Deswegen bin ich der Auffassung, dass wir uns auch als Landtag dafür einsetzen sollten, dass dieses Abkommen nicht zustande kommt, dass es gestoppt wird. Das gilt für ähnlich gerichtete Abkommen wie CETA, das abgelehnt werden muss, und insbesondere TISA, was eine erhebliche Verschlechterung gerade öffentlicher Dienstleistungen nach sich ziehen würde.
Ich fasse zusammen. Ich bitte Sie, den gemeinsamen Antrag von PIRATEN und LINKEN zu unterstützen, weil dieses Abkommen schädlich ist und erhebliche Risiken hat. Es hält nicht das ein, was es angeblich verspricht. Es kommt letztlich einer Entmündigung der Politik gleich. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hans-Peter Kurtz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, dass spätestens, seit die Umweltorganisation Greenpeace geheime Dokumente aus den Verhandlungen zu TTIP ins Netz gestellt hat, das Projekt zum Scheitern verurteilt scheint. Wäre es in der Tat nicht einfacher, dem Aufruf zum Stopp zu folgen, den die TTIP-Gegner zu Zehntausenden von Umwelt- und Gesundheitsschützern lauthals fordern? Ich sage, ja, es wäre mit Sicherheit das Einfachste, aber wir müssen uns die Frage stellen, ob es auch das Richtige wäre. TTIP ist nicht nur ein klassisches Freihandelsabkommen, sondern mit TTIP geraten generelle Verfahrensregelungen unserer demokratischen Systeme ins Wanken. Es geht hier nicht um einen Vertrag, den Staaten untereinander abschließen wollen, oder einen Vertrag, den die USA der EU aufdrücken will. Es geht nach meiner Ansicht um einen Vertrag, in dem das internationale Kapital, also transnationale Konzerne und deren Lobbygruppen, auf Kosten staatlicher Handlungsfähigkeit ihre Interessen durchsetzen wollen.
Der Irrtum, meine Damen und Herren, besteht also generell darin, dass man bei TTIP verhandelt, als wenn es ein x-beliebiger Handelsvertrag wäre. Und zudem wird hier hinter verschlossenen Türen in klimatisierten Konferenzbüros in ständiger Begleitung von Lobbyisten aus Industrieverbänden und Konzernzentralen verhandelt. Doch wenn man es sich genau betrachtet, geht es bei TTIP kaum um Zölle und nicht um technische Standards wie bei Steckdo
sen und Autoteilen. Nein, es geht bei TTIP um vielfältige Sicherheits-, Umwelt- und Gesundheitsvorschriften. Und es geht - das muss für uns wichtig sein - um rechtstaatliche Normen und Verfahren, die es ausländischen Konzernen ermöglichen, gegen Staaten vorzugehen, wenn sie sich durch neue Gesetze benachteiligt fühlen.
Wir als SPD nehmen die Sorgen der Bürger, die die Rechte und Standards in Europa unterlaufen sehen, sehr ernst. Wir sehen es genauso, dass Arbeitnehmerschutzgesetze, Verbraucherschutzrechte und Umweltschutzrechte in Gefahr sind. Es geht hierbei nicht um einen Aufbau von wirtschaftlichen und staatlichen Standards, sondern darum, dass hier verhandelt wird und die Gefahr besteht, dass es gerade zu einem Abbau von wirtschaftlichen und sozialen Standards kommen kann.
Ich sage hier an dieser Stelle: Wenn TTIP überhaupt eine Berechtigung hat, dann soll es zu einem globalen Fortschritt beitragen. Es soll die Chance bieten, dass mit Europa und den Vereinigten Staaten zwei große Handelsräume zusammenwachsen. Das geht aber nur, wenn bei den Verhandlungen auch eine größtmögliche Transparenz gewährleistet ist und darüber hinaus auch Gruppen der Zivilgesellschaft, wie zum Beispiel Verbände, Gewerkschaften, NGOs et cetera, die Verhandlungen öffentlich und auch kritisch begleiten können.
Im Klartext: Die SPD lehnt Geheimverhandlungen ab, ist gegen Geheimnisvorschriften und Intransparenz in diesen Verhandlungen. Was uns ganz wichtig ist: Wir sind gegen Sozial- und Umweltdumping und vor allen Dingen müssen auch in diesen Verträgen die Mitbestimmungsrechte der EU-Bürger und die Standards der EU beibehalten werden.
Wir haben uns mit dieser Frage im letzten Jahr auf einem Bundeskonvent befasst und auf unserem Landesparteitag in Neunkirchen ganz klare Punkte aufgestellt. Sechs Punkte sind uns wichtig, die bei den Verhandlungen berücksichtigt werden müssen:
Das ist als Erstes die Transparenz. Hier geht es um die Offenlegung der bisherigen Textentwürfe. Es geht aber auch darum, dass Verbände und Abgeordnete der EU-Parlamente Zugang zu den Dokumenten bekommen. Was auch noch wichtig ist: Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit, es muss ohne Zeitdruck verhandelt werden.
