Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

(Oh-Rufe bei der SPD. - Abg. Commerçon (SPD) : Aha!)

Müller nach der Wahl: „Am Atomausstieg ist festzuhalten.

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen. - Abg. Commerçon (SPD) : Aha!)

Gesetzesinitiativen, die die Verlängerung der Nutzung der Atomkraft zum Ziel haben, wird das Saarland im Bundesrat nicht zustimmen“. - Wollen Sie das Land jetzt in die Steinzeit führen? In Ihrer Regierungserklärung geben Sie sich noch nicht einmal die Mühe, diesen Sinneswandel zu erklären. Wie sollten Sie auch? Das ist nicht nur Beliebigkeit, das ist einfach ein Super-GAU für die politische Kultur in diesem Land.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Zweites Beispiel Schuldenbremse. - Das ist das Ding, das Sie vor der Wahl noch in die saarländische Verfassung schreiben wollten, falls Sie sich noch erinnern. Müller vor der Wahl: „Zur Schuldenbremse gibt es keine Alternative. Wir sind bereit, die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020 zu garantieren“. Herr Schreier, der bezeichnenderweise in Zukunft für Glücksspiel zuständig ist,

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen)

rückte die kritische Haltung der SPD damals in die Nähe des Landesverrates. - Müller nach der Wahl: „Aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise und der damit verbundenen Einnahmenverluste ist für die Schuldenbremse die Geschäftsgrundlage entfallen. Zusätzliche Belastungen des Haushaltes zur Steuersenkung des Bundes können die Möglichkeiten zur Einhaltung der Schuldenbremse infrage stellen“.

Da kann man sich schon einmal die Augen reiben. Dass die Wirtschafts- und Finanzkrise zu Steuerausfällen führt, ist Ihnen auch vorher bekannt gewesen. Wir haben immer darauf hingewiesen. Dass Sie nun aber die drohenden Einnahmeausfälle durch die Steuerpläne von Schwarz-Gelb als Grund für Ihre Kehrtwende anführen, schlägt wirklich dem Fass den Boden aus. Im Bundestagswahlkampf sind Sie selbst für diese Steuersenkungen eingetreten. In Berlin haben Sie dem Koalitionsvertrag in diesem Punkt zugestimmt.

Jetzt inszenieren Sie hier Ihre Betroffenheit. Dieses Schauspiel ist nur noch mit fortgeschrittener politischer Schizophrenie zu erklären und mit sonst nichts.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Drittes Beispiel, Ganztagsschulen. Auch ein Thema, um das in den letzten Jahren sehr grundsätzlich, teilweise sogar ideologisch gestritten wurde. Müller vor der Wahl: „Ganztagsschulen sind Zwangstagsschulen. Die vereinigte Linke plant den bildungspolitischen Einheitsbrei auf niedrigem Niveau.“ Müller nach der Wahl: „An Standorten mit mehreren Schulen gleichen Typs sollen schrittweise Ganztagsschulen errichtet werden können.“ Und so weiter und so weiter.

Herr Trittin hat über Sie, Herr Müller, gesagt: Er wäre sogar aus der CDU ausgetreten, um an der Macht zu bleiben.

(Heiterkeit bei den Oppositionsfraktionen.)

Ihr eigener Parteifreund Herr Mappus, der zukünftige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, meinte: „Jamaika im Saarland finde ich unterirdisch, denn in der Politik muss es Grenzen geben - -“

(Zuruf von der CDU.)

Stimmt es oder stimmt es nicht?

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Es sollte Ihnen zu denken geben, wenn es so ein weites Spektrum ist, das diese Meinungen vertritt.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Mappus sagte: „Jamaika im Saarland finde ich unterirdisch, denn in der Politik muss es Grenzen geben, weil man für den Machterhalt nicht alles tut“. Sie, Herr Müller, haben alles getan, um im Amt zu bleiben. Es mag sein, dass eher einfältige Beobachter sogar glauben, ein solches Verfahren als „gewieft“ bezeichnen zu können. Kurt Tucholsky hat einmal gesagt: „Es gibt Leute, die wollen lieber einen Stehplatz in der ersten Klasse als einen Sitzplatz in der dritten. Es sind keine sympathischen Leute“. - Schade, dass Tucholsky Sie nicht kennengelernt hat.

