Protokoll der Sitzung vom 12.02.2014

Das Wort hat die Abgeordnete Gisela Rink von der CDU-Fraktion.

A b g. R i n k ( C D U ) : Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Anmerkungen zum Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machen. Der Antrag beginnt mit folgender Feststellung: „Mit der Einführung der Gemeinschaftsschulen im Rahmen des Zwei-Säulen-Modells neben dem Gymnasium hat sich das Saarland für ein zukunftsweisendes modernes Schulsystem entschieden.“ Hier kann ich Ihnen, Herr Kollege Kessler, voll zustimmen. Ich denke, da sind wir noch beieinander.

Ich darf weiter zitieren: „Die Große Koalition hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die beiden Schulformen Gymnasium und Gemeinschaftsschule als gleichwertig anzusehen sind und demnach alle Parameter überprüft werden, um diese Gleichwertigkeit im Rahmen eines Stufenplanes umzusetzen.“ Auch

hier sind wir noch beieinander, dagegen habe ich nichts einzuwenden.

Lesen wir aber in dem Antrag weiter, dann ist es seitens der CDU-Fraktion nicht mehr möglich, ihm zuzustimmen. Wenn ich dann nämlich lese, in einem ersten Schritt solle dazu eine Angleichung des Benotungssystems beider Schulformen erfolgen, frage ich mich, was eigentlich die ganze Zeit geschehen ist. Wenn das heute der erste Schritt sein soll, dann haben Sie einige Veränderungen nicht mitbekommen, Herr Kessler. Was Sie schreiben, ist schlichtweg falsch. Einem Antrag, in dem Dinge stehen, die nicht der Wahrheit entsprechen, können wir leider nicht zustimmen. Daher wird die CDU-Fraktion diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Gleichwertigkeit der beiden Säulen ist natürlich ein Thema. Nur frage ich mich hier auch, ob wir die Gleichwertigkeit der beiden Säulen wirklich am Notensystem festmachen sollen. Reden wir über die Gleichwertigkeit der Säulen, dann reden wir doch zunächst einmal darüber, wie es mit dem Aufbau der Funktionsstellenstruktur aussieht. Sie wissen alle, dass hierzu die ersten Schritte gegangen wurden, hier wurde also schon etwas getan. Bei Gleichwertigkeit der beiden Säulen reden wir aber bitte schön auch über eine qualitative Weiterentwicklung der Schulformen, ich sage bewusst „Schulformen“. Dann reden wir zum Beispiel auch über die Verbesserung der Schüler-Lehrer-Relation. Das sind Bereiche, denen wir uns schon gewidmet haben, Bereiche, zu denen entsprechende Weichenstellungen im Ministerium schon erfolgt sind. Und dies sind Dinge, die wichtiger sind als ein Punkte- oder ein Notensystem.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Nichtsdestotrotz können wir gerne über ein einheitliches Benotungssystem nachdenken. Nur frage ich mich an der Stelle natürlich auch, warum wir uns hierbei nur auf die ersten Klassen im gymnasialen Bereich beschränken sollen. Wenn wir uns mit einem einheitlichen Benotungssystem befassen, dann schauen wir uns doch bitte alle Schulformen an, insbesondere die weiterführenden Schulen. Wir sollten uns nicht nur auf die unteren Klassen im gymnasialen Bereich konzentrieren. - Das ist zu kurz gesprungen. Einer Vereinheitlichung des Benotungssystems versperren wir uns nicht, aber wir sollten es wesentlich weiter und breiter fassen und uns intensiv damit im Ausschuss auseinandersetzen.

Ein Punktesystem kann sehr von Vorteil sein - Frau Kollegin Maurer hat das eben aus ihrem eigenen Erleben in ihrer Schulzeit angesprochen -, aber wir sollten hier die Betroffenen einbeziehen. Es interessiert uns durchaus, was Lehrer, Eltern und Schüler dazu sagen. Wir werden uns also mit diesem Thema

( A b g. M a u r e r ( P I R A T E N ) )

intensiv befassen, auch wenn wir diesen Antrag heute ablehnen. Ich habe dies bereits begründet.