Zweitens, die regulatorische Kooperation. Der Schutz der Bürger darf nicht durch Investitionsvorschriften und die Schaffung eines Regulierungsrates beeinträchtigt werden. Alle Regulierungsfragen müssen der demokratischen Kontrolle unterliegen.
Drittens, die Investitionsvorschriften. Es muss ein internationales Rechtsprechungssystem in Kooperation mit den Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation geschaffen werden, und auch hierüber muss eine Regelung erfolgen.
Viertens, der Abbau von Zöllen. Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen, Angleichung von Standards und Zulassungsverfahren können erfolgen, jedoch darf keine Senkung des Schutzniveaus von Verbraucherrechten oder Arbeitnehmerrechten erfolgen.
Fünftens, Maßstäbe für faire und globale Handelsregeln. Die Märkte von Entwicklungsländern dürfen nach unserer Auffassung nicht eingeschränkt werden und vor allen Dingen darf die öffentliche Daseinsvorsorge nicht beeinträchtigt werden. Der Handelsspielraum für Nationalstaaten muss auch weiterhin gewährleistet sein.
Sechstens, die Beteiligung von EU-Staaten und die Beteiligung auf Länderebene. Die Ratifizierung durch den Bundesrat - beziehungsweise durch ähnliche Gremien in anderen Ländern - und den Bundestag muss möglich sein. Es muss auch möglich sein, über einzelne Teile zu diskutieren und gegebenenfalls einzelne Teile des Abkommens zu kündigen oder an die Gegebenheiten anzupassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die derzeit stark auseinanderliegenden Positionen von USA und EU lassen allerdings befürchten, dass die US-Verhandlungsparteien kaum bereit sind, von ihren Forderungen abzuweichen. Ein akzeptabler Kompromiss liegt in weiter Ferne.
Zudem muss nach meiner Meinung das Augenmerk auch aktuell auf die Freihandelsabkommen CETA und TISA gerichtet werden. Die Verhandlungen über CETA als Abkommen zwischen der EU und Kanada sind bereits abgeschlossen. Derzeit wird auf europäischer Ebene geprüft, CETA ohne Zustimmung der nationalen Parlamente mit einer vorläufigen Anwendbarkeit zu ratifizieren. Das könnte bedeuten, dass CETA bereits im Frühjahr 2017 in Kraft gesetzt wird.
Zuvor müssen allerdings inhaltlich noch einige Punkte nachverhandelt werden. Über CETA wird die Schiedsgerichtsbarkeit oder ein verringerter Verbraucherschutz gewissermaßen durch die Hintertür etabliert. Da rund 80 Prozent der in der EU aktiven US-Firmen über Niederlassungen in Kanada verfügen, wird von diesem Abkommen nach Möglichkeit sehr schnell auch hier Gebrauch gemacht werden können. Durch den starken Liberalisierungsgedanken von CETA gerät insbesondere der Bereich der
öffentlichen Daseinsvorsorge in Gefahr. Dies gilt über CETA hinaus erst recht für das Abkommen TISA, welches seit 2013 zwischen den USA, Europa und 21 weiteren Ländern unter höchst intransparenten Bedingungen verhandelt wird.
Fazit: Es ist ein hoher Verdienst der Anti-TTIP-Bewegung, dass sie nicht nur auf die demokratiefeindlichen Verhandlungsgespräche aufmerksam gemacht hat, sondern dass sie für dieses Thema auch politischen Druck in die Debatte gebracht hat. Nach meiner Meinung müssen nun die Verhandelnden in Brüssel endlich Konsequenzen daraus ziehen und die richtigen Prioritäten setzen. Es gilt, die europäischen Errungenschaften, etwa im Umwelt- oder Verbraucherschutz, beinhart zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass parlamentarisch beschlossene Gesetze nicht durch findige Anwälte ausgehebelt werden.
Einen Stopp, wie es im Antrag der LINKEN und der GRÜNEN gefordert wird, halten wir derzeit jedoch nicht für den richtigen Weg. Das Abkommen kann nämlich dazu beitragen, wenn es nach unseren Maßstäben ausgehandelt ist -
Es kann dazu führen, dass faire und nachhaltige Handelsregelungen weltweit vorangetrieben werden und dass auch hier neue Maßstäbe gesetzt werden.
Das bedeutet im Einzelnen: Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen aus dem Abkommen herausgenommen werden. Auch für das öffentliche Beschaffungswesen dürfen keine Regelungen erfolgen, die zu einer weiteren Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führen. Vor allen Dingen darf es keine Einsetzung eines Regulierungsrates geben, der Konzerne und US-Behörden zu Ko-Gesetzgebern der EU machen würde. Es darf auch kein Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren in TTIP geben. Denn die Rechtsordnung beider Wirtschaftsräume bietet ausreichend Schutz für Investoren. Ein Freihandelsabkommen mit den USA muss dazu dienen, dass kleine und mittlere Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu stärken sind. Es darf vor allen Dingen nicht dazu missbraucht werden, die Macht multinationaler Großkonzerne weiter auszubauen.
