Heiko Maas
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann ja verstehen, dass es den Abgeordneten der GRÜNEN und der FDP nicht recht ist, dass es Neuwahlen gibt, aber ich will aus Gründen der Wahrheit doch einmal auf Folgendes hinweisen: Die Tatsache, dass es Neuwahlen gibt, haben die Saarländerinnen und Saarländer in erster Linie Ihnen zu verdanken.
Wir sind nämlich bisher an keiner Regierung beteiligt gewesen, die gescheitert ist, und dass es wahrscheinlich am 25. März in diesem Land zu Neuwahlen kommt, hat in erster Linie etwas damit zu tun, dass eine Regierung auseinandergeflogen ist, die diesen Namen eigentlich nie verdient hat.
Weil der Kollege Lafontaine die Angelegenheit auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ange
sprochen hat, will ich noch einmal sagen, dass unsere Vorgehensweise verfassungsrechtlich völlig unproblematisch ist. 1994 ist der Landtag ebenfalls aufgelöst worden, obwohl damals die Regierung weiterhin funktioniert hat. Das Parlament ist nur deshalb aufgelöst worden, weil der Landtagswahltermin mit dem Bundestagswahltermin zusammengelegt werden sollte und die reguläre Landtagswahlperiode einige Wochen länger gedauert hätte. Also wenn man eine funktionierende Regierung hat und den Landtag trotzdem auflöst, dann ist es verfassungsrechtlich erst recht nicht nur richtig, sondern sogar geboten, ihn aufzulösen, wenn das Land überhaupt keine Regierung mehr hat. In diesem Zustand befinden wir uns jetzt. Es ist also verfassungsrechtlich völlig unproblematisch, ja sogar geboten, in einem solchen Fall das Parlament aufzulösen.
Meine Damen und Herren, es wurde hier über die Koalitionsaussagen gesprochen und darüber, dass es anscheinend nicht möglich ist, Wahlen durchzuführen, wenn sich zwei Parteien für eine große Koalition aussprechen. Ich will einmal sagen: Koalitionsaussagen treffen Parteien, und wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl sagen, was wir nach der Wahl machen. Koalitionsfestlegungen kann jede Partei so treffen, wie sie es für richtig und vernünftig hält. Es kann hier nicht ernsthaft die Auffassung vertreten werden, dass man sich vor Wahlen für eine kleine Koalition aussprechen darf, aber nicht für eine große Koalition. In der Sache verstehe ich dieses Argument überhaupt nicht. Es trägt auch überhaupt nicht, um die Sinnhaftigkeit der Neuwahlen infrage zu stellen.
Es geht um stabile Verhältnisse. Das ist richtig und dazu bekenne ich mich für die SPD noch einmal. Herr Lafontaine, Sie haben vollkommen recht, stabile Verhältnisse orientieren sich schon auch an Mehrheiten, aber stabile Verhältnisse dürfen sich nicht an persönlichen Befindlichkeiten orientieren, sondern sie müssen sich tatsächlich an einem großen Maß an inhaltlicher Übereinstimmung orientieren, zumindest an der Bereitschaft, das, was man als inhaltliche Übereinstimmung festgestellt hat, dann auch zu realisieren.
Sie sagten eben, dass die Linkspartei nicht bereit ist, einen Sanierungspfad mitzugehen, bei dem auch nur e i n e Stelle im öffentlichen Dienst gestrichen wird. Das ist der letzte Beweis dafür, dass die SPD und die Linkspartei in dieser existenziellen Frage nicht zusammenkommen können und auch nicht zusammenkommen werden.
Es geht um die Frage, wie wir uns in der Zukunft aufstellen. Ich sage Ihnen in aller Offenheit: In einem Land, von dem wir wissen, dass wir in den kommen
den Jahren mit einem Bevölkerungsrückgang von etwa 20 Prozent konfrontiert werden, kann man sich nicht hinstellen und sagen, die Personalstärke muss trotzdem so bestehen bleiben, wie das jetzt der Fall ist. Man wird überprüfen müssen, wie man Landesbehörden neu organisiert und wie man die Landesverwaltung so aufstellt, dass es auch bei der demografischen Entwicklung, mit der wir konfrontiert sind, eine funktionierende Verwaltungsstruktur gibt - aber eine, die sich das Land auch leisten kann.
Ich will auch die Schuldenbremse noch einmal erwähnen. Man kann zur Schuldenbremse sehr unterschiedliche Auffassungen haben, aber wir haben uns entschieden, dass sie nun einmal gilt und dass wir bei einer Regierungsbeteiligung der SPD, die nicht ganz unwahrscheinlich ist - in welcher Form auch immer -, diese Realität akzeptieren müssen. Einen Punkt muss man ganz offen aussprechen, auch die Linkspartei muss ihn zur Kenntnis nehmen: Wir haben mit dem Bund und den Ländern nach der letzten Föderalismuskommission eine Vereinbarung getroffen, dass das Saarland jedes Jahr bis 2020 Bundeszuweisungen von 260 Millionen Euro erhält. Dafür hat das Saarland sich verpflichtet, die Schuldenbremse einzuhalten. Das ist unabhängig davon, wer in der Regierung sitzt. Davon ist abhängig, ob das Saarland jedes Jahr die 260 Millionen Euro zusätzlich bekommt oder nicht.
Ich glaube nicht, dass diese 260 Millionen Euro geeignet sind, die Haushaltsnotlage des Saarlandes zu beenden, aber ich weiß, dass ohne diese 260 Millionen Euro Zuweisung die politischen Handlungsspielräume gegen Null gehen. Das heißt für das Saarland, dass wir in den kommenden Jahren jährlich und strukturell 60 bis 70 Millionen Euro einsparen müssen. Man kann nun die Auffassung vertreten, das gilt alles für uns nicht, das ist uns alles egal, wir erfüllen diese Vorgabe des Sanierungsrates nicht. Das führt aber dazu, dass unser Anspruch auf die 260 Millionen Euro Zuweisung verloren geht.
Da kann man nicht nur uns fragen, wo man diese 60 oder 70 Millionen Euro jährlich sparen soll. Da müssen auch Sie einmal die Frage beantworten, was Sie tun, wenn Sie dazu nicht bereit sind und dadurch die 260 Millionen überhaupt nicht gezahlt werden. Wenn ich aber von den 260 Millionen 70 Millionen abziehe, bin ich bei 190 Millionen Euro, die wir weniger haben werden. Dann müssen Sie einmal erklären, wie Sie damit umgehen. 190 Millionen Euro - das ist der komplette Globalhaushalt der Universität des Saarlandes.
190 Millionen Euro weniger sind über 3.000 Stellen im öffentlichen Dienst. Das ist mehr als das Doppelte der gesamten Wirtschaftsförderung dieses Landes. Diese Frage muss die Linkspartei beantworten.
Wenn das, was Sie vorhaben, Realität wird, dann wird es noch viel schlimmer, auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Ich glaube, dass es in den kommenden Jahren um nicht mehr und nicht weniger als um die Existenz dieses Landes als eigenständiges Bundesland geht - unabhängig davon, ob es irgendwann einmal eine Vermögenssteuer gibt oder der Spitzensteuersatz angehoben wird oder was auch immer. Ich bin mir absolut sicher, dass es nach der nächsten Bundestagswahl irgendwann die nächste Föderalismuskommission geben wird. Das wird 2015 oder 2016 oder wann auch immer sein. Wenn wir bis dahin nicht den Beweis erbracht haben, dass wir in der Lage sind, mit den Mitteln, die wir haben und die uns zur Verfügung stehen, einigermaßen die Aufgaben des Landes zu finanzieren, dann bin ich mir sicher, dass es in der Föderalismuskommission III nicht mehr darum gehen wird, wie viel Geld das Land zusätzlich bekommt, sondern nur noch darum, welchem anderen Bundesland das Saarland zugeschlagen wird. Das machen wir nicht mit!
Ich bin nicht der Auffassung, dass die Existenz des Saarlandes bilanzbuchhalterisch entschieden werden kann. Es geht um einiges mehr. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mehrheit der saarländischen Bevölkerung noch überhaupt nicht weiß, wie es aussieht und was auf uns zukommt. Es gibt Leute, die sagen, lasst uns doch mit anderen Ländern zusammengehen, dann wird alles viel besser. Ich kann ja verstehen, wenn Feierabendpolitiker ein Feierabendparlament vorschlagen, aber es geht um deutlich mehr. Das muss man allen Saarländerinnen und Saarländern sagen. Wer glaubt, wenn wir nicht mehr selbstständig sind, hätten wir noch eine Universität des Saarlandes in der Form, wie wir sie jetzt haben, wer glaubt, wir hätten dann noch ein Staatstheater in der Form wie jetzt, wer glaubt, es gäbe dann noch einen Saarländischen Rundfunk wie heute, dem kann ich nicht mehr helfen. Auch das steht alles auf dem Spiel, nicht nur die Existenz von 51 Abgeordneten.
Ich möchte auch sagen, was mich in dieser Frage schon lange bewegt und wo ich finde, dass Saarländerinnen und Saarländer und wir als ihre Volksvertretung mit etwas mehr Selbstbewusstsein in der Öffentlichkeit auftreten sollten. Das Saarland ist das Ergebnis der bewegten Geschichte dieser Region und damit auch der bewegten Geschichte zwischen Deutschland und Frankreich in den letzten 100 Jah
ren. Es gibt kein anderes heutiges Bundesland, das so sehr zwischen Deutschland und Frankreich und Europa hin und her gerissen und gezerrt worden ist. Es gibt Bücher, die darüber geschrieben worden sind wie zum Beispiel „Richtig daheim waren wir nie“. Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, wie sich die Identität der Menschen in diesem Land in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Das hat dazu geführt, dass es im Saarland mehr Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen gibt als sonstwo. Davon bin ich fest überzeugt. Das erlebe ich Tag für Tag im Saarland und wenn ich außerhalb unterwegs bin. Das ist etwas, worauf wir stolz sein können. Das ist erhaltenswert.
Wir leben im Zeitalter der Ich-AG. Wir reden über die solidarische Gesellschaft, die über mehr bürgerschaftliches Engagement eine Zukunft haben muss. Nirgendwo in Deutschland sind so viele Menschen ehrenamtlich aktiv, nirgendwo sonst gibt es solches Bürgerengagement wie in diesem Land. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist etwas, was im Zeitalter der Beschleunigung und der Globalisierung erhaltenswert ist. Deswegen sage ich Ihnen: Wenn wir über die solidarische Gesellschaft der Zukunft reden, dann ist das, was wir im Saarland haben, ein Modell dafür. Wir brauchen mehr Saarland in Deutschland und nicht weniger. Deshalb müssen wir unsere Existenz in den kommenden Jahren mit allen Mitteln verteidigen.
Mir, der ich auf der Grenze aufgewachsen bin, ist noch etwas wichtig. Das Saarland ist für mich immer das lebende Symbol der deutsch-französischen Freundschaft gewesen. Das ist auch unsere Geschichte. Das ist etwas, was möglicherweise bei Haushaltsberatungen keine Rolle spielt. Aber auch das ist ein Wert an sich, den es zu verteidigen gilt. Dieses Land gäbe es nicht ohne die bewegte deutsch-französische Geschichte, ohne alle Schwierigkeiten, die es in dieser Zeit gegeben hat. Die deutsch-französische Vergangenheit kann man auf den Soldatenfriedhöfen in Verdun besichtigen. Die deutsch-französische Zukunft findet in der DeutschFranzösischen Hochschule in Saarbrücken statt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Land ist ein Symbol für zwei Nationalstaaten. Dieses Symbol muss bleiben. Wir sollten alles dafür tun, dass es nicht wegrationalisiert wird. Auch das ist etwas, was weit über Haushaltsberatungen hinausgeht, was den Sinn und die Identität dieses Landes ausmacht. Die müssen wir verteidigen, auch mit schmerzhaften Entscheidungen, die anstehen.
Deshalb, meine Damen und Herren: Am 25. März wird die Uhr umgestellt. Am 25. März beginnt die Sommerzeit. Und es wäre auch an der Zeit für einen
neuen Sommer in der saarländischen Politik. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht heute um die Entlassung von Ministern. Diese Aussprache ist auf Initiative der GRÜNEN zustande gekommen. Deshalb will ich zunächst etwas zu denjenigen sagen, die heute aus ihren Ämtern entlassen werden.
Sehr geehrte Frau Dr. Peter, sehr geehrter Herr Kessler, Sie beide wissen, dass das Zustandekommen der Jamaika-Koalition 2009 in der SPD vielfach mit Verwunderung zur Kenntnis genommen worden ist. Ich will das alles nicht noch einmal vertiefen. Die SPD hat sich aber nach einer gewissen Zeit damit abgefunden, dass es so ist. Deshalb, so glaube ich, kann man aus dem Blickwinkel von heute durchaus einigermaßen objektiv etwas zu Ihrer Arbeit sagen. Ich will das im Namen der SPD-Fraktion tun. Auch wenn wir in vielen Punkten unterschiedlicher Auffassung gewesen sind, spricht Ihnen niemand von uns ein großes Engagement in Ihrer Arbeit ab. Niemand von uns spricht Ihnen klare politische Zielvorstellungen ab, auch wenn es solche gewesen sind, die nicht immer die unseren waren.
Frau Dr. Peter hat in ihrem Amt als Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr sicherlich, wenn es um den Bereich der erneuerbare Energien geht, Standards gesetzt, die bleiben und die auch von der SPD in keiner Weise infrage gestellt werden. Den Weg der Energiewende halten wir im Grundsatz für richtig, in Details haben wir möglicherweise Gesprächsbedarf.
Das gilt auch für Herrn Kessler. Er hat die Gemeinschaftsschule in diesem Land durchgesetzt. Die SPD hatte nie etwas gegen die Gemeinschaftsschule als solche, sondern wir waren der Auffassung, dass die spezielle Ausformung der Gemeinschaftsschule so, wie sie verabschiedet worden ist, stark überarbeitungsbedürftig ist. Aber, Herr Kessler, wir erkennen auch an, dass Sie gemäß Ihren politischen Zielvorstellungen damit die Schulstruktur in diesem Land verändert haben. Auch das wird bleiben. Denn die Schulstruktur und die Gemeinschafts
schule werden von der SPD grundsätzlich nicht mehr infrage gestellt.
Deshalb kann ich Ihnen im Namen der SPD-Fraktion sagen, dass wir auf Ihre Arbeit mit Respekt zurückblicken und dass sicherlich einiges von dem, was Sie auf den Weg gebracht haben, in diesem Land auch bleiben wird. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute. Das gilt ebenso für die ausscheidenden Minister der FDP, für Herrn Dr. Hartmann und Herrn Weisweiler. Auch Ihnen wünschen wir für die Zukunft alles Gute.
