Protokoll der Sitzung vom 15.09.2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen, insbesondere auch an die grüne Adresse gerichtet, wenn Sie das Recht auf Mitsprache im Bundesrat nicht einklagen, ist die im Koalitionsvertrag festgehaltene Absage an Laufzeitverlängerungen das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zurufe. - La- chen des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Das ist eine Politik der dicken Arme, bei der Sie sich wegducken. Ehrlich gesagt, so eine Politik braucht niemand hier in diesem Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Atomenergie ist unserer Auffassung nach keine Brücke ins solare Zeitalter. Auf der Grundlage der bestehenden Beschlüsse der Bundesregierung ist sie bestenfalls ein 20 Jahre dauernder Umweg, schlimmstenfalls eine Sackgasse, in jedem Fall aber ein politischer Irrweg. Wir fordern die saarländische Landesregierung auf, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass dieser Irrweg nicht beschritten werden kann. Klagen Sie gegen eine Nichtbeteiligung im Bundesrat!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rehlinger. Ich eröffne nun die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Günter Heinrich von der CDU-Landtagsfraktion.

(Zurufe und Sprechen bei der SPD.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Rehlinger, viele von den kritischen Bemerkungen zur Kernenergie, die Sie eben gemacht haben, darf ich durchaus als fraktionsübergreifende Geschäftsgrundlage in diesem Hause ansehen. Aber ich glaube, Frau Kollegin Rehlinger, auch heute ist hier nicht der Platz, um ein Horrorszenario zu zeichnen. In Ihre sachliche Bewertung hätte hineingehört, dass weltweit über 400 Atomkraftwerke in Planung oder im Bau sind. In die Bewertung hätte auch hineingehört, dass gerade zur Entsorgungsfrage in einer überregionalen Zeitung heute Morgen Folgendes dringestanden hat. Es sei eine Entwicklung im Gange, dass in zirka 15 Jahren der Atommüll weitestgehend seiner Gefährlichkeit beraubt werden kann,

(Abg. Rehlinger (SPD) )

(Lachen bei der SPD)

dass er auch wieder dazu verwendet werden kann, Energie zu erzeugen.

(Weiter Lachen bei der SPD.)

Das hätte in eine sachliche Bewertung hineingehört.

Meine Damen und Herren, zentrales Thema ist die Gestaltung der Zukunft unserer Energieversorgung. Es ist ein Thema, dass seit Wochen und Monaten diskutiert wird. Man streitet über den richtigen Weg. Es besteht ein großer gesellschaftlicher Konsens, dass Pfeiler unserer Energieversorgung die erneuerbaren Energien sein sollen. Das hat einen sachlichen Grund, der ganz einfach darin liegt, dass unsere Ressourcen endlich sind, dass unsere Ressourcen 2040/50 weitestgehend aufgebraucht sein werden. Deshalb ist es erforderlich, die Energiewende einzuleiten.

(Belustigte Zurufe von der SPD.)

Hinsichtlich der Kompetenz in unserer Republik darf man sagen: Keine andere Nation hat die intellektuellen und fachlichen Ressourcen, diese Wende gestalten zu können, wettbewerbsfähige Energiepreise zu erreichen und dabei gleichzeitig ein hohes Wohlstandsniveau in dieser Republik zu erhalten.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die beiden korrespondierenden Anträge hinsichtlich der Laufzeitverlängerung, die von der SPD und von den Koalitionsfraktionen vorgelegt worden sind, ansehen, ist Folgendes festzustellen. In dem SPD-Konzept ist die Äußerung enthalten, dass erneuerbare Energien in Zukunft durch das Energiekonzept der Bundesregierung nicht mehr verstärkt gefördert werden. Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Wenn man in dieses Energiekonzept hineinschaut, wenn man sich das Finanzierungskonzept zu diesem Energiekonzept ansieht, dann ist dort nachzulesen, dass für die Förderung erneuerbarer Energien und die Verbesserung der Energieeffizienz 2011 bis 2012 jeweils 300 Millionen Euro in einen Sonderfonds investiert werden, 2013 bis 2016 jeweils 200 Millionen Euro, ab 2017 9 Euro pro Megawattstunde Energie, die durch die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke entsteht.

(Zuruf von der SPD.)