Grundsätzlich gilt für uns aber auch, dass Arbeitnehmerrechte geschützt werden. Sie müssen künftig im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterentwickelt werden können. Eine Voraussetzung für ein Freihandelsabkommen muss die vollständige Ratifizierung der ILO-Standards inklusive durchsetzbarer Regelungen zur Umsetzung in der EU sowie in den USA sein. Mitbestimmung und Arbeitnehmer
rechte in transatlantischen Unternehmen müssen weiterhin auf höchstem Standard gesichert werden. Wenn Beschäftigte zur Arbeit in die USA oder nach Europa entsandt werden, muss das Zielland-Prinzip gelten. Dieses beinhaltet: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort.
Wenn diese Mindestanforderungen an ein transatlantisches Freihandelsabkommen nicht erfüllt werden, wenn irgendwann die Verhandlungen dort, wo wir noch Verhandlungsspielraum sehen, gescheitert sind, bleibt letztendlich nur, dass man bestimmte Dinge aus dem Vertrag herausholt. Ein TTIP light, bei dem man nur auf die Dinge, die zu verhandeln sind, eingeht, ist besser als keines. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, können wir Ihrem Antrag nicht zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun für die Fraktion der PIRATEN der Kollege Andreas Augustin.
Danke.- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind dem Antrag zwischenzeitlich beigetreten. Dafür gibt es mehrere Gründe. Viele gute Gründe, gegen TTIP zu sein, wurden schon genannt, interessanterweise von beiden Seiten.
Von unserer Seite ist als allererstes einmal zu sagen, dass solche intransparenten Verhandlungen hinter verschlossener Tür heute einfach nicht mehr zu machen sind. Das ist so.
Es sorgt für eine natürliche Skepsis bei allen, die ausgeschlossen sind. Wenn solche Dokumente wie jetzt von Greenpeace veröffentlicht werden, dann sieht man, dass es eine gesunde Skepsis ist, weil sich eben viele Bedenken bewahrheitet haben. Das kann man jetzt in den Papieren nachlesen.
Eines ist auch klar. So, wie die Politik sich sonst für jede Kleinigkeit, die sie richtig macht, selbst rühmt, müsste man nicht hinter verschlossener Tür verhandeln, wenn es etwas Ruhmreiches wäre. Deshalb ist vollkommen klar, dass es wieder irgendetwas darin gibt, was problematisch ist. Wie gesagt, es hat sich auch bestätigt.
Was wir besonders kritisch sehen, ist das Thema Schiedsgerichte. Kollege Bierbaum hat schon ausgeführt, dass in dem Moment, in dem für eine Firma Investitionshemmnisse durch nationale Gesetzgebungen bestehen, sie sich im Zweifelsfall einklagen kann und dadurch die parlamentarische Gesetzge
bung untergraben wird. Das sehen wir als besonders kritisch an. Man muss aber auch sehen, dass an der Stelle der Verbraucherschutz geschwächt wird. Verbraucherschutz ist nichts, das sich nur Verbraucherschutz nennt, aber mit dem Schutz von Verbrauchern nichts zu tun hätte, im Gegenteil, Verbraucherschutz ist wirklich dazu da, die Verbraucher - das sind unsere Bürgerinnen und Bürger, aber streng genommen auch wir selbst - eben zu schützen. In dem Moment, in dem ein Produkt aus Verbraucherschutzgründen nicht verkauft werden darf, ist es eben auf die eine oder andere Weise schädlich. Es kann verschiedene Gründe geben, aber wenn der Verbraucherschutz irgendwo einschreitet, gibt es dafür in aller Regel gute Gründe. Wenn dann die Firma am Schluss durchsetzen kann, dass sie das Produkt trotzdem verkaufen kann, dann finde ich das nicht gut. Dementsprechend ist speziell der Teil mit den Schiedsgerichten sehr kritisch.
Zu einer anderen Sache. Der Kollege Kurtz hat schon angesprochen, dass uns dieses Verfahren nicht von den USA aufgezwängt wird. Das ist richtig. Ich möchte auch anführen, man kann als Parlament nicht dauerhaft Gesetze gegen die Mehrheit in der Bevölkerung machen.
Das Interessante ist, dass TTIP nur noch 20 Prozent Zustimmung findet, und das nicht nur bei uns, sondern auch in den USA. Dort waren es in der letzten Zeit sogar noch etwas weniger. Insofern haben Sie vollkommen recht, es wird uns nicht von den USA aufgezwängt, es ist auf beiden Seiten des Atlantiks bei der Bevölkerung unbeliebt.