Meine Damen und Herren, es ist darüber geredet worden, wieso und weshalb diese Koalition auseinandergebrochen ist. Ich will das nicht vertiefen. Ich will nur etwas sagen, was mir bei all den Fragen, die es jetzt zu entscheiden gilt, eine Lehre ist. Ich glaube, dass diese Koalition nie wirklich den Namen Regierung verdient hat, vor allen Dingen, weil die inhaltlichen Zielvorstellungen der Partner viel zu weit auseinander gelegen haben. Deshalb glaube ich, dass die Dinge, die in der FDP passiert sind, allenfalls der Anlass für den Bruch der Koalition gewesen sind, dass der eigentliche Grund aber viel tiefer liegt, nämlich in der inhaltlichen Unvereinbarkeit in ganz wesentlichen Fragen, die für die Zukunft unseres Landes aber von existenzieller Bedeutung sind. Wer glaubt, politische Bündnisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner eingehen zu können, ohne dass man ein Projekt für dieses Land hat, ohne dass man einen Plan für das hat, was man umsetzen und realisieren möchte, der wird möglicherweise kurzfristig damit Erfolg haben, aber niemals langfristig das erreichen, wofür man eigentlich in der Regierung sitzt. Das sollte allen eine Lehre sein.
Meine Damen und Herren, als die Jamaika-Koalition in die Regierung kam, ist hier teilweise sehr pathetisch darüber geredet worden, es sei ein neuer Geist und es würde ein neues Kapitel im Parteienspektrum aufgeschlagen. Wir sehen heute, wohin es geführt hat. Deshalb kann ich allen - sowohl jetzt als auch in der Zukunft, unabhängig davon, wie anstehende Entscheidungen ausfallen - nur empfehlen, bei der Beurteilung von politischen Bündnissen etwas mehr Demut an den Tag zu legen. Wer glaubt, dass Bündnisse dazu geeignet sind, neue gesellschaftliche Formationen zu definieren, macht, so glaube ich, den Leuten etwas vor. Die Saarländerinnen und Saarländer erwarten gute Arbeit von denen, die in der Regierung sind, und nicht irgendwelche gesellschaftspolitischen Hirngespinste, die sich dann sehr schnell in Luft auflösen.
Meine Damen und Herren, ich sage auch Folgendes. Nach den letzten zweieinhalb Jahren und dem, was sich sowohl innerhalb dieser Koalition als auch darüber hinaus abgespielt hat, bin ich der Auffas
sung, dass wir in diesem Land eine neue, eine andere politische Kultur brauchen. Herr Ulrich, ich will es Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Wenn ich in der letzten Woche in der Zeitung gelesen habe, dass Sie in der Landespressekonferenz auf die Frage, ob Sie sich jetzt eine Zusammenarbeit mit der SPD vorstellen könnten, geantwortet haben, Sie hätten immer mit der SPD zusammenarbeiten wollen, dann so glaube ich - ist das ein Hinweis darauf, dass dieses Land etwas mehr an politischer Kultur und Verlässlichkeit braucht. Das hat auch etwas mit Ihnen zu tun.
Weil ich nicht mehr bereit bin, all dies hinzunehmen, sage ich Ihnen auch: Bei all den Diskussionen, die stattfinden, habe ich manchmal den Eindruck, dass diejenigen, die am lautesten nach Neuwahlen rufen, am meisten darauf hoffen, dass es eine Große Koalition gibt. Auch das ist eine Frage der politischen Kultur.
Meine Damen und Herren, eben wurde ein Thema in der Sache angesprochen, nämlich die Schuldenbremse und ihre Bedeutung für das, was in diesem Land geht oder nicht mehr geht, und wie man überhaupt mit ihr umgehen soll. Kollege Lafontaine hat sie angesprochen. Was die SPD-Fraktion angeht, sage ich dazu: Sie wissen, wir haben immer eine sehr kritische Position zur Schuldenbremse gehabt und wir sind nicht der Auffassung, dass sie das geeignete Instrument ist, unsere Haushaltsnotlage in den Griff zu kriegen. Wir sind vielmehr der Auffassung, dass sie nicht flexibel genug ist. Wir sind ebenso der Auffassung, dass sie kein besonders intelligentes Instrument ist. Wir müssen aber akzeptieren, dass sie Realität ist. Jede Regierung, die in diesem Land Verantwortung übernimmt, muss die Schuldenbremse als Realität akzeptieren, völlig unabhängig davon, wie man in der Sache dazu steht. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, dass wir, wenn wir es nicht hinbekommen, die Einnahmebasis der öffentlichen Hand auf Dauer zu verbreitern, auch in Zukunft Probleme finanzieller Art haben werden, die wir kaum zu meistern in der Lage sein werden. Wir haben dazu vielfach Anträge eingebracht. Ich bin jederzeit bereit, mit einen Beitrag dazu zu leisten, dass es in Deutschland wieder eine Vermögenssteuer gibt. Ich sage Ihnen aber auch, ich sehe nicht, dass dies in absehbarer Zeit zu erreichen sein wird, möglicherweise nach der Bundestagswahl mit anderen Mehrheiten, aber auch das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass sich eine Regierung, die jetzt ins Amt kommt, nicht darauf berufen kann, dass mit der Vermögenssteuer die Probleme dieses Landes gelöst werden können, sondern dass sie lediglich die Realität akzeptieren muss, dass es eine
Schuldenbremse gibt, aber etwa keine Vermögenssteuer.
Ich weiß nicht, wie sich die wirtschaftliche und damit die steuerliche Lage in diesem Land in diesem Jahr entwickeln werden. Ich weiß nicht, wie es mit dem Euro weitergeht. Ich weiß nicht, ob es eine Rezession geben wird oder nicht. Es gibt viele Risiken, die dazu führen können und, wenn sie eintreten, auch dazu führen werden, dass sich die Einnahmebasis unseres Landes noch weiter verändert. Dennoch wird die Schuldenbremse bleiben. Ich will auf eines hinweisen, was grundsätzlich noch hinzukommt. Wir haben den sogenannten Stabilitätsrat, der überprüft, ob wir die Vorgaben einhalten, und der letztlich darüber entscheidet, ob wir die 260 Millionen, die das Land jährlich erhält, in Zukunft bekommen oder nicht. Ich glaube nicht, dass die 260 Millionen Euro geeignet sind, das Land finanziell zu retten. Aber ich mache mir keine Illusionen darüber, dass, wenn die auch noch wegfallen, die politischen Handlungsspielräume endgültig gegen null gehen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist für uns keine Möglichkeit, mit diesem Thema umzugehen. Deshalb stimme ich Ihnen zu, Herr Lafontaine, dass es im Falle von Neuwahlen jetzt keine Chancen für RotRot in diesem Lande gibt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird viel darüber spekuliert, was denn jetzt geschieht. Sie wissen, dass die SPD mit der CDU Gespräche führt, sehr ernsthafte Gespräche darüber, ob es bei all den Risiken, die uns in diesem Jahr bevorstehen, möglich ist, auch ohne Neuwahlen eine stabile Regierung zu bilden. Wir werden das davon abhängig machen, ob strukturelle und inhaltliche Fragen eine Basis für eine solche Zusammenarbeit sein können.
Ich weiß auch, dass es in diesem Land viele Menschen gibt, die der Auffassung sind, dass unabhängig davon, welche Koalition jetzt zustande kommt, eine solche erst einmal eine neue, demokratische Legitimation durch Wahlen braucht. Wir machen uns das nicht einfach, aber wir stellen uns der Verantwortung. Das gilt jetzt und vor allen Dingen für die Zukunft. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die diesjährigen Haushaltsberatungen und die Haushaltsverabschiedung finden zur Mitte der Legislaturperiode statt. Wenn man es mit Humor nehmen wollte, könnte man sagen, die Hälfte haben die Saarländerinnen und Saarländer schon hinter sich, die andere Hälfte werden sie auch noch überleben.
Aber das ist dann vielleicht doch zu einfach. Nach dem letzten Saarland-Trend, der in der vergangenen Woche veröffentlicht worden ist, sind zwei Drittel der Saarländerinnen und Saarländer mit der Arbeit der Landesregierung unzufrieden. Nirgendwo sonst in Deutschland hat eine Regierung so schlechte Werte und nirgendwo sonst gibt es so wenig Vertrauen in die Kompetenz und Handlungsfähigkeit der Regierenden, wie das hier im Saarland gegenüber der sogenannten Jamaika-Koalition der Fall ist. Selbst die Bundesregierung, deren Arbeit im Übrigen dieser Tage von hessischen CDU- und FDP-Vertretern als desaströs bezeichnet wurde, hat bessere Werte als das zurzeit bei der saarländischen Landesregierung der Fall ist. Meine Damen und Herren von der Koalition, das ist das Halbjahreszeugnis, das Ihnen die Saarländerinnen und Saarländer ausgestellt haben. Es fällt ziemlich mies aus - und das zu Recht.
Sie selbst haben hohe Erwartungen geweckt. Ich erinnere mich noch gut an all das, was zu Beginn der Legislaturperiode hier verbreitet worden ist. Ein neues Kapitel in der Parteiengeschichte sei diese Koalition, Aufbruch allenthalben, ein neuer Geist, der schon bald die Saarländerinnen und Saarländer ergreifen würde und und und. - Meine Damen und Herren, was ist davon übriggeblieben? Vom Geist sind lediglich die Geister übriggeblieben. Das neue
Kapitel wurde nie aufgeschlagen. Fast überall bei den diesjährigen Landtagswahlen haben CDU, FDP und GRÜNE schon vor dem jeweiligen Urnengang Jamaika-Bündnisse zu einem No-Go erklärt. Das Saarland lässt grüßen. Und aus dem Aufbruch ist spätestens seit der Regierungserklärung der neuen Ministerpräsidentin ein Abbruch geworden. Dort erklärte sie nämlich nach über zehn Jahren eigener Ministertätigkeit, dass das Land nun mit dem Rücken an der Wand stehe und sich die Existenzfrage stelle. Welch eine Selbsteinschätzung, aber das Schlimmste an ihr: Sie stimmt.
Meine Damen und Herren, das einzig wirklich Bemerkenswerte an Ihrer sogenannten Jamaika-Koalition ist die Geschwindigkeit, die Konsequenz und die Nachhaltigkeit, mit der Sie sich selbst entzaubert haben - und das vom ersten Tag an. Die ersten zwei Jahre nach der Landtagswahl waren schon zum Haareraufen, wahrscheinlich für Sie selbst am meisten. Gondwana, das prähistorische Subventionsfiasko, Versorgungsorgien von Baldauf bis Kappler. Der Verfassungsgerichtshof stellt fest, dass Sie die Verfassung gebrochen haben, weil Sie rechtswidrig Steuergelder für CDU-Wahlwerbung missbraucht haben. In der FDP werden der Fraktionsvorsitzende und der Landesvorsitzende von der eigenen Partei gemeuchelt. Und über das peinliche Gefeilsche der GRÜNEN bei der Bundesratsabstimmung zu den Hartz-4-Regelsätzen wurde in Deutschland meist nur der Kopf geschüttelt.
Am meisten den Kopf geschüttelt haben Ihre Kollegen von den GRÜNEN in Berlin, Herr Ulrich. Die haben am meisten über Sie den Kopf geschüttelt.
In der gleichen Zeit hatten wir es auch noch mit einem Ministerpräsidenten zu tun - oder auch nicht -, der stark an das Ungeheuer von Loch Ness erinnerte: Alle kennen ihn, aber kaum einer hat ihn mehr gesehen. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur politisches Missmanagement in dieser Zeit, das ist die reinste Arbeitsverweigerung, für die anderen die Bezüge gekürzt worden wären. Das ist die Wahrheit aus den ersten zwei Jahren.
Am 10. August, meine Damen und Herren, hat ein neues Spiel begonnen. Nach einer schweren Geburt sind nun also die schönsten Kinder aufs Feld geschickt worden und sollen dem Spiel neue Dynamik verleihen. Seitdem sind vier Monate vergangen, und nicht nur ich bin der Auffassung - und das hat nicht nur etwas mit Ihnen und Ihrer Arbeit zu tun, aber auch -, es waren keine vier Monate, die gut gewesen sind für unser Land. Dabei, das will ich einräumen, ist durch die neue Ministerpräsidentin ein an
derer Stil in die Regierungsarbeit eingeführt worden, nicht nur in der Art und Weise, wie sie oder die Regierung der Öffentlichkeit gegenübertritt, sondern auch hier im Umgang mit der Opposition. Das ist anerkennenswert und das soll hier auch nicht verschwiegen werden.
Ich will aber vier Beispiele nennen, die mich nicht zu der Auffassung kommen lassen, dass sich seit dem 10. August wirklich etwas zum wesentlich Besseren gewendet hätte. Ich erinnere zum Ersten an den Ausflug der Ministerpräsidentin in die Bundespolitik und ihre Aussagen zur Schuldenbremse. Einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag über den EuroRettungsschirm regen Sie eine Überprüfung der Schuldenbremse in bestimmten Fällen an. Die Reaktion war verheerend. Die CDU in Berlin drohte sogar mit dem Aus für Finanzhilfen - war danach in der Saarbrücker Zeitung zu lesen. Am schlimmsten sind Ihre eigenen Leute über Sie hergefallen. Sicher war der Zeitpunkt für eine solche Aussage mehr als ungeschickt gewählt. Sicher haben Sie sich selbst geschadet und auch die Position des Landes für alle in Zukunft anstehenden Finanzverhandlungen ohne Not geschwächt, was an sich schon schlimm genug wäre. Aber sicher ist vor allem, dass jemand, der die Einführung der Schuldenbremse offensiv mitbetrieben hat, nun, nachdem sie eingeführt ist, nach außen den Eindruck erweckt, man könne sie gar nicht einhalten. Jemand, der so handelt, jemand, der so redet, muss von einem solchen Maß an Planlosigkeit getrieben sein, dass einem wirklich angst und bange werden kann, wenn wir hier über Finanzen und zukünftige Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern reden.
Das war nichts, aber das wissen Sie selbst am besten.
Zum Zweiten die Bundeswehrreform. Wir wussten, dass das nicht ganz spurlos an uns vorübergehen würde. Wir wussten, dass niemand davon ausgehen konnte, dass bei einer so tiefgreifenden und auch notwendigen Reform der Bundeswehr das Saarland völlig ungeschoren davonkommt. Im Saarland wird nun die Graf-Werder-Kaserne in Saarlouis faktisch geschlossen und die Hälfte der rund 2.700 Dienstposten gestrichen. In keinem anderen Bundesland werden auch nur annähernd so viele Stellen abgebaut wie im Saarland. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht einmal entschieden hat, dass das Saarland bei Entscheidungen über den Standort von Bundeseinrichtungen wegen seiner Strukturschwäche besser und nicht schlechter zu behandeln sei als andere Länder.
