Protocol of the Session on April 22, 2015

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Meine Damen und Herren, das V-Mann-Spitzelsystem verhinderte leider keine NSU-Morde, auch keine Brandanschläge und es verhinderte auch nicht Angriffe jeglicher Art auf Politiker oder Parteien. In Thüringen waren SPD-Politiker davon betroffen, CDUPolitiker, und wie Sie wissen, auch mehrere Politiker der LINKEN.

Ich fasse zusammen. Das V-Mann-System ist grundfalsch und eines demokratischen Rechtsstaates nicht würdig. Es gehört abgeschafft bis auf wenige, eng gefasste Ausnahmen, beispielsweise bei der Terrorismusbekämpfung. Des Weiteren wollten wir die parlamentarischen Kontrollrechte über die Arbeit des Verfassungsschutzes stärken wie in anderen Bundesländern auch. Dort hat beispielsweise das Kontrollgremium jederzeit Zutritt zu den Diensträumen des Landesamtes für Verfassungsschutz. In Thüringen gab es unter Schwarz-Rot beispielsweise auch die Möglichkeit, teilweise die Geheimhaltung aufzuheben. Wir möchten ebenso das Recht auf Akteneinsicht im Landesamt.

In Nordrhein-Westfalen beispielsweise - das hatte ich auch schon erwähnt - hat das Kontrollgremium jederzeit Zutritt zu den Diensträumen. Die dortige Landesregierung kann auch Kontrollbegehren unter wenigen, exakt definierten Gründen verweigern. Im Saarland kann Kontrollbegehren widersprochen werden, wenn die Aufgaben des Verfassungsschutzes erheblich gefährdet würden. Das lässt natürlich auch erhebliche Spielräume zu. Wenn in Nordrhein-Westfalen solch ein Kontrollbegehren abgelehnt wird, so muss der Innenminister diese Entscheidung auch im Gegensatz zum Saarland begründen.

Vielleicht hätte man auch auf diese Weise genau erklären können, warum das Landesamt für Verfassungsschutz einen Koffer mit Bargeld vom luxemburgischen Geheimdienst für die Luxusautos entgegennahm. Das war ja wohl, wie wir uns alle erinnern, filmreif. Ich erinnere an dieser Stelle außerdem noch einmal explizit an die Reformvorschläge des Verfassungs- und Staatsrechtlers Hans Peter Bull, der die Aufgaben der Sicherheitsbehörden neu und unter Berücksichtigung des Trennungsgebotes regeln möchte.

Wir finden, darüber sollte zumindest noch einmal diskutiert werden, denn unsere freiheitlich-demokratische Ordnung sollte es uns wert sein. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKE und den PIRATEN.)

Vielen Dank, Frau Kollegin Huonker. - Zur Begründung des Antrags der PIRATEN-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Michael Hilberer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits bei der Debatte um die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes haben wir verschiedene Punkte angeführt, bei denen wir eine Notwendigkeit sehen, die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten für den saarländischen Landtag zu verstärken. Die LINKE hat mit ihrem Antrag heute noch einmal das Thema der V-Leute in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Dem haben wir uns auch noch einmal im Detail gewidmet und haben uns entschieden, einen eigenen Antrag zu dem Thema einzubringen, weil wir gerne eine etwas differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema haben wollen.

Angesichts der Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses kann man nur in Schrecken erstarren über die Rolle der V-Leute im ganzen Komplex, der V-Leute der Verfassungsschutzämter speziell in der rechtsextremen Szene. Da hat man gesehen, dass V-Leute finanziert vom Verfassungsschutz

(Abg. Huonker (DIE LINKE) )

als Scharfmacher, als Organisatoren und sogar als Finanziers dieses Milieus aufgetreten sind. Man kann sich sogar des Eindrucks nicht erwehren, dass es das Erstarken der NPD ohne diese V-Leute in der Form vielleicht gar nicht gegeben hätte. Tatsächlich, seit Abzug der V-Leute aus der Führungsebene im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens gibt es dort offensichtlich massive organisatorische Probleme.

(Lachen und Zurufe aus den Oppositionsfraktio- nen.)

