Ich bin ja froh, dass Sie die Infraschall-Argumente, die Sie im Ausschuss so gerne bringen, hier nicht gebracht haben, denn gutgläubigen Menschen kann man ja viel erzählen. Ich muss Ihnen sagen: Wenn Sie Angst vor Infraschall haben, dürfen Sie auch nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit kommen, denn überall, wo Luftverdrängung stattfindet, findet auch Infraschall statt. Sie können ihn zwar nicht hören, aber Sie sind in Ihrem Auto einem höheren Wert an Infraschall ausgesetzt als bei der Windkraft.
Jetzt könnten Sie sagen: Ich will zukünftig mit Bus und Bahn zur Arbeit kommen. Das würde ich ja begrüßen. Aber natürlich verdrängen Bus und Bahn auch Luft, dort entsteht auch Infraschall.
Wo tritt Infraschall noch auf? Zum Beispiel bei der Meeresbrandung. Die Meeresbrandung hat beim Infraschall einen wesentlich höheren Wert als Windräder. Es hört sich vielleicht gefährlich an, aber die Sterblichkeit an der Küste beträgt tatsächlich 100 Prozent. Frau Ensch-Engel, wir haben im Saarland zwar auch Windräder und ich denke, wir werden alle sterben, die einen früher, die anderen später, Grund dafür wird aber sicher nicht die Windkraft sein.
Mit Ihrem Gesetzentwurf halten wir es wie Gregor Gysi. Wir halten die Länderöffnungsklausel und die damit vorgesehene Änderung der Landesbauordnung für unsinnig und lehnen Ihren Gesetzentwurf daher ab.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Magnus Jung von der SPDLandtagsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE hat zum Ziel, die 10H-Regelung auch im Saarland einzuführen. Damit hätten wir in Zukunft einen Abstand zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung von in der Regel 2.000 Metern. Diese Gesetzesän
derung würde dazu führen, dass die Funktion der Steuerungswirkung der Flächennutzungspläne mit ausgewiesenen Windenenergievorranggebieten im Saarland für alle Flächen entfällt, die näher als 10H zur Wohnbebauung liegen. Gegebenenfalls könnte es sogar dazu führen, dass die gesamten Flächennutzungspläne im Saarland ihre Wirkung und Steuerungswirkung verlieren würden. Für Standorte, die näher als 10H sind, wäre in jedem Fall zwingend ein Bebauungsplan erforderlich. Und dieser kann nur dann zustande kommen, wenn die Nachbarkommune zustimmt, sofern sie in dem entsprechenden Radius zur Windenergieanlage liegt. Der einzige Punkt, wo Sie keine Änderungen vorsehen, ist der Ausnahmetatbestand, dass selbstverständlich für die bislang geplanten Anlagen, für die jetzt schon bei den Genehmigungsbehörden vollständige Unterlagen vorliegen, die genannten Regelungen nicht gelten sollen.
Das alles hört sich zunächst einmal recht speziell an. Deshalb stellen sich die Bürgerinnen und Bürger natürlich die Frage, was das für unser Land bedeuten würde. Es würde bedeuten, dass 80 Prozent der Flächen, die derzeit für die Windenergienutzung vorgesehen sind, zukünftig nicht mehr genutzt werden könnten. Es würde in der Folge bedeuten, dass das Saarland sein Ausbauziel im Bereich der erneuerbaren Energien klar verfehlen würde. Es würde bedeuten, dass das Saarland bei der Energiewende nicht mehr mit dabei wäre; die Energiewende würde im Wesentlichen außerhalb unseres Landes stattfinden müssen. Und es würde konkret auch bedeuten, dass der SaarForst Landesbetrieb, der ja einen nicht unerheblichen Teil an Flächen anbietet, die zukünftig genutzt werden sollen, an dieser Stelle keine Pachteinnahmen erzielen könnte. Das Land würde also in erheblicher Weise Einnahmen verlieren.