Dass Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung, vor allem aus der CDU, anfänglich versucht haben, diesen Kahlschlag auch noch
als Erfolg zu verkaufen - nach dem Motto: „Es hätte ja noch schlimmer kommen können“ -, ist grotesk. Man darf nun gespannt sein, was zum Beispiel an Konversionsmitteln für die Stadt Saarlouis zur Verfügung gestellt wird oder ob es auch hier bloß wieder bei Ankündigungen bleibt. Aber, meine Damen und Herren, eines ist klar: Über erheblichen Einfluss in Berlin scheinen Sie nicht zu verfügen. Sonst hätten Sie zumindest verhindern können, dass wir in diesem Punkt trotz Verfassungsgerichtsurteil schlechter als alle anderen Bundesländer behandelt worden sind. Wenn Sie noch nicht einmal das schaffen, dann frage ich mich ernsthaft, was uns da in Zukunft noch bevorsteht. Die Fähigkeit einer Regierung, Interessen des Landes auf Bundesebene zu vertreten und durchzusetzen, ist für ein Haushaltsnotlageland existenziell. Eine Regierung, die dem nicht gerecht wird, ist schlichtweg ein Existenzrisiko.
Der Vierte Pavillon - ich will auf Einzelheiten gar nicht eingehen - sollte ein Symbol für die reichhaltige Kunstsammlung dieses Landes werden. Geworden ist daraus ein Symbol für Korruption, Vetternwirtschaft, Machtmissbrauch, Vorteilsnahme, Intransparenz und Unfähigkeit. Zwei Dinge halte ich grundsätzlich für besonders verheerend. Erstens. Wenn die Verantwortlichen einer Regierung durchs Land reisen und den Menschen von ungeheueren Sparzwängen erzählen und gleichzeitig die Kosten für einen mehr oder weniger einfachen Museumsbau des Landes von 9 Millionen auf mittlerweile über 30 Millionen Euro explodieren, dann sagen sich doch die Leute, irgendeiner von denen spinnt. Entweder diejenigen, die vom Sparen reden oder die, die das Geld rausschmeißen. Das Problem ist nur, es sind dieselben. Sie wollen den Leuten erzählen, dass Sie die Schuldenbremse schaffen. Aber Sie sind schon damit überfordert, ein Museum im Kostenrahmen zu bauen. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger von Ihnen wahrnehmen, und das ist nichts anderes als ein Witz, den Sie der Öffentlichkeit hier bieten. Das ist bedauerlich.
Der zweite Punkt, der besonders verheerend ist, ist die Art und Weise, wie Sie mit dem Thema lange umgegangen sind. Das ist bezeichnend für Ihr Staatsverständnis. Gegen den Rechnungshof hätten Sie am liebsten ein Verfahren wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet, Kritiker wurden als Querulanten abgetan, und irgendwann haben Sie sich einfach entschieden zu verschleiern, zu tricksen und zu täuschen. Wer so Politik macht und dabei glaubt, sich alles erlauben zu können, sich vor niemanden mehr rechtfertigen zu müssen, der verwechselt zeitlich begrenzte Macht mit grenzenloser Selbstherrlichkeit, und damit muss endlich Schluss sein in diesem Land.
Meine Damen und Herren! Alles in allem werden Staatsanwaltschaft und die Gerichte die strafrechtlichen und kriminellen Zusammenhänge rund um den Vierten Pavillon zu klären haben. Der eingerichtete parlamentarische Untersuchungsausschuss aber klärt die politischen Verantwortlichkeiten. Dabei werden Sie nicht noch einmal davonkommen, ohne personelle Konsequenzen zu ziehen. Nicht nur die Oppositionsfraktionen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass diejenigen, die die politisch-persönliche Verantwortung haben für all das, was dort geschehen ist, zur Rechenschaft gezogen werden. Es geht schon lange nicht mehr darum, ob Köpfe rollen, sondern nur noch darum, welche Köpfe rollen. Das ist es, was der Untersuchungsausschuss zu klären hat: die Frage der politischen Verantwortlichkeiten.
Meine Damen und Herren, das vierte Beispiel aus dem Zeitraum von knapp vier Monaten seit dem 10. August ergibt sich mit dem Thema, zu dem wir eben eine gemeinsame Resolution verabschiedet haben. Ich meine die Entscheidung des PraktikerAufsichtsrates, im Saarland auf einen Schlag mehr als 500 Arbeitsplätze abzubauen. Meine Damen und Herren, das ist eine ungeheure Zahl, die nicht nur die Gemeinde Kirkel oder den Saarpfalz-Kreis, sondern das ganze Land erheblich treffen wird. Es geht um die Wirtschaftskraft, um die Kaufkraft, kurz: um alles, was an diesen Arbeitsplätzen hängt. Besonders schlimm bei dieser Entwicklung ist, dass die Praktiker-Zentrale in Kirkel einige der wenigen Firmenzentralen ist, die wir in diesem Land haben. Sie wird nun aus diesem Land verschwinden.
Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass für uns die bei Praktiker getroffenen Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind und dass wir gerne hätten, dass sie korrigiert werden. Ob es dazu kommen wird? Ich möchte dahinter einmal ein bis zwei Fragezeichen setzen.
Nicht vertrauenerweckend war, dass man hören und nachlesen konnte, der Wirtschaftsminister habe, das Wirtschaftsministerium habe von alldem aus der Zeitung erfahren. Es ist nicht vertrauenerweckend, dass man hört, es seien Gesprächsangebote gemacht worden - was ja wohl nicht mehr als zu erwarten ist -, diese Gesprächsangebote seien jedoch nicht wahrgenommen worden. Man muss sich vor diesem Hintergrund schon die Frage stellen, welchen Stellenwert die Vertreter der Landesregierung bei denjenigen haben, die über solche Fragen entscheiden. Wäre eine solche Entscheidung in Nordrhein-Westfalen oder in anderen Ländern getroffen worden, hätte die Regierung davon nicht aus der Zeitung erfahren. Diese Vorgänge geben uns insoweit auch
einen deutlichen Hinweis auf den Stellenwert, den Sie mittlerweile in der saarländischen Wirtschaft und auch in der Wirtschaft außerhalb des Saarlandes haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat sich also seit dem 10. August keine wesentliche Veränderung ergeben. Die ersten beiden Jahre Ihrer Regierung waren schon verlorene Jahre, und seit dem 10. August ist nichts besser, manches sogar noch schlechter geworden. Nach wie vor ist nicht erkennbar, dass man ein Konzept hat. Wir hätten aber zumindest erwartet, dass man, als die neue Ministerpräsidentin ins Amt gekommen ist, ein Konzept vorgelegt hätte, wie man mit den strukturellen Problemen dieses Landes umzugehen gedenkt. Wir hätten erwartet, dass man ein Projekt hat, für das man gesellschaftliche Zustimmung zu organisieren versucht. Mittlerweile erleben wir aber, dass diesbezüglich nicht nur nichts vorhanden ist, sondern diese Landesregierung auch handwerklich erheblich überfordert zu sein scheint. Auch dafür will ich nur einmal zwei Beispiele nennen.
Es ist schon bemerkenswert, dass man, wie wir mitbekommen haben, es noch nicht einmal schafft, eine Ergänzungsvorlage zu diesem Haushalt, mit der lediglich die Steuermehreinnahmen in den Haushalt eingebracht und in gewissem Umfang verteilt werden sollen, in einer normalen Kabinettssitzung zu beschließen. Nein, es musste dafür eine Sonder-Kabinettssitzung einberufen werden, die samstags stattgefunden hat, um in der Folgewoche überhaupt einen Haushalt zu haben, den man im Ausschuss beraten und verabschieden kann.
Ich möchte ein weiteres und vielleicht noch klareres Beispiel erwähnen, das über die Arbeitsfähigkeit dieser Regierung wirklich sehr viel aussagt. Ich meine ein Thema, das Ihre Haushaltsklausur wohl erheblich beschäftigt hat: die Nordsaarlandstraße. Wir lesen in der Zeitung, für die Nordsaarlandstraße sei eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 200.000 Euro eingebracht worden. Wir lesen, es handele sich hierbei um ein Projekt, das bezeichnet wird als „Planung und Überprüfung“ dieser Straße. Dies wird nun von den die Regierung stellenden Parteien recht unterschiedlich interpretiert. Die CDU ist schon auf dem Weg, die Spaten für den Spatenstich zu kaufen, weil sie sagt: Das ist der endgültige Einstieg in den Bau dieser Straße. Die GRÜNEN verweisen aber darauf, es gehe ja nicht um die Planung, sondern um die Überprüfung des Vorhabens. Die GRÜNEN wollen also mit den 200.000 Euro, wahrscheinlich mittels Gutachten, nach Argumenten suchen, die gegen den Bau dieser Straße sprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist sinnbildlich für die Politik, die Sie in den letzten Monaten und generell in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren gemacht haben. Sie müssten sich halt einmal für irgendetwas entscheiden! Das geht so nicht! Eine solche Straße ist nun wirklich kein Projekt, das den Landeshaushalt sprengen würde. Man kann sich bei einer einfachen Straße nicht so der Öffentlichkeit präsentieren. Die einen sagen, wir planen und bauen, und die anderen sagen, wir überprüfen das, damit wir es nicht bauen müssen. Ich muss Ihnen wirklich einmal die Frage stellen: Ist Ihnen das, was Sie hier veranstalten, nicht selbst peinlich?
Ich möchte, da das Thema der Nordsaarlandstraße für Sie wohl ein wichtiges ist, nun doch auch zur Sache etwas sagen. Die Bedenken, die von den GRÜNEN vorgetragen wurden, sind grundsätzlich durchaus ernst zu nehmen. Angesichts der Haushaltslage und der demografischen Entwicklung müssen wir uns tatsächlich Gedanken darüber machen, was wir noch machen können, was wir noch bauen können. Im vorliegenden Fall jedoch greifen diese Bedenken nun wirklich nicht, da der Kreis MerzigWadern, im Umfeld von Luxemburg gelegen, zu den Wachstumsregionen gehören wird. In diesem Kreis wird die demografische Entwicklung nicht so durchschlagen, wie es in anderen Kreisen der Fall sein wird. In diesem Kreis werden wohl auch die Verkehrsströme eher zunehmen, nicht aber weniger werden. Deshalb wäre es in diesem Fall wirklich berechtigt gewesen, sich das Geld für die Planung dieser Straße vorzubehalten. Diese Straße ist für den Landkreis wirklich notwendig. Das Hü und Hott, das Sie hier veranstalten, ist unangebracht.
Herr Kollege Schmitt, klären Sie das doch erst einmal in Ihren eigenen Reihen. Wir sind dann auch gerne bereit, Ihnen im Weiteren zu helfen.
Wissen Sie, ich kann ja verstehen, dass Ihnen bei diesem Thema der Kragen platzt. Sie haben doch auch schon mitbekommen, dass die GRÜNEN in der bisherigen Zeit ihrer Regierungsbeteiligung die wesentlichen Projekte, die sie Ihnen aufgezwungen haben, alle umgesetzt haben. Und jetzt schalten die GRÜNEN, weil sie wissen, dass nichts mehr kommt, um auf „Opposition in der Regierung“. Ich kann Ihnen angesichts dessen nur viel Spaß wünschen!
An Ihrer Stelle, Herr Schmitt, würde ich mir mal Folgendes in Erinnerung rufen: Sie haben sich jetzt zweieinhalb Jahre lang von den GRÜNEN am Nasenring durch die Arena führen lassen. Nun wurde in
einer Umfrage festgestellt, dass man zwar alles Mögliche gemacht hat, trotzdem aber 75 Prozent der GRÜNEN-Wähler mit der Arbeit dieser Landesregierung unzufrieden sind. Herr Schmitt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kann dazu nur sagen: Machen Sie so weiter - und gute Besserung!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, schaut man sich den Haushalt für das Jahr 2012 an, insbesondere aber die mittelfristige Finanzplanung, stellt man schnell fest, in welchem Dilemma wir tatsächlich stecken und worin das wirkliche haushaltspolitische Problem des Saarlandes im kommenden Jahr und vor allem auch in den Folgejahren bestehen wird.
Ich möchte dazu eine Vorbemerkung machen. Wir leben ja im „Zeitalter der Schuldenbremse“. Die Schuldenbremse steht mittlerweile auch im Grundgesetz, und es gibt Verwaltungsvereinbarungen, die vom Land erfüllt werden müssen, damit die jährlichen Ergänzungshilfen in Höhe von 260 Millionen Euro gezahlt werden.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die SPD-Fraktion in der Sache stets ein Problem mit der Schuldenbremse hatte. Aber die SPD-Fraktion erkennt auch an, dass die Schuldenbremse nunmehr im Grundgesetz verankert ist. Ich kann das nun nicht mehr ändern und ich bin mir angesichts dessen, was derzeit auf europäischer Ebene bezüglich Griechenland, Italien und welchen Ländern auch immer diskutiert wird, ziemlich sicher, dass es niemanden geben wird, der auch nur den Versuch starten wird, das Rad beim Thema Schuldenbremse zurückzudrehen.
Wir müssen also davon ausgehen, dass unabhängig von der jeweiligen Regierungsbildung die Schuldenbremse gelten wird. Sie würde auch für uns gelten. Für uns würde auch das gelten, was in Verwaltungsvereinbarungen mit dem Bund geregelt worden ist zur Frage, wie der Konsolidierungspfad aussehen muss, damit man diese 260 Millionen Euro bekommen kann. Diese 260 Millionen Euro werden nun sicherlich nicht die Haushaltsnotlage des Saarlandes beenden, aber ohne sie ginge es uns jedenfalls auch nicht besser. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich vorausschicken, dass auch bei unseren finanz- und haushaltspolitischen Diskussionen die geltende Schuldenbremse die Grundlage bildet, auf der wir uns bewegen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ab 2014, aber insbesondere ab 2015 und 2016, auch andere Bundesländer ganz extreme Probleme bekommen werden, die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Man muss sich ja nur mal umschauen; der Finanzminister weiß das sicherlich noch besser. Wir müssen bis dahin eigene Konsolidierungsbeiträge liefern, da stim
me ich Herrn Professor Deubel ausdrücklich zu. Nur wenn wir bis dahin im Rahmen dessen, was möglich ist, auch die eigenen Konsolidierungsanstrengungen realisiert haben, werden wir danach eine Chance haben, auf Bundesebene für einen Altschuldenfonds oder für neue Hilfen zu kämpfen. Das ist die Voraussetzung, die dieses Land erbringen muss und die auch von der SPD akzeptiert und anerkannt wird.