Vor dem Hintergrund dieser unfassbaren Vorgänge ist es umso verwunderlicher, wie wenig Fakten über das V-Leute-Wesen wirklich zur Verfügung stehen. Es gibt keine Kosten-Nutzen-Analysen, die klar einsehbar wären und anhand derer man beurteilen könnte, inwieweit die Verhältnismäßigkeit dieses Mittels überhaupt gewährleistet ist. An dieser Stelle setzt unser Antrag an und fordert deshalb explizit klare gesetzliche Regelungen für den Einsatz von VLeuten, transparente, nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Analysen und eine starke parlamentarische Kontrolle.

Ich weiß, gerade vonseiten der Innenpolitiker wird oft gerne argumentiert, V-Leute wären notwendig, um Ermittlungserfolge zu erzielen, abgeschottete Milieus et cetera. Untermauert wird das leider nur zu oft durch Anekdoten, aber nie durch feste Zahlen oder Statistiken. Wir möchten das Kind an der Stelle nicht mit dem Bade ausschütten. Wir wollen das VLeute-Wesen nicht abschaffen. Wir wollen aber das V-Leute-Unwesen beenden. Deshalb möchten wir dem Verfassungsschutz erlauben, unter wirksamer Kontrolle und im engen Rahmen die Wirksamkeit dieses Ermittlungsinstrumentes zu beweisen. Denn eines kann es nicht sein, nämlich ein einfaches „Weiter wie bisher“ im V-Leute-Unwesen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Beim Antrag der LINKEN werden wir uns enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der LINKEN.)

Herzlichen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Günter Becker für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich bei diesem Punkt relativ kurz fassen. Heute Morgen hatten wir schon mehrere Punkte, die wir schon mehrmals behandelt haben. Es ist heute auch nicht das erste Mal, dass mit einem Antrag quasi die Auflösung des Landesamts für Verfassungsschutz gefordert wird.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Das wird es nicht!)

Da der Antragsteller aus der Vergangenheit weiß, dass die Auflösung des Verfassungsschutzes in diesem Parlament nicht durchsetzbar ist, werden Nebelkerzen geworfen, indem man die Kontrollrechte über den Verfassungsschutz stärken möchte. Daneben will man nach dem Vorbild Thüringens alle VLeute abschaffen.

Auffällig dabei ist, dass diese Anträge immer wieder von der Partei Die LINKE gestellt werden. Wenn ich wie die LINKE beziehungsweise Teile der Partei in verschiedenen Bundesländern nach wie vor wegen verfassungsfeindlicher Tendenzen und der SEDVergangenheit im Fokus des Verfassungsschutzes stehen würde, würde ich wahrscheinlich auch solche Anträge stellen, meine Damen und Herren.

(Lachen bei der LINKEN.)

Warum sich die PIRATEN jetzt nachträglich auch noch mit einem Antrag melden? - Gut, jedem das Seine.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Aber, meine Damen und Herren, weder die Tatsache, dass der Verfassungsschutz für die LINKE lästig ist, noch die Tatsache, dass sich unsere Sicherheitsbehörden im Falle des NSU nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, darf dazu führen, dass wir den Verfassungsschutz auflösen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das war aber jetzt freundlich ausgedrückt.)

Ich habe es in der Debatte zum Verfassungsschutzgesetz bereits gesagt: Die Tatsache, dass Fehler gemacht werden, rechtfertigt doch nicht die Forderung nach Auflösung des Amtes. Wenn Lehrer schlecht sind, wird doch nicht die Schule abgeschafft, und wenn Ärzte Fehler machen, schaffen wir noch lange nicht die Krankenhäuser ab. Nein, der Verfassungsschutz ist für die Sicherung und den Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sehr wichtig und einfach unverzichtbar.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Die LINKE hat zwar in der Begründung festgestellt, dass die Auflösung wünschenswert, aber nicht durchsetzbar sei. Sie fordert deshalb die Verstärkung der Kontrolle über den Verfassungsschutz. Ich weiß ja nicht, ob Ihnen das entgangen ist. Wir haben im November 2014 das Verfassungsschutzgesetz novelliert und haben in diesem Gesetz die Kontrollfunktion des Parlaments erheblich gestärkt. Wir haben darüber hinaus unabhängig von den sonst üblichen Grundregeln der Sitzverteilung in den Ausschüssen allen im Landtag vertretenen Parteien einen ordentlichen Sitz mit Stimmrecht im Kontrollausschuss für Fragen des Verfassungsschutzes zugestanden.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

