Protokoll der Sitzung vom 18.01.2017

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben einen umfassenden Katalog von Projekten vorgetragen bekommen, die so zahlreich sind, dass man in dieser Aussprache nicht alle ansprechen kann. Ich will mich daher auf wenige Punkte beschränken. Zunächst aber zum grundsätzlichen Ziel der Nachhaltigkeit. Ich habe eine Frage dazu. Hier wird gesagt, „Ziel ist es, die Lebenschancen künftiger Generationen im Saarland zu mehren...“ Das versteht jeder. Es heißt aber weiter: …, „ohne die soziale, ökologische und ökonomische Entwicklungsfähigkeit anderer Menschen zu verringern, und hier beispielhafte Ansätze zu entwickeln“. Ich hätte gerne gewusst, was damit gemeint ist. Ich habe es schlicht und einfach nicht verstanden. Das ist keine Ironie. Vielleicht kann irgendjemand das erläutern.

Ich will mich auf drei Punkte beschränken, einmal auf das Thema Flucht und Migration, zum Zweiten auf das Thema finanzielle Nachhaltigkeit und drittens auf das Thema energiepolitische Nachhaltigkeit. Ich finde es richtig, dass das Thema Flucht und Migration angesprochen wurde, allerdings fehlt mir, nachdem auf anderen Feldern die globalen Entwicklungen angesprochen wurden, ein Ansatz, wie man Flucht und Migration nachhaltig bekämpfen kann.

Ich glaube, dass drei Themen, auch wenn diese nicht im Vordergrund der Landespolitik stehen, nicht ausgeklammert werden können. Ich will das nur erwähnen. Das sind einmal die Folgen, die kriegerische Auseinandersetzungen für Flucht und Migration haben. Ich möchte unseren Standpunkt darlegen. Wir sind der Auffassung, dass die Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte, die seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten in der Welt geführt werden, eine der Hauptursachen für Migration und Flucht sind.

Des Weiteren sind wir der Auffassung, dass Waffenlieferungen in alle Gebiete der Welt, insbesondere in Kriegs- und Spannungsgebiete ebenfalls eine Ursache sind. Dies ist ein nationales Thema und zumindest im Rahmen des Bundesrates kann sich eine

(Minister Jost)

Landesregierung dazu auch äußern. Wir sind der Auffassung, dass diese Waffenlieferungen unterbleiben sollten, wenn wir einen Ansatz finden wollen, um Flucht und Migration weiter zurückzuführen.

Der dritte und wichtigste Punkt ist die Art unseres Wirtschaftens. Das ist mittlerweile weltweit unumstritten, es wird jedoch noch immer das Gegenteil getan. Unumstritten ist, dass wir die ökonomischen und sozialen Entwicklungschancen der Länder, aus denen die Flüchtenden kommen, verbessern müssen. Wenn wir das tun wollen, dürfen wir diesen Ländern keine Handelsverträge aufzwingen, die die ökonomische Entwicklung der einheimischen Wirtschaft unterbinden. Das ist musterhaft in Afrika über viele Jahrzehnte durchgeführt worden. Hier steht die Europäische Gemeinschaft in der Pflicht. Ohne einen fairen Handel wird es nicht gelingen, bei Flucht und Migration eine Veränderung in der Welt herbeizuführen. Es ist auch aufgrund der jüngeren Entwicklungen vielmehr zu befürchten, dass die Ursachen im Hinblick auf die ökonomischen Fehlentwicklungen eher noch stärker werden. Deshalb wollte ich diese drei Punkte noch einmal erwähnen. Wenn man über Flucht und Migration redet, kann man die Kriege um Rohstoff- und Absatzmärkte, die Waffenlieferungen und die unfairen Handelsbedingungen gegenüber der Dritten Welt aus der Betrachtung nicht ausklammern.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das zweite Thema ist die finanzielle Nachhaltigkeit. Ich kann es relativ kurz machen. Hier gibt es einen Streitpunkt - man kann ihn global nennen -, der zwischen konservativen und fortschrittlicheren Parteien besteht, wie auch immer man das bewerten will. Dieser Streitpunkt ist verbunden mit dem Thema Schuldenbremse. Dass dieses Thema auch hier im Landtag eine Rolle gespielt hat, kann ich dadurch belegen, dass Justizminister Maas, als er hier noch die SPD-Fraktion führte, den Satz geprägt hat, dass die Schuldenbremse auch eine Investitionsbremse ist. Ich bin der Auffassung, dass das richtig ist. Schauen Sie sich einmal an, nicht nur im Saarland, sondern auch in Deutschland und darüber hinaus, wie sich die Investitionen in den letzten Jahren entwickelt haben. Die Politik, die dahinter steht - wir nennen sie die neoliberale Glaubenslehre -, ist Ursache dafür, dass die Investitionen weltweit, aber auch regional deutlich zurückgegangen sind. Dies betrifft nicht nur Investitionen etwa in neue Betriebe oder in die Infrastruktur, sondern auch Investitionen in die Forschung. Man muss sich nur einmal die internationalen Statistiken vor Augen führen, wobei sich die Länder und Regionen natürlich unterschiedlich positionieren.