Meine Damen und Herren, ich will Sie auf die Nettokreditaufnahme in der mittelfristigen Finanzplanung hinweisen. Da ist für das Jahr 2012 eine Nettokreditaufnahme von 630 Millionen Euro vorgesehen - ich runde die Zahlen ab. 2013 sind es 590 Millionen Euro, 2014 soll die Nettokreditaufnahme noch 550 Millionen betragen, aber 2015 soll sie nur noch 400 Millionen Euro betragen. Diese Zahlen stehen so in der mittelfristigen Finanzplanung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das heißt, dass wir uns bis zum Jahr 2014 in Schritten von 30 bis 40 Millionen bewegen, aber vom Jahr 2014 auf das Jahr 2015 auf einen Schlag strukturell 150 Millionen Euro einsparen müssen! Nur um einmal zu verdeutlichen, über welche Größenordnung wir reden: 150 Millionen Euro - das ist die gesamte Wirtschaftsförderung des Landes aus zwei Jahren! 150 Millionen Euro entsprechen etwa 3.000 Lehrerstellen und 3.750 Polizeistellen in der Besoldungsgruppe A 9! Das sind die Dimensionen, über die wir reden. Mir soll mal einer erklären, wie man von einem auf das andere Jahr eine solche Konsolidierungslast tragen soll!
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, komme ich aus der Opposition zu der vielleicht etwas überraschenden Einschätzung, dass wir bis zum Jahr 2015 höhere Konsolidierungspotenziale ausnutzen müssen, als das bisher vorgesehen ist. Ich habe da auch ein gewisses politisches Eigeninteresse. Wir in der Opposition streben an, nach der nächsten Landtagswahl in diesem Land zu regieren. Aber wir hätten gerne, dass dann noch etwas zu regieren da ist! Wenn in einem Jahr bruchartig solche Konsolidierungssummen fällig sind, wird das Land vor der politischen Handlungsunfähigkeit stehen. Das kann nur verhindert werden durch einen Sanierungsplan, bei dem die Lasten nicht zufälligerweise ein Jahr nach der Landtagswahl beginnen, sondern jetzt. Jemand, der die Schuldenbremse so vehement einfordert wie Sie, müsste auch entsprechende Beiträge dazu leisten.
Ich frage mich ehrlich: Wenn Sie das täten, was sollte ich Ihnen eigentlich sachlich entgegenhalten? Ich wäre ja nicht mehr ernst zu nehmen, wenn ich -
Herr Ulrich, wissen Sie, was Sie so meinen, ist mir wirklich egal. Mir ist es wichtiger, dass Ihre Wähle
rinnen und Wähler offenbar einen besseren Eindruck von mir haben.
Deshalb, meine Damen und Herren, kann ich zu keinem anderen Ergebnis kommen, als dass die Sanierungen, wenn wir nicht solche politisch nicht zu leistenden Anstrengungen vor uns herschieben wollen, tiefgreifender sein müssen, als das zurzeit der Fall ist.
Wenn es um Sparen geht, geht es natürlich auch darum, wie man das politisch durchsetzen kann. Ich komme noch einmal auf das zurück, was wir schon vielfach gesagt haben: Wir brauchen für Sanierungen - und zwar für solche, die schmerzhaft sein werden - ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz. Die Leute wissen, dass vieles nicht mehr geht und vieles nicht mehr finanzierbar ist. Sie werden aber nur dann zu gewinnen sein, so etwas langfristig mitzutragen, wenn sie den Eindruck haben, dass es dabei einigermaßen gerecht zugeht. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben in den letzten Jahren wirklich nicht den Eindruck erweckt, dass es hier gerecht zugeht. Mehr Minister, mehr Staatssekretäre, Versorgungsorgien, all das haben die Menschen in den letzten Jahren wahrgenommen als das, was die politische Führung für sich selbst beansprucht, dass allerdings für sie, sei es arbeitsmarktpolitisch, sozialpolitisch oder wo auch immer, anscheinend ganz andere Maßstäbe angelegt werden. Deshalb kann ich nur noch einmal sagen: Wer politisch in der Verantwortung ist, der braucht für einen Sanierungskurs ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Zustimmung. Diese wird nicht zu erreichen sein, wenn man als Regierung oder als politische Führung nicht bei sich selbst mit dem Sparen anfängt. Deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Reduzieren Sie die Anzahl der Minister, reduzieren Sie die Anzahl der Staatssekretäre. Treten Sie vor die Öffentlichkeit und sagen Sie: Das ist unser Beitrag; nicht nur ihr, liebe Leute, sondern auch wir haben die Zeichen der Zeit erkannt! Solange das nicht geschieht, wird es keine Akzeptanz geben.
Ich will darauf hinweisen, dass man das Land nicht nur mit Veränderungen auf der Ausgabenseite sanieren kann. Auch das ist übrigens etwas, was Herr Professor Deubel in der Haushaltsstrukturkommission, aber auch bei vielen anderen Veranstaltungen, gesagt hat. Es muss auch die Einnahmeseite in den Blick genommen werden. Ich will anfangen mit dem Hinweis, dass Wirtschaftskraft auch Steuerkraft ist. Wenn man das, was bei Praktiker aktuell geschieht, zur Kenntnis nimmt, hat man ja nicht unbedingt den Eindruck, dass die Wirtschaftskraft sich verbessert. Wir sind froh darüber, dass das Saarland beim wirt
schaftlichen Wachstum gute Zahlen aufweist. Auch bei der Arbeitslosigkeit sind die Zahlen erfreulich.
Herr Kollege, wir müssen eines bedenken. Wenn wir hier versuchen, Arbeitsplätze zu sichern oder die Grundlagen für neue zu schaffen, werden wir das nur im Rahmen von strukturpolitischen Maßnahmen machen können. Die wirken nicht von heute auf morgen, sondern die wirken langfristig. Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie ein strukturpolitisches Konzept verfolgen, dass Sie bestimmte Innovationsschwerpunkte haben, die ganz konzentriert angegangen werden. Ist es das Thema Energie, ist es das Thema Medizintechnik? Was Ihnen fehlt, um der Wirtschaft strukturpolitisch einen Rahmen zu geben, ist ein Innovationskonzept in diesem Land. Wir müssen auch die Einnahmen im Land erhöhen durch mehr Wirtschaftskraft, durch neue Arbeitsplätze und durch weniger Arbeitslosigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich will an der Stelle einen Punkt ansprechen, den ich auch nicht für unbedeutend halte, nämlich die Diskussion um den Mindestlohn. Ich bin ja erfreut, dass sich bei der CDU in dieser Frage etwas getan hat, wobei ich mal klarstellen will, dass ein Mindestlohn immer eine Lohnuntergrenze braucht, sonst ist er kein richtiger Mindestlohn. Deshalb ist es schön, dass Sie sich da bewegt haben, aber Sie sind noch nicht ganz dort angekommen, wo sie hinmüssen. Aber wir haben ja gesehen, wie sehr Sie sich bewegen, vielleicht kommen Sie auch noch an der richtigen Stelle an. Die Einführung eines Mindestlohns und die Beteiligung der saarländischen Landesregierung an einer solchen Initiative hat auch Konsolidierungseffekte! Es ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, dass Leute, die einen Job haben, von dem Geld, das sie da verdienen, auch leben können und eine Familie ernähren können. Es ist doch zehnmal besser, einen Mindestlohn zu haben und dafür zu sorgen, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer anständig bezahlen, damit sie anschließend nicht als Aufstocker zur Arbeitsagentur laufen müssen. Wir sparen selber Geld, wenn wir dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so bezahlt werden, dass sie anschließend nicht mehr dem Staat auf der Tasche liegen müssen. Der Mindestlohn ist auch ein Konsolidierungsprojekt, und deshalb müsste er eigentlich von allen befürwortet werden!
Bei den Einnahmen geht es natürlich auch um Fragen der Steuerpolitik. Da haben wir ja durchaus Ansätze gehört - das ein oder andere Mal, sie sind dann aber nie wirklich verfolgt worden -, die wir für richtig und notwendig halten. Die GRÜNEN haben
das auf ihrem Bundesparteitag beschlossen, auch wir werden das auf unserem Bundesparteitag am kommenden Wochenende beschließen. Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, wie wir die Einnahmebasis des Staates einigermaßen kontinuierlich ausgestalten. Dazu gehören Fragen wie etwa die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, weil ich der Auffassung bin, dass diejenigen, die es sich leisten können, einen solchen Beitrag auch leisten sollen. Wir haben mittlerweile in Deutschland die Situation, dass es eine Initiative von Millionären und Milliardären gibt, die die Politik auffordert, den Spitzensteuersatz zu erhöhen oder eine Vermögenssteuer einzuführen. Da müssten wir doch bescheuert sein, wenn wir das nicht endlich täten!
Deshalb hoffe ich, dass diese Landesregierung der avisierten Steuerreform der Bundesregierung im Bundesrat die Zustimmung verweigern wird. Es sind 6 Milliarden Euro Entlastungen ab 2013 angekündigt. Für die steuerpflichtigen Geringverdiener wird das eine monatliche Besserstellung von ganzen 6 Euro bringen. Dafür eine Steuerreform zu machen, die wieder die Einnahmen der öffentlichen Hand beschränkt, ist sicherlich das Falscheste, was wir zurzeit tun könnten. Stimmen Sie deshalb im Bundesrat dagegen, dann vertreten Sie dort die Interessen des Saarlandes richtig und vernünftig.
Wenn ich mir diesen Haushalt anschaue, aber auch die einzelnen Politikfelder, die in der Einzelplanberatung noch zu diskutieren sind, dann bleibt alles in allem festzuhalten: Weder durch ihre Arbeit in der ersten Hälfte der Legislaturperiode noch durch die Vorlage dieses Haushaltes und der mittelfristigen Finanzplanung gibt diese Regierung auch nur den kleinsten Hinweis darauf, dass sie die großen Probleme unseres Landes lösen kann. Deshalb kann es so nicht weitergehen! - Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Mitantragsteller unterstützen wir natürlich die Intention dieses Antrags. Was der Kollege
Heinrich gesagt hat, ist in der Sache richtig. Es ist von uns ja bereits in der Aussprache zur Regierungserklärung eingefordert worden, da sich zu diesem Zeitpunkt schon angedeutet hat, dass es innerhalb der RWE zumindest Überlegungen gibt, die Anteile der VSE zu verkaufen.
Das Bedauerliche bei diesem Antrag ist, dass wir auf einer etwas unklaren Tatsachenbasis diskutieren. Es ist ja offenbar noch nicht hundertprozentig entschieden, ob überhaupt Anteile veräußert werden und wenn ja, in welchem Umfang und an wen. In diesem Zusammenhang halten wir es dennoch für richtig, hier eine überparteiliche Erklärung abzugeben, wonach wir ein gemeinsames strategisches Interesse daran haben, dass die Strukturen der VSE und insbesondere ihre regionale Verankerung - das heißt natürlich auch: der regionale Einfluss - erhalten bleiben und, wenn es nach uns geht, noch etwas ausgebaut werden.
Es ist ja mittlerweile kein Geheimnis mehr - es ist darüber geschrieben worden -, dass sich auf der kommunalen Seite die jetzigen Anteilseigner mit der Frage auseinandersetzen, ihre Anteile aufzustocken für den Fall, dass die RWE Anteile an der VSE verkauft, und dass es auf der kommunalen Seite Stadtwerke gibt, die sich für einen möglichen Einstieg bei der VSE interessieren. Das Modell, das da diskutiert wird, sieht vor, dass die RWE - das ist auch eine Aussage dieses Antrags - einen Teil ihrer Anteile behält und der frei werdende Teil von der kommunalen Seite übernommen wird. Das unterstützen wir, auch weil wir über die regenerativen Energien sicherlich hier vor Ort mehr Entscheidungshoheit haben, als das der Fall ist, wenn wir für alles, was wir hier tun wollen, immer nach Essen laufen müssen oder uns zumindest mit Essen ins Benehmen setzen müssen.
Ich will eine Empfehlung abgeben, die ich zumindest beim gegenwärtigen Stand der Debatte für sehr wichtig halte. Es ist mittlerweile bekannt, dass auch andere Unternehmen sich für diese Anteile der RWE an der VSE interessieren, falls es zum Verkauf kommt. Es ist spätestens letzten Freitag bei einer Beiratssitzung der Enovos in Merzig öffentlich geworden, dass die Enovos sich für die VSE interessiert und sich dabei nicht mit einem Teil der Anteile zufriedengeben will, sondern möglicherweise den gesamten Block der Anteile der RWE übernehmen möchte.
Man muss sich, wie ich finde, auch mit diesen Fragen auseinandersetzen, unabhängig davon, welche Strategie da verfolgt wird. Ich habe dabei eine Sorge: Die Enovos ist ein Unternehmen, das stark auf den deutschen und den internationalen Markt drängt, sowohl bei Energie und Energiedienstleistungen als auch bei der Telekommunikation. Ich finde, neben der gemeinsamen Absicht und dem Interesse, die regionalwirtschaftliche Verankerung der
VSE zu erhalten und möglicherweise auszubauen, müssen wir auch ein Auge darauf haben, dass über solche Diskussions- und Verkaufsprozesse nicht neue Konkurrenzsituationen geschaffen werden. Wenn sich die Enovos - aus welchen Gründen auch immer - entschließen würde, in Zukunft als Konkurrent der VSE in den genannten Bereichen aufzutreten, könnte das zu einem ruinösen Wettbewerb führen, der die VSE als Unternehmen nicht stärken, sondern möglicherweise schwächen würde.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass mit der Luxemburger Seite geredet werden muss. Es wird sicherlich in der kommenden Zeit einen Antrittsbesuch der Ministerpräsidentin bei Premierminister Juncker geben, dann muss dieses Thema mit auf die Tagesordnung. Es muss miteinbezogen werden bei all dem, was jetzt entschieden wird. Das Ergebnis kann nicht sein, dass wir zwar strukturell, was die Aufstellung der VSE betrifft, das erreichen, was wir gemeinsamen wollen, uns daraus aber dann auf dem Energiemarkt im Saarland ein Konkurrent erwächst, den wir im Moment noch nicht haben, der mit viel Geld aus Luxemburg möglicherweise Angebote machen kann, die die VSE vor Probleme stellt.
Deshalb bitten wir darum, dies im Auge zu behalten und mit der Enovos gegebenenfalls Gespräche zu führen, die zum Ergebnis haben - bei allen Entscheidungen, wie sie über die VSE oder die Anteile der RWE getroffen werden -, dass wir es anschließend nicht mit einem zusätzlichen Konkurrenten oder einer Konkurrenzsituation zu tun haben, die alle regionalwirtschaftlichen Interessen nachteilig betrifft. Das ist ein besonderes Anliegen. Das ist eine Sorge, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Ansonsten stimmen wir mit der Zielrichtung dieses Antrags überein. - Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin! Auch von dieser Stelle aus wünschen wir Ihnen für Ihr Amt eine glückliche Hand. Letztlich geht es nicht um Regierung oder Opposition, es geht um das Land und um die Menschen, die hier leben. Diese haben eine Perspektive für ihr Dasein, für all ihre Wünsche aber auch für ihre Ängste verdient.