Wir haben damit die Kontrollfunktion des Parlaments erheblich erweitert. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass der Ausschuss darauf angewiesen sei, dass der Verfassungsschutz über Aufgaben und Vorfälle berichtet und ein für die Kontrolle notwendiger Zugang zu den Akten verwehrt würde. Diese Behauptung, meine Damen und Herren, ist kompletter Nonsens. Ich weiß ja nicht, wo Sie diesen Antrag abgeschrieben haben, vielleicht im Referenzland Thüringen. Möglicherweise haben dort auch einige ehemalige Stasimitarbeiter, die es unter den dortigen LINKE-Abgeordneten nachweislich gibt, daran mitgewirkt.

(Abg. Schramm (DIE LINKE) : Oh Mensch! - Abg. Lafontaine (DIE LINKE): Kriegsverbrecher als CDU-Fraktionsvorsitzender!)

Herr Lafontaine, dort hat die Ethikkommission im Thüringer Landtag mehreren Abgeordneten der LINKEN die Parlamentsunwürdigkeit attestiert. Das ist Tatsache und darauf werde ich auch immer wieder hinweisen. Solange ich Politik hier mache, werde ich den Finger in diese Wunde legen, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht.

Egal, wo Sie es abgeschrieben haben: Es zeugt auf jeden Fall von einer großen Unkenntnis unserer Gesetzeslage im Saarland. Deshalb empfehle ich dringend, einmal in unser Verfassungsschutzgesetz zu schauen. Die parlamentarische Kontrolle des Landesamtes für Verfassungsschutz ist im fünften Abschnitt des Saarländischen Verfassungsschutzgesetzes in den §§ 22 bis 26 geregelt. Demnach ergibt sich aus § 22 Saarländisches Verfassungsschutzgesetz, dass die Kontrolle durch den Ausschuss für Fragen des Verfassungsschutzes erfolgt. Weiterhin sind in § 24 Satz 3 die Kontrollmöglichkeiten des Ausschusses aufgeführt. Darin heißt es, dass alle für die Ausübung der Kontrolle erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateieinsichten verlangt werden können. Ihre Forderung nach der Möglichkeit der Akteneinsicht existiert bereits in unserem vorhandenen Gesetz. Die von Ihnen im Antrag aufgestellte Behauptung, dass der für die Kontrolle notwendige Zugang zu den Akten verwehrt wäre, trifft also in diesem Fall nicht zu.

Zu Ihrer Forderung nach Abschaffung aller V-Leute wie in Thüringen beschlossen - ist Folgendes zu sagen. Thüringen steht mit seiner Maßnahme alleine da. Alle anderen Bundesländer verzichten nicht auf V-Leute, und dies aus gutem Grund. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist ein Frühwarnsystem in unserem demokratischen Staatswesen.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Das haben wir gemerkt!)

Man kann auch sagen, es ist ein Schutzschild, um verfassungsfeindliche Bestrebungen abzuwenden. Da sich vieles im konspirativen Raum abspielt, ist es

wichtig und unbedingt notwendig, dass sich der Verfassungsschutz verdeckter Methoden bedient, um an die erforderlichen Informationen zu gelangen. Eine dieser Möglichkeiten ist der Einsatz von V-Leuten, die für die Arbeit ganz einfach unverzichtbar sind. Natürlich hat es bei der Aufklärung der NSUMordserie Pannen und Fehler gegeben. Inzwischen wurden aber gerade auf diesen Erfahrungen aufbauend bundeseinheitliche Regelungen zum V-MannEinsatz vereinbart und zum Teil bereits umgesetzt. Eine entsprechende Anpassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes steht in Kürze zur Beratung im Bundesrat an.

