Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 54. Landtagssitzung. Frau Ministerin Anke Rehlinger ist wegen ihrer Teilnahme am Europäischen Stahlaktionstag in Brüssel für die heutige Sitzung entschuldigt.
Im Rahmen der Einführung von Gruppen in die Parlamentsarbeit ist heute der Lehrgang A II der Saarländischen Verwaltungsschule unter der Leitung von Herrn Bernd Müller - einer der besten Dozenten an der Verwaltungsschule - bei uns zu Gast. Seien Sie herzlich willkommen! Herr Müller, die Anmerkung wird teuer.
Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 54. Sitzung für heute, 09.00 Uhr, einberufen und die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt. Die Landesregierung hat die Anfrage des Herrn Abgeordneten Hubert Ulrich, Drucksache 15/1963, inzwischen schriftlich beantwortet.
Die Antwort ist gestern eingegangen und bereits an die Abgeordneten verteilt worden. Damit entfallen die Voraussetzungen einer mündlichen Beantwortung gemäß § 58 Abs. 3 der Geschäftsordnung. Mithin ist Punkt 10
Mündliche Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B 90/GRÜNE) betreffend: Pläne zur Ansiedlung eines GlobusMarktes auf der LIK.Nord-Fläche Betzenhölle (Drucksache 15/1963)
Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke, das ist einstimmig. Ich stelle fest, dass der Punkt abgesetzt ist.
Zu Punkt 4 der Tagesordnung. Zu dem Antrag der B 90/GRÜNE-Landtagsfraktion „Sozialen Wohnungsbau fördern Zuschussmodell etablieren“, Drucksache 15/1989, haben die Koalitionsfraktionen und die DIE LINKE-Landtagsfraktion eigene Anträge eingebracht, die Koalitionsfraktionen mit der Drucksache 15/1999 den Antrag „Sozialen Wohnraum fördern - Land, Kommunen und Wohnungswirtschaft fordern“ und die DIE LINKE-Landtagsfraktion mit der Drucksache 15/2000 den Antrag „Wiederbelebung des kommunalen und genossenschaftlichen sozialen Wohnungsbaus“. Wer dafür ist, dass die Anträge Drucksachen 15/1999 und 15/2000 als Punkte 11 und 12 in die Tagesordnung aufgenommen werden, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke. Dann stelle ich fest, dass das so abgestimmt ist.
Ich komme zu Punkt 7 der Tagesordnung. Zu dem Antrag der DIE LINKE-Landtagsfraktion „Schleichende Privatisierung von Autobahnen und Straßen stoppen - ‚lnfrastrukturgesellschaft Verkehr‘ verhindern“, Drucksache 15/1990, haben die Koalitionsfraktionen und die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eigene Anträge eingebracht, die Koalitionsfraktionen mit der Drucksache 15/2007 den Antrag „Infrastrukturgesellschaft Verkehr - Interessen des Landes und der Beschäftigten sichern“ und die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion mit der Drucksache 15/2006 den Antrag „Bündelung von Zuständigkeiten für ein modernes Verkehrsnetz“. Wer dafür ist, dass die Anträge Drucksachen 15/ 2007 und 15/2006 als Punkte 13 und 14 in die Tagesordnung aufgenommen werden, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke. Dann stelle ich fest, dass die Anträge Drucksachen 15/2007 und 15/2006 als Punkte 13 und 14 in die Tagesordnung aufgenommen und gemeinsam mit Punkt 7 beraten werden.
Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer Blindheitshilfe (Drucksache 15/1986)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Ausweitung der Leistungen der Pflegeversicherung durch das Erste Pflegestärkungsgesetz werden durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz zum 01. Januar 2017 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbe
griff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt. Damit erhalten erstmals alle pflegebedürftigen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung unabhängig davon, ob ihre Pflegebedürftigkeit durch körperliche Einschränkungen, kognitiv oder psychisch bedingt ist.
Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz soll der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff auch im Recht der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und im Bundesversorgungsgesetz eingeführt werden. Des Weiteren soll die Pflege vor Ort gestärkt werden.
Diese gesetzliche Neuregelung erfordert einen nicht unerheblichen Umsetzungs- und Anpassungsbedarf auf landesrechtlicher Ebene, der natürlich auch das saarländische Blindheitshilfegesetz nicht ausnimmt. Der Anpassungsbedarf im Bereich der Blindheitshilfe rührt daher, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff die Pflegesituation pflegebedürftiger Menschen künftig in fünf Pflegegraden statt in bisher drei Pflegestufen abbildet. Unsere Blindheitshilferegelungen nehmen jedoch bei der Anrechnung von Pflegeversicherungsleistungen auf die Blindheitshilfe noch auf die Einteilung in drei Pflegestufen Bezug.