Durch die Versteigerung der Emissionszertifikate werden bei einem Zertifikatspreis von 15 Euro ab 2013 rund 2,5 Milliarden Euro in den Fonds einbezahlt, bis 2020 absinkend auf jeweils 2 Milliarden Euro. Die verschiedenen Ressorts der Bundesregierung bringen jährlich insgesamt 600 Millionen Euro in einem Fonds auf, der ausschließlich dazu dient, die Entwicklung marktreifer erneuerbarer Energien hervorzubringen. Ich glaube, das ist ein beachtli

ches, ein ambitioniertes Programm, das heute hier Erwähnung finden sollte.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, wenn Sie auch die überörtliche Presse lesen, werden Sie wissen, dass das Programm ein auch im weltweiten Vergleich einzigartiges Konzept darstellt. In unseren europäischen Nachbarländern beneidet man uns darum, dieses Konzept erstellt zu haben.

(Zuruf des Abgeordneten Jost (SPD).)

Man ist auch froh, das Rad nicht zweimal erfinden zu müssen. Man kennt die hohe Kompetenz, die in der Bundesrepublik vorhanden ist. Man akzeptiert unsere Vorreiterrolle. Man will sich auch im eigenen Land letztendlich mit diesem Vorhaben beschäftigen.

Ich glaube, unsere heutige Diskussion wäre verkürzt, würden wir ausschließlich über die Laufzeitverlängerung sprechen,

(Abg. Maas (SPD) : Das tun Sie ja definitiv nicht!)

ohne den Inhalt des Energiekonzeptes abzuprüfen. Die Bundesregierung verfolgt mit diesem bis 2050 reichenden Energiekonzept durchaus ambitionierte Ziele. Sie sind zum Teil schon in der Presse veröffentlicht worden, nichtsdestotrotz möchte ich auch an dieser Stelle auf sie hinweisen.

(Abg. Maas (SPD) : Warum stimmen Sie denn dann im Bundesrat nicht für diese ambitionierten Ziele?)

Sie können sich gerne zu Wort melden, Herr Maas. Sie haben die ganze Zeit noch nichts gesagt, daher könnten Sie sich durchaus zu diesem Punkt einmal zu Wort melden.

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch soll bis 2050 den Wert von 60 Prozent erreichen, ihr Anteil am Stromverbrauch 80 Prozent. Die Minderung der Treibhausgase bis 2050 soll bei 80 Prozent liegen. Die Gebäudesanierung wird als eine Jahrhundertaufgabe angesehen. Wir haben derzeit eine Sanierungsrate von einem Prozent, sie soll auf zwei Prozent erhöht werden. Dies geschieht angesichts des Umstandes, dass der Endenergieverbrauch von Gebäuden bei circa 40 Prozent liegt.

Meine Damen und Herren, im Energiekonzept der Bundesregierung sind 60 konkrete Einzelmaßnahmen aufgeführt, durch die erneuerbare Energien in der Bundesrepublik eingeführt werden sollen. Es sind vier wichtige Handlungsfelder aufgezeigt, erstens der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Ausbau der Stromnetze und der Ausbau der Energiespeicher, zweitens die Erhöhung der Energieeffizienz, eine Schlüsselaufgabe, drittens die energetische Gebäudesanierung und viertens die Rückfüh

(Abg. Heinrich (CDU) )

rung des Anteils der Kernenergie und der auf fossile Energieträger setzenden Kraftwerke in der Bundesrepublik.

Meine Damen und Herren, die erneuerbaren Energien sollen zum Hauptbestandteil unserer künftigen Energieversorgung werden. Es führen viele Wege nach Rom und immerhin einige Wege hin zu einer autarken Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien. Es gibt aber eben mehr als nur einen Weg zu diesem Ziel. Der eine Weg ist der von der Bundesregierung mit ihrem Energiekonzept vorgeschlagene Weg, bei dem Kernkraft und Kohle als Brückentechnologien dienen. Ein anderer Weg ist der Weg, bei dem auf die Kernenergie künftig verzichtet wird. Nach dem, was man in Fachkommentaren liest und in der Unterhaltung mit Fachleuten erfährt, halten sich die Vorlieben ungefähr die Waage. Es gibt diejenigen, die präferieren, dass wir Kohle und Kernenergie als Übergangstechnologien beim Übergang ins Zeitalter der erneuerbaren Energien ansehen. Und es gibt diejenigen, die sagen, dass wir heute schon darauf verzichten können.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Haben Sie das denn mit Ihrem Koalitionspartner abgesprochen?)

