Protocol of the Session on February 24, 2016

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Die klare Botschaft eines reformierten Gesetzes an dieser Stelle muss lauten: Ein Nein ist ein Nein! In dieser Hinsicht erwarte ich, dass sich unsere Landesregierung in dieser Richtung auch für eine Re

form des Sexualstrafrechts auf Bundesebene einsetzt und sich der Bundesratsinitiative der Länder Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz anschließt und diese Entschließung im Bundesrat unterstützt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Petra Berg von der SPD-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit einem hochsensiblen Thema, das bis in die Grundfesten unseres Rechtsverständnisses hineinreicht, dem Thema der sexuellen Selbstbestimmung. Die sexuelle Selbstbestimmung ist Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das bedeutet, dass jeder über seine Sexualität frei bestimmen kann. Egal ob heterosexuell, homosexuell, transsexuell, bisexuell - jeder kann über seine Sexualität frei bestimmen. Genau dieses Recht gehört unter staatlichen Schutz.

Dieses Recht ist nämlich grundlegendes Menschenrecht, getragen von der ganz überwiegenden Mehrheit unserer Bevölkerung. Das hat nicht zuletzt die massive öffentliche Empörung im Zusammenhang mit den Vorfällen in der Silvesternacht in vielen deutschen Großstädten gezeigt. Dieser Kontext kann nicht darüber hinwegtäuschen - das hat eben auch schon der Kollege Kessler gesagt -, dass heute noch die weitaus überwiegende Zahl sexueller Übergriffe nicht im öffentlichen Raum stattfindet, sondern in den eigenen vier Wänden. Und trotz des hohen Stellenwerts der sexuellen Selbstbestimmung stellen die geltenden Normen - unter anderem aufgrund der Ausgestaltung, die sie durch die Rechtsprechung erfahren haben - nicht alle als strafwürdig zu erachtenden Fälle in ausreichendem Maße unter Strafe. Es bestehen in der Tat Strafbarkeitslücken.

Sexuelle Nötigung setzt grundsätzlich die Überwindung eines entgegenstehenden Willens voraus. Dies erweist sich in der Praxis vor allem für solche Fälle als problematisch, in denen der Täter die Überraschung des Opfers ausnutzt. Aufgrund der Überrumpelung ist das Opfer nicht in der Lage, einen entgegenstehenden Willen zu bilden. Diese Fälle sind bislang vom derzeit geltenden Strafrecht nicht erfasst. Problematisch sind auch die Fälle, in denen zwischen der Gewalt oder der Drohung mit Gewalt und der sexuellen Handlung kein finaler Zusammenhang besteht - wenn der Täter die Gewalt also nicht einsetzt, um die sexuelle Handlung vorzunehmen, sondern etwa um sich vor Entdeckung zu schützen.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Ebenso erweisen sich in der Praxis die Fälle als problematisch, in denen das Opfer seine Gegenwehr nicht aus Furcht vor den Nötigungsmitteln unterlässt, also der Körperverletzung oder Tötung, sondern zum Beispiel aus Angst vor weitergehenden Konsequenzen wie der Kündigung durch den Arbeitgeber; auch das gibt es, meine Damen und Herren.

Schließlich hat sich als weitere schwierige Fallgruppe das Ausnutzen einer lediglich subjektiven schutzlosen Lage durch den Täter erwiesen. Es soll nicht ausreichen, dass das Opfer sich lediglich schutzlos fühlt, etwa weil es nicht daran denkt, dass Dritte Hilfe leisten könnten. Damit bestehen nämlich dann Varianten sexueller Übergriffe, die zwar durchaus strafwürdig, aber nach derzeitiger Rechtslage eben nicht ausreichend mit Strafe bedroht sind. Dadurch hat sich in der Praxis ein Reformbedarf ergeben. Ganz konkret: Opfer sexueller Gewalt werden durch die Praxis im geltenden Strafrecht nicht ausreichend geschützt. Es kann im Sinne des Opferschutzes zu Konstellationen kommen, die schlichtweg nicht hinnehmbar sind.

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein hohes Schutzgut und nicht disponibel. Diese Erkenntnis ist nicht neu und es gibt sie nicht erst seit den Geschehnissen in der Silvesternacht. Denn bereits im Juli des vergangenen Jahres, Herr Kessler, hat Bundesjustizminister Heiko Maas einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vorgelegt. Erklärtes Ziel dieses Reformentwurfs ist, die erkannten Schutzlücken effektiv und schnell zu schließen. Das hat man also schon ein halbes Jahr vor diesen Ereignissen nach einer entsprechenden Länderabfrage erkannt. Es wurde nur dann erst nach diesen schlimmen Vorfällen die Notwendigkeit gesehen, diesen Entwurf auch tatsächlich zu behandeln.