Der Verzicht auf V-Leute bedeutet auch Verzicht auf frühzeitige Erkenntnisse bei der Beobachtung und Bekämpfung von gewaltbereitem Extremismus. Wir haben es doch erlebt bei der Aufdeckung der Sauerland-Gruppe und in anderen Fällen. Ich will gar nicht näher darauf eingehen, das wissen Sie alles selbst. Hätten nicht V-Leute Hinweise gegeben, wären wir in eine Katastrophe geraten. Dies muss man doch endlich mal zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren, wie wichtig das war. Wollen Sie tatsächlich die Verantwortung dafür übernehmen, dass Extremisten von rechts und links, dass gewaltbereite Islamisten in diesem Lande schalten und walten können, wie sie wollen, nur weil sie sicher sein können, dass staatlicherseits keine Kontrolle mehr stattfindet? Das wäre mehr als verantwortungslos, meine Damen und Herren, denn wo wollen Sie die Grenze für den Einsatz von V-Leuten tatsächlich ziehen?

Eine Übertragung der Befugnisse auf die Polizei, die Sie groteskerweise in dem Antrag ebenfalls wieder fordern, widerspricht eindeutig dem vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Auch das müssen Sie endlich mal begreifen. Die Rechtsordnung in Deutschland unterscheidet zwischen einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die verpflichtet ist, bei allem, was ihr zur Kenntnis kommt, nach dem Legalitätsprinzip tätig zu werden, zu ermitteln und zu handeln. Dies unterscheidet die Polizei grundsätzlich von den verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, deren Tätigkeit sich auf die Beobachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politischen Information und Beratung beschränkt.

Gerade dieses Trennungsgebot ist eine unverzichtbare Errungenschaft unseres demokratischen Rechtsstaates. Bei der Gestapo und bei der Stasi war dieses Trennungsgebot nicht vorhanden. Dort waren Bespitzelung und Nachrichtendienst Teil der Polizeiarbeit mit all den Folgen, die wir niemals vergessen sollten.

Herr Kollege Becker, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Huonker?

(Abg. Becker (CDU) )

Bitte schön.

Abg. Huonker (DIE LINKE) mit einer Zwischenfrage: Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, sehr geehrter Herr Kollege, dass ich vorhin von Vorschlägen renommierter Staats- und Verfassungsrechtler gesprochen habe, die unter Berücksichtigung des Trennungsgebotes, das vom Bundesverfassungsgericht noch mal bestätigt wurde, Vorschläge zur Reform des Verfassungsschutzes und der Polizei gemacht haben? Übrigens wurden diese Vorschläge auch noch unterstützt von einem Abteilungsleiter des Bundesverfassungsschutzes, der gesagt hat, diese Sachen gehörten in eine Hand, nämlich in die der Polizei. Ich befürchte, dass Sie sich mit diesen Vorschlägen gar nicht beschäftigt haben.

Ich nehme Ihre Zwischenfrage zur Kenntnis. Ich sage Ihnen nur, das Trennungsgebot hat für uns einen großen rechtsstaatlichen Charakter, und daran werden wir auch in Zukunft festhalten. Wir werden uns nicht darüber unterhalten müssen, ob bestimmte Dinge des Verfassungsschutzes von der Polizei übernommen werden müssen.

(Beifall bei der CDU.)

Was das bedeuten würde, habe ich gesagt: Bei Gestapo und Stasi war das so. Das will niemand mehr in diesem Lande haben, ich mit Sicherheit nicht. Ich glaube auch nicht, dass es viele hier gibt, die das wollen. Ich möchte an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes auch ausdrücklich für ihre Arbeit im Sinne der Sicherheit unseres Landes danken.

(Beifall bei der CDU.)

Ich versichere Ihnen, dass die CDU voll und ganz hinter unseren Sicherheitsorganen steht und auch in Zukunft stehen wird. Wir hatten bisher keine großen Terroranschläge im Saarland. Wir hatten sicherlich ganz viel Glück, aber auch verlässliche Sicherheitsorgane, die mitgeholfen haben, dass solche Anschläge vermieden werden können.

Wir müssen - das muss die eigentliche Quintessenz sein - nicht den Verfassungsschutz und die V-Leute abschaffen, sondern wir müssen die, die uns vor Gefahren schützen, mit allen rechtlich erlaubten Mitteln ausstatten, damit sie ihre Arbeit zum Wohle und der Sicherheit der Menschen in unserem Lande ausüben können. Alles andere wäre fahrlässig und verantwortungslos. Deswegen lehnen wir die Anträge der LINKEN und der PIRATEN ab.