Protocol of the Session on November 30, 2016

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Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/1953 in Zweiter und letzter Lesung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/1953 einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen, angenommen wurde.

Wir kommen zu den Punkten 14 und 18 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Mehr Demokratie in saarländischen Kommunen - Hürden für Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide senken (Drucksache 15/2021)

Beschlussfassung über den von der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Direkte Demokratie stärken - mehr Bürgerbeteiligung in Land und Kommunen ermöglichen (Drucksache 15/2033)

Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Birgit Huonker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heute vorliegenden Antrag unternehmen wir erneut einen Vorstoß, um Saarländerinnen und Saarländern die Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen zu erleichtern. Wir wollen die hohen Hürden für einen Einwohnerantrag, für ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid senken. Die Zeit dafür ist überfällig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN.)

(Vizepräsidentin Ries)

Das Saarland muss wieder einmal die rote Laterne tragen, wir landen zum wiederholten Male auf dem letzten Platz beim kürzlich veröffentlichten Ranking des Vereins Direkte Demokratie. Wie der Verein berichtete, wurden in den letzten beiden Jahren pro Jahr 292 beziehungsweise 348 Bürgerbegehren und Ratsreferenden verzeichnet, die Gesamtzahl der Bürgerbegehren 1956 bis Ende 2015 liegt bundesweit bei 6.985 Verfahren. Während in Bayern in dieser Zeit sage und schreibe fast 2.730 Bürgerbegehren und in Rheinland-Pfalz 200 zustande kamen, waren es im Saarland gerade mal 16. Während es in Bayern in besagtem Zeitraum 1.651 Bürgerentscheide gab und bei unseren Nachbarn in RheinlandPfalz noch 89, konnte das Saarland auf eine traurige Null verweisen. Zugegebenermaßen ist Bayern größer als das Saarland, daher ist dort auch eine höhere Anzahl zu verzeichnen. Trotzdem landen wir, auch was die Hürden anbelangt, im Saarland immer wieder auf dem letzten Platz.

Meine Damen und Herren, auch nicht ein einziger Bürgerentscheid kam im Saarland zustande! Das ist bundesweit einmalig. Ich finde, es ist höchste Zeit für Veränderungen.

(Beifall bei LINKEN und PIRATEN.)

Die Linksfraktion hat zahlreiche Anträge im Landtag eingebracht, um die Hürden für mehr direkte Demokratie zu senken und um die Bürgerinnen und Bürger stärker an diesen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Diese wurden aber von der jeweils herrschenden Mehrheit im Landtag abgelehnt. Meine Damen und Herren, es wird so viel von Politikverdrossenheit und von sinkender Wahlbeteiligung gesprochen - das sind doch auch Ergebnisse vollkommen ungenügender Einflussmöglichkeiten auf politischer Ebene! Wenn man die Bevölkerung von mehr Mitbestimmung durch hohe Hürden und verstaubte Quoren ausschließt, wenn man sie durch viele Themenverbote, beispielsweise bei Bauleitplänen, ausschließt, dann braucht das doch niemanden zu wundern!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist exakt zwei Monate her, da wurde im Thüringer Landtag von den Fraktionen von SPD, der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Gesetz über das Verfahren beim Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid beschlossen, welches bundesweit einmalig ist. So ist es in Thüringen im Zuge von Bürgerbegehren möglich, über die Beteiligung von Gemeinden an Unternehmen zu entscheiden oder man höre und staune - auch die Abwahl eines Bürgermeisters zu beantragen. Versuchen Sie das mal im Saarland! Ich erinnere an den Fall Schiffweiler. Versuchen Sie es mal!

Auch Bürgerbegehren in einzelnen Ortsteilen oder auf Kreisebene werden durch das Gesetz in Thürin

gen ermöglicht. Mit einem Einwohnerantrag können Bürger ein Thema auf die Tagesordnung von Gemeinderat oder Kreisrat setzen. Damit der Rat sich damit befasst, muss in Thüringen mindestens 1 Prozent der Gemeinde dafür unterschreiben. Beim Thüringer Einwohnerantrag gibt es auch überhaupt keine Themenbegrenzung oder Fristen, und die Initiative kann ohne Antragstellung an die Verwaltung durch Unterschriftensammlung gleich beginnen. Auch beim Bürgerbegehren gibt es einen gravierenden Unterschied: In Thüringen sind dafür Unterschriften von 7 Prozent der Bürgerinnen und Bürger nötig, im Saarland mehr als das Doppelte, nämlich 15 Prozent, wobei es noch die abweichende Regelung gibt - das muss man fairerweise dazusagen -, dass es hier auch abhängig ist von der Größe der Kommune.

