Eine ganz besondere Herausforderung - dies wurde bereits von der Kollegin Kolb gesagt - ist die Umsetzung der Inklusion in der Schule. Das Gesetz dazu ist mit unserer Zustimmung und einstimmig in diesem Hause verabschiedet worden. Im Vergleich zur bisherigen Situation ist dieses Gesetz ein eindeutiger Fortschritt. Ich sage allerdings auch: Dieses Gesetz ist eine rechtliche Grundlage für den Prozess der Inklusion, die Inklusion selbst muss jetzt noch ausgeführt werden. Gerade mit Blick auf die Schulen
sagen wir, dass es darauf ankommt, auch hier die personellen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Inklusion gelingt.
Großer Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Inklusion besteht bei der Eingliederungshilfe, die bislang als Fürsorgeleistung nach dem Sozialgesetzbuch XII gewährt wird. Bisher setzt die Eingliederungshilfe als Fürsorgeleistung immer die Bedürftigkeit der betroffenen Menschen voraus. Es wird also verlangt, dass die Menschen zuvor ihr Einkommen und Vermögen weitestgehend verbrauchen, bevor ein Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht. In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die Große Koalition im Bund, die Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Eingliederungshilfe aus dem System der Fürsorge herauszuführen. Wer Inklusion ernst meint, kann Leistungen zur Teilhabe nicht nach den Grundsätzen der Sozialhilfe gestalten. Daher muss die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag enthaltene Versprechen auch konsequent umsetzen. Wer Bezieherinnen und Bezieher dieser Leistungen aus dem Fürsorgesystem herausholen will, darf das neue Bundesteilhabegesetz nicht nach den Regeln der Fürsorge gestalten. Es ist ein Abschied aus dem Fürsorgesystem erforderlich, um den betreffenden Menschen eine echte Teilhabe auch schon vor Situationen der fürsorgerechtlichen Bedürftigkeit zu ermöglichen. Erforderlich ist gleichfalls, dass der Bund sich selbst ernsthaft an der Leistungsgewährung beteiligt, um die Umsetzung der Inklusion auch in den Ländern nachhaltig zu unterstützen.
Ganz besonders begrüßen möchten wir als GRÜNE die große Gemeinsamkeit bei diesem Antrag. - Dafür danke ich noch einmal ausdrücklich, auch für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - In Vertretung des erkrankten Sozialministers Andreas Storm hat jetzt Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, in dieser wichtigen Debatte das Wort zu ergreifen. Der Kollege Scharf hat es eben bereits getan, aber im Namen der Landesregierung darf auch ich den Sozialminister Andreas Storm entschuldigen. Es tut ihm sehr leid, dass er diese Debatte, die er maßgeblich initiiert hat, heute nicht gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Hause führen kann.
Es ist in der Tat ein besonderer Tag und ein besonderer Tagesordnungspunkt, es ist auch eine besondere Diskussion, die wir heute führen. Das liegt nicht nur daran, dass wir - der Kollege Augustin von den PIRATEN hat darauf hingewiesen - heute Gebärdensprachdolmetscherinnen unter uns haben. Es liegt vielmehr daran, dass ein Thema, das gerade in den letzten Wochen und Monaten so intensiv wie kaum ein anderes diskutiert worden ist, nämlich das Thema Inklusion, das Thema Umgang mit Menschen mit Behinderungen, heute hier in eine große Diskussion mündet.