Ein Antrag, der falsche Inhalte enthält, ist nicht zustimmungsfähig. Allerdings werden wir die Anregung aufgreifen, das Thema im Bildungsausschuss intensiv beraten und die Stellungnahmen der Betroffenen einbeziehen. Dann können wir uns gemeinsam auf den Weg begeben und dem Anliegen Rechnung tragen. Das Thema einheitliches Benotungssystem greifen wir in der angesprochenen Form gerne auf. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Kollegin Rink. - Die PIRATENFraktion hat Redezeit im Umfang von 3 Minuten und 19 Sekunden auf die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN übertragen. Das Wort hat nun der Kollege Klaus Kessler von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedaure es außerordentlich, dass die Koalitionsfraktionen diesen aus meiner Sicht zustimmungswürdigen Antrag mit der Begründung ablehnen, da würde zumindest im Eingangstext Dichtung und Wahrheit vermengt oder es würde nicht der Realität entsprechen. Ich stelle es gleich klar. Ich bedaure das außerordentlich, denn es ist völlig klar, dass Sie es reflexartig ablehnen, weil es von grüner Seite kommt. Das ist der Reflex, der im Grunde genommen wieder funktioniert und der draußen im Land relative Politikverdrossenheit hinterlässt, wenn es darum geht, dass eine simple, relativ kostengünstige Angelegenheit von der Opposition kommt. Er wird von der Mehrheitsfraktion erst einmal abgelehnt. Ich bedauere das.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ein nächster Punkt: „Dichtung und Wahrheit“ beziehungsweise „bleiben Sie bei der Wahrheit“. Angeblich steht etwas Falsches im Vortext. Das stimmt so nicht. Wenn dort steht „in einem ersten Schritt“, dann heißt das, es hat in Bezug auf die Gleichwertigkeit der Schulformen noch keinen einzigen Schritt gegeben, der es erlauben würde, von gleichwertig zu sprechen.

(Sprechen.)

Die Funktionsstellenstruktur, die an der Gemeinschaftsschule eingeführt worden ist, ist nicht gleichwertig mit dem Gymnasium. Sie kriegen demnächst eine Anfrage, in der wir erwarten, dass das vorgelegt wird. Dann zählen Sie einmal die Funktionsstellen an Gymnasien im Vergleich zu den Gemein

schaftsschulen. Das ist keine gleichwertige Funktionsstellenstruktur.

(Vereinzelter Beifall bei den Oppositionsfraktio- nen.)

Zum nächsten Punkt. Frau Rink, die von Ihnen behauptete Gleichwertigkeit, die sich in der SchülerLehrer-Relation beider Schulformen ausdrückt, käme dann zum Ausdruck, wenn es eine gleiche Personalberechnung gäbe. Es gibt aber für beide Schulformen unterschiedliche Parameter bei der Personalberechnung. Auch hier gibt es keine Gleichwertigkeit.

Ein weiterer Punkt. Bei der Deputatausstattung beider Schulformen gibt es riesengroße Unterschiede. Das wissen wir. Es gibt keine Gleichwertigkeit, auch nicht bei der Zuordnung der Deputate für die Lehrerinnen und Lehrer, die in Lehrplankommissionen arbeiten. Auch hier gibt es ganz große Unterschiede. Es gibt zwischen den beiden Schulformen keine Gleichwertigkeit! Sie haben richtigerweise im Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebracht, dass man sich auf den Weg machen und Schritte gehen muss. Das begrüße ich ja, aber es gibt noch keinen ersten richtigen Schritt, der als Schritt in Richtung Gleichwertigkeit bezeichnet werden könnte.