Sie bieten den Fraktionen eine faire, transparente und sachorientierte Zusammenarbeit an. Dies nehmen wir gerne an, insofern es an uns gerichtet ist und nicht an Ihre eigenen Koalitionsfraktionen. Wir haben in der Vergangenheit durchaus zu unterschiedlichen Themen mit unterschiedlichem Engagement gestritten. Ich glaube, dass der Streit in der Sache weiterhin die politische Debatte beherrschen muss, weil er letztlich davon geprägt ist, die besten Lösungen zu finden. Ich hoffe, dass sich die dadurch freigesetzte Dynamik in Zukunft in diesem Hohen Hause entfalten wird.
Sie haben auch darauf hingewiesen, dass Sie die Rituale, die es in der Politik gibt - ich nehme an, Sie meinen insbesondere diejenigen zwischen Regierung und Opposition -, für nicht mehr zukunftsweisend halten und glauben, dass dies zu einem großen Teil dafür verantwortlich ist, dass viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen ist. Sie haben sicherlich nicht ganz Unrecht, dennoch glaube ich, dass die Parteienverdrossenheit und die Vertrauenskrise, die es gegenüber der Politik gibt - und die wir auch bekämpfen müssen, jeder mit seinen Möglichkeiten -, nicht in erster Linie daraus resul
tiert, dass Politiker streiten, sondern dass Politiker und Politik versagen. Das ist in vielen Punkten der Fall gewesen, und das ist auch, wie ich finde, im Saarland in den letzten Jahren zu beobachten gewesen. Deshalb bin ich sehr auf die erste Initiative der Opposition gespannt, die die Regierung übernehmen wird, weil es sachlich geboten ist. Wir würden uns darüber freuen.
Frau Kramp-Karrenbauer, ich weise Sie aber darauf hin, dass es in den letzten Jahren gewisse Rituale gegeben hat - gerade in den letzten zwei Jahren dieser Jamaika-Koalition -, die das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik nicht unmaßgeblich beeinflusst haben. Ich erinnere nur an das Personalgeschacher von Baldauf bis Kappler, ich erinnere an die Pleiten, Pech und Pannen von Gondwana bis zum Vierten Pavillon; auch da haben Politik und Politiker versagt. Das ist die eigentliche Ursache für die Vertrauenskrise, mit der wir es zu tun haben. Der müssen wir abhelfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun hat jeder sicherlich unterschiedliche Erwartungen an eine solche Regierungserklärung. Es ist immerhin seit sechs Monaten angekündigt, dass Neues beginnen soll, dass sich der Stil und einiges mehr verändern wird und vieles noch besser wird. Ich habe heute Morgen gelesen, dass eine Schweizer Agentur dabei mithelfen soll - bis hin zur Verfassung von Regierungserklärungen -, die großen Erwartungen zu erfüllen.
Es fällt mir jedoch schwer, auf die 27 Seiten Ihrer Regierungserklärung, auf die Themen, auf Ihr Projekt, auf das Motto, das Sie für die Regierung vorgeben, eine finale Antwort zu finden. Sie haben richtig und nahezu vollständig alle bekannten Fragen und Probleme aufgezählt, sind aber die konkreten Antworten schuldig geblieben. Sie fordern selbst Mut zu unbequemen Wahrheiten, bleiben jedoch sowohl den Mut als auch die Wahrheiten schuldig. Sie sagen, es müssen jährlich 70 Millionen gespart werden, Sie sagen jedoch nicht, wie und wo konkret. Sie sagen, dieses Land braucht Leitinvestitionen. Ich frage mich welche, sie sind zumindest in Ihrer Regierungserklärung nicht benannt worden. Sie wollen der prekären Beschäftigung entgegenwirken, aber Sie sagen nicht womit. Sie wollen einen mit den Nachbarländern abgestimmten Hochschulentwicklungsplan, aber Sie sagen uns nicht, wo der Schwerpunkt Ihrer Planung liegt und was der Schwerpunkt der saarländischen Hochschullandschaft in der Zukunft sein soll.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie sind immerhin seit über zehn Jahren Ministerin und hatten sechs Monate Zeit, mehr als nur einen Fragenkata
log abzuliefern. Deshalb sieht es für uns nicht nach Aufbruch, sondern eher nach letztem Gefecht aus.
Ein Punkt, der sich durch Ihre Regierungserklärung gezogen hat, ist sicherlich die Auseinandersetzung mit der Gefährdung der Selbstständigkeit unseres Landes. Sie werden in diesem Haus und hoffentlich auch in der saarländischen Öffentlichkeit niemanden finden, der Ihnen nicht beipflichten würde, dass es in Zukunft am besten wäre, die Geschicke des Landes von hier aus und nicht als fünftes Rad am Wagen von Mainz, Wiesbaden oder von wo auch immer aus zu lenken. Jemand, der seit zwölf Jahren in der Regierungsverantwortung ist und die bedrohte Selbstständigkeit des Saarlandes als ein tragendes Motiv von politischer Verantwortung und Handeln benennt, muss sich aber fragen lassen, was in den letzten zwölf Jahren geschehen ist, in denen zumindest die CDU in der Regierungsverantwortung war. Die Schulden haben sich auf 12 Milliarden Euro verdoppelt. Wir haben seit Jahren einen negativen Wanderungssaldo, das Institut für Bevölkerungsentwicklung in Berlin bezeichnet das Saarland mittlerweile als schrumpfenden Zwerg. Sie kommen zu der wahrscheinlich nicht ganz falschen Erkenntnis, dass es in den nächsten Jahren um das blanke Überleben als selbstständiges Bundesland geht. Das ist eine brutale Selbsterkenntnis nach zwölf Jahren eigener Regierungsverantwortung, dass die Selbstständigkeit dieses Landes gefährdet ist! Auch das ist ein Eingeständnis dafür, dass Sie in den letzten Jahren viele Fragen nicht nur nicht beantworten konnten, sondern dass viele Dinge offen geblieben sind und Sie in vielen Punkten versagt haben. Das gilt für die CDU in ihrer Regierungszeit, aber auch in den letzten zwei Jahren ist nichts besser geworden.
Auch das muss man sicherlich dazu sagen. Wenn es nicht um mehr als den Erhalt der Eigenständigkeit dieses Landes geht, dann muss man sich natürlich auch die Frage stellen, ob diejenigen, die in einer Regierungskoalition zusammen sind, in der Lage sein werden, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Wahl am 10. August in diesem Hause hat zumindest eines gezeigt. Uns ist seit zwei Jahren erzählt worden, dass diese Koalition stabil sei, dass sie ein politisches Konzept hätte und dass sie in der Lage sei, auch schwierige Probleme einig zu lösen.
Sie haben am 10. August selbst den Beweis dafür erbracht, dass diese Koalition mehr als instabil ist. Das wird noch mehr Probleme schaffen, als wir ohnehin schon in diesem Land haben.
Das ist an einer Stelle deutlich geworden. Man konnte in der Zeitung nachlesen, dass Sie insbesondere vor dem zweiten Wahlgang in Ihren Koalitionsfraktionen mit Neuwahlen gedroht oder dieses Szenario aufgemacht haben. Das ist mittlerweile berichtet und bestätigt. Auch das muss man einmal klar sagen können: Wenn jemand zum Ministerpräsidenten gewählt wird, weil er seinen Abgeordneten Neuwahlen androht, so mit der Angst vor dem Mandatsverlust agiert und kein politisches Konzept hat, dann ist das etwas wenig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb sind wir einmal gespannt, wie die vielen Fragen, die Sie aufgeworfen haben, in der Zukunft von dieser Regierung beantwortet werden sollen.
Ich will einmal einige Themen ansprechen, wo wir zumindest erwartet hätten, schon heute eine Antwort, zumindest eine Richtung, eine Tendenz zu erfahren, aber keine erfahren haben. Sie haben darauf hingewiesen - das will ich zunächst einmal unterstreichen, weil ich es auch für richtig halte -, dass in diesem Land kein Weg an der Haushaltskonsolidierung vorbeiführt, völlig unabhängig davon, wer gerade an der Regierung ist. Es ist auch richtig, dass im Vorfeld der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs bei all dem, was Ende dieses Jahrzehnts ansteht der Solidarpakt wird auslaufen, die Schuldenbremse wird greifen, die Finanzbeziehungen zwischen den Ländern untereinander sowie dem Bund und den Ländern werden neu geordnet werden -, wir nur eine Chance haben werden, von anderen Hilfen zu bekommen, wenn wir unsere Hausaufgaben selbst gemacht haben. Wer wollte das bestreiten?
Dann würde ich es jetzt nicht sagen, wenn ich es bestreiten würde, sehr verehrter Herr Schmitt.
Nein, das habe ich auch schon oft gesagt. Das wissen Sie. Es ist deshalb eine richtige Erkenntnis und eine, der sich auch die Opposition nicht verschließen kann. Deshalb wird es in den kommenden Wochen und Monaten darum gehen, wo es sinnvoll ist zu sparen, wo es sinnvoll ist zu konsolidieren und vor allen Dingen, wie man das nachhaltig tun kann.
Deshalb - auch das empfinde ich als eine verpasste Chance - werden wir darauf angewiesen sein, dass es in diesem Land in der kommenden Zeit ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz für nicht unwesentliche Sparmaßnahmen geben wird. Die Regierung, egal wie sie zusammengesetzt ist, wird einen Konsolidierungskurs über mehrere Jahre fahren. Dieser muss bis zum Ende dieses Jahrzehnts gefahren werden. Keine Regierung wird es schaffen
oder überleben, das durchzusetzen, wenn sie nicht ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz hat.
Wenn Sie mit einigermaßen offenen Ohren durch die Gegend gehen, werden Sie feststellen, dass viele Menschen in diesem Land es nicht verstehen, dass es für die politische Klasse, insbesondere innerhalb der Regierung, eine Vielzahl von neuen Positionen und Pöstchen gibt, dass diese Regierung größer geworden ist, dass es alleine drei Ministerien gibt, die heute zwei Staatssekretäre brauchen. Das verstehen die Leute nicht. Deshalb sage ich Ihnen noch einmal. Wenn Sie dieses gesellschaftliche Maß an Akzeptanz wollen, dann müssen Sie zeigen und beweisen, dass Sie beim Sparen nicht nur darüber reden, wo andere sparen, sondern selber Ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und bei sich selber anfangen. Diese Chance haben Sie bei Ihrer Kabinettsbildung bereits verpasst. Das wird auch weiterhin ein Problem werden, wenn Sie Leuten sagen, sie müssen sparen, aber Sie diese Notwendigkeit bei sich selbst nicht gesehen haben.
Nachher wird gesagt, Ihr müsst kucken, wie die Regierung früher ausgesehen hat. Wenn das stimmt, was die Frau Ministerpräsidentin gesagt hat, nämlich dass wir uns einer Herausforderung gegenübersehen, wie sie dieses Land noch nicht gesehen hat, dann werden Sie wahrscheinlich auch nicht mit Maßstäben aus der Vergangenheit kommen können.
Vertane Chance. Aber wenn Sie das zufriedenstellt, dann ist es ja schön und gut. Ich bin mir ziemlich sicher, wie die geneigte saarländische Öffentlichkeit darüber denkt. Sie werden das irgendwann zu spüren bekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben das PwC-Gutachten angesprochen und darauf hingewiesen, dass Sie es vorurteilsfrei prüfen wollen und dass Sie eine Lenkungsgruppe einsetzen, die sich dann mit den Fragen auseinandersetzt, was da jetzt noch zu prüfen sein soll oder was nicht. Ich will einmal auf einen Punkt hinweisen, da wir ja selber in dieser Haushaltsstrukturkommission dabei gewesen sind und weil wir eigentlich Einigkeit an einem Punkt hatten. Die Einigkeit zumindest bei den Fraktionen, die mitgewirkt haben, bestand darin, dass das, was dort errechnet worden ist, eine Grundlage für politische Entscheidungen ist.
Nun kann man sicherlich an der einen oder anderen Stelle sagen, da hätte man etwas anders rechnen müssen, aber im Grundsatz sind Konsolidierungspotenziale ausgerechnet worden. Sie sind der Politik
von der PwC zur politischen Entscheidung vorgelegt worden. Es gibt da nichts mehr zu prüfen. Es gibt auch nichts mehr zu berechnen, sondern es sind nur noch politische Entscheidungen zu treffen, ob man davon Gebrauch macht, wo Potenziale errechnet worden sind oder nicht. Deshalb brauchen Sie überhaupt keine Lenkungsgruppe, die sich damit noch einmal befasst, sondern Sie brauchen politische Entscheider, die endlich einmal sagen - eigentlich dachte ich, dass Sie zumindest sagen, in welche Richtung es geht -, was von dem, was da ausgerechnet worden ist, wo eingespart werden soll oder auch nicht. Auch diese Antwort sind Sie hier schuldig geblieben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es wird niemand leugnen, dass auf der Ausgabenseite viele Entscheidungen getroffen werden müssen. Auch das haben wir in der Vergangenheit teilweise einmütig debattiert. Wir werden die finanziellen Strukturprobleme dieses Landes nicht alleine auf der Ausgabenseite lösen können. Wir waren einmal im Haushalts- und Finanzausschuss einstimmig der Auffassung, dass es ohne einen sogenannten Altschuldenfonds nicht gehen wird. Ich denke, wenn man eins und eins zusammenzählt, müsste das eigentlich nach wie vor die übereinstimmende Auffassung aller hier verantwortlich Handelnden sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben auf der Einnahmenseite die Grunderwerbssteuer angesprochen. Die wird uns nur leider alleine nicht retten. Wir waren, als es darum ging, dass die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte verbessert wird, glaube ich, schon einmal einige Schritte weiter, meistens außerhalb des Parlamentes, nicht innerhalb des Parlamentes. Wenn Sie konsolidieren wollen und wenn Sie eine haushalts- und finanzpolitische Perspektive für dieses Land wollen, dann werden Sie nicht umhinkommen, auch die Einnahmen der öffentlichen Haushalte zu stabilisieren. Dafür liegen alle Themen auf dem Tisch. Sie selber haben die Diskussion über eine mögliche Anhebung des Spitzensteuersatzes geführt. Andere reden über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder die Belastung großer Vermögen in welcher Form auch immer.
Richard von Weizsäcker hat einmal vorgeschlagen, den sogenannten sozialen Lastenausgleich einzuführen, dass besonders Begüterte zumindest über einen bestimmten Zeitraum etwas mehr von ihrem Vermögen abgeben, um wichtige Aufgaben in den öffentlichen Haushalten, sei es Bildung, Betreuung und was auch immer, sicherzustellen. Wenn Sie ernsthaft ein Interesse haben, dass wir aus der Misere herauskommen, müssen Sie sich bekennen. Eigentlich hätten Sie sich hier schon bekennen müssen, nicht nur dass die Einnahmebasis stabilisiert und verbessert werden muss, sondern Sie hätten
auch sagen müssen, wo. Auch das haben Sie nicht gesagt. Das ist zu wenig.