Das mag der ambitioniertere Ansatz, der vielleicht auch innovativere Ansatz sein. Aus meiner Sicht birgt dieser Ansatz aber durchaus auch Risiken, stellt ein Wagnis dar, insbesondere mit Blick auf die Versorgungssicherheit und die Energiepreise. Der Weg ohne Kernenergie, aber mit Kohle und CCSTechnologie, kann ein Weg sein, das Ziel 2050 zu erreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Abg. Maas (SPD) : Ich habe den Eindruck, dass das jedenfalls nicht Ihr Weg ist!)

Das ist ein Weg, der durchaus beschwerlich zu nennen ist, wenn das Konzept der Bundesregierung umgesetzt wird.

Betroffen sind auch die Positionen der Gemeindeund Stadtwerke. Sie haben im Vertrauen darauf, dass 2020 der Vertrag über die Laufzeit der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik beendet sein wird, Investitionen vorgenommen, um eine eigene Energieversorgung insbesondere auch im Bereich der Mittel- und der Spitzenlast darstellen zu können. Ihre Sorge, dass sie im Falle der Umsetzung eines solchen Konzeptes, im Falle der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke, im Wettbewerb nicht mehr mithalten können, ist aus heutiger Sicht durchaus als berechtigt anzusehen.

(Zuruf von der SPD: Die werden betrogen.)

Können Sie das Wasser nicht mehr halten? Warten Sie doch noch ein bisschen!

(Zuruf: Aha, jetzt kommt er mit der Wasserkraft! - Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, wir haben einen Koalitionsvertrag. Dazu ist heute hier schon einiges durch den Kollegen Hubert Ulrich ausgeführt worden. In diesem Koalitionsvertrag haben wir uns klar festgelegt, dass wir in dieser Legislaturperiode am Beschluss, aus der Kernenergie auszusteigen, festhalten werden. Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen, dass diese Position in meiner Partei nicht unumstritten ist. In meiner Partei gibt es durchaus auch andere Positionen.

(Zuruf von der SPD.)

Ja, dazu kann man stehen. Wir sind eine Volkspartei, und in einer Volkspartei ist es durchaus zulässig, dass es auch andere Strömungen gibt, dass es andere Ansichten gibt. Auch zu der hier besprochenen Fragestellung ist in unserer Partei eine andere Ansicht vertreten. Dafür muss man sich heute auch keineswegs schämen. Wir haben einen Koalitionsvertrag geschlossen. Zu diesem Koalitionsvertrag werden wir stehen, auch heute.

Meine Damen und Herren, wir werden heute entsprechend der Position, die wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben, beschließen. Von der im SPD-Antrag enthaltenen Forderung, gegen die Laufzeitverlängerung einen verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen, werden wir Abstand nehmen.

(Zuruf von der SPD: Schlechte Erfahrungen ge- macht?)

Zum einen gibt es zu dieser Frage unterschiedliche Rechtspositionen. Zum anderen muss man sich nach meiner Meinung auch mit dem Gedanken befassen, dass, ginge ein solcher Antrag beim Bundesverfassungsgericht durch, durchaus auch die Gefahr bestehen könnte, dass auch der ursprüngliche Beschluss, wonach 2020 aus der Kernenergie ausgestiegen wird, Gegenstand einer Klage beim Bundesverfassungsgericht wird. Das könnte letztlich dazu führen, dass wir weder eine Laufzeitverlängerung haben noch eine Laufzeitbefristung, dass also von den Vereinbarungen überhaupt nichts mehr übrigbleibt. Im Ergebnis könnten Kernkraftwerke, sofern ihr Betrieb im Rahmen der geltenden Gesetze stattfindet, weiterhin am Netz bleiben.

Angesichts dessen halten wir es für opportun, zunächst einmal eine Prüfung vorzunehmen, welche Erfolgsaussichten eine solche Klage hätte

(Abg. Rehlinger (SPD) : Wer soll das denn prüfen? Das ist doch schon geprüft!)

und welche Konsequenzen aus einer solchen Klage, sollte ihr stattgegeben werden, resultieren könnten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.