In diese Richtung geht natürlich auch unser Vortext. Sie würden sich doch auch nichts vergeben zu sagen, wir nehmen diesen Antrag als Auftrag in den entsprechenden Ausschuss. Dann werden wir über die gleiche Notensystematik an Gymnasium und Gemeinschaftsschule reden, weil es sinnvoll ist, was wir hier fordern. Wenn Sie eine Erweiterung auf die beruflichen Schulen vornehmen wollen, dann haben Sie auch hier meine volle Zustimmung. Ich habe die Argumentation aber daran aufgehängt, dass es um die Gleichwertigkeit beider Schulformen - Gemeinschaftsschule und Gymnasium - geht. Die gibt es zurzeit nicht. In dieser Hinsicht haben Sie bislang nichts getan. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Herr Kollege Kessler, das Wort hat nun der Minister für Bildung und Kultur, Ulrich Commerçon.

Mi n i s t e r C o m me r ç o n : Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Herstellung der Gleichwertigkeit von Gymnasium und Gemeinschaftsschule ist bemerkenswert, beginnt doch der Antrag auf Seite 1 unter Bezugnahme auf die Einführung der Gemeinschaftsschule mit der Beschreibung der unter grüner Federführung hergestellten saarländischen „Bildungsoase“ mit einem zukunftsweisenden

( A b g. R i n k ( C D U ) )

modernen Schulsystem, das mehr Bildungsgerechtigkeit gewährleistet und ein wohnortnahes komplexes Bildungsangebot sicherstelle. Nach dieser Beschreibung der „Bildungsoase“ endet der Antrag mit einer Ödnis vier dürrer Zeilen, in der zur Sicherstellung der Gleichwertigkeit von Gemeinschaftsschule und Gymnasium in einem ersten Schritt die Einführung eines einheitlichen Benotungssystems für beide Schulformen gefordert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Jahr fünf nach Eintritt der GRÜNEN in die Jamaika-Koalition und fast vier Jahre nach der Verfassungsänderung zur Einführung der Gemeinschaftsschule und mehr als zwei Jahre, nachdem Sie wieder aus der Regierungsverantwortung entlassen worden sind, fällt Ihnen als erstem Schritt - wohlgemerkt - auf dem Weg hin zur Gleichwertigkeit von Gemeinschaftsschule und Gymnasium nicht mehr ein, als dass in Zukunft eine 2- mit 10 Punkten gleichzusetzen ist, eine 2 mit 11 Punkten und eine 2+ mit 12 Punkten. Und das bezeichnen Sie noch als bedeutsamen Fortschritt bei der künftigen Ausgestaltung der Gemeinschaftsschule! Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde es schon fast ein bisschen peinlich, mit einem solchen Antrag in eine Plenardebatte zu gehen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe bei Google nachgeschaut. Bei einem solchen Antrag kann man mal bei Google nachschauen. Ich habe gegoogelt: „Schulnoten Grüne Saarland“. Ergebnis: keine Ergebnisse gefunden. Ich habe gedacht, vielleicht gibt es ja Bundesbeschlüsse oder so etwas. Dann habe ich gegoogelt: „Grüne Schulnoten“. Da sehe ich: Grüne wollen Schulnoten abschaffen, Grüne halten Schulnoten für nicht zukunftsfähig, Grüne Abschaffung von Schulnoten, grüne Vision - keine Schulnoten mehr. Und heute kommt ein solcher Antrag, der auch noch unter Gleichwertigkeit gesehen wird. Ich mache mir das nicht zu eigen, aber ein bisschen mehr Glaubwürdigkeit, Herr Kessler, hätte ich mir an dieser Stelle von Ihnen schon gewünscht.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Jetzt kommt die entscheidende Frage: Wodurch zeichnet sich die grüne „Bildungsoase“ aus, die ich beim Amtsantritt im Mai 2012 vorgefunden habe? Es gab eine Verfassungsänderung.

(Zuruf des Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜ- NE).)