Es sei nur am Rande angemerkt, dass das alles nur bedingt zielgerichtet ist, worüber wir hier reden, wenn man zumindest nicht auch für diese Landesregierung eine Ansage macht für das, was sich zurzeit auf den Finanzmärkten entwickelt. Sie glauben doch nicht, dass Sie über eine Steuerreform in welche Richtung auch immer die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte sichern können. Solange wir derartige Zustände wie zurzeit auf den internationalen Finanzmärkten haben, solange es Spekulanten gibt, die ungestraft auf den Zusammenbruch staatlicher Haushalte wetten können, frage ich mich, was wir hier veranstalten. Deshalb wäre es sinnvoll gewesen, wenn Sie sich an der Stelle einmal erklärt hätten - es gibt ja eine sehr muntere Diskussion in Berlin, auch in Ihrer Partei. Um nicht nur die Einnahmebasis, sondern um die finanzielle Solidität der öffentlichen Haushalte generell gewährleisten zu können, müssen wir auch dafür sorgen - und zwar alle, das werden wir nicht hier tun können, aber Sie werden als Ministerpräsidentin in Berlin wohl auch mal etwas zu sagen haben -, dass es endlich zu einer Regulierung der Finanzmärkte kommt. In Zukunft sollte es dann nicht mehr möglich sein, dass harte und unbequeme Konsolidierungsmaßnahmen in Bund oder Ländern dadurch kaputt gemacht werden, dass es irgendwann mal wieder eine Finanzkrise gibt und alle Konsolidierungsmaßnahmen umsonst gewesen sind. Das ist eine Voraussetzung, um finanziell überleben zu können. Mit dem Chaos an den Finanzmärkten muss Schluss sein. Diese Landesregierung muss mit dafür sorgen, dass damit auch ernst gemacht wird.
Sie haben das Thema Wirtschaft angesprochen. Sie haben gesagt, Wirtschaft ist Steuerkraft. Das ist zweifellos richtig und ist tatsächlich ein Hinweis darauf, dass, wenn wir über Haushaltskonsolidierung reden, wir auch über Wirtschaft reden, weil sich darüber letztlich auch die Steuereinnahmen entwickeln und somit eine gute Wirtschaftspolitik auch die Steuerkraft des Landes verbessert. Sie haben gesagt, das Saarland ist ein Industrieland. Das ist auch richtig. Sie haben gesagt, der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft. Auch das ist richtig. Und Sie haben gesagt, die Landesregierung wolle der Schrittmacher des Strukturwandels sein. Ich spreche Ihnen gar nicht ab, dass Sie das beabsichtigen. Aber das war es dann auch. Wenn die Wirtschaft die Grundlage für unsere Steuerkraft ist, dann hätte ich schon erwartet, dass es in einer Regierungserklärung ein paar Aussagen gibt, an welchen Stellen der Strukturwandel substanziell neue Fahrt aufnehmen soll, wo es neue Innovationsfelder gibt.
Ist das vielleicht der jetzt viel beschworene Bereich der Energie und der Energiewende, wo sicherlich viel geschehen wird, wo aber nicht nur wir gerne ein Stück vom Kuchen abhaben möchten? Ist es vielleicht notwendig, in der Informatik noch mal nachzulegen und sie sozusagen ein zweites Mal besonders zu pushen? Oder ist die Medizintechnik ein Bereich, in dem in den nächsten Jahren die größten Wachstumspotenziale liegen, die wir durch verbesserte Rahmenbedingungen, durch eine entsprechende Ausrichtung von Forschung und Entwicklung auch nutzen müssen, damit der Strukturwandel endlich wieder in Gang kommt?
Nur darüber zu lamentieren, dass Wirtschafts- und Finanzkrisen uns das Leben schwer machen, aber keine eigenen Akzente zu setzen, wie wir es bei der Informatik beispielsweise mal getan haben, um den Strukturwandel wieder in Gang zu bringen, das ist viel zu wenig. Sie können nicht nur sagen, Wirtschaftskraft ist Steuerkraft, das Saarland ist ein Industrieland, der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft und Sie wollen der Schrittmacher des Strukturwandels sein. Sie geben keine einzige Antwort, wie, wo und wann Sie dafür sorgen wollen, dass Sie der Schrittmacher des Strukturwandels sind. Das ist viel zu wenig.
Sie haben den Arbeitsmarkt angesprochen und darauf hingewiesen, dass Sie sich mit der prekären Beschäftigung auseinandersetzen wollen. Sie haben gesagt, dass es dort Entwicklungen gibt, die auch Ihnen nicht gefallen. Sie haben von 3.700 Personen gesprochen, die Vollzeitjobs haben, aber nicht genug Geld zum Leben, sodass sie sich Geld vom Staat dazugeben lassen müssen - die sogenannten Aufstocker. Es geht aber nicht nur um 3.000 Aufstocker. Wir haben im Saarland mittlerweile 55.600 Niedriglöhner. Wir haben 28.000 befristet Beschäftigte. Wir haben mittlerweile deutlich über 10.000 Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer und wir haben 70.600 geringfügig Beschäftigte.
Meine Damen und Herren, das sind alles Zahlen, die in den letzten Jahren stark gestiegen sind. Und es ist gut, dass Sie dieses Problem ansprechen, das macht zumindest mal Hoffnung. Aber auch hier hätte ich erwartet, das eine oder andere darüber zu hören, wie Sie denn dafür sorgen wollen, dass diesem Trend entgegengewirkt wird. Denn diesem Trend muss entgegengewirkt werden. Wir haben hier schon viele Debatten zu diesem Thema geführt und die Vorschläge liegen alle auf dem Tisch.
Ich will mal das Thema Leiharbeit herausgreifen. Leiharbeit wird mittlerweile bedauerlicherweise massenhaft missbraucht, und Sie haben es richtigerweise benannt. Es gibt relativ einfache Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Im Arbeitnehmerüberlas
sungsgesetz könnte man ganz einfach Equal Pay vereinbaren, das heißt gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dort steht jetzt noch der Satz drin, dies gelte, falls keine Tarifverträge vorliegen. Ausgehebelt wird dies von Pseudogewerkschaften, die Dumping-Tarifverträge abgeschlossen haben, um das Equal-PayPrinzip zu umgehen. Diese Diskussion gibt es, man muss sich nur entscheiden.
Andere führen Diskussionen - auch darüber haben wir hier geredet -, dass man die Zuschüsse zur Wirtschaftsförderung davon abhängig macht, ob Leiharbeit missbraucht wird oder nicht. Auch da wären wir dankbar gewesen, wenn nicht nur wieder mal wie an vielen anderen Stellen auch Probleme benannt worden wären, sondern wenn eines der dringendsten Probleme der Arbeitnehmer endlich auch mal angegangen würde. Das ist nämlich nicht mehr die quantitative Auseinandersetzung mit den Arbeitslosenzahlen, sondern es ist die Qualität von Arbeitsverhältnissen. Wenn es immer mehr Menschen gibt, die zwar einen Vollzeitjob haben, aber von dem Geld, das sie dort verdienen, nicht mehr leben geschweige denn eine Familie ernähren können, dann muss die Politik handeln. Wir haben es erkannt. Es gibt Lösungsvorschläge. Auch da hätte ich mir gewünscht, dass es einige Antworten gibt und nicht nur die Problembenennung.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Sie haben das Thema Industriestandort angesprochen und auch eine Anmerkung zum Thema RWE-Anteile an der VSE gemacht. Alles richtig. Es gibt auch die gleiche Diskussion bei den Steag-Kraftwerken. Ich weiß nicht, ob unbedingt die Industrie da jetzt einspringen soll. Mittlerweile ist es ja wohl so, dass auch die kommunalen Energieversorger entsprechende Überlegungen anstellen. Da würde ich mir von jemandem, der sagt, dass er für den Industriestandort da ist, wünschen, dass er auch dafür sorgt, dass die Landesregierung eine aktive Rolle einnimmt bei der Frage, wie Industriepolitik gemacht wird.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - An vielen anderen Stellen Ihrer Regierungserklärung setzt sich das fort. Sie werfen viele Fragen auf, geben aber
keine Antworten. Das ist deutlich zu wenig. Ein substanzielles Konzept ist in Ihrer Regierungserklärung nicht zu erkennen. Das ist die Erkenntnis, bedauerlicherweise die einzige des heutigen Tages.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem kühnen Beitrag will ich auch den Antrag der SPD begründen, weil die wirtschaftliche Lage ganz entscheidend dafür sein wird, ob wir die wesentlichen Zukunftsfragen in unserem Land lösen können oder nicht. Die wirtschaftliche Entwicklung im Saarland, da stimme ich Ihnen zu, Herr Kühn, ist eindeutig positiv. Vor allen Dingen im Vergleich zu den Befürchtungen, die während der Finanz- und Wirtschaftskrise geäußert worden sind, ist diese Entwicklung sowohl beim Wirtschaftswachstum als auch bei der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt deutlich besser, als wir es alle vor einiger Zeit befürchten mussten.
Das Saarland war von der Wirtschaftskrise ganz besonders hart getroffen. Das ist noch nicht einmal die Schuld der Landesregierung gewesen, sondern der Tatsache geschuldet, dass die Saar-Wirtschaft nun einmal ganz besonders exportabhängig gewesen ist und das bei uns zu tieferen Einschnitten geführt hat, als es in anderen Regionen in Deutschland der Fall gewesen ist. Das heißt natürlich auch, dass wir die Zuwachsraten, die wir jetzt haben, brauchen, um das, was wir an Mehr verloren haben, auch wieder aufholen zu können. Das bezieht sich sowohl auf das wirtschaftliche Wachstum als auch auf die Arbeitslosenzahlen, wobei ich beide Dinge zunächst einmal nur als quantitative Größen einstufen will.
Das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland ist gegenwärtig insgesamt ein außerordentlich gutes. Wir haben gerade gestern lesen können, dass internationale Organisationen ein wirtschaftliches Wachs
tum in Deutschland für dieses Jahr von über 3 Prozent prognostizieren. Es liegt also noch über der Prognose der Bundesregierung. Das sind alles Zahlen, die Anlass zur Freude geben.
Auch bei den Arbeitsmarktzahlen haben wir sicherlich Entwicklungen, die deutlich besser sind als das, was zu erwarten gewesen ist. Auch das ist völlig unabhängig davon, ob man gerade einmal in der Regierung oder in der Opposition ist, was zu begrüßen ist. Es geht letztlich um Menschen. Mehr Menschen haben Arbeit und weniger sind arbeitslos.
Im Antrag der CDU, der FDP und der GRÜNEN wird nun ausgeführt, dass die besondere wirtschaftliche Entwicklung im Saarland unter anderem der Politik der Landesregierung zu verdanken sei. Wahrscheinlich würden wir es nicht viel anders formulieren, wenn wir an der Regierung wären. Aber wir versuchen, es einmal ganz objektiv zu betrachten. Ich will dazusagen, um das etwas genauer auseinanderzunehmen: Wenn wir über Landesregierung reden, müssen wir über die Vorgängerlandesregierung reden, denn die wesentlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise sind in der letzten Legislaturperiode getroffen worden.
Da sind mir die Aktivitäten des damaligen Wirtschaftsministers Rippel in guter Erinnerung. Herr Rippel hat in dieser Phase, wie ich finde, sehr umsichtig, sehr pragmatisch und sehr vernunftorientiert gehandelt und hatte bei all dem, was er getan hat, immer unsere Unterstützung.
Nein. Das hat sich damals nicht anders angehört. Ich komme gleich noch dazu, Herr Kollege Schmitt. Dort, wo es positive Entwicklungen zu verzeichnen gilt, die letztlich die Lebenssituation von Menschen verbessern, habe ich - ich weiß nicht, wie oft an dieser Stelle - mich immer darüber gefreut und dem auch Ausdruck verliehen.
Wir müssen uns vor allen Dingen mit der Frage auseinandersetzen, was wir eigentlich dazu beitragen können, dass die wirtschaftliche Situation im Saarland sich weiter verbessert. Was können wir dazu beitragen, dass die Ursachen dieser Krise nicht wieder entstehen? Da muss man relativ deutlich sagen, dass die Handlungsspielräume der Landespolitik sehr begrenzt sind. Denn die Ursachen für die Wirtschaftskrise waren die vorausgegangene Finanzkrise und die sich daraus entwickelnde Wirtschaftskrise.
Da will ich schon erwähnen, dass es insbesondere zwei politische Elemente gegeben hat, die nach unserer Auffassung die Grundlage dafür gewesen sind, dass wir heute besser dastehen, als wir es vor einiger Zeit noch gemeinsam befürchtet haben. Das
sind Dinge, die die damalige Große Koalition in Berlin auf den Weg gebracht hat. Das Erste war, dass zwei Konjunkturprogramme in der zweiten Hälfte 2008 von der Bundesregierung, von der CDU und der SPD, auf den Weg gebracht worden sind.
Ich will nur darauf hinweisen, dass die SPD wahrscheinlich weniger grundsätzliche Probleme mit Konjunkturprogrammen hatte. Deshalb haben insbesondere Frank Walter Steinmeier und Peer Steinbrück dort die wesentlichen Rahmendaten geliefert. Letztlich hat diese Regierung das umgesetzt. Ich will auch nicht verschweigen, dass es wie in allen anderen Bundesländern Landesergänzungsprogramme gegeben hat, also dass man aus dem Land heraus im Rahmen der Möglichkeiten Maßnahmen getroffen hat, um die saarländische Wirtschaft zu unterstützen. Auch das ist von uns immer begrüßt worden.
Wir haben ja selbst eigene Vorschläge dazu gemacht. Ich erinnere nur daran, den Bürgschaftsrahmen auszuweiten, ist eine Forderung, die wir sehr früh erhoben haben. Dass man in einem Autogipfel die Beteiligten zusammenruft, die in einem besonders wichtigen Wirtschaftsbereich Verantwortung tragen, all das sind Dinge, die auch von uns gefordert worden sind. Sie sind umgesetzt worden. Warum sollte ich sie heute kritisieren?
Ich will bei dem Thema ganz grundsätzlich etwas sagen, weil wir uns in den letzten Jahren über Sinn und Unsinn von Konjunkturprogrammen in diesem Hause sehr oft gestritten haben. Ich glaube, spätestens seit der Wirtschafts- und Finanzkrise, seit den Konjunkturprogrammen I und II, die die Bundesregierung damals auf den Weg gebracht hat, und den ergänzenden Programmen, die in den Ländern, auch im Saarland, gemacht worden sind, ist doch der empirische Beweis erbracht, dass es Zeiten gibt, in denen es sinnvoll ist, konjunkturelle Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten, wenn die Wirtschaft zusammenbricht. Es ist ein empirischer Beweis.