Meine Damen und Herren, die Liste der direktdemokratischen Elemente für die Thüringer Bevölkerung ist lang. In diesen Genuss sollten auch die Saarländerinnen und Saarländer endlich kommen dürfen. Für eine funktionierende Demokratie sollte die Beteiligung der saarländischen Einwohner an Angelegenheiten, die ihren unmittelbaren Alltag betreffen, doch bitteschön eine unerlässliche Voraussetzung sein. Ich habe mir noch einmal den Koalitionsvertrag angesehen und möchte daraus zitieren: „Die direktdemokratische Teilhabe an politischen Prozessen muss verbessert werden. Beim bundesweiten Ranking ist das Saarland hier eines der Schlusslichter.“ Und weiter unten heißt es: „Mehr Teilhabe wollen wir auch über e-Demokratie fördern.“ Geht doch! Genau das ist es doch, was wir alle wollen! Lassen Sie uns das gemeinsam angehen. Unterstützen Sie daher unseren Antrag!

(Beifall von den Oppositionsfraktionen. - Abg. La- fontaine (DIE LINKE) : Du bist wahrscheinlich die Einzige, die den Koalitionsvertrag gelesen hat. Sprechen und Heiterkeit. - Zuruf: Ich muss ihn auch mal lesen. - Ministerin Rehlinger: Jetzt brauchst du ihn auch nicht mehr zu lesen! - Weiterer Zuruf: Der ist abgearbeitet.)

Dem Antrag der GRÜNEN werden wir ebenfalls zustimmen, denn er ist unserem ja sehr ähnlich. Er beinhaltet zusätzlich die Möglichkeit der Briefwahl oder die Möglichkeit einer Stimmabgabe im OnlineVerfahren. Auch das sind Schritte zum Hürdenabbau. Daher bitte ich hier um Zustimmung für beide Anträge.

(Beifall von der LINKEN und B 90/GRÜNE.)

Zur Begründung des Antrags der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus Kessler das Wort.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) )

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir haben heute einen Antrag gestellt, der zum Ziel hat, die direkte Demokratie insbesondere in den Kommunen zu stärken. Wir wollen damit unseren Bürgerinnen und Bürgern vom Grundsatz her mehr Mitspracherechte eröffnen, zu diesem Zweck auch die formellen Hürden zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden absenken. Insofern ist die Zielrichtung unseres heutigen Antrages exakt die gleiche wie die des LINKEN-Antrages. Um es vorweg zu sagen: Diesem LINKEN-Antrag stimmen wir deswegen auch zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Zeit der zunehmenden Politikverdrossenheit, aber auch der Radikalisierung an den gesellschaftlichen Rändern, und angesichts einer Zunahme von Extremismus und Gewalt ist es uns wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern mehr direktdemokratische Möglichkeiten der politischen Einflussnahme zu geben. Unsere Demokratie lebt von Akzeptanz und Beteiligung. Wir kommen, die Entwicklung betrachtend, zur Auffassung, dass beides im Schwinden begriffen ist. Deshalb dürfen wir uns in unserer Demokratie nicht darauf reduzieren, dass die Bürgerinnen und Bürger alle paar Jahre einmal ein Kreuzchen auf einem Zettel machen.

Im Grundgesetz, in Artikel 20, heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Das umfasst nicht nur die direkte, sondern auch die indirekte Demokratie, also die Volksvertretungen, die Parlamente. Wir wollen nun die direkte Demokratie stärken. In dieser Passage des Grundgesetzartikels heißt es ja auch: Sie - die Staatsgewalt - wird vom Volke in Wahlen und in Abstimmungen ausgeübt. - Wir sind der Meinung, diesem zweiten Gedanken der Abstimmungen durch die Bürgerinnen und Bürger sollten wir auf allen staatlichen Ebenen in Zukunft stärker Rechnung tragen. Dies gilt insbesondere für die kommunale Ebene, denn gerade auf kommunaler Ebene, im unmittelbaren Umfeld der Bürgerinnen und Bürger, ist es wichtig, mehr Abstimmungsmöglichkeiten im Rahmen einer stärkeren direkten Beteiligung der Betroffenen zu schaffen.

Diese Beteiligung, auch das wollen wir mit unserem Antrag erreichen, darf nicht durch unnötige formelle Hürden erschwert werden. Schauen wir uns die derzeitige Rechtslage an. Sie ist durchaus differenziert, um es aber auf einen einfachen Nenner zu bringen: Für ein Bürgerbegehren müssen grundsätzlich 15 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unterzeichnen, damit die Fragestellung überhaupt zugelassen wird. Hinzu kommen formelle Anforderungen an den Bürgerentscheid, mit dem über das Anliegen selbst entschieden werden kann.