Der Koalitionsvertrag für die 15. Legislaturperiode des Landtages des Saarlandes beinhaltet, dass das Landesblindengeld in der bisherigen Form beibehalten wird. Bei der vorliegenden Anpassung des saarländischen Blindheitshilfegesetzes haben wir daher auf der Basis des geltenden Koalitionsvertrages einen Weg gewählt, der die Verbesserungen im Bereich der häuslichen Pflege auch und gerade blinden Menschen, die gleichzeitig Leistungen der Pflegeversicherung und der Blindheitshilfe beziehen, grundsätzlich in voller Höhe zukommen lässt.
Meine Damen und Herren, im Saarland leben zurzeit 1.434 Personen, denen Blindheitshilfe gewährt wird. Darunter befinden sich 488 Personen, die gleichzeitig Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Ihnen soll die Blindheitshilfe auch künftig in bisheriger Höhe ausbezahlt werden. Der Status quo wird damit beibehalten und es wird keine Verschlechterung geben. Dies ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sichergestellt.
Bei den Änderungen des Blindheitshilfegesetzes haben wir es auch geschafft, die Interessen des Landeshaushalts im Auge zu behalten, und dafür gesorgt, dass die vorgesehenen Änderungen für den Landeshaushalt kostenneutral sind. Aus diesem Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich um Überweisung in den zuständigen Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. - Ich danke Ihnen.
Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme der Drucksache 15/1986 unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/ 1986 in Erster Lesung einstimmig angenommen ist und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie überwiesen ist.
Zweite Lesung des Gesetzes zur Regelung eines Kostenfolgeabschätzungs- und Beteiligungsverfahrens gemäß Artikel 120 der Verfassung des Saarlandes (Konnexitätsausfüh- rungsgesetz Saarland - KonnexAG SL)
Zur Berichterstattung über die Beratungen des Gesetzentwurfs im Ausschuss erteile ich dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Günter Waluga, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der von der CDU-Landtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachte Gesetzentwurf wurde vom Plenum in seiner 50. Sitzung am 13. Juli 2016 in Erster Lesung einstimmig, bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen, angenommen und zur weiteren Beratung an den zuständigen Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen. Durch Änderung von Artikel 120 der Verfassung des Saarlandes, der Einführung des Konnexitätsprinzips, wurde festgeschrieben, dass bei Übertragung oder Veränderung von Aufgaben durch das Land auf die kommunale Ebene ein Kostenausgleich vorzunehmen ist. Die Grundsätze dieser Kostenfolgeabschätzung und der Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände sind, wie es Artikel 120 der saarländischen Verfassung ausdrücklich vorschreibt, Gegenstand des hier vorliegenden Gesetzentwurfes.
Der Ausschuss für Inneres und Sport hat in seiner 113. Sitzung am 06. Oktober dieses Jahres eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände durchgeführt. Der Entwurf wurde von beiden Verbänden grundsätzlich begrüßt, es wurde aber noch Änderungsbedarf in mehreren Einzelbereichen gesehen. Teile dieser Änderungswünsche, insbesondere der
Wunsch nach einer Revisionsklausel hinsichtlich der Höhe der Bagatellgrenze und die Forderung nach zeitnaher Überprüfung der Kostenprognose, waren Gegenstand eines Abänderungsantrages der Koalitionsfraktionen, der am 03. November einstimmig, ohne Enthaltung, angenommen wurde.
Weitergehende Änderungswünsche insbesondere in Richtung einer Erweiterung auf bundes- und europarechtliche Aufgabenübertragungen waren Gegenstand eines Abänderungsantrages der Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE, der mehrheitlich bei Zustimmung der Oppositionsfraktionen und Ablehnung der Koalitionsfraktionen abgelehnt wurde.
Der Ausschuss hat das Gesetz unter Berücksichtigung des angenommenen Abänderungsantrages sodann einstimmig - bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen - zur Annahme in Zweiter Lesung empfohlen.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass heute auch ein weiterer Abänderungsantrag seitens der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion vorgelegt wurde, der zur Abstimmung kommen soll. Hier geht es um das Inkrafttreten des Gesetzes. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die CDU-Landtagsfraktion Frau Abgeordnete Ruth Meyer.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was glauben Sie, wie oft das Konnexitätsprinzip bereits Thema in diesem Plenarsaal war? Die Landtagsverwaltung war so freundlich, das einmal zu recherchieren. Ich wollte es zunächst kaum glauben: Seit der 11. Wahlperiode - das ist die Zeit, seit der Protokolle digitalisiert vorliegen - 56 Mal!