Dieser Referentenentwurf behält zwar weitestgehend die bisherige Struktur des Sexualstrafrechts bei, nimmt dabei aber tatbestandliche Ergänzungen hinsichtlich der beschriebenen Strafbarkeitslücken vor. Und er wird den Anforderungen der so genannten Istanbul-Konvention gerecht, das ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt. Das hat die Bundesrepublik bereits gezeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Dieser Konvention wird damit Rechnung getragen. Sie sieht vor, dass jede nicht einverständliche sexuelle Handlung unter Strafe zu stellen ist. Allerdings bleibt es den Staaten überlassen, in ihrer Gesetzgebung über die genaue Formulierung sowie über die Voraussetzungen zu entscheiden, die eine freie Zustimmung ausschließen.

Welche Regelungen sieht dieser Referentenentwurf jetzt konkret vor? Der Tatbestand der sexuellen Nötigung durch das Ausnutzen einer schutzlosen Lage

wird gestrichen und es wird ein neuer Tatbestand geschaffen, der den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzen der schutzlosen Lage unter Strafe stellt. Damit wird unter Strafe gestellt: das Ausnutzen einer Lage zu sexuellen Handlungen, wenn die Person unfähig ist, Widerstand zu leisten; wenn sie aufgrund ihres psychischen Zustandes unfähig ist, Widerstand zu leisten; wenn eine Lage ausgenutzt wird, die einen Überraschungseffekt hat, wenn die Person also überrascht wird und zum Widerstand unfähig ist; und wenn eine Lage ausgenutzt wird, in der die Person ein empfindliches Übel befürchtet. Deshalb deckt die Vorschrift derzeit alle aktuell diskutierten Strafbarkeitslücken ab. Das betrifft die Überraschungsfälle, die sogenannten Klima-der-Gewalt-Fälle und die Fälle der subjektiv schutzlosen Lage, wie ich eben dargestellt habe. Der Entwurf sieht also eine deutliche Verbesserung des Status quo vor.

Ein weitergehender Vorschlag in Ihrem Antrag, Herr Kessler, zielt auf die Umsetzung des Grundsatzes „Nein heißt Nein“ ab. Nach diesem Grundsatz wird jegliche sexuelle Handlung, die ohne das Einverständnis der anderen Person vorgenommen wird, kriminalisiert. - Ja, das ist gut. Ja, das ist der Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechtes, wie wir ihn uns alle emotional wünschen. Diese Umsetzung ist aber im Rechtsstaat ein Paradigmenwechsel, der eine Neugestaltung des Sexualstrafrechts insgesamt fordert - ausgehend von einem Grundtatbestand, der die Strafbarkeit allein am Fehlen eines Einverständnisses mit den sexuellen Handlungen festmacht. Dabei ist tragendes Element einer Sexualstraftat das fehlende Einverständnis. Das heißt, das Einverständnis in die sexuelle Handlung lässt schon den Tatbestand der Straftat entfallen. Das ist wichtig.

Ich möchte im Folgenden die juristischen Diskussionen dazu beleuchten und darlegen, warum Sensibilität im Umgang mit solchen Regelungen vonnöten ist, Herr Kessler. Ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, denn das Vorliegen eines Einverständnisses wird jetzt schon in anderen Straftatbeständen gefordert. Das ist also schon dort Voraussetzung.

In der Lehre wird dargestellt, dass das Einverständnis dem Prinzip des mangelnden Interesses folgt, das bedeutet, dass der Träger oder die Trägerin des Rechtsgutes - also hier der sexuellen Selbstbestimmung - sein oder ihr Interesse am Rechtsgut mit dem Einverständnis aufgibt; so die Lehre. Ich sage es jetzt bewusst etwas überzogen; so diskutieren es die Juristen. Sie haben immer im Hinterkopf, wie Opfer das nachfolgend sehen müssen und mit was Opfer nachfolgend konfrontiert werden.

Bereits bei der Prüfung einer Strafbarkeit ist im Umgang mit den Opfern deshalb höchste Sensibilität und Rücksichtnahme geboten, damit das Verständnis und die Nachvollziehbarkeit einer solchen juristi

(Abg. Berg (SPD) )

schen Betrachtung überhaupt wachsen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meines Erachtens ist Folgendes noch viel problematischer: Wenn der Täter oder die Täterin einem Irrtum über das reale Nichtvorliegen des Einverständnisses unterliegt oder - was viel schlimmer ist - einen solchen Irrtum nur behauptet, dann heißt das, der Täter sagt, er sei irrtümlich davon ausgegangen, dass sein Opfer einverstanden gewesen sei und das vor dem Hintergrund - das muss man auch beachten -, dass für das Einverständnis allgemein bislang ein rein inneres Einverständnis ausreicht. Es muss noch nicht einmal nach außen zum Ausdruck gekommen sein. Es reicht eine natürliche Willensfähigkeit, die man gar nicht unbedingt erkennen muss. Dann kommt es dazu, dass der Täter das wirklich behaupten kann und ein tatbestandsausschließender Irrtum da ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss sorgfältig geprüft und in eine Norm gegossen werden.

Diese Konstellationen zeigen nämlich, dass im Sinne eines wirksamen Opferschutzes ein solcher Paradigmenwechsel, wie er mit der Nein-heißt-NeinLösung angestrebt wird und dem wir uns nicht verschließen wollen, einer sorgfältigen Vorbereitung bedarf. Die vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz eingesetzte Reformkommission befasst sich derzeit aus diesem Grunde mit der Frage, ob ein neuer Grundtatbestand mit diesem Inhalt geschaffen wird. Das heißt, dass die Strafbarkeit allein vom Vorliegen eines Einverständnisses mit der sexuellen Handlung abhängt.

Die Opfer sexuell motivierter Straftaten brauchen absolute Rechtssicherheit sowohl in der Anwendung des Rechts, vor allem dann, wenn es um Beweiserhebung und Ermittlungen geht, die für die Opfer von Straftaten ebenso belastend sind wie die Straftat selbst. Hier ist Gründlichkeit und Rücksichtnahme geboten. Hier müssen alle Verbände einbezogen werden, um einen möglichst umfangreichen Schutz der Opfer gewährleisten zu können.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Reformkommission hat am 20. Februar ihre Arbeit aufgenommen. Hier Vorgaben zu machen oder gar dem Ergebnis vorzugreifen, ist nicht sachgerecht, auch nicht im Sinne eines effektiven Opferschutzes. Vor dem Hintergrund, dass der 13. Abschnitt des Besonderen Teils des StGB grundlegend überarbeitungsbedürftig ist, hat diese Kommission Experten aus Wissenschaft und Praxis einbezogen mit dem Ziel, Empfehlungen für den Gesetzgeber zu erarbeiten, damit eine solche Reform und vielleicht auch ein solcher Paradigmenwechsel möglich sind. Wir schließen das in jedem Fall nicht aus.

Die Frage, ob sich weitere, durch den Referentenentwurf bisher nicht erfasste Fallgestaltungen in Zukunft ergeben, wird in diesem Zusammenhang

ebenfalls geprüft. Herr Kessler, auch das ist unsere Intention. Es ist zum Beispiel die Frage, ob eine Strafnorm auch für die Fälle unter der Erheblichkeitsschwelle im Sexualstrafrecht geschaffen werden soll, zum Beispiel bei den sexuellen Belästigungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es besteht derzeit juristische Unklarheit darüber, ob es bei Berührungen von Brust, Gesäß oder dem Genitalbereich ausschlaggebend ist, ob der berührte Körperteil bekleidet ist. Damit muss man sich derzeit befassen.

(Sprechen bei B 90/GRÜNE.)

Damit befassen sich derzeit Gerichte. Das ist auch Gegenstand einer umfassenden Reform des Sexualstrafrechts. Damit befasst sich jetzt die Reformkommission. Herr Kessler, Sie können nicht sagen „Hör auf“. Davon sind viele Frauen im alltäglichen Leben betroffen. Das ist das ureigenste Interesse der Frauen, dass auch das geprüft wird. Diese Untersuchungen sind deshalb in vollem Gange.

Meine Damen und Herren, wir verschließen uns einer Debatte um eine grundlegende Reform des Sexualstrafrechts nicht. Im Gegenteil. Wir wollen sie. Wir sehen viele offene Fragen. Eine davon ist die sorgfältige Prüfung des Nein-heißt-Nein-Ansatzes und seiner Auswirkungen. Das Ergebnis einer solchen Prüfung kann tatsächlich ein Paradigmenwechsel sein. Aber eine sorgfältige Prüfung dieses Ansatzes und seiner Folgen muss eben auch zuerst erfolgen. Deswegen rufe ich uns alle zu Sorgfalt und Umsicht auf.

Die Prüfung muss noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, sodass sie mit einer sachgerechten und angezeigten Lösung enden kann. Es besteht auch ein aktuelles Bedürfnis, Strafbarkeitslücken zu schließen. Die durch den Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen führen bereits jetzt zu Verbesserungen des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung. Die Fallgestaltungen, die sich in der Praxis tatsächlich erwiesen haben, werden aufgegriffen und einer expliziten Strafbewehrung zugeführt. Das war Ziel dieses Referentenentwurfes. Das ist gelungen. Das wird auch von den Kritikern nicht bestritten. Ich habe eben schon ausgeführt, auch die Istanbul-Konvention wird eingehalten. Deshalb unterstützen wir diesen Antrag nicht, weil es noch abzuwarten gilt.

Herr Kessler, die Forderung, die Bundesratsinitiative der Länder Hamburg und Niedersachsen zu unterstützen, ist überholt und nicht korrekt wiedergegeben. Es handelt sich nämlich um eine Bundesratsinitiative der Länder Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung durch eine grundlegende Reform des Sexualstrafrechtes, die an diesem Freitag - also übermorgen - mit den Stimmen des

(Abg. Berg (SPD) )

Saarlandes in den zuständigen Ausschuss überwiesen wird. Dort wird die weitere Beratung und Diskussion erfolgen mit der Zielsetzung, dass ein effektiver Schutz der sexuellen Selbstbestimmung gewährleistet werden muss. Auch in diesem Punkt ist Ihr Antrag überholt.

Sehr geehrte Herren der GRÜNEN-Fraktion - es ist nur noch einer da -, Ihnen ist vielleicht entgangen, was in diesem Land in der Vergangenheit zur Prävention sexualisierter Gewalt gegen Frauen bereits geschaffen wurde. Ärztinnen und Ärzte wurde ein Informationsleitfaden an die Hand gegeben, um häusliche Gewalt zu erkennen, Opfer sensibel anzusprechen und Beweise und Befunde gerichtsverwertbar zu dokumentieren. Die Bereitschaft, Anzeige zu erstatten, wird dadurch gestärkt, dass an geeignete psychosoziale Fachdienste vermittelt wird.

Zur Sensibilisierung für Fälle häuslicher Gewalt, für die Belange von Opfern und für eine adäquate Intervention, Prävention und Repression werden unterschiedliche Berufsgruppen geschult. Polizistinnen und Polizisten, Lehrerinnen und Lehrer und viele andere Berufsgruppen werden geschult, um Hilfestellungen bieten zu können.

Im November 2014 wurde die vertrauliche Spurensicherung eingeführt, mit der Opfer sexueller Gewalt die Möglichkeit erhalten, auch noch nach einer geraumen Zeit den Beweis der Straftat zu führen, wenn die Traumata nach der Tat dies erträglich erscheinen lassen.

Ein letzter Hinweis, meine Herren von den GRÜNEN. Was um alles in der Welt soll Ihnen die Landesregierung bis zum 13.07.2016 berichten? Das Strafrecht liegt allein in Bundeszuständigkeit. Das Saarland wird am Freitag im Bundesrat eine Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung mit auf den Weg bringen. Herr Kessler, Sie haben selbst gesagt, der Bundesminister Heiko Maas ist aufgefordert. Er hat schon geliefert. Er wird weiter liefern, auch mit den Stimmen des Saarlandes. Es ist alles auf einem guten Weg. Wir werden weiterhin für die Frauen und für alle Menschen kämpfen, damit sie in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung effektiv und sehr umfassend geschützt werden. Wir werden die Ergebnisse dieser Reformkommission abwarten. Dann können wir das gerne wieder hier diskutieren.

Meine Herren der GRÜNEN-Fraktion, wir machen unsere Arbeit. Tun Sie das auch! - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Barbara Spaniol von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Berg! Ich finde es absolut in Ordnung, dass die Kollegen von den GRÜNEN diesen Antrag auf die Tagesordnung gesetzt haben. Das ist sehr löblich, wir werden diesem Antrag zustimmen. Ich finde es nicht in Ordnung, dass dreimal betont wird, dass es nur die Kollegen sind. Sie haben eben keine Kolleginnen hier in ihren Reihen. Das tut aber der Sache an dieser Stelle wirklich gar keinen Abbruch. Ich finde es in Ordnung, dass dieser Antrag heute von der Fraktion der GRÜNEN so gekommen ist.

Meine Damen und Herren, „die Gewalt lebt davon, dass sie von Anständigen nicht für möglich gehalten wird.“ Das hat Jean-Paul Sartre gesagt und dieser Satz passt gut zu den Ereignissen der Silvesternacht in Köln, Hamburg, Stuttgart und in anderen Städten. Dieses Ausmaß an Gewalt gegen Frauen haben viele nicht für möglich gehalten. Diese Taten haben uns alle aufgeschreckt, das war und ist unerträglich, aber solche Taten sind bei Weitem kein Einzelfall.

Schon Mitte August letzten Jahres hat deshalb der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe eine Kampagne gestartet, um Vergewaltigungen zu verurteilen mit dem Ziel, eine Reform des Sexualstrafrechts und einen umfassenden Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu erreichen. Diese Kampagne ging also schon im letzten Jahr los. Es sollen auch in Deutschland die Vorgaben aus der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt umgesetzt werden, teilt der sehr engagierte Frauennotruf Saar mit.

Tatsächlich ist Gewalt gegen Frauen leider ein alltägliches Problem. Terre des Femmes weist darauf hin, dass es in Deutschland alle drei Minuten zu einer Vergewaltigung kommt. Alle drei Minuten! Nur um es zu verdeutlichen, das ist einen Hinweis wert: 2015 lautete beim berühmten Oktoberfest in München die Bilanz eines „normalen“ Wochenendes, dass ein 17-Jähriger eine 18-Jährige vergewaltigt hat, mehrere Frauen sexuell belästigt wurden und ein 30-Jähriger nach einer Vergewaltigung festgenommen wurde.

Leider ist sexuelle Gewalt auch innerhalb einer Beziehung Alltag, das wurde eben auch entsprechend skizziert. Rund jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahren hat mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch den eigenen Partner oder die eigene Partnerin erlebt. Organisationen wie Terre des Femmes gehen davon aus, dass nur 5 Prozent der Taten angezeigt werden. Auf 100 angezeigte Vergewaltigungen kommen im Schnitt nur 13 Verurteilungen, das heißt, hier herrscht eine ganz klare Schieflage. Für die betroffenen Frauen ist das ein Desaster.

(Abg. Berg (SPD) )

Hier im Saarland, das hat eine Anfrage von mir aus dem Jahre 2014 ergeben, wurde im Jahr 2013 mehr als jedes zweite Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wieder eingestellt. Im Jahr 2012 waren es sogar über 70 Prozent. Weil die Verurteilungsquote offenbar so gering ist, zeigen doch die wenigsten Betroffenen eine Vergewaltigung überhaupt noch an. Dieser Teufelskreis muss unbedingt durchbrochen werden! Der Bundesverband der Frauennotrufe und der Frauenberatungsstellen fordert daher zu Recht als starke Stimme, als Verein „Frauen gegen Gewalt“ den bedingungslosen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und ein modernes Sexualstrafrecht. Dazu gehört eben „Nein heißt nein“.

Bislang gilt der Straftatbestand der Vergewaltigung nur dann als erfüllt, wenn das Opfer geschlagen oder mit Gewalt bedroht worden ist oder sich in einer komplett schutzlosen Lage befand. Das Nein einer Betroffenen reichte bisher nicht aus, um einen Vergewaltiger zu verurteilen. Einen Fall im häuslichen Umfeld will ich gerade deshalb beispielhaft nennen: Die Frau lehnt eine sexuelle Begegnung ab, sie sagt deutlich Nein. Der Mann lässt nicht von ihr ab. Sie verzichtet auf aktive Gegenwehr, weil im Nebenzimmer die gemeinsamen Kinder schlafen, weil ihr Mann in der Vergangenheit schon so oft brutal zugeschlagen hat und weil sie hofft, dass die Tat so schneller vorübergeht.

Dieser Fall hat Schlagzeilen gemacht, er hat auch diese Diskussion ausgelöst und befeuert. Das Landgericht Essen hat meines Wissens damals den Ehemann als Vergewaltiger verurteilt, der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung aufgehoben und geurteilt, das bloße Nein reiche für eine Verurteilung nicht aus. Da frage ich mich aber doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieviel Widerstand muss eine Frau denn leisten, was muss sie noch alles ertragen, damit ungewollter Sex als Vergewaltigung gilt? Es ist aus unserer Sicht daher längst überfällig, das Sexualstrafrecht endlich zu ändern. Nein muss doch wirklich Nein heißen, mit allen Konsequenzen.

Noch einmal: Vor fünf Jahren hat Deutschland schon die Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt des Europarates unterzeichnet. Darin heißt es, dass alle sexuellen Akte bestraft werden müssen, die ohne das Einverständnis der Beteiligten erfolgen. Nein heißt eben Nein. Diese Forderung muss bei der geplanten Reform des Sexualstrafrechts wirksam Niederschlag finden, aber genau das ist zurzeit noch offen und genau das wird entsprechend kritisiert.