In anderen Bundesländern sind die Unterschriftenquoren deutlich niedriger als im Saarland angesetzt. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel genügen die Unterschriften von 5 bis 9 Prozent der Einwohner, abhängig von der Einwohnerzahl einer Gemeinde. In Thüringen sind 6 bis 7 Prozent als Quorum ausreichend, je nachdem, ob die Unterschriften in einer freien Sammlung oder per Amtseintrag getätigt werden. Das Saarland bildet, Kollegin Huonker hat schon darauf hingewiesen, mit seinen unnötig hohen Anforderungen an Bürgerbegehren in dieser Hinsicht das traurige Schlusslicht. Das gilt sowohl für die Landesebene als auch für die kommunale Ebene, um die es uns heute in erster Linie geht.

Aktuell hat die Initiative „Mehr Demokratie“ in einer Presseinformation am 16. November anlässlich der Vorstellung einer Studie noch einmal darauf hingewiesen, dass das Saarland in dieser Hinsicht die Note „mangelhaft“ erhalte. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann doch nicht so bleiben! Dies wollen wir ändern. Und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, haben ja selbst im Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebracht, dass Sie diese Platzierung deutlich verbessern wollten. Es hat sich aber in dieser Hinsicht nichts getan.

Auch die Art der Unterschriftensammlung ist eine wesentliche Hürde. Es gibt nicht nur die 15 ProzentHürde, vielmehr ist im Kommunalwahlgesetz auch geregelt, dass die Unterstützung eines Vorhabens durch Unterschrift auf einem sogenannten Unterstützungsblatt zu erfolgen hat. Dieses Unterstützungsblatt muss die entscheidende Frage, eine Begründung und einen Vorschlag zur Deckung der Kosten der begehrten Maßnahme enthalten. Wir sind der Auffassung, dass das eine weitere Hürde ist, die der direktdemokratischen Beteiligung entgegensteht. Wir setzen uns dafür ein, dass es auch eine einfachere Möglichkeit der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger per Unterschrift geben muss.

Warum sollte nicht auch eine Form zugelassen werden, wie sie auch bei Wahlen üblich ist? Ich denke an die Stimmabgabe per Brief. Oder warum sollte es nicht möglich sein, die Stimmabgabe online vorzunehmen? Alle reden ja gerne vom digitalen Zeitalter. In diese Richtung geht, meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Antrag. Wir wollen die direkte politische Meinungsbildung und Mitbestimmung nicht nur auf der Straße oder im Rathaus stattfinden lassen, sie muss vielmehr auch von zuhause aus möglich sein, sie muss auch älteren Menschen möglich sein. Diese Hürde abzuschaffen, das wäre auch ein Beitrag zu mehr Barrierefreiheit. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Ruth Meyer von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag, die Hürden für Einwohneranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf kommunaler Eben abzusenken, wollen uns die LINKE- und die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion zu mehr Partizipation auf kommunaler Ebene ermuntern.

Mehr Partizipation gerade dort, wo es um Daseinsvorsorge geht, wo es um die täglichen, die existenziellen Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger geht - hinter diesem Ziel können wir uns alle ganz sicher versammeln. Diesbezüglich muss jeder Parlamentarier, muss jeder Mandatsträger offen sein für gute Vorschläge. Das bin, das möchte ich ausdrücklich sagen, in dieser Frage auch ich.

(Vizepräsidentin Spaniol übernimmt die Sitzungs- leitung.)

Auffällig häufig und geradezu regelmäßig wird allerdings die Forderung nach geringeren Quoren, begründet durch das Ziel, mehr direkte Demokratie erreichen zu wollen, von solchen Parteien vorgetragen, die es selten schaffen, mit ihren Programmen und mit ihren Personen nachhaltig zu überzeugen und somit auch in kommunalen Gremien mitzuwirken.

Die LINKE nennt uns hier zudem das Land Thüringen als Vorbild. Man kann sich trefflich fragen, warum nun genau dieses Bundesland als Vorbild taugen soll. In diesem Land ist weniger als 1 Prozent der Bevölkerung in einer Partei organisiert. Im Saarland sind es immerhin 4 Prozent.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Früher hat hier allein die SPD 4 Prozent gehabt. - Sprechen.)

Das zeigt, so meine ich, doch deutliche Unterschiede zwischen den beiden Ländern hinsichtlich des Gesichtspunktes, wie Bürgerinnen und Bürger und wie gesellschaftliche Gruppen ihre Interessen organisieren und wodurch sie ihre Interessen repräsentiert sehen. Deshalb sollte man sich schon genauer anschauen, was man sich zum Vorbild nimmt.

(Beifall bei der CDU.)