Ich möchte zunächst einmal im Namen der Landesregierung mich beim Landtag bedanken, dass es möglich war, diese Diskussion zu führen, und dass es möglich war, dies auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrages zu tun. Das macht nämlich deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass bei allen Unterschieden, die wir vielleicht in der Sache haben, wo wir über den Weg streiten, doch im Ziel einig sind: Wir sind uns als Landtag und als Landesregierung sehr bewusst, dass wir unser Saarland nur nach vorne entwickeln können, wenn jeder mit dem, was er einbringen kann und will, dazu auch die Möglichkeit hat. Das muss das Ziel der Politik im Landtag und der Landesregierung sein. Daran arbeiten wir gemeinsam, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Debatte heute gibt aber auch Gelegenheit, uns mit dem Thema Inklusion, Umgang mit Menschen mit Behinderungen auch vom Grundsätzlichen her auseinanderzusetzen. Die Kollegin Kolb hat auf die UN-Behindertenrechtskonvention hingewiesen und auf die Hoffnung, die sich damit verbindet, dass unsere Gesellschaft ein Stück weit humaner wird. Ich sage ganz offen: Nachdem wir mittlerweile in der Lage sind, durch fortschreitende Präimplantationsdiagnostiken bei ungeborenen Kindern Behinderungen festzustellen, und sehen, dass immer weniger Kinder mit Downsyndrom die Chance haben, auf die Welt zu kommen, frage ich mich, wo da der Humanismus bleibt. Glauben wir wirklich, dass, wenn in unserer Gesellschaft keine Kinder mehr mit Downsyndrom geboren werden, diese Gesellschaft besser wird? Ich glaube, es ist ein Fehlweg, den wir hier eingeschlagen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Jeder Mensch hat das Recht, so zu leben und so angenommen zu werden, wie er ist. Wir haben dafür die Rahmenbedingungen zu setzen. Das heißt, wir müssen den Eltern, insbesondere den Eltern, die sich für ein Kind mit Behinderung entscheiden, den Rücken stärken, wir müssen ihnen die Rahmenbedingungen stellen. Das beginnt insbesondere bei
dem System der Frühförderung. Hier ist darauf hingewiesen worden, dass wir im Land ein gutes System aufgebaut haben und dass wir über den Modellversuch im Saarpfalz-Kreis dabei sind, dieses System zu verbessern.
Das bedeutet auch, dass wir mit Blick auf die Bildung für jedes einzelne Kind die bestmöglichen Bildungschancen entwickeln müssen. Bei aller Diskussion über die Art und Weise, wie Inklusion in diesem Land auch im Schulsystem umgesetzt wird, dürfen wir eines nicht vergessen: Es geht nie um die Frage, ob ein Prinzip so oder anders verwirklicht wird, es geht immer um die ganz individuelle Frage, was für das jeweilige einzelne Kind die beste Entscheidung ist. Da wird es immer Kinder geben, für die die inklusive Beschulung in den Regelschulen die absolut beste Entscheidung ist, und es wird auch immer Kinder geben, für die Beschulung im Fördersystem die beste Entscheidung ist. Es ist Sache der Eltern, das zu entscheiden, und es ist Sache des Staates, den Rahmen zur Verfügung zu stellen, der beides ermöglicht. Das ist auch die Leitlinie unserer Politik im Lande, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es ist wichtig, dass wir auch in der Inklusionsdebatte deutlich machen: Alle diejenigen - und Sie sind Vertreter dieser Gruppierung -, die heute schon in diesem Lande dazu beitragen, die Situation für Menschen mit Behinderungen zu verbessern, sie begleiten, unterstützen, sie dazu bringen, an unserer Gesellschaft teilhaben zu können, sind unterwegs im Auftrag der Inklusion. Auch dort, wo wir etwa in Werkstätten oder anderen Einrichtungen Angebote und Strukturen für Menschen mit Behinderungen vorhalten, geschieht dies nicht, um Menschen zu separieren, sondern es geschieht, um Menschen im Rahmen des Machbaren Teilhabe zu ermöglichen. Deswegen ist es auch heute wichtig, deutlich zu machen: Alle diese Akteure gehören zusammen, alle diese Akteure arbeiten am gleichen Ziel. Deshalb möchten wir allen diesen Akteuren ein herzliches Dankeschön aussprechen. Der Landtag hat es bereits getan, und ich möchte es im Namen der Landesregierung auch tun, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir haben einiges auf den Weg gebracht, aber es bleibt noch vieles zu tun. Die Kolleginnen und Kollegen haben zu Recht darauf hingewiesen. Es bleibt noch vieles zu tun und jeder, der im Landtag und in der Landesregierung Verantwortung trägt, kann dazu beitragen, auch ganz persönlich. Mir ist dieser Tage bei der Eröffnung der Welt der Familie die Broschüre der Deutschen Bundesbank in die Hand gefallen, die in einer einfachen Sprache erklärt, wie die Deutsche Bundesbank funktioniert, wie Geldkreis
lauf funktioniert, wie auch sehr komplexe europäische Fragen funktionieren. Ich frage einmal ganz selbstkritisch: Wann haben wir uns hier in diesem Haus einmal bewusst darum bemüht, die politischen Dinge, die wir miteinander diskutieren, in einfacher Sprache zu formulieren? Es ist die höchste Kunst, etwas in einfacher Sprache zu formulieren. Schwierig formulieren kann jeder, aber auch sehr schwierige Sachverhalte in einfachen Worten auszudrücken, das ist eine hohe Kunst, das ist eine Anstrengung. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass wir uns dieser Anstrengung nicht genug unterziehen. Es wäre ein gutes Signal, wenn wir uns heute zum Vorsatz nehmen würden zu versuchen, unsere Anliegen verständlicher vorzubringen, damit sie - ob mit Gebärdensprachdolmetscher oder ohne - auch bei den Menschen ankommen.
