn jedes Finanzamt mit zehn Leuten für drei Monate das Entgegennehmen von Steuererklärungen unterstützt hätte, hätten wir viel Frust im Land vermieden. Aber: verschüttete Milch!

Die Kritik an der Grundsteuer ist verständlich. Auch 100 Euro Grundsteuer sind für viele Leute eine Menge Geld, das man zusätzlich zahlen muss. Ich hoffe, dass die Kommunalverwaltungen in dieser Situation sensibel sind und damit so umgehen, dass sie, wo das geht, auch Ratenzahlungen oder Stundungen einräumen. Das gehört dazu; die Möglichkeit gibt es in der Abgabenordnung.

Durch die Neubewertung verschieben sich die Belastungen zwischen den Wohn- und den Gewerbegrundstücken, aber es verschieben sich auch die Belastungen zwischen den Nachbarn, vor allen Din

gen bei den älteren Grundstücken, bei denen man schon lange Eigentümer ist, und bei denen, die das Haus gegenüber, auf der anderen Seite der Straße, erst vor zwei oder drei Jahren gezahlt haben. So ist es in meiner Straße. Ich zahle mehr; die auf der anderen Straßenseite zahlen weniger, sie haben vorher mehr gezahlt. Insofern hat die Seite immer zwei Medaillen, und das gilt auch für die Grundsteuerreform.

(Beifall SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SSW-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Christian Dirschauer das Wort. – Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ab diesem Jahr gilt die neue Grundsteuer, und die allermeisten Menschen in Schleswig-Holstein haben das sozusagen schon am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Die Bescheide sind da. Insoweit finde ich es gar nicht dramatisch, Frau Raudies, dass wir heute über das Thema sprechen, weil es da draußen durchaus ein sehr emotionales Thema ist. Insoweit zunächst herzlichen Dank an die FDP, dass sie das Thema hier einbringt. Herzlichen Dank auch an die Ministerin für den Bericht, der zum jetzigen Zeitpunkt inhaltlich nicht ganz so umfassend sein kann.

Vieles ist schon gesagt worden. Die Grundsteuerreform bleibt weiterhin ein aufwendiges und umfangreiches Thema und Verfahren. Für uns liegen inzwischen – das sagte ich gerade – die Bescheide nach dem neuen Berechnungsakt vor, und nicht wenige Eigentümer und Mieter müssen deutlich mehr zahlen als zuvor und fühlen sich in Teilen in ihrer Immobilie ungerecht bewertet und behandelt. Das ist also eine Gefühlslage, die dort draußen existiert. Das müssen wir einfach anerkennen. Wir wissen auch, dass das letzte Wort an der Stelle noch nicht gesprochen ist, denn es sind nach wie vor viele Klagen anhängig, unter anderem vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Reform als solche.