Was bedeutet Ihr Gesetzentwurf für die Kommunen? Die bisherigen Flächennutzungspläne wären weitgehend wertlos. Dafür ist viel Zeit, viel Energie und auch sehr viel Geld von den saarländischen Städten und Gemeinden investiert worden. Dies wäre umsonst gewesen. Es gibt dann vor Ort zunächst einmal keine Planungssicherheit mehr und es gibt auch keine Steuerungsmöglichkeit. Das heißt, überall wo Gebiete sind, die der 10H-Regelung entsprechen, kann gebaut werden. Die Steuerungswirkung mit Konzentrationsflächen würde entfallen. Und das, was Sie immer befürchten, nämlich eine Verspargelung der Landschaft und ein ungesteuerter Ausbau, genau das würde dann auf all den Flächen eintreten können, die die 10H-Regelung einhalten. Die Gemeinden müssten noch einmal neue Flächennutzungspläne erstellen. Sie müssten noch einmal Zeit investieren, sie müssten noch einmal Energie und sehr viel Geld investieren. Die Gemeinden müssten ebenso wie der SaarForst Landesbetrieb in Zukunft in erheblicher Weise auf Einnahmen verzichten, die
sie im Übrigen häufig schon fest eingeplant haben, um die Ziele der Haushaltskonsolidierung vor Ort zu erreichen. Und die Regelung, dass auch die Nachbargemeinden zustimmen müssen, wenn sie in der 10H-Zone liegen, sorgt für einen Verlust an Planungshoheit der einzelnen Gemeinden. Das kann man wohl nicht als eine Verbesserung für die Gemeinden betrachten.
Ihr Gesetzentwurf hat aber auch Auswirkungen auf die Investoren. Die Investoren, das sind an vielen Stellen saarländische Unternehmen, saarländische Stadtwerke oder private Bürgerinnen und Bürger, die sich beispielsweise in einer Energiegenossenschaft an solchen Anlagen beteiligen wollen. Auch für sie wäre die Planungssicherheit dahin. Vielfach schon aufgelaufene Vorbereitungs- und Planungskosten, nämlich für alle die, die noch nicht alle Unterlagen bei der Genehmigungsbehörde eingereicht haben, wären umsonst gewesen; das Geld wäre verloren. Die neue gesetzliche Regelung würde eine weitere Verzögerung und letztlich auch den Wegfall von Investitionen in unserem Land bedeuten.
Meine Damen und Herren, das bedeutet unterm Strich, dass der Gesetzesentwurf ein weiterer Versuch der Linksfraktion an der Saar darstellt, den Ausbau der Windenergie in unserem Land zu stoppen. Das ist ein weiterer Versuch, denn Sie haben in der Vergangenheit auch schon andere Instrumente bemüht, um zu diesem Ziel zu gelangen. Sie haben die Debatte um den Rotmilan befeuert, Sie haben dafür gesorgt, dass wir hier über die Mopsfledermaus diskutiert haben. Wir haben über den Zusammenhang zwischen Windenergie und der Straße „Steine an der Grenze“ diskutiert, wir haben über Infraschall diskutiert, alles in erster Linie mit dem Ziel, den Ausbau der Windenergie in unserem Land zu stoppen. Und das Seltsame daran ist für mich, dass sich gerade die Linksfraktion mittlerweile an Horst Seehofer orientiert. Hätte man ihn früher zu Ihrem Vorbild erklärt, Sie hätten sich gewehrt und hätten gesagt, das kann überhaupt nicht sein, mit diesem Mann haben wir nichts am Hut. Aber heute übernehmen Sie sogar im Wesentlichen den bayerischen Gesetzesentwurf, denn er ist beim Thema Populismus sicherlich das Vorbild, das Sie brauchen und das Sie suchen. Ich finde das in der Sache sehr schade, denn es gibt andere Themen und andere Politiker, an denen man sich an dieser Stelle sicherlich besser orientieren könnte.