Die Frage ist also, ob Investitionen zur Nachhaltigkeit gehören. Man könnte bei einer oberflächlichen Betrachtung sagen, Investitionen gehören nicht zur

Nachhaltigkeit, denn sie verbrauchen Energie und Ressourcen und so weiter. Ich glaube aber, die Mehrheit in diesem Hause wird sich dieser Gedankenführung nicht anschließen. Wir sind wohl alle überzeugt, dass Investitionen in die Infrastruktur und in die Forschung und Entwicklung dringend geboten sind, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen und zu stabilisieren. Da ist der Rückgang der Investitionen, der weltweit, aber in Europa im Besonderen zu beobachten ist, eine Fehlentwicklung. Deshalb sind wir der Auffassung, dass die Schuldenbremse, auf die sich der Minister ausdrücklich bezogen hat, eine falsche Festlegung ist. Wir halten daran fest: Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse und daher, wenn man so will, in diesem Kontext auch eine Bremse der Nachhaltigkeit.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Der dritte Punkt ist eine nachhaltige Energieentwicklung. Eine nachhaltige Entwicklung des Energieverbrauchs ist in diesem Hause unstreitig. Streit besteht nur darüber, wie es zu handhaben ist. Sie wissen, der Schwerpunkt, für den ich seit Jahrzehnten eintrete, ist die Reduzierung der Energieumwandlung. Man braucht das nicht großartig zu begründen, denn es ist völlig klar, dass dies die eleganteste, ressourcenschonendste und beste Form der Nachhaltigkeit ist. Deshalb ist die Frage die der Mittelverwendung. Wenn wir die vielen Milliarden, die wir auf dem Felde der Umstellung unserer Energieversorgung ausgeben, schwerpunktmäßig in der Energieeinsparung einsetzen würden, dann würde - so ist unsere Auffassung, wozu es auch Rechnungsbeispiele gibt der so genannte CO2-Minderungseffekt größer werden, als er derzeit ist. Deshalb halten wir es für richtig, die vielen Milliarden, die vom Stromverbraucher aufgewandt werden, schwerpunktmäßig in die Energieeinsparung zu investieren. Wir glauben nach wie vor, dass dies die beste Form der CO2-Minderung weltweit ist. Deshalb treten wir dafür ein.

(Beifall von der LINKEN.)

Natürlich gibt es auch andere technische Entwicklungen, die wir aufmerksam verfolgen müssen. Umstritten ist die jetzige Form der Erzeugung alternativer Energien. Dass man nach alternativen Energien suchen muss, die langfristig und tragfähig sind, ist ebenfalls kein Streit. Dabei müssen wir auch die soziale Frage im Auge haben. Sie gehört ebenfalls zur Nachhaltigkeit. Sie ist mir in diesem Kontext viel zu wenig beachtet worden. Die soziale Frage etwa bei der Strompreisentwicklung ist für uns ganz wichtig. Ich will nur eine Zahl nennen: Wir haben seit dem Jahr 2000 eine Verdopplung der Strompreise. Nun sage ich, jemanden, der in den Einkommenssphären von Abgeordnetenbezügen lebt, betrifft das nicht besonders stark. Ich will niemandem zu nahe treten, ich kann es aber zumindest für mich sagen. Die sogenannten kleinen Leute jedoch, die am Ende des

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Monats ganz knapp sind, sind durch diese Entwicklung in Schwierigkeiten gekommen. Deshalb haben wir diesen Zuwachs an Stromsperren. Das ist ein echtes, ein soziales Problem. Anders ausgedrückt: Wir müssen diesen Weg gehen, wir dürfen dabei aber nicht die soziale Balance verlieren.