Das gilt nicht nur für das, was wir debattieren, sondern das gilt auch für die Veröffentlichungen. Sie haben darauf hingewiesen, dass das System hier im Landtag vorbildlich ist. Das Problem betrifft auch die Frage von Bescheiden, die erteilt werden. Wer heute jemals versucht hat, einen Bescheid zu entziffern, etwa einen Rentenbescheid oder andere Bescheide und zu verstehen, was dahinter steht - und Menschen mit Behinderungen haben tagtäglich mit solchen Formalien zu tun -, der wird auch hier Hürden feststellen, die wir, wenn wir über Inklusion diskutieren, vielleicht zunächst einmal gar nicht vor Augen haben.
Es gibt aber weitere Hürden, die wir beseitigen können und beseitigen müssen. Damit sind bauliche Hürden angesprochen und es sind auch Fragen angesprochen mit Blick auf die Sinneswahrnehmung. Das ist vollkommen richtig und das bleibt weiterhin unsere Aufgabe. Wir müssen uns noch einmal bewusst machen, wenn wir über solche Fragen diskutieren, dass es nicht um eine Verbesserung für eine wie auch immer geartete Gruppe und wie große Gruppe auch immer geht, sondern es muss uns klar sein: Wann immer wir in diesem Bereich etwas verbessern, verbessern wir etwas für alle Menschen. Eine Treppe, die kein Hindernis ist, ist eine Verbesserung für alle, die in dieses Gebäude wollen. Auch etwas, das man verstehen kann, wenn jemand in seinem Sehsinn oder Hörsinn eingeschränkt ist, ist eine Verbesserung für alle Menschen. Das muss insbesondere in einer Zeit gelten, in der wir älter werden und in der wir alle vor diese ganz normalen Fragen gestellt werden. Deswegen bleibt das eine Daueraufgabe der saarländischen Landespolitik. Wir sind zwar einige Schritte vorangegangen, aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir eigentlich sein sollten und wo wir eigentlich sein wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich die Zahlen anschaut - ich glaube, es ist wichtig,
dass wir uns das noch einmal vor Augen führen -, dann sieht man, dass ein kleiner Teil der Behinderten Menschen sind, die schon mit einer Behinderung geboren werden. Ein relativ großer Teil der Behinderten erfährt im Laufe des Lebens eine gravierende Veränderung beziehungsweise eine Einschränkung. Joachim Deckarm ist vorhin gerade begrüßt und angesprochen worden. Ursache für Behinderungen kann ein Unfall sein, ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt. Jeder von uns kennt sicherlich Beispiele, wo Menschen, nachdem sie ein solch einschneidendes Erlebnis hatten, Probleme und Einschränkungen haben und besonders herausgefordert sind. Deswegen müssen wir uns vor Augen führen, dass die Frage, ob ich eine Behinderung habe oder nicht, jeden jederzeit persönlich treffen kann. Es gibt einen klugen Satz, der lautet: Wenn ich auf ein Alter in Würde hoffen will, dann muss ich mich sehr früh mit der Frage der Bürde des Alters auseinandersetzen. Meine sehr geehrte Damen und Herren, genauso ist es mit Blick auf ein Leben mit Behinderung. Wenn ich dort die Weichen richtig stellen will, dann muss ich mir selbst immer vor Augen führen, dass das Schicksal eine Behinderung zu erleiden, ein Schicksal ist, das jeden von uns jederzeit treffen kann. Und vielleicht verändert das auch den Blickwinkel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt viele ermutigende Beispiele in unserem Land. Da sind zuerst einmal die Menschen mit Behinderungen selbst. Hermann Scharf hat es angesprochen. Wenn man die Gelegenheit hat, nicht nur in den Einrichtungen zu sein - ich habe das das ein oder andere Mal genutzt -, sondern zum Beispiel an Veranstaltungen wie dem großen Fest am Bostalsee teilzunehmen, bei den Sommerfesten, bei den Begegnungen, bei der After Work Party der Menschen, die in Werkstätten arbeiten, dann geht man raus und schämt sich. Ich sage das ganz offen. Man schämt sich nämlich dafür, wie oft und wie leicht man sich von relativ kleinen Problemen die Stimmung verderben lässt, sich runterziehen lässt und mit wie viel geballter Lebensfreude man von Menschen konfrontiert wird, die sicherlich ein schwierigeres Schicksal zu meistern haben, als das bei Nichtbehinderten der Fall ist. Es freut mich deshalb, dass nicht nur Sie in den Organisationen sich um diese Fragen kümmern, sondern es freut mich, dass wir im Saarland auch sehr viel Initiativen und Einzelengagements haben, die sich genau mit diesen Themen auseinandersetzen.