Herr Kollege Lafontaine, als es um das Thema „Steine an der Grenze“ ging, haben Sie mir und der Kollegin Rehlinger vorgeworfen, wir wären Banausen. Sie können sich vorstellen, dass mich dieser Vorwurf sehr getroffen hat, zumal ich doch ab und zu ein Buch in die Hand nehme und auch schon in ei
nem Theater gewesen sein soll. Deshalb habe ich mich in der Vorbereitung auf die heutige Debatte natürlich nicht nur mit planungsrechtlichen Fragen befasst, sondern auch versucht, das Ganze in einen kulturellen Zusammenhang zu stellen. Dabei bin ich auf Don Quijote gestoßen, den Kampf gegen die Windmühlen. Wenn man sich damit befasst, dann ist das eigentliche Thema bei Don Quijote der ausweglose Kampf gegen die Maschine, gegen die Modernisierung, gegen eine neue Technik. Don Quijote macht sich quasi dadurch lächerlich, dass er den ausweglosen Kampf gegen eine neue Technik und eine Innovation führt. Das macht ihn am Ende zur traurigen Gestalt. Und genau das, lieber Kollege Lafontaine, wollte ich Ihnen heute an dieser Stelle in dieser Debatte auch gerne noch einmal mitgeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte aber den vorliegenden Gesetzesentwurf vielleicht einmal in einem etwas größeren bundespolitischen Zusammenhang sehen, und da ist die Frage sehr interessant, die eben schon einmal angeklungen ist: Wie steht denn die Linkspartei auf Bundesebene zu diesem Thema? Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, würde ich gerne einmal aus dem Beschlussantrag der Linksfraktion im Bundestag zitieren. Dort heißt es unter Nr. 1: „Die Umsetzung des Gesetzes würde den weiteren Ausbau der Windkraft behindern und gleichzeig die Beteiligungsmöglichkeiten von Anwohnern, Kommunen und Verbänden in den Verfahren verschlechtern.“ Im Weiteren heißt es: „Mit der Landes-, Regional- und Bauleitplanung verfügen indes Länder und Gemeinden über ein Instrument, das sinnvoll und wirksam zur Steuerung von Windenergieanlagen - auch unter Berücksichtigung der Belange der Bevölkerung - eingesetzt wird. (…) Die Energiewende ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, an der alle Länder unter möglichst einheitlichen Rahmenbedingungen mitwirken.“ Und es heißt dort auch: „Dieses Gesetz würde den Ländern ermöglichen, durch entsprechend hoch festgesetzte Mindestabstände den notwendigen Ausbau der Windenergie unmöglich zu machen oder zumindest stark einzuschränken.“
An dieser Stelle muss ich sagen: Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat recht, die Fraktion DIE LINKE im saarländischen Landtag hat leider unrecht. Sie stehen im Widerspruch zur Linie Ihrer eigenen Partei, Sie stehen aber auch im Widerspruch zu dem, was UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gestern auf der UN-Klimaschutzkonferenz in New York gesagt hat: dass der Klimawandel die größte Gefahr für die Menschheit in unserer Zeit darstellt, dass der Klimawandel weltweit zu Katastrophen führt, dass er zu Armut und zu Hunger führt, dass in erster Linie die Armen dieser Welt vom Klimawandel betroffen sind, dass der Klimawandel auch eine erhebliche
Gefahr für den Frieden darstellt. Sieht man diesen Zusammenhang, hält man sich zudem Ihre Ansprüche als Sozialpartei, Ihren Anspruch als Friedenspartei vor Augen, erkennt man, wie kleingeistig der Umgang mit dem Thema „Windenergie im Saarland“ in diesem Zusammenhang, in den man dieses Thema eigentlich stellen muss, bei Ihnen bleibt.
Für uns ist das Genannte nämlich der Bezugsrahmen unserer Klima- und Energiepolitik. Wir sehen uns, das Saarland, in der Pflicht, den eigenen Beitrag zu leisten. Man kann nicht in einer generellen Art und Weise diese hehren Ziele vor sich hertragen, dann aber vor Ort sagen: „Aber bei mir nicht, bei mir fühlen sich die Bürger ästhetisch bedrängt.“ Das passt, meine Damen und Herren, einfach nicht zusammen.
Unsere landespolitischen Ziele in der Großen Koalition lauten deshalb: Wir halten an dem 20-ProzentAusbauziel für das Jahr 2020 fest. Wir wollen einen saarländischen Beitrag dazu leisten - ökologisch, dezentral und bürgernah. Wir wollen mit dem Ausbau der Windenergie Wertschöpfung im Land halten und Einnahmen für die Kommunen und das Land erhalten. Wir brauchen deshalb weiterhin Planungssicherheit für Kommunen und Investoren. Und wir bleiben natürlich auch dabei, dass das alles bezahlbar sein muss; die EEG-Novelle leistet diesbezüglich einen wertvollen Beitrag. Angesichts all dessen werden wir unsere Klimaschutzpolitik in diesem Lande fortsetzen. Deshalb können wir Ihren heutigen Antrag nur ablehnen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Jung. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Hubert Ulrich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir fällt bei dieser Debatte, die die LINKEFraktion heute hier angestoßen hat, ein Hit der Achtzigerjahre ein, der wahrscheinlich vielen von Ihnen noch gut im Ohr klingt: „Völlig losgelöst“.
Völlig losgelöst, das ist das, was Sie hier debattieren. Völlig losgelöst von jeder aktuellen Debatte, die im Moment auf diesem Planeten im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe geführt wird!
Kollege Jung hat ja am Ende seiner Rede diese Debatte aufgegriffen und er hat auch den Vergleich gezogen mit den Konservativen in Bayern. Ich möchte
noch einen Schritt weiter gehen, und diese Worte richte ich insbesondere, Herr Lafontaine, an Sie, denn Sie sind ja offenbar in Ihrer Fraktion die Triebfeder bei der Verfolgung dieser desaströsen Linie, die Sie hinsichtlich der Windkraft hier im Saarland zu fahren versuchen: In den Vereinigten Staaten gibt es ja einen enormen Widerstand gegen die erneuerbaren Energien, insbesondere vonseiten der Republikaner. In den Reihen der Republikaner gibt es bekanntlich die Tea Party, die komplett Reaktionären, die den Klimawandel schlichtweg leugnen. Genau mit diesen Leuten, nicht nur mit Horst Seehofer, suchen Sie den Schulterschluss, indem Sie hier einen dermaßen scharfen Kurs gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien im Saarland fahren!
(Empörte Zurufe von der LINKEN. - Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Also jetzt reicht es aber hier! Abartig!)
Sie sagen indirekt: Ja, die Klimakatastrophe, dagegen müssen wir etwas tun, wir brauchen andere Energieformen. - Aber welche? Da muss man sich schon auch mal betrachten, welche Alternativen der Stromerzeugung wir gerade auch in Deutschland haben.
Dass wir Strom erzeugen müssen, ich glaube, diesbezüglich besteht in diesem Hause absolute Einigkeit. Wir sind ein Industrieland, wir brauchen große Mengen Strom. Die müssen produziert werden.
Früher, Herr Lafontaine, das kennen Sie auch noch aus den Achtzigerjahren, hat man immer den Gegnern der Atomkraft vorgeworfen: Ja, ihr glaubt wohl, dass der Strom aus der Steckdose kommt! - Diesen Satz muss man heute an die Adresse der Linkspartei im Saarland richten: Glauben Sie denn, dass der Strom aus der Steckdose kommt?
Er kommt nun einmal aus dem Kraftwerk, aus der Steckdose leider nur indirekt. Und die Alternative zur Verhinderung der Windkraft hier im Saarland und auch über das Saarland hinausgehend ist heute schlicht und ergreifend die Kohle. Die Kohle ist aber doch der Haupttreiber bei der Entwicklung der Klimakatastrophe!
Man muss sich immer wieder klarmachen, was Klimakatastrophe eigentlich bedeutet, auch für uns hier im Saarland: Das bedeutet ja nicht nur das Abschmelzen der Polkappen mit einem entsprechen
den Anstieg des Meeresspiegels. Das bedeutet auch nicht nur das Abschmelzen der Gletscher, das wir uns ja heute schon betrachten können. Letztendlich bedeutet das auch eine gewaltige Wanderungsbewegung von Süd nach Nord, weil die Menschen in den Äquatorialzonen in 20 oder 30 Jahren das dortige Klima nicht mehr werden ertragen können. Das alles muss man doch mitdiskutieren, wenn man über Abstandsflächen bei Windkraftanlagen diskutiert!
In Ihrer Argumentation in dieser Debatte übersehen Sie anscheinend auch völlig einige große Industrieanlagen hier im Saarland, aber auch Anlagen außerhalb des Saarlandes. Ich habe das eben in einem Zwischenruf hier schon erwähnt: Gehen Sie mal nach Ensdorf! Gehen Sie mal nach Bexbach! Gehen Sie mal nach Dillingen! Schauen wir uns doch einmal an, wie weit die Wohnbebauung dort von den riesigen Industrieanlagen entfernt ist! Herr Lafontaine, als Sie hier Regierungschef waren, haben Sie eine solche Debatte nie geführt. Damals war es Ihnen völlig egal, dass Menschen mit der Nase direkt am Kraftwerk gewohnt haben - dies einmal festgestellt jenseits aller Überlegungen zu Emissionen und allem anderen, was mit solchen industriellen Großanlagen zusammenhängt. Eine solche Debatte gab es damals nicht. Aber plötzlich entdecken Sie - gerade Sie! - Ihr Herz für die Ästhetik hier in diesem Lande! Herr Lafontaine, wenn man Sie nicht besser kennen würde, könnte man eigentlich nur noch darüber lachen.