Gegen die wir waren. - Soll ich Ihnen sagen, warum wir damals gegen diese Verfassungsänderung waren? Sie haben eben alle Argumente genannt. Wir haben nämlich gesagt, vor der Verfassungsänderung müssen all diese Dinge, die Sie jetzt im Nachhinein einfordern, geregelt sein.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Weil Sie das nicht geregelt haben, haben wir damals der Verfassungsänderung nicht zugestimmt. Im Nachhinein werden wir durch Ihre Argumente auch noch bestätigt, Herr Kollege Kessler. Das ist der Kern der ganzen Sache!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Schauen wir uns einmal an, was wir sonst vorgefunden haben. Es gab nicht einmal ein Gesetz, das eine Ermächtigungsgrundlage gegeben hätte, um die Gemeinschaftsschulverordnung, die Sie versucht haben, in Kraft zu setzen, in Kraft setzen zu können. Wir haben zunächst einmal die Ermächtigungsgrundlage schaffen müssen, um die Gemeinschaftsschulverordnung neu in Kraft zu setzen. Das ist das, was ich von Ihnen übernommen habe, Herr Kollege Kessler! Sie haben an dieser Stelle selbst bei der einfachsten Gesetzestechnik riesengroße Fehler gemacht - von inhaltlicher Ausgestaltung noch gar keine Spur! Und heute mit Schulnoten zu kommen, ist wirklich peinlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Mi n i s t e r C o m me r ç o n : Ja.

A b g. K e s s l e r ( B 9 0 / G R Ü N E ) m i t e i n e r Z w i s c h e n f r a g e : Herr Minister, ist es richtig, dass Sie die Gemeinschaftsschulverordnung so, wie wir sie entwickelt haben und nachdem Sie die rechtlichen Grundlagen geschaffen haben, im Wortlaut 1 : 1, ohne eine einzige inhaltliche Änderung, in Kraft gesetzt haben? Stimmen Sie da mit mir überein?

Mi n i s t e r C o m me r ç o n : Aber selbstverständlich stimme ich mit Ihnen darin überein, aber Sie stimmen sicherlich auch mit mir darin überein, dass man zunächst einmal Rechtsgrundlagen schaffen muss, bevor man Dinge in Kraft setzen kann. Das haben Sie nicht getan. Das ist der Punkt, den ich kritisiere, lieber Kollege Kessler. Das ist handwerklich einfach schlecht von Ihnen. Es wäre nicht schlimm, wenn es nur dieser Punkt gewesen wäre.

(Lautes Sprechen bei B 90/GRÜNE.)

Im Moment verstehe ich mich akustisch selbst nicht, weil der Kollege Ulrich wieder einmal zu laut plärrt. Ich bitte zumindest, mir die Gelegenheit zu geben, akustisch durchzukommen.

( M i n i s t e r C o m me r ç o n )

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kommen wir zur Sache. Wenn wir von der Herstellung der Gleichwertigkeit von Gemeinschaftsschule und Gymnasium reden, dann muss man sich doch zunächst einmal überlegen, was in der Gemeinschaftsschule überhaupt stattfindet, welche Kompetenzvermittlungen dort erfolgen müssen und welche pädagogischen Konzepte zugrunde liegen. Und dann ist natürlich die Frage zu stellen, wie Leistungsbewertung in der Gemeinschaftsschule stattfindet. Das alles scheint Sie überhaupt nicht zu interessieren. Es kommt Ihnen auf Etiketten an, auf Türschilder. Die Türschilder für die Gemeinschaftsschulen hatten Sie damals schnell bestellt. Aber es kommt darauf an, was in den Gemeinschaftsschulen vonstatten geht. Das war immer unser Argument, und genau das füllen wir jetzt aus. Deswegen muss man Prioritäten setzen.

Ich habe doch gar nichts dagegen, die Große Koalition hat doch überhaupt nichts dagegen, das Thema zu diskutieren, das ist doch gar nicht die Frage. Die Frage ist, was prioritär ist. Prioritär, was die Gleichwertigkeit von Gemeinschaftsschule und Gymnasium und den Erfolg der Gemeinschaftsschule angeht, sind andere Dinge. Darauf haben wir uns erst einmal konzentriert.