Man muss deshalb fragen: Ist das, was Sie uns hier unter dem Titel „Mehr Demokratie in saarländischen Kommunen“ vorschlagen, tatsächlich das, was der Titel suggeriert, oder ist es doch eher der Versuch, Partikularinteressen, die sich im demokratischen Wettbewerb nur schwer repräsentativ durchsetzen können, auf dem Umweg der direkten Demokratie

Geltung zu verschaffen? Sie haben ja eben selbst die Radikalisierungstendenzen in der Gesellschaft angesprochen. Gerade vor dem Hintergrund wachsender extremistischer Strömungen in unserer Gesellschaft müssen wir doch sehr vorsichtig sein, ob wir nicht durch zu niedrige Hürden solchen Vorschlägen Realisierungsmöglichkeiten verschaffen und damit undemokratische Ideen, Ideen, die Sie gewiss auch nicht mittragen können, schnell zu Fakten werden lassen. Wo mehr Demokratie draufsteht, muss also nicht mehr Demokratie drin sein.

Ich möchte diesen Aspekt auch anhand Ihrer einzelnen Vorschläge hinterfragen. Sie führen ja an, das Saarland habe laut Bürgerbegehrensbericht 2016 neben Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern bundesweit die restriktivsten Regelungen zu diesem Thema. Zunächst darf ich einmal daran erinnern, dass es jedem föderalen Staat obliegt, für sich die Regelungen zu treffen, die er für richtig hält. Ich denke, so viel Selbstbewusstsein muss sein. Wir können da eigenständige Regelungen erlassen, und hinter diesen Regelungen stehen wir auch.

Aus der vergleichenden Betrachtung dieser Regelungen mag dann auch ein Ranking resultieren. Ich weiß gar nicht, ob man heute noch Rankings machen darf. Notenspiegel geht ja nicht mehr. Ein Ranking bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Länder auf den sogenannten letzten Plätzen gleichzeitig auch die schlechtesten Regelungen haben. So wird auch auf Seite 2 des von Ihnen zitierten Berichts erläutert, dass die Gründe für ein Nicht-Zustandekommen von Bürgerbegehren ja vielfältig sind. Neben dem monierten hohen Unterschriftenquorum und neben dem Ausschluss bestimmter Themen - im Übrigen: dass das öffentliche Dienstrecht und die Budgethoheit des Rates ausgenommen sind, ist ja durchaus sachlich begründet - gibt es auch viele weitere Faktoren. Es ist nicht nur das Quorum, es ist nicht nur der Themenausschluss, der ein Bürgerbegehren nicht zum Tragen kommen lässt. Auch fehlende Erfahrung und mangelhafte Sorgfalt der Initiatoren,

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Das ist doch in den anderen Ländern genauso. Das ist doch kein Grund!)

fehlende Beratung durch die jeweiligen Kommunalverwaltungen, eine restriktive Rechtsprechung und vieles mehr wird dort genannt.

Schon von daher können wir nicht monokausal Ländern mit besonders niedrigen Quoren unterstellen -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Man merkt sofort, Sie haben mit Bürgerbegehren in der Praxis noch nie was zu tun gehabt.)

Wissen Sie, Herr Ulrich, für welches Begehren ich mir die niedrigste Hürde wünschen würde? Das sage ich jetzt nicht.

Also Länder mit besonders niedrigen Quoren können nicht pauschal als diejenigen mit den demokratischsten Regelungen angesehen werden. Maßgebliches Indiz für eine funktionierende direkte Beteiligung wäre dann schon eher das tatsächliche Zustandekommen einer Entscheidung. Aber wie dabei die demokratische Beteiligung ist, kann man gleich an einzelnen Beispielen verdeutlichen.

Jedenfalls sind wir damit bei der Frage: Was macht denn eine demokratisch legitimierte Entscheidung aus? Für fragwürdig halte ich die Prämisse, dass direktdemokratische Entscheidungen per se demokratischer seien als die repräsentative Mitwirkung über kommunale Vertretungsorgane. Ich mache mal ein Beispiel. Wenn in einer Kommune mit 20.000 Wahlberechtigten mit einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent der Rat neu gewählt wird, dann hat dieser Rat eine Legitimation, das Vertrauen von 12.000 Bürgerinnen und Bürgern, für die nächsten fünf Jahre die Politik in dieser Kommune zu gestalten, die wesentlichen kommunalen Themen zu setzen, zu beraten und darüber zu entscheiden. Dies gelingt regelmäßig mit einfacher Mehrheit, also mit 6.000 Personen. In der gleichen Kommune reichen im Saarland bereits jetzt 2.000 Bürgerinnen und Bürger aus, um per Bürgerbegehren ein Thema zu setzen, und 6.000, also genauso viel wie im Rat mehrheitlich repräsentiert sind, um in einem Bürgerentscheid einen bestimmten Beschluss zu fassen, der den Gemeinderat dann bindet. Das erscheint mir überaus praktikabel, nachvollziehbar und es ist verhältnismäßig.