Protocol of the Session on February 15, 2017

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was mich an Ihrem Gesetzentwurf einmal mehr stört - abgesehen davon, dass er rechtssystematisch grober Unfug ist -, ist, dass Sie viel von Überwachung und von Verlust von Grundrechten sprechen. Aber an keiner Stelle sprechen Sie über Verbrechensbekämpfung oder Opferschutz. Das findet bei Ihnen in diesem Plenum überhaupt nicht statt. Viel Freiheit, null Sicherheit - das ist Ihr Credo.

(Zuruf.)

Ihre Anträge kommen einmal mehr nur auf einem Bein daher. Das passt leider zu anderem, was in diesem Hause von Ihnen kam, und zu Ihrem mitunter verqueren Verhältnis zu den Sicherheitsbehörden dieses Landes, wo Sie nur Überwachung und Überwachungsdruck sehen. Ich bin froh, dass viele Menschen in diesem Land in den Sicherheitsbehörden bei Polizei und Verfassungsschutz ihre schwere Arbeit für uns alle tun. Dafür sollten wir ihnen in erster Linie danken.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sie schreiben zu Ihrem Antrag auf ihrer Homepage: Der Überwachungsdruck auf die Bevölkerung steigt immer weiter an. Die Geschichte lehrt uns, was technisch möglich ist, wird früher oder später umgesetzt.

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Widerlegen Sie das einmal.)

Was Sie dabei völlig ausblenden, sind veränderte hochkomplexe Sicherheitslagen und der technische Fortschritt, den sich gerade auch Verbrecher zunutze machen. Und Sie blenden auch die Rolle des Opferschutzes in unserer modernen Gesellschaft völlig aus. Wer sich permanent so geriert, als ginge die erhebliche Bedrohung in dieser Gesellschaft von den Beamten in den Ermittlungsbehörden aus und von unseren Polizisten und Polizistinnen, die ihre Aufgaben zum Schutze des Rechtsstaates erfüllen und nach rechtsstaatlichen Vorgaben handeln, anstatt von kriminellen Verbrechern und Terroristen, die die Sicherheit und die Freiheit bedrohen, der hat eine verquere Sicht auf unseren demokratisch legitimierten und von Gewaltenteilung geprägten Rechtsstaat und unsere Sicherheitsbehörden. Auch Sie sollten verstehen, dass es bei den beschriebenen Ermittlungsmaßnahmen im Rechtsstaat und unter den Bedingungen des Rechtsstaates es eben nicht - wie Sie sagen - um immer ausgefeiltere Methoden der Überwachung geht, sondern um effiziente ermittlungstaktische Maßnahmen, die der Verbrechensbekämpfung und dem Opferschutz dienen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wer sich unter den Bedingungen des Rechtsstaates damit so schwertut, der hat nicht verstanden, dass Freiheit ohne Sicherheit nicht dauerhaft gewährleistet werden kann.

Wir leben gerne in der demokratischen offenen Gesellschaft, müssen sie aber täglich wertschätzen und uns dafür einsetzen. Wir wollen in Frