Protocol of the Session on April 20, 2016

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(Vereinzelt Heiterkeit.)

Seien Sie, Kolleginnen und Kollegen der Opposition, einmal etwas zurückhaltender mit Ihren Äußerungen wie „Polizei- und Überwachungsstaat“ und „Hoch lebe der Datenschutz“, der immer mehr zum Verbrecherschutz wird.

(Zurufe der Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜ- NE) und Huonker (DIE LINKE).)

Helfen Sie mit, dass die Polizei auch Polizei sein kann zum Schutze unseres Landes und der Menschen, die hier leben. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Jasmin Maurer von der Fraktion der PIRATEN.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Wir stimmen mit den Forderungen der GRÜNEN überein, den weiteren Stellenabbau bei der saarländischen Polizei auszusetzen und jährlich 110 Kommissaranwärterinnen und -anwärter einzustellen.

Ich möchte noch einmal betonen: Es ist mit keinem Wort seitens der Opposition gesagt worden, dass

wir hier in einem polizeilichen Überwachungsstaat leben. Da möchte ich doch einfach mal darum bitten, Herr Becker, bei der Wahrheit zu bleiben.

(Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN.)

Die Polizei muss heute immer komplexere Aufgaben bewältigen, während eine umfassende Entlastung von Arbeitsabläufen und ein sinnvoller Einsatz von Technologie zur Reduzierung von Bürokratie weiterhin auf sich warten lassen. Der Rückzug der Polizei aus der Fläche und fehlende Präsenz im öffentlichen Raum beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Auch die Problematik der Gewalt gegen die Polizeikräfte, Herr Becker, lässt sich nur durch eine Verstärkung der Einsatztruppen kurzfristig beheben, nicht aber durch solche Spielereien wie die Bodycams.

Der Berg von mehr als 260.000 Überstunden lässt keinen anderen Schluss zu, als dass die Polizeibeamtinnen und -beamten über Gebühr belastet sind. Vor diesem Hintergrund können wir auch dem „Alles-ist-supi“-Antrag der Großen Koalition nicht zustimmen.

(Heiterkeit bei der LINKEN und Zuruf: Genau!)

Leider hat aber auch der Antrag der GRÜNEN einen Schwachpunkt, auf den ich noch eingehen möchte. Nicht wegen der Forderung, die unterstützen wir und deshalb stimmen wir auch zu, aber wegen der unredlichen Panikmache im ersten Absatz. Eine solch unreflektierte Instrumentalisierung von Terroranschlägen zur Untermauerung sicherheitspolitischer Forderungen ist man sonst ja eher aus der konservativen Ecke gewöhnt. Also, noch einmal zu den Fakten. Betrachten wir die Anzahl der Opfer von Terrorismus in Europa über die letzten Jahrzehnte, so liegen sie auch nach den Anschlägen von Paris noch weit unter den Opferzahlen der Siebziger-, Achtziger- und frühen Neunzigerjahre.

(Zuruf.)

Ich nenne diese Fakten nicht, um irgendetwas zu beschönigen, Herr Kollege von der CDU. Jedes der 149 Todesopfer 2015 ist ein Opfer zu viel und es gilt, jedes weitere Opfer zu verhindern. Aber Panikmache hilft hier nicht weiter, sondern nur eine realistische Einschätzung des Bedrohungspotenzials. Oder glauben Sie wirklich, dass Terroranschläge in europäischen Metropolen ein valides Argument dafür sind, die saarländische Polizei zu verstärken? Wohl kaum! Ich möchte die Polizei verstärken, weil wir für echte Sicherheit und für echte Präsenz sorgen wollen. Das Schüren von Terrorangst ist hier im Land genauso ein Problem wie die fehlende Polizeipräsenz.

In einer Zeit, in der Eltern in unserem Bundesland ernsthaft überlegen, ihren Kindern die Teilnahme an einer Klassenfahrt nach Metz zu untersagen wegen

(Abg. Becker (CDU) )

Angst vor Terrorismus, ist eine solche Instrumentalisierung der Ängste höchst unangemessen. Wegen der dennoch richtigen Forderung, hinter der wir stehen, nämlich den Stellenabbau bei der Polizei zu stoppen und jährlich 110 Kommissaranwärterinnen und -anwärter einzustellen, werden wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Der Antrag der Koalition bringt uns in der Sache nicht weiter und muss daher abgelehnt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat nun Günter Waluga von der SPDLandtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Die Themen Polizei und Entwicklung der Einstellungszahlen bei der Polizei werden heute nicht nur wegen dieses Antrages diskutiert, sondern die Diskussion hat schon im vergangenen Jahr bei den Haushaltsberatungen begonnen. Deshalb sind Ihre Forderungen und die Forderungen der Gewerkschaften auch nicht neu. Die Problematik wurde heute von Ihnen als Sonderthema auf die Tagesordnung gesetzt und wir werden auch morgen im Innenausschuss eine Anhörung zum Polizeigesetz haben. Auch hierzu hat die Diskussion eigentlich schon stattgefunden. Ich möchte hier heute deutlich machen, dass das Thema innere Sicherheit bei uns in der Koalition selbstbewusst und ernsthaft angegangen wird und dass bei uns das Thema Sicherheit in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in Zukunft auf der politischen Agenda steht und stehen wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir verkürzen das Thema nicht auf die Zahl der Einstellungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Natürlich wäre eine höhere Einstellungszahl als bislang für 2016 und 2017 geplant, etwa wie die von Ihnen geforderten 110 Einstellungen, gut, schön und wünschenswert. Der Innenminister würde das auch begrüßen. Aber Einstellungen dieser Art wirken nie kurzfristig, sondern tatsächlich erst nach Ablauf der Ausbildungszeit in vier Jahren. Übrigens ist diese Forderung von 110 Einstellungen eine legitime Forderung der Gewerkschaften. Die Gewerkschaften stehen in Verbindung mit der Landesregierung. Man ist da in Gesprächen und es wurde auch im letzten Spitzengespräch schon angedeutet, dass die Gewerkschaften eine höhere Einstellungszahl wollen, aber man will zunächst - ich komme in meiner Rede noch darauf zurück - die Evaluierung der angegangenen Reform abwarten. Ich gehe davon aus, dass nur eine Oppositionspartei es sich leisten kann, solche Dinge ausschließlich nach dem Prinzip „Wünsch

dir was“ zu begründen. Wir sind in der Verantwortung und wir nehmen diese Verantwortung auch an.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wäre man über das Niveau von Schaufensterpolitik hinausgegangen, hätte man angesichts der Rahmenbedingungen der Schuldenbremse und unserer Möglichkeiten als Haushaltsnotlageland zumindest den Ansatz eines Finanzierungsvorschlages unterbreitet. So muss man beim Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dann doch an der Ernsthaftigkeit zweifeln. Dies im Übrigen auch, weil in diesem Antrag zwar auf die wichtigste sicherheitspolitische Herausforderung unserer Tage, den islamistischen Terrorismus, Bezug genommen wird, die hierbei besonders wichtige Instanz des Landesamtes für Verfassungsschutz aber gänzlich außen vor bleibt. Wir haben hier zwei wichtige Säulen: Die Polizei mit ihrem polizeilichen Staatsschutz und den Verfassungsschutz. Auch beim Verfassungsschutz haben wir eine personelle Verstärkung vorgesehen. Der Kollege Becker hat das bereits angesprochen. Gute, professionelle und gelungene Sicherheitspolitik ist eine Komposition von angemessenem Personalinvest, ordentlicher Ausstattung mit Sachmitteln und der Möglichkeit, auf die notwendigen Befugnisse im Kampf gegen die Kriminalität zurückgreifen zu können.

Gerade in diesem letzten Segment tun und taten sich die GRÜNEN doch schwer, der Polizei und dem Verfassungsschutz das erforderliche Handwerkszeug an die Hand zu geben. Der Kollege Becker hat bereits darauf hingewiesen. Die in unserem Antrag beschriebenen Maßnahmen des aktuellen Sicherheitspaketes haben ein Gesamtvolumen von 5 Millionen Euro. Sie wirken kurzfristig, also schon in diesem Jahr. Die Ausbildung des Polizeilichen Ordnungsdienstes wird Ende Mai abgeschlossen sein. Ab Anfang Juni unterstützen und entlasten diese dann einsetzbaren Hilfspolizistinnen und Hilfspolizisten den Vollzugsdienst. Hier hat der Kollege Becker Abschiebungen und Verkehrsüberwachung genannt. Ich möchte noch einmal herausstellen, dass diese Kräfte nicht die Polizisten ersetzen, Herr Kollege Kessler, wie Sie das sagen, sondern sie sollen Polizisten von Aufgaben freistellen. Das ist ein ganz wichtiger Unterschied. Wir haben Tätigkeiten bei der Polizei, wie zum Beispiel bei einer Abschiebung, wo nicht unbedingt zwei Polizisten erforderlich sind, sondern da kann zum Teil auch dieser Polizeiliche Ordnungsdienst mitwirken. Dadurch werden Polizeibeamte freigestellt. Gleiches gilt für die anderen Tarifbeschäftigten, etwa im polizeilichen Staatsschutz. Diese Maßnahmen und der damit verbundene Personalaufbau gehen nicht zulasten der Beamtinnen und Beamten, sondern sie dienen zur Entlastung. Gleichzeitig und zusätzlich ist nämlich die Erhöhung

(Abg. Maurer (PIRATEN) )

des Einstellungskorridors auf 90 für die Jahre 2016 und 2017 beschlossen.

Derzeit wird die Polizeireform evaluiert. Warten wir doch erst einmal diese Ergebnisse ab und ziehen dann weitere Schlüsse. Solide Fakten lassen auch belastbare Schlüsse zu. Wir wollen die saarländische Sicherheitsstruktur erhalten, die in vielen Punkten über die der anderen Bundesländer hinausgeht. 20 Polizeiinspektionen, 37 Polizeiwachen sowie ein effektiver Aufbau im Bereich der Polizeiführungsaufgaben und der Kriminalitätsbekämpfung sollen auch künftig das Sicherheitskonzept bilden.

Abschließend muss ich aber noch auf einen Aspekt im Bereich Personal eingehen, der mir persönlich oft zu kurz kommt. Schon im ersten Jahr ihres Handelns hat diese Koalition trotz schwieriger Haushaltslage beschlossen, die Arbeit der Beschäftigten der gesamten Landesverwaltung zu würdigen und das Beförderungsbudget deutlich anzuheben. Das bestehende Volumen, das normale Beförderungsbudget von 1 Million Euro, wird in dieser Legislaturperiode jährlich um 600.000 Euro angehoben. Dies bedeutet eine Investition in das Personal von 3 Millionen Euro in dieser Legislaturperiode.

Schwerpunkt bei der Beförderung im April dieses Jahres war der Bereich A9/A10. Da Sie schon auf die Gewerkschaft der Polizei hinweisen, möchte ich auf deren Flugblatt Nr. 5, in dem über das Beförderungsbudget und die Beförderungen im April berichtet wird, hinweisen. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Für das Jahr 2016 beträgt das Gesamtbudget 500.896 EUR.“ Das heißt, es konnten im April schon 113 Polizeibeamte befördert werden. Wir investieren also in das Personal, was an einer 60-prozentigen Anhebung des Beförderungsbudgets sehr deutlich wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Daher dürfen wir in der SPD mit Fug und Recht behaupten, dass wir immer und überall zu unserer Polizei und zu unserem Verfassungsschutz stehen. Die innere Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten, das genießt die höchste politische Priorität.

Sie sagen ja, dass Sie sich so sehr für die Polizei engagierten. Ich habe bei Haushaltsdebatten auch schon an diesem Mikrofon gestanden - und war der einzige Redner, der überhaupt irgendetwas zur Polizei gesagt hat. Auch das möchte ich hier einmal festhalten. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun Birgit Huonker von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ganz kurz auf zwei Bemerkungen des Kollegen Becker eingehen. Herr Kollege Becker, Gewalt gegen die Polizei haben auch wir stets verurteilt. Ich glaube, diesbezüglich ist man sich in diesem Saal auch einig. Das ist allerdings heute nicht das Thema. Wenn unsere Rufe nach mehr Polizei populistisch sein sollen, muss ich mich schon fragen, ob Sie auch die Rufe der Gewerkschaften der Polizei als populistisch charakterisieren.

Ich wollte Ihnen auch noch sagen, dass nicht alles, was für die Polizei technisch möglich ist, auch verfassungsrechtlich geboten ist. Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat ja gerade darauf auch abgehoben.

(Beifall bei der LINKEN.)

Herr Kollege Waluga, bei 260.000 Überstunden pro Jahr sprechen wir ganz gewiss nicht mehr von einem „Wünsch-dir-was-Paket“. Wir denken vielmehr, dass der vorgelegte Antrag die pure Notwendigkeit beschreibt.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Waluga (SPD).)

Das waren aber nur die Vorbemerkungen. Wir werden natürlich den Antrag der GRÜNEN unterstützen und ihm zustimmen, denn dieser Antrag unterstützt auch unsere seit Jahren erhobenen Forderungen. Denn gemäß dem vorliegenden Antrag soll auf einen weiteren Stellenabbau bei der saarländischen Polizei verzichtet und die Anzahl der Kommissaranwärter soll deutlich erhöht werden auf 110 Nachwuchskräfte pro Jahr. Zu diesem Thema haben wir auch schon im vergangenen Monat hier ausführlich Stellung genommen.

Seit Jahren haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Absenkung der Zahl der Neueinstellungen bei den Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärtern von 100 auf 80 falsch ist. Die Landesregierung hat dann im vergangenen Jahr tatsächlich noch einmal nachjustiert; wir sind jetzt bei 90 Neueinstellungen jährlich. Das reicht aber weiterhin vorne und hinten nicht aus, der Berg von mehr als 262.000 Überstunden spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Auch der Krankenstand bewegt sich mit 61.383 Krankheitstagen nach wie vor auf hohem Niveau. Ich möchte diesbezüglich einmal auf Folgendes hinweisen: Unterstellt man 223 Arbeitstage pro Jahr, so könnte man sagen, dass angesichts des Krankenstandes im Jahr 2015 der saarländischen Polizei 275 Kolleginnen und Kollegen weniger zur Verfü

(Abg. Waluga (SPD) )

gung standen. Ich möchte an dieser Stelle eine Anregung geben: Angesichts des hohen Krankenstandes sollte man vielleicht einmal Ursachenforschung betreiben. Ich möchte diesbezüglich auf die Erfahrungen hinweisen, die das Justizministerium im Bereich des Justizvollzugs gemacht hat, bei den Justizvollzugsbeamten. Herr Kollege Jost, das ist jetzt ein Lob.

(Zuruf von Minister Jost.)