Demnach forderte im Januar 1996 im Zuge der Debatte über die Kommunalisierung staatlicher Landesbehörden die CDU-Landtagsfraktion in Person von Karl Rauber erstmals die Verankerung eines strikten Konnexitätsprinzips in der saarländischen Verfassung. Wir wissen, dass er damals mit dieser Forderung ebenso wenig erfolgreich war wie all jene Abgeordnetenkollegen, die sich nach ihm und auch nach dem Regierungswechsel 1999 um das Thema bemüht haben. Aber wir, meine Damen und Herren, haben diese Verfassungsänderung genau am 13. Juli diesen Jahres vorgenommen.
Wenn eine parlamentarische Entscheidung das Prädikat „historisch“ verdient, dann sicher eine Reform,
die seit über zwanzig Jahren von der jeweiligen Opposition gefordert und von den jeweiligen Regierungsfraktionen abgelehnt wurde. Dass es so lange gedauert hat, hat zum einen sicherlich damit zu tun, dass es durchaus nicht trivial ist, hier eine vernünftige, faire und praktikable Lösung vorzulegen. Dass wir aber heute dieses Kapitel mit einem durchdachten Konnexitätsausführungsgesetz zur Verfassungsnorm zumindest vorläufig schließen, ist sicher in weiten Teilen der Konstellation einer Großen Koalition zu verdanken.
Wir können jedenfalls mit Stolz sagen: Wir sind die Regierungsfraktionen, die sich getraut haben, diese seit Jahrzehnten formulierte Forderung in die Tat umzusetzen. Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir uns heute beglückwünschen.
Zur Ehrlichkeit gehört aber auch das Eingeständnis, dass unsere kommunalen Akteure uns das Versprechen einer strikten Konnexität im Zuge des Kommunalpaktes ein Stück weit abgerungen haben. „Wirkungsgleich mit NRW“ hieß der Wunsch. Daran haben wir uns gehalten und zusätzlich anwendungsfreundliche Konkretisierungen auf Basis der Erfahrungswerte in Nordrhein-Westfalen sowie Forderungen der kommunalen Spitzenverbände aus der Anhörung einfließen lassen. „Wir kriegen NRW, aber besser“, so hat es mir gestern ein Bürgermeister gesagt. Das bringt es auf den Punkt. Und ich denke, Martin Luckas als Vertreter der Landkreise, den ich hier herzlich begrüße, wird das so bestätigen.
Ab dem 01. Januar 2017 - das ist das Datum des Inkrafttretens, das wir Ihnen heute noch per Änderungsantrag vorschlagen - ist Kommunalfreundlichkeit nicht mehr alleine das vornehmliche Anliegen unserer Ministerpräsidentin und des Innenministeriums oder der Kommunalpolitikerinnen und -politiker in diesem Parlament. Ab dem nächsten Jahr müssen alle Ressorts und Abteilungen der Ministerialbürokratie und alle Abgeordneten dieses Hauses vor dem Einbringen oder vor der Beschlussfassung über ein Gesetz dieses auf relevante Kostenmehrung für unsere Kommunen untersuchen.
Bei 250.000 Euro in Summe landesweit beziehungsweise bei 25 Cent je Einwohner liegt die sogenannte Wesentlichkeitsschwelle für durch Gesetz oder Rechtsverordnung hervorgerufene kommunale Mehrbelastungen. Ab dieser Schwelle muss dann jeweils festgelegt werden, wie viel welcher Kommune aufgrund welcher Berechnungsgrundlage und auch auf welchem Weg erstattet wird. Hier haben wir noch eingebaut, dass diese Schwelle spätestens alle drei Jahre an die Entwicklung der Beamtengehälter angepasst werden muss, um einer schleichenden Entwertung dieser Bagatellgrenze entgegenzuwirken.
Ein wichtiger Punkt in den Stellungnahmen war auch die Frage, wie man damit umgeht, wenn deutlich würde, dass die Kosten in der Realität maßgeblich von der Kostenschätzung und vom Kostenausgleich im Ausgleichsgesetz abweichen. Ein solcher Fehler sollte aufgrund des vorgeschalteten Abstimmungsund Einigungsprozesses mit den Kommunen eher die Ausnahme darstellen. Dennoch können - so unser Änderungsvorschlag - die kommunalen Spitzenverbände bei nachweislichen Fehlkalkulationen bereits nach zwei Jahren eine Überprüfung verlangen. Andernfalls ist spätestens nach fünf Jahren eine Überprüfung der Kostenerstattungsbeträge garantiert.
Einbezogen haben wir weiterhin den Wunsch der kommunalen Spitzenverbände, zu konkretisieren, wie genau kommunale Investitionen in die Kostenermittlung einzubeziehen sind, nämlich auf Basis der linearen Abschreibung ihres Anschaffungs- oder Herstellungswertes, und dafür Sorge zu tragen, dass die Dauer der Vorfinanzierung neuer Aufgaben bei den Kommunen möglichst gering gehalten wird, indem wir den Kostenausgleich zeitnah zahlbar machen.