Das war nicht nur ein Thema beim Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern schon beim Ökostrom. Ich habe die Novelle damals noch in den Bundestag eingebracht, aber diese Novelle hatte eben eine gewisse Schieflage, weil sie alle in gleicher Form betroffen hat. Wir haben das intensiv diskutiert und darauf hingewiesen, dass ein solcher Weg, über die Preissteuerung einen geringeren Verbrauch zu erreichen, nur dann funktionieren kann, wenn in gleichem Atemzug die Löhne und sozialen Leistungen ansteigen, auch die Renten. Wenn man nämlich auf der einen Seite einen Rückgang der Löhne, sozialen Leistungen und Renten hat - und das haben wir relativ seit Jahren, zumindest in weiten Sektoren -, auf der anderen Seite aber eine Preissteuerung über die Energie betreibt, Verdoppelung der Strompreise seit 2000, dann ist das ein Irrweg. Beim Thema Nachhaltigkeit muss immer auch die soziale Frage gesehen werden.

(Beifall bei der LINKEN.)

So ist der erste Teil des Ziels, das ich genannt habe, mit zu verstehen.

Der entscheidende Punkt ist, ob die jetzige Form der Darstellung der erneuerbaren Energien neben anderen Formen - Verkehrsbereich, Heizungsbereich und so weiter - der richtige Weg ist. Ich werde heute niemanden von Ihnen überzeugen, aber ich möchte noch einmal darstellen, dass wir gerade im letzten Dezember in einer Situation gewesen sind, in der sich ganz erheblich die Frage gestellt hat, ob der jetzige Weg der richtige ist.

Wir hatten am 12. und 14. Dezember folgende Situation, ich will beispielhaft nur einen Tag nennen: Wir hatten einen Verbrauch von rund 70 Gigawatt Strom, davon kamen 0,7 Gigawatt von der Sonne, 1 Gigawatt vom Wind auf Land, 0,4 Gigawatt vom Wind auf See. Das heißt, nur 2 Gigawatt kamen an diesem Tag von erneuerbaren Energien, weil wir ein dichtes Wolkenfeld hatten und eine ziemliche Windstille herrschte. Hier sehen Sie überdeutlich, dass, wenn es nicht gelingt, Speicher aufzubauen, dies ein großer Irrweg ist. Ich muss das in aller Klarheit sagen. Wir brauchen an diesen Tagen den gesamten Kraftwerkspark, um die Stromversorgung sicherzustellen.

Das ist der Grund, warum wir mit vielen anderen der Auffassung sind: Wenn wir schon investieren, brauchen wir Investitionen in Speichertechnologien und in andere Netze. Ich sehe, dass der sehr engagierte Vorsitzende der GRÜNEN-Fraktion hier eine Frage

hat. Selbstverständlich wollen wir die Argumente austauschen, bitte schön.

(Der Redner dreht sich zum Präsidenten um.)

Ich wollte die Worterteilung abkürzen, Herr Präsident, Entschuldigung.

(Heiterkeit bei der LINKEN.)

Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Ich habe zur Kenntnis genommen: Oskar Lafontaine hat die Macht im Parlament übernommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN.)

Herr Fraktionsvorsitzender, Sie ziehen wieder einmal gegen die erneuerbaren Energien zu Felde mit den altbekannten Argumenten. Deshalb von meiner Seite die konkrete Frage: Was ist denn Ihre Alternative zu den erneuerbaren Energien? Dass es die Atomkraft nicht ist, da sind wir uns einig. Was bleibt denn dann? Es bleibt nur die Kohle. Ist die Kohle Ihre Alternative für die Energiepolitik der Zukunft in diesem Lande? Das ist meine Frage.

Ich bin der Auffassung, dass natürlich längerfristig dekarbonisiert werden muss, wie es so schön heißt. Ich bedauere aber, dass Sie mir nicht zugehört haben -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Ich habe sehr wohl zugehört.)

Dann bedauere ich, dass Sie meine Argumente nicht aufgegriffen haben, Herr Kollege Ulrich. Ich habe die große Bedeutung der Energieeinsparung für die CO2-Minderung genannt und habe bewusst die beiden Alternativen gegenübergestellt.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Die Einsparung erzeugt aber keine Energie. Die Industrie und wir alle brauchen Energie! Das wissen Sie.)