Mag sein, Herr Müller, dass Sie den Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten gewonnen haben. Ihre Glaubwürdigkeit und Ihre politische Integrität haben Sie verloren. In diesem Land werden Ihnen die Menschen nichts, aber wirklich gar nichts mehr glauben!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, auch die GRÜNEN werden diese Koalition verändern. Dabei sei vorausgeschickt, dass die GRÜNEN selbst zu entscheiden haben, mit wem sie Koalitionen eingehen und mit wem nicht. Auch die SPD hat keinen Anspruch da

(Abg. Maas (SPD) )

rauf, dass die GRÜNEN immer nur mit uns gehen. Nur sollten die GRÜNEN dann im Saarland nicht so tun, als ob ihre Entscheidung für Schwarz-Gelb wahrhaft politische Gründe hätte.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Dabei will ich mich gar nicht so sehr mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit Herr Ostermann die Aktivitäten von Herrn Ulrich beeinflusst hat. Zumindest scheint Ostermann für Sie eine Art Mischung aus Osterhase und Weihnachtsmann zu sein.

(Vereinzelt Lachen und Beifall bei den Oppositi- onsfraktionen.)

Tatsache bleibt aber eines: Wenn jemand wie Sie, Herr Ulrich, der hier schon einmal Geldscheine ins Plenum geworfen hat, als es um andere ging, selbst monatlich 1.500 Euro fürs Nichtstun kassiert hat, dann ist das eine erbärmliche Entwicklung vom Paulus zum Saulus.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn gesagt wird, es gehe um Verlässlichkeit - in diesem Zusammenhang ist ja insbesondere immer der Name von Frau Spaniol genannt worden, die ihre Partei verlassen hat und in eine andere gegangen ist -, dann darf ich dazu anmerken: Wenn es hier jemanden gibt, der eine Partei verlassen hat, um in einer anderen Karriere zu machen, dann sitzt er auf dieser Regierungsbank und heißt Weisweiler. Der hat die CDU unter großem Tamtam verlassen und in der FDP richtig Karriere gemacht. Auch dieses Argument ist folglich beliebig.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, die Veränderung der GRÜNEN ist schon deutlich geworden, da war die Koalition noch gar nicht beschlossen. Dass die GRÜNEN den Beschluss ihrer schwarz-gelben Partnerkoalition in Berlin, die Restlaufzeiten für Kernkraftwerke zu verlängern, hier noch nicht einmal kommentiert haben, ist schon bezeichnend. Aber noch viel bemerkenswerter ist eine andere Entwicklung. Vor einigen Wochen, während der hiesigen Koalitionsgespräche, hat Herr Müller gefordert, ausländischen Mitbürgern, die nicht bereit sind Deutsch zu lernen, die Sozialleistungen zu kürzen. Auf entsprechende Presseanfragen dazu haben die saarländischen GRÜNEN sich wie folgt geäußert: Man habe zurzeit keine freien Kapazitäten, um sich dazu eine Meinung zu bilden.

(Lautes Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Früher hätte Frau Willger-Lambert wahrscheinlich mit viel Tremolo in der Stimme ihre ganze Abscheu gegen eine solche Stimmungsmache zum Ausdruck gebracht. Heute nichts! Ich sage Ihnen: Wer dazu schweigt, stimmt zu. - So weit sind Sie bei den saarländischen GRÜNEN!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir bleiben in diesem Punkt verlässlich. Wir werden uns auch in Zukunft dagegen wehren, dass ausländische Mitbürger für mangelnde Deutschkenntnisse bestraft werden, dass ihnen Sozialleistungen gekürzt werden. Darauf können sie sich bei uns verlassen, bei anderen nicht mehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sowohl in Ihrem Koalitionsvertrag als auch in Ihrer Regierungserklärung werden wesentliche Zukunftsfragen unseres Landes nicht beantwortet. Zunächst zur Finanzsituation. Ich habe bei den Ausführungen, die Sie eben gemacht haben, und auch bei dem, was im Koalitionsvertrag drinsteht, kein Licht am Ende des Tunnels erkennen können, keine Perspektive. Mittlerweile sind Sie so weit, dass Sie als Ziel ausgeben, im nächsten Haushalt die Nettokreditaufnahme möglichst unter 1 Milliarde Euro halten zu wollen. Welch ein Anspruch! Und wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie freuen sich auf die Vorschläge aus der Opposition, aber selbst eine Haushaltsstrukturkommission einsetzen, die Ihnen die Vorschläge erarbeiten soll, dann ist das ein Hinweis darauf, wie seriös Ihre Finanzpolitik noch ist. Zum Schwur wird es bereits beim nächsten Haushalt kommen, und ich hoffe nicht, dass darauf der Offenbarungseid folgt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema, über das wir in den vergangenen Jahren auch in diesem Haus sehr häufig gestritten haben, ist die Weiterentwicklung der prekären Beschäftigung. Wir wissen, dass im Saarland geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in den letzten Jahren stärker gewachsen sind als in anderen Ländern. Nirgendwo ist die Leiharbeit so gestiegen wie bei uns. Wir haben jetzt eine Entwicklung - deshalb ist das Thema so wichtig -, dass Unternehmen überlegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlassen. Einige, so höre ich, planen, einen Teil der Stammbelegschaftsmitglieder zu entlassen, um anschließend, wenn die Krise bewältigt ist, diese zu ersetzen durch Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter - für weniger Geld, mit weniger Kündigungsschutz. Es werden keine dabei sein, die unter den Kündigungsschutz, die Tarifbestimmungen fallen.