Das sagt uns für die Zukunft, dass so etwas wie antizyklische Wirtschaftspolitik durchaus Sinn machen kann. Das haben wir in der Vergangenheit hier unter Beweis stellen können. Es müsste ein Auftrag für die Zukunft sein, dass wir in ähnlichen Situationen in der politischen Verantwortung sind gegenzusteuern, damit die Wirtschaft nicht zusammenbricht und nachher überbordende Arbeitslosigkeit über uns hereinbricht und viele Kosten verursacht, von denen wir nicht wissen, wie wir sie tragen sollen.
Der zweite Punkt, der ganz wesentlich auf dem Arbeitsmarkt dazu beigetragen hat, dass es nicht zu Massenentlassungen gekommen ist, ist die Tatsache, dass die Große Koalition in Berlin damals unter der Federführung des Arbeitsministers Olaf Scholz die Verlängerung der Bezugsdauer des Kurzarbei
tergeldes auf den Weg gebracht hat. Das war der Grund, warum in vielen Unternehmen, in denen eigentlich aufgrund der damaligen Auftragslage Entlassungen notwendig gewesen wären, diese Entlassungen nicht ausgesprochen wurden. Auch das ist eine Voraussetzung dafür, dass wir heute besser dastehen, als wir es geglaubt haben, und dass wir heute besser dastehen als viele andere europäische Länder, die solche sozialen Instrumente wie das Kurzarbeitergeld nicht haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das sollte uns ein Hinweis für die Zukunft sein, dass wir neben der Maßnahme, Konjunkturprogramme aufzulegen, auch über die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen verfügen, um einer Krise entgegenzuwirken. Es ist gut, dass wir diese Instrumente haben. Wir müssen sie auch in Zukunft nutzen, wenn es notwendig ist.
Ich will auch einmal an dieser Stelle etwas sagen, weil es relativ einfach ist, heutzutage die Politik, Politiker und Parteien in einen Sack zu stecken und dann draufzuknüppeln. Die Art und Weise, wie die Politik mit der Wirtschafts- und Finanzkrise - zumindest was sich in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen in Deutschland abgespielt hat - umgegangen ist, war eine politische Meisterleistung. Das will ich jetzt einmal über die Parteigrenzen hinweg sagen.
Die Tatsache, dass wir insbesondere mit solchen Maßnahmen gegengesteuert haben, dass das relativ schnell zu vereinbaren gewesen ist, dass auch finanzmarktmäßig Begleitmaßnahmen relativ schnell auf den Weg gebracht worden sind, sind alles Dinge gewesen, die letztlich die Gewähr dafür gegeben haben, dass wir heute besser dastehen als andere. Im Gegensatz zu irrlichternden Wirtschaftswissenschaftlern in der Vergangenheit oder den überforderten Spitzen in der Finanzmarktbranche hat die Politik in den letzen Jahren im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise einen guten Job gemacht.
Das sollten wir selbstbewusst bei allen Diskussionen, die jetzt schon wieder losgehen, durchaus zur Kenntnis nehmen. Ich will das auch sagen, weil wir vor einigen Jahren eine Debatte geführt haben, welchen Beitrag etwa Gewerkschaften und Betriebsräte oder die Mitbestimmung in der deutschen Wirtschaft leisten, und diese Debatte durchaus sehr kritisch geführt worden ist. Ich erinnere daran, dass der ehemalige FDP-Vorsitzende die Gewerkschaften als Plage bezeichnet hatte, bevor seine eigene Partei ihn dann als Plage identifiziert hat.
All das sind letztlich Dinge, auf die wir jetzt zurückgreifen können. Die Tatsache, dass die Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften genauso wie
aus den Betriebsräten in den Diskussionen, die es da gegeben hat, für sie nicht nur bequeme, sondern zum Teil sehr unbequeme Entscheidungen mitgetragen haben, ist doch ein Hinweis darauf, dass die deutsche Mitbestimmung nichts ist, was in irgendeiner Weise etwas mit Plagen zu tun hat, sondern ein Erfolgsmodell ist, auf das wir stolz sein können. Ich würde mir wünschen, dass einige in den oberen Etagen unserer Wirtschaft so verantwortungsvoll agieren, wie das in der Vergangenheit Betriebsräte und Gewerkschafter getan haben. Auch das wäre ein Beitrag dazu, Krisen in der Zukunft zu vermeiden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will auch zu dem, was der Kollege Kühn zur Entwicklung bei Halberg Guss und SaarGummi gesagt hat, noch etwas anmerken. Wir sind auch froh, dass es letztlich gelungen ist, eine Lösung zu finden, die die Weiterführung der dortigen Unternehmen und Betriebe möglich macht. Ich will mich jetzt gar nicht groß damit auseinandersetzen, ob die sich gut von der Landespolitik oder der Landesregierung betreut gefühlt haben oder nicht. Wir sind froh, dass es Investoren gegeben hat, die sich dort engagieren. Wir sind froh, dass es Lösungen gegeben hat. Darauf will ich noch einmal hinweisen.
In beiden Unternehmen haben die Belegschaften noch einmal Einschnitte über sich ergehen lassen, tragen das aber im Sinne des Gesamtunternehmens mit. Wir sind froh, dass die Betriebsräte, die es dort gibt, so verantwortungsvoll mit der Situation umgegangen sind. Dass bis zur letzten Sekunde für die Interessen der Beschäftigten gekämpft worden ist, jetzt noch mit einem guten Ende, ist ein Hinweis darauf, dass sich das gelohnt hat. Das ist etwas, wozu man den Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat, insbesondere bei SaarGummi, aber auch bei Halberg Guss, herzlich gratulieren kann.
Meine Damen und Herren, die Situation im Saarland ist jetzt beleuchtet worden, zumindest zum Teil. Wir haben eben über die Arbeitsmarktsituation gesprochen im Zusammenhang mit dem Thema Leiharbeit. Ich will mal einige wenige Punkte hier ansprechen, aus denen eigentlich schon klar wird, wo die Handlungsfelder der saarländischen Wirtschaftspolitik in den kommenden Jahren liegen. Die Zahlen zur Leiharbeit will ich nicht noch mal alle aufgreifen.
Zum Zweiten hat beim wirtschaftlichen Wachstum im Saarland auch die saarländische Industrie noch einmal eine besondere Rolle gespielt, denn die Industrie treibt das Wachstum in der saarländischen Wirtschaft mit 17 Prozent an. Also deutlich über dem, was wir insgesamt im Schnitt haben, muss die Industrie weiterhin als der Wachstumstreiber im Saarland betrachtet werden, was natürlich auch für
die Zukunft bedeutet, dass wir Strategien brauchen, bei denen die Industrie, sei es im Bereich der Stahlindustrie, der Automobilindustrie, im Maschinenbau oder in anderen Bereichen, die Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft sicherstellt.
Wir haben neben der Ausbreitung der Leiharbeit ferner festgestellt, dass wir eine Spaltung am Arbeitsmarkt haben, die sich weiter vertieft hat. Insbesondere ältere Arbeitslose und Langzeitarbeitslose haben vom Wirtschaftsaufschwung nicht profitiert, zumindest nicht in dem Umfang wie andere. Profitiert haben vor allem arbeitslose Männer. Dort ist die Zahl um 13 Prozent zurückgegangen. Weniger profitiert haben arbeitslose Frauen mit einem Rückgang um nur 5 Prozent. Auch bei den älteren Arbeitslosen ab 55 Jahren hat sich die Situation nicht nur nicht verbessert, sondern sie hat sich verschlechtert. Dort sind die Zahlen noch mal um 7 Prozent gestiegen. Das zeigt, wenn man etwas genauer hinschaut, dass der Arbeitsmarkt an sich kein gleichartiges Gebilde ist, sondern es unterschiedliche Segmente gibt, für die wir auch unterschiedliche Antworten brauchen.
Es ist eben schon erwähnt worden, dass mittlerweile ein Drittel der Beschäftigten im Saarland sich in prekären Arbeitsverhältnissen befindet und dass 22 Prozent nur einen Niedriglohn erhalten. Das heißt, im Saarland arbeiten rund 22 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten zu Niedriglöhnen. Sie verdienen brutto weniger als zwei Drittel des mittleren westdeutschen Lohns. Da muss man sich schon die Frage stellen, was das für diese Menschen bedeutet. Im Vergleich zu 1999 nimmt im Saarland der Niedriglohnsektor weiter zu. Auch das ist ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen.
Dann muss man sich auch mal mit dem auseinandersetzen, was in Ihrem Antrag steht. Die Antworten, die Sie geben, sind gemessen an der Aufgabe und den Herausforderungen Allgemeinplätze, denen eigentlich jeder zustimmen kann, ob er hier sitzt oder woanders. Die klaren ordnungspolitischen Linien beibehalten heißt es da, eine wirksame Politik für kleine und mittlere Unternehmen ausbauen, förderfähige Maßnahmen unterstützen - wie originell -, den Service der Wirtschaftsförderung weiterhin verbessern, Innovations- und Technologiestrategien des Landes konsequent weiterentwickeln, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken und möglichst viele Programme auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene für uns akquirieren. Wenn man das liest, hat man den Eindruck, dass diejenigen, die das geschrieben haben, nichts haben, was man als ein Konzept bezeichnen könnte, das wirklich eine tragfähige Strategie darstellen würde für die weitere positive Entwicklung der saarländischen Wirtschaft. Was hier steht, ist nicht mehr als Blabla,
was jeder aufschreiben könnte. Dafür muss man hier keine Anträge stellen.
Aufgrund der beschränkten Zeit will ich nur einige wenige Dinge nennen, die wir für dringend geboten halten. Das eine Thema ist eben schon angesprochen worden, das ist das Thema Begrenzung der Leiharbeit. Ich will Ihnen mal unabhängig vom Klebeeffekt sagen, warum ich das grundsätzlich für wichtig halte. Ich glaube nämlich, dass eine der großen gesellschaftlichen Debatten der Zukunft in Deutschland die über das sogenannte normale Arbeitsverhältnis sein wird. Werden wir in Zukunft noch normale Arbeitsverhältnisse haben, wie wir sie kennen, mit unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen in kleinen, mittleren und großen Betrieben, oder werden die Arbeitsverhältnisse, die auf dem Vormarsch sind und dauernd wachsen wie Leiharbeit, befristete Beschäftigung und sonstige Zwischenzustände, immer mehr zu Regelarbeitsverhältnissen?
Es gibt Teile der Wirtschaft - ich sage bewusst Teile -, die diese Diskussion schon führen, dass man nämlich mit einem Höchstmaß an Flexibilität und unter Senkung der Kosten dafür sorgen sollte, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gewährleistet wird. Dadurch wird aber nicht die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland gewährleistet. In Deutschland werden wir nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir besser statt billiger werden. Wir werden nie mit den Kosten in Osteuropa, Südostasien oder wo auch immer konkurrieren können.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie heute in Ihrem Antrag mal einen Hinweis darauf gegeben hätten, was denn der Innovationsschwerpunkt ist, der sich aus der Wirtschaftspolitik dieses Landes ergibt. Es gab mal den Schwerpunkt IT, dann ist mal über Biound Nanotechnologie geredet worden. Heute stellen wir uns die Frage, ist Energie und Energietechnik ein großes Thema, ist möglicherweise die Medizintechnik auch ein Bereich, der boomen wird mit all dem, was damit zusammenhängt? Ist es das Thema Auto und Antriebstechniken? Sie haben zwar viele Innovationskonzepte, aber keines, das wirklich innovativ ist. Wir werden es uns schon aufgrund der Kassenlage nicht leisten können, überall ein bisschen hinzugeben, sondern die Frage ist, was wird ein großer Innovationsschwerpunkt der kommenden zehn Jahre, mit dem man Strukturpolitik macht oder eben nicht? Sie geben hierauf keine Antworten. Diese Frage haben wir Ihnen schon mehrfach gestellt. Es wäre heute eine Gelegenheit gewesen, mal Auskunft darüber zu geben, wie Sie sich das für die Zukunft vorstellen.
Ich komme zum Schluss. - Ein weiterer Punkt ist die Frage, wie wir Forschung und Entwicklung besser einstellen auf die Bedürfnisse der saarländischen Wirtschaft. Das heißt, wie organisieren wir die Hochschul- und Entwicklungslandschaft weiter? Was wird sein mit dem Masterplan Energie, um den jetzt schon monatelang herumgehampelt wird? Auch der wird Auswirkungen haben auf die Saar-Wirtschaft, da Unternehmen inzwischen zum Teil größere Energiekostenblöcke als Personalkostenblöcke haben. Auch beim Thema Facharbeitermangel ist nichts gesagt worden, was wirklich konkret ist, wie Sie dem begegnen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die wirtschaftlichen Zahlen sind gut. Sie hier zu benennen ist Ihr gutes Recht. Aber Sie haben die Stunde nicht genutzt, um einen Hinweis darauf zu geben, dass Sie ein Konzept haben für den Strukturwandel in diesem Land. Sich lediglich zu freuen, dass die Daten gut sind, aber keine Initiative zu entwickeln, dass wir jetzt schon dafür sorgen, dass auch in Zeiten, wo es wieder schwieriger wird, die saarländische Wirtschaft eine Perspektive hat, ist deutlich zu wenig. Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur in der Regierungserklärung, sondern auch in der Aussprache gilt das erste Wort den Opfern der Katastrophe in Japan. Es gibt dort Erdbebenopfer, es gibt Tsunamiopfer. Es gibt auch Strahlenopfer, von denen viele noch gar nicht wissen, dass sie Opfer sind. Das macht deutlich, welche Dimension diese Katastrophe dort hat.
Bei allem, was wir in Japan gesehen haben, hat mich die Ruhe und Gelassenheit, auch die Tapferkeit der japanischen Bevölkerung beeindruckt, wie die Menschen mit dieser Situation umgehen, sich wechselseitig helfen, bis hin zu dem Punkt, dass sich Freiwillige zur Verfügung gestellt haben, bei den Unfallreaktoren selbst vor Ort zu helfen. Sie haben damit nicht nur ihr Leben aufs Spiel gesetzt, sondern nehmen sicherlich ganz erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf.