Es geht nicht um Energieerzeugung, das wäre eine ganz falsche Zielsetzung, Herr Kollege Ulrich. Wir waren uns in den Umweltdiskussionen der letzten Jahrzehnte vielmehr einig, dass es um eine Verminderung der Energieumwandlung geht. Das ist das Ziel der Umweltpolitik. Die Verminderung der Energieumwandlung kann man auf verschiedenen Wegen erreichen, aber der wichtigste Weg ist natürlich die Energieeinsparung. Das darüber liegende Ziel ist die Verminderung des CO2-Ausstoßes. Es wäre also gut, wenn wir zwischen den Fraktionen einen Konsens hätten, dass die Verminderung des CO2-Ausstoßes auf zwei Wegen erreicht werden kann, zum einen indem weniger verbrannt wird, zum anderen indem schlicht und einfach weniger Energie umgewandelt wird. Wenn wir so weit kommen würden, wäre das schon mal gut.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir sollten die Ansätze der anderen nicht einfach ignorieren, sonst gibt es keine Diskussion. Meine Frage war, ob wir die rund 25 Milliarden, die wir aufwenden, um den jetzigen Weg der alternativen Energiedarstellung zu finanzieren, nicht anderweitig investieren sollten - es gibt dazu Studien -, etwa in moderne Heizungsanlagen, in Wärmedämmung, Verminderung des Benzinverbrauches etc. Man kann doch darüber diskutieren, ob es einen größeren Effekt hätte, wenn wir sie dort investieren würden! Da muss man doch nicht dem jeweils anderen völlig die Kompetenz absprechen. Ich bin der Meinung, dass dieser Weg der bessere wäre, Sie haben eine andere Auffassung, lassen wir es doch dabei bewenden.

Es wird ja auch in den Dörfern immer wieder argumentiert - und das greifen viele Kommunalpolitiker auf -, wenn wir die Kernenergie nicht haben wollen, müssen wir halt diese Mühlen hinstellen. Wenn dieser Schluss richtig wäre, müsste man sich mit dem auseinandersetzen. Er ist aber eklatant falsch, deshalb habe ich die Zahlen hier noch einmal genannt.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Sie haben die Alternative nicht genannt. Das war ja meine Frage: Was ist die Alternative?)

Ich bitte darum, jetzt keinen Dialog zu führen. Die Frage ist gestellt worden. Der Fraktionsvorsitzende Oskar Lafontaine hat geantwortet.

Ich sage es noch einmal: Ich habe als Alternative zur temporären Darstellung von Strom mit Wind und Sonne - ich sage bewusst temporär -, um CO2 zu reduzieren, die Energieeinsparung genannt, die über den ganzen Sektor reicht. Sie mögen das für richtig halten oder falsch. Ich habe Ihnen auch noch die finanziellen Zahlen genannt. Lassen wir es dabei.

Ich komme jetzt zur Windenergie und sehe mal die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion an. Ich weiß, dass einige von Ihnen so denken wie ich! Ich ermutige Sie, in Ihrer eigenen Partei für Klarheit zu sorgen, auch Sie, Frau Ministerpräsidentin. Die CDU sagt Nein zu Windrädern, so stand es gerade gestern in der Saarbrücker Zeitung. Da werden also Argumente vorgetragen, und da könnten wir uns doch wenigstens - dafür werbe ich immer wieder auf ein Ziel einigen, das zwischen den einzelnen Positionen liegt. Der Umweltminister hat hier die Bedeutung des Waldes hervorgehoben. Es bleibt für mich schlicht und einfach ein Fehler, dass wir größere Flächen des saarländischen Waldes in Anspruch nehmen, um Windräder zu errichten.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE). Sprechen.)

Man muss doch einmal überlegen, warum andere Länder das anders handhaben. Es ist doch nicht so, als wäre die Weisheit nur an der Saar angesiedelt! Wir müssen - das ist auch die Methode der Landespolitik - immer auch über die Grenze schauen und sehen, was in anderen Ländern passiert. Da der Umweltminister gerne zu populären Formulierungen neigt - ich weiß gar nicht, von wem er das abgekuckt hat -,

(Verbreitet Heiterkeit bei den Oppositionsfraktio- nen. - Minister Jost: Dieses Lob trifft mich in keinster Weise)

möchte ich dazu nur sagen: Wir sollten nicht dümmer sein als die Pfälzer.

(Große Heiterkeit und Zurufe.)

Wenn die Pfälzer ihren Wald schonen, sollten wir darüber nachdenken, ob das nicht vielleicht richtig ist.

(Vereinzelt Beifall bei der LINKEN. - Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Wenn man dann auch noch sieht, dass die Siedlungsdichte in der Pfalz nicht so hoch ist wie im Saarland, könnte man doch auf die Idee kommen, dass der Wald als Naherholungsgebiet für unsere Bevölkerung vielleicht noch eine wichtigere Funktion hat als für die Pfälzer.