Ich habe eben das Thema After Work Party genannt und dass es zum Beispiel möglich ist, hier Teilnahme zu schaffen, dass es zum Beispiel möglich ist, dass wir in einer zunehmenden Art, etwa bei Sportvereinen, nicht mehr die in sich geschlossenen Behindertensportgruppen haben, sondern dass es selbstverständlich ist, Behinderte und Nichtbehinderte im Rahmen der Möglichkeiten gemeinsam zu trai
nieren. Und die Tatsache, dass wir als Saarland im Moment als Sportland so erfolgreich sind, insbesondere im Bereich von paralympischen Sportarten, ist auch ein Beleg für diesen neuen Ansatz, den wir haben. Es freut mich auch, dass es bei einem der größten Rockfestivals, das wir hier im südwestdeutschen Raum haben, nämlich dem Rocco del Schlacko, schon von Anfang an klar war - und das war eine Initiative der sehr jungen Macher dieses Festivals -, wir bauen auf der Tribüne einen behindertengerechten Zugang und wir ermöglichen es jedem, zum Beispiel aus der Förderschule K aus Püttlingen, der an diesem Rockfestival teilnehmen will, dass er die Möglichkeit dazu hat. Dazu hat es keiner Verordnung bedurft, sondern das war die Initiative von ganz jungen Menschen in diesem Land. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, das macht wirklich Mut, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Lassen Sie uns deswegen diese Debatte heute als Ermutigung und als Auftakt nehmen, gemeinsam weiterzuarbeiten, gemeinsam uns auch weiter zu streiten. Es gehört zu einer Demokratie und zu einem Parlament dazu, sich über den besten Weg dorthin zu streiten, wenn man sich im Ziel einig ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Debatte im saarländischen Landtag nicht nur weitere Diskussionen folgen würden, sondern wenn vielleicht auch Anhörungen in den Ausschüssen folgen würden und wenn ein weiteres aktives Einbeziehen der Betroffenen folgen würde. Letztendlich geht es um ihre Situation. Und wenn wir die UN-Konvention richtig umsetzen wollen, dann heißt das auch, dass wir nicht mehr über sie reden, sondern das heißt, dass sie das Wort haben, dass sie selbst sagen, was sie für wichtig halten, wo sich etwas ändern muss, und dass wir zuhören. Auch das tut uns im Übrigen an der einen oder anderen Stelle sehr gut.
In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank für diese Debatte. Es ist ein wichtiges Thema. Denn die Frage, welche Qualität dieses Land hat, macht sich auch und gerade daran fest. Ich glaube, wir haben gute Fortschritte und gute Ergebnisse erzielt, aber wir haben auch noch sehr viel zu tun. Lassen Sie es uns gemeinsam angehen. - Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Frau Ministerpräsidentin. - Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache 15/1061 - neu 2 - ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass
der Antrag Drucksache 15/1061 - neu 2 - einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen des Hauses, angenommen ist.