Ich würde nicht so weit gehen wie Cécile Calla, die Deutschland-Korrespondentin von Le Monde, die vor Kurzem geschrieben hat, dass bei den deutschen Vollblutpanikern die Diskussion sehr selbstbezogen verläuft, was die zukünftige Energiepolitik in Deutschland betrifft, und dabei die Opfer in Vergessenheit geraten. Aber es soll uns zumindest eine Mahnung sein: Tausende von Menschen haben ihr Leben verloren. Man muss befürchten, dass noch viele dazukommen. Deshalb sind wir in Gedanken bei denjenigen, die Angehörige verloren haben oder auch das, was ihnen in ihrem Leben materiell wichtig war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, politisch und nicht nur politisch - erleben wir gerade das Ende des Atomzeitalters, das Ende des Dogmas der nuklearen Unfehlbarkeit und auf der politischen Bühne Deutschlands den fluchtartigsten Rückzug der Atomkraftbefürworter, insbesondere bei den Konservativen und Liberalen, von allen diesbezüglichen Positionen. Dieser Rückzug erfolgt radikaler und teilweise auch unverfrorener als alles, was es in der deutschen Politikgeschichte in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. Ich will auch sagen, wieso ich es für unverfroren halte. Es ist nämlich so - das ist eben angeklungen, auch in einem Beitrag der Bundeskanzlerin im Bundestag dieser Tage -, dass wir uns heute von Leuten, die vor Kurzem noch in einem ge
kauften Deal mit der Atomindustrie die Restlaufzeiten für Kernkraftwerke verlängert haben, anhören müssen, der Atomausstieg von Rot-Grün sei zu langsam gewesen. Wer so argumentiert, ist schamlos und gleichzeitig schmerzfrei. Dem traue ich alles zu und glaube ihm nichts, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dabei will ich in aller Deutlichkeit sagen, dass ich es einzelnen Abgeordneten der CDU- und FDP-Fraktion in diesem Hause abnehme, dass Fukushima ihre Haltung zur Atomenergie grundlegend verändert hat. Ich begrüße das eindeutig und heiße sie willkommen bei denjenigen, die schon seit Jahren für einen Ausstieg aus der Atomenergie kämpfen. Ich muss ihnen aber sagen, ihre Parteien als solche sind keine glaubwürdigen Protagonisten in dieser Frage, und das hat auch seine Gründe.
Ich erinnere an die Position, die die Saar-CDU bis zur letzten Landtagswahl vertreten hat. Herr Müller, Sie haben noch drei Tage vor der Landtagswahl, am 27.08.2009, gesagt, dass Sie für eine Laufzeitverlängerung sind, weil Atomenergie auch weiterhin gebraucht würde. Sie haben im Dezember 2009 ohne erkennbaren äußeren Anlass die Position gewechselt, Sie haben sich gegen eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen und für einen kritischeren Umgang mit der Atomenergie.
Die Positionsveränderung hatte nur vordergründig keinen Zweck. Es gab Sondierungsgespräche, es ist damals über die Regierungsbildung verhandelt worden und Sie haben damals Ihre Position in dieser Frage allein zum Machterhalt geändert. Ich frage Sie: Welche Glaubwürdigkeit hat eine Partei, die in einer der zentralsten Fragen der deutschen Politik ihre Position nach rein machttaktischen Erwägungen festlegt? Ich sage Ihnen: Keine! Das gilt auch für das, was in der kommenden Zeit zu diskutieren sein wird.
In den letzten Tagen war von der FDP zu lesen, dass man jetzt gar nicht mehr schnell genug aus der Atomenergie aussteigen kann. Da werden Jahreszahlen genannt, die geradezu atemberaubend sind. Ich will Ihnen dazu nur eines sagen. Wenn in den letzten Tagen der Obermufti der Saar-SPD, Herr Ostermann -
Wenn der Obermufti der FDP -
Der Spaß sei Ihnen gegönnt, die Debatte ist sowieso schon schwierig genug. - Wenn, meine Damen und Herren, Herr Ostermann, der ja auch Kreisvorsitzender der FDP ist, den Wiedereinstieg in die Kohleförderung im Saarland propagiert, dann ist das nicht
nur eine Verhöhnung der Bergarbeiter, die die FDP gar nicht schnell genug loswerden konnte, sondern es ist auch ein Hinweis, dass hier professionelle Spielernaturen am Werk sind. Hier geht es aber um existenzielle Fragen, da können wir Spieler nicht gebrauchen, meine Damen und Herren.
Das gilt auch für das Verhalten der Bundesregierung, die sich ja auch aus CDU und FDP zusammensetzt. Herr Müller, ich habe eben gehört und mit Erstaunen zur Kenntnis genommen - mich würde einmal interessieren, was die Umweltministerin dazu sagt -, dass jetzt die Sicherheitsvorkehrungen für Kernkraftwerke deutlich besser wären, als das bei Rot-Grün der Fall gewesen sei. Meine Damen und Herren, vielleicht sollten wir zur Wahrheit zurückkehren. Sie haben nämlich nicht nur die Restlaufzeiten verlängert, sondern Sie haben auch die Sicherheitsanforderungen, die Rot-Grün 2009 in Kraft gesetzt hat, mit der Restlaufzeitverlängerung wieder abgeschafft.
Diese Sicherheitsanforderungen haben auf über tausend Seiten festgelegt, wie Notstromversorgung aussehen muss, wie die Anforderungen an Kühlsysteme zu sein haben und wie die Sicherheit konkret verbessert werden muss. Sie haben das alles gestrichen. Seitdem gilt wieder ein über 30 Jahre altes kerntechnisches Regelwerk. Ich frage mich, warum haben Sie das gemacht? In der damaligen Debatte ist deutlich geworden, dass Sie das gemacht haben, weil Ihnen die AKW-Betreiber gesagt haben, viele AKWs werden diesen modernen Sicherheitsstandards nicht gerecht. Sie haben das gemacht, weil die Betreiber Ihnen gesagt haben, dass die alten Meiler niemals auf den Stand dieser Technik hochgerüstet werden können und deshalb noch viel früher vom Netz gehen müssten, als im Atomausstieg eigentlich vorgesehen, und weil die notwendigen Investitionen die Milliardengeschäfte der Atomwirtschaft geschmälert hätten. Die Bundesregierung aus CDU und FDP hat Geld gegen Sicherheit getauscht. Und deshalb sind Sie heute in dieser Frage unglaubwürdig.
Herr Ministerpräsident, Sie haben das Moratorium, das die Bundesregierung jetzt in Kraft gesetzt hat, noch einmal hervorgehoben. Es gibt sicherlich niemanden, der dagegen anredet, dass jetzt sieben Atomkraftwerke vom Netz genommen worden sind. Man wundert sich vielleicht darüber, wie leicht das geht, ohne dass die Stromversorgung in Deutschland zusammenbricht. In der Vergangenheit haben wir dazu vieles anders gehört. Ich bin dennoch erstaunt über die Art und Weise, wie das praktisch umgesetzt wird. Und das lässt auch Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit dessen zu, was damit verfolgt
wird. Sie haben gesagt, dass Sie diese Atommeiler vom Netz nehmen wollen, und Sie haben auch gesagt, dass Sie sie gar nicht mehr ans Netz zurückbringen wollen, wenn diese drei Monate vorbei sind. Das ist ja eine Diskussion, die in der CDU stattfindet, und das werden Sie sicherlich auch in Berlin hören. Jetzt frage ich mich, warum Sie sich auf einen Notparagrafen im Atomgesetz berufen, der es möglich macht, aus Sicherheitsgründen durch staatliche Anordnung Meiler abzuschalten. Wenn Sie es ernst meinen mit dieser Frage, dann nehmen Sie doch das Gesetz zur Verlängerung der Restlaufzeiten einfach zurück, anstatt mit Notparagrafen zu agieren. Wer so handelt, ist nicht glaubwürdig, und bei dem weiß man nie, was nach den drei Monaten geschieht. Das gilt vor allen Dingen, wenn die Landtagswahlen in Baden-Württemberg vorbei sein werden.
Ich habe auch deshalb Bedenken, weil dieser Tage nachzulesen ist, dass es in der Bundesregierung anscheinend unterschiedliche Auffassungen gibt. Im „Spiegel“ konnte man dieser Tage nachlesen - ich zitiere: Der neue Atomkurs der Regierung Merkel bekommt nicht nur Gegenwind von den AKW-Betreibern. In einem „Spiegel-Gespräch“ geht jetzt Bundesaußenminister Guido Westerwelle auf Distanz zu Bundeskanzlerin Merkel. Der Vizekanzler hält auch nach der nuklearen Katastrophe in Japan eine Verkürzung der Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke nicht für beschlossene Sache. „Ich wäre - so ein wörtliches Zitat - mit konkreten Schlussfolgerungen vorsichtig“, sagt Westerwelle. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die große Masse der Bevölkerung Ihre Kehrtwende in der Atomenergie nur für bedingt glaubwürdig hält und wenn man so etwas liest, dann muss man tatsächlich befürchten, dass aus der Kehrtwende, die anfänglich eine 180-GradKehrtwende gewesen ist, irgendwann einmal eine 360-Grad-Kehrtwende wird. Das wollen wir nicht. Deshalb wollen wir, dass Fakten geschaffen werden. Wenn Sie das glaubwürdig vertreten, dann nehmen Sie das Gesetz zur Verlängerung der Restlaufzeiten zurück, anstatt sich auf Notparagrafen zu stützen.
Gestern wurde eine sogenannte Ethikkommission eingerichtet, die einen gesellschaftlichen Konsens herstellen soll - so hat man das lesen können - über die Fragen der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Wenn man sich in diesem Land bewegt, dann würde ich einmal Zweifel anmelden, ob dieser gesellschaftliche Konsens überhaupt noch hergestellt werden muss. Ich glaube, diesen gesellschaftlichen Konsens gibt es. Mehrheitlich gab es ohnehin immer die Auffassung in der Bevölkerung, dass man die Risiken der Atomenergie nicht für verantwortbar hält. Spätestens nach Fukushima ist das aber nicht nur
eine Mehrheit - mal größer oder mal weniger groß -, sondern es ist eine gesellschaftliche Position, die von den Menschen, die in diesem Land leben, umfassend getragen wird. Deshalb brauchen wir eigentlich keine Kommission, die einen gesellschaftlichen Konsens herbeiredet. Wir müssen die energiepolitische Frage beantworten, wie die Energiegewinnung nach dem Atomzeitalter aussehen muss. Ich halte es nach wie vor für ein Spielen auf Zeit, denn den Konsens für die Abschaltung von Atomkraftwerken in Deutschland gibt es schon längst. Wir befinden uns mittlerweile nicht mehr in der Phase des Redens, sondern in der Phase des Handelns, und dem muss die Bundesregierung gerecht werden.
Nach Harrisburg, nach Tschernobyl - es ist ja nicht so, dass das die erste Atomkatastrophe wäre - und jetzt Fukushima ist eines klar: Das Restrisiko von Atomkraftwerken ist nicht zu verantworten. Weder funktioniert die Technik immer noch versagen Menschen nie. Die Dimension möglicher Katastrophen zwingt uns zum Handeln. Das haben wir in unserem Antrag zusammengefasst. Ich möchte Ihnen noch einmal die Punkte deutlich machen, auf die es jetzt ankommt: Wir wollen erstens raus aus der Atomenergie. Wir wollen die Rücknahme der Laufzeitverlängerung und wir wollen die Rückkehr zum Ausstieg aus der Atomenergie. Ob das 2020 sein muss, wie es im Gesetz von Rot-Grün vorgesehen ist oder möglicherweise früher, darüber sind wir gerne zu Gesprächen bereit. Wir wollen aber eine politische Grundsatzentscheidung. Wir in den Parlamenten sind für die Frage verantwortlich, ob wir weiterhin Atomenergie nutzen wollen - ja oder nein. Wir sagen nein und wir wollen schnellstmöglich aus dieser Energieform heraus.
Wir wollen, dass die alten Meiler vom Netz genommen werden. Mittlerweile ist ja klar, dass sie gegen Flugzeugabstürze nicht gesichert sind; Sie haben eben darauf hingewiesen. Sie haben dieses Beispiel aufgegriffen und gesagt, nach Japan ist alles denkbar. Ich weiß nicht, warum ein Flugzeugabsturz vor Japan nicht denkbar gewesen sein soll. Wir müssen diese alten Meiler dauerhaft vom Netz nehmen. Wenn Sie diese Position vertreten, dann ist es gut. Und wir wollen drittens - da nehme ich Sie einmal beim Wort, wenn Sie für höhere Sicherheitsstandards eintreten -, dass das kerntechnische Regelwerk des Jahres 2009 wieder in Kraft gesetzt wird, um den Stand von Wissenschaft und Technik zur Voraussetzung für die Restlaufzeit aller deutschen Atomkraftwerke zu machen. Man kann nicht davon reden, dass Sicherheit erstes Gebot ist, und gleichzeitig Sicherheitsbestimmungen für Kernkraftwerke streichen. Das ist in höchstem Maße heuchlerisch und deshalb muss das zurückgenommen werden.
Meine Damen und Herren, der vierte Punkt ist, dass wir die Energiewende konsequent vorantreiben müssen und dass wir sie wahrscheinlich auch beschleunigen müssen. Sie haben das auch angesprochen und im Grundsatz auch so formuliert. Sie haben gesagt, das ist kein einfacher Weg. Ich habe den Eindruck, bei Ihnen ist das eher ein Labyrinth. Es ist mir nicht klar geworden, wie dieser Weg aussehen soll. Dass wir Netzleitungen brauchen, ist seit Langem bekannt. Das ist keine neue Erkenntnis. Dass wir Windräder und Solaranlagen brauchen, ist auch keine neue Erkenntnis. Und dass wir einen gesellschaftlichen Konsens brauchen, der den Bau solcher Anlagen ermöglicht, ist auch keine neue Erkenntnis. Wir warten seit Monaten auf diesen sogenannten Masterplan Energie. Sie geben hier eine Regierungserklärung ab. Was sind denn die konkreten Maßnahmen der saarländischen Landesregierung, um etwa die Energieeffizienz zu erhöhen? Da gibt es das riesige Thema, den Gebäudebestand zu sanieren und energetisch zu modernisieren. Was machen Sie dafür? Wieso geben Sie hier eine Regierungserklärung ab, beschreiben die Energiewende und sagen substanziell kein Wort dazu, wie Sie das hier machen wollen? Was soll das überhaupt?
Wir stellen uns auch die Frage, wie es mit der saarländischen Kraftwerkslandschaft weitergehen soll. Da bin ich jetzt aus Ihren Ausführungen nicht schlau geworden. Keine fossilen Energieträger und dann nachher doch, wenn es ein bisschen moderner geht. Ich glaube, rein praktisch und physikalisch werden wir auch in Zukunft fossile Energieträger benötigen.
Wenn wir schneller aus der Atomenergie aussteigen wollen, haben wir drei Möglichkeiten, sie zu kompensieren. Erstens, wir brauchen mehr regenerative Energien. Die Antwort, wie das hier gehen soll, sind Sie schuldig geblieben. Zweitens brauchen wir mehr Energieeffizienz. Wir wissen, dass bis zu 25 Prozent der Energie durch mehr Effizienz eingespart werden könnten, also gar nicht erst produziert werden müssten. Und drittens werden wir - es gehört ehrlicherweise dazu, das zu sagen - auf fossile Energieträger etwas stärker setzen müssen, als es bei der Restlaufzeitverlängerung der Atomkraftwerke vielleicht noch gedacht war.