Deshalb bleibt für uns das Thema „prekäre Beschäftigung“ ein großes Thema. Es reicht nicht, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie sind gegen Dumping-Löhne. Wir brauchen eine Regierung, die sich gegen den massenhaften Missbrauch der Leiharbeit wehrt und sich dafür einsetzt, dass es in Deutschland endlich gesetzliche Mindestlöhne gibt, sonst wird es auch in Zukunft immer wieder Dumping-Löhne geben.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

(Abg. Maas (SPD) )

Bei dem, was Sie zu den Kommunen gesagt haben, weiß ich noch nicht, ob es eine Drohung ist oder ein Angebot. Partnerschaft und so weiter, alles Dinge, die wir in der Vergangenheit auch immer wieder gehört haben. Trotzdem sind in den letzten fünf Jahren den Kommunen über 300 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich vorenthalten worden. Wenn das so weitergeht, wird die existenzielle Partnerschaft zwischen Land und Kommune auseinanderbrechen. Deshalb muss Schluss sein mit dem Griff in die kommunalen Kassen; die Kommunen haben ein Anrecht darauf, insbesondere auch aufgrund der Tatsache, wie in den letzten Jahren mit ihnen verfahren wurde.

Ich will zu einem kommunalen Projekt, das nicht nur ein kommunales, sondern auch ein Landesprojekt ist, noch etwas sagen. Sie haben die „Stadtmitte am Fluss“ angesprochen. Sie stünden dafür oder wie auch immer: Das Projekt wird nach der Entscheidung der Europäischen Kommission noch einmal neu bewertet. Ich kann mich daran erinnern: Als der frühere Bundesverkehrsminister Tiefensee 60 Millionen Euro für dieses Projekt locker gemacht hat, sagten die CDU und die Landesregierung, das sei doch viel zu wenig, das sei doch viel zu gering dimensioniert für dieses Projekt.

(Zuruf.)

Wenn dem so ist, bin ich mir sicher, dass das Geld, das noch fehlt, bei Herrn Ramsauer, der auch aus der Union kommt und der angekündigt hat, dass es jetzt einen Aufbau West geben wird, von Ihnen besorgt wird. Wir werden da genau hinschauen.

Jetzt wird sich zeigen, ob Sie lediglich große Töne spucken oder nicht.

(Vereinzelt Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie haben viel zum Thema Bildung gesagt. Das ist auch notwendig, weil Bildung das große Megathema ist. Das haben wir in den letzten zehn Jahren immer wieder gehört. Sie haben hier gesagt, dass in Zukunft Bildung unabhängig sein soll vom Geldbeutel der Eltern. Ich erinnere mich aber an die letzten zehn Jahre. Die Schulpolitik und die Bildungspolitik, die Sie gemacht haben - insbesondere aber nicht nur beim G 8 -, hat doch dazu geführt, dass die Nachhilfeinstitute aus dem Boden gesprossen sind. Viele Kinder mussten diese Nachhilfeinstitute besuchen, um die Defizite Ihres Bildungssystems auszugleichen. Und das führte zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die sich das leisten konnten - egal ob sie intelligent oder fleißig waren -, das getan haben und diejenigen, die sich das nicht leisten konnten, davon ausgeschlossen waren. All das, was Sie hier angekündigt haben, ist allenfalls das Bekämpfen der Probleme, die Sie in den letzten zehn Jahren geschaffen haben. Und deshalb setze ich hinter alles ein