Erste Lesung des von der B 90/GRÜNE eingebrachten Gesetzes zur Neuregelung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Saarland
der vor der Mittagspause von Herrn Fraktionsvorsitzendem Hubert Ulrich eingebracht wurde. Ich eröffne die Aussprache. - Mir liegt die Wortmeldung des Abgeordneten Michael Neyses von der Fraktion der PIRATEN vor.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNEN haben nun einen Gesetzentwurf zum ÖPNVGesetz vorgelegt. Wir haben einen solchen Gesetzentwurf ja bereits im Februar vorgelegt, mit einer etwas anderen Ausrichtung bei der Finanzierung.
Das aktuelle Gesetz stammt noch aus dem Jahr 1995 und wurde seitdem nur geringfügig verändert. Inzwischen gab es zahlreiche Anpassungen auf EUund Bundesebene, die eine Anpassung des saarländischen ÖPNV-Gesetzes erfordern. Ich wundere mich etwas, wo der Gesetzentwurf der Koalition bleibt; versprochen wurde er für die Zeit vor der Sommerpause. Möglicherweise habe ich ja überhört, für welches Jahr er angekündigt wurde, offensichtlich nicht für 2014.
Nun, was geschieht, wenn alles bleibt wie bisher? Der ÖPNV ist immer schlechter finanzierbar. Die Fahrpreiserhöhung im Januar dürfte noch jedem in Erinnerung sein. Das Saarland ist beim ÖPNV Schlusslicht. Der Verkehrsclub VCD Saarland verweist in seinem Rundbrief 1/2014 auf die unübersichtlichen ÖPNV-Strukturen im Saarland. Der ÖPNV im Saarland wird immer unwirtschaftlicher, die Spirale dreht sich nach unten, der Abstand zwischen Einnahmen und Kosten wird immer größer. Da die Finanzierung immer schwieriger wird, werden weitere Linien gestrichen oder die Taktzeiten verschlechtert. Ich nenne an dieser Stelle nur die Niedtalbahn von Dillingen über Niedaltdorf nach Bouzonville. Die CDU der Gemeinde Rehlingen möchte sie ja weiter ausbauen, sie ist für Schüler und Pendler auch unverzichtbar. Ich nenne die Rosseltalbahn; wir würden auf dieser Strecke gerne einmal die Saarbahn sehen. Ich nenne die Strecke zwischen Homburg und Zweibrücken. Und zwischen Merzig und Losheim fährt nur noch die Museumsbahn.
Kolleginnen und Kollegen, auch wir wollen einen ÖPNV aus einem Guss. Deswegen werden wir dem vorliegenden Gesetzentwurf auch zustimmen. Als gravierender Unterschied zu dem von uns im Februar eingebrachten Gesetzentwurf ist die Tarifgestaltung zu nennen. Wir forderten das Finanzierungsmodell eines fahrscheinlosen ÖPNV, ein Modell, das inzwischen von renommierten Institutionen wie Difu und von Anwaltskanzleien - Rödl und Partner - breit diskutiert und empfohlen wird.
Wir werden hier selbstverständlich zustimmen, haben jedoch kleinere Kritikpunkte, die im Ausschuss zu beraten wären. Nicht ganz schlüssig erscheint mir die pauschalierte Investitionsförderung. So sollen 60 Prozent aus dem Entflechtungsgesetz für Investitionsmaßnahmen ausgegeben werden. Warum 60 Prozent, warum nicht 70 oder 80 Prozent? Eine weitere Frage wäre auch, worin das „besondere Landesinteresse“ besteht. Wie ist das hier zu interpretieren? Dazu sind leider keine Prozentzahlen angegeben, auch darüber wäre im Ausschuss zu sprechen.
Als Referenzregion sehe ich weniger die Region Karlsruhe. Sehr gut für einen Vergleich geeignet ist eigentlich die Region Freiburg. Seit 20 Jahren verzeichnet die Region Freiburg zunehmende Nutzerzahlen, seit 20 Jahren zunehmende Erträge. Die Region ist dem Saarland sehr ähnlich: 2.200 Quadratkilometer, 633.000 Einwohner, disperses Umland bis hinein in den Hochschwarzwald. Im Jahr 2013 wurden im RVF 120 Millionen Fahrgäste transportiert. Knapp 90 Prozent der Fahrgäste haben Zeitkarten, die RegioKarte kostet dort 53,50 Euro - im Saarland kostet sie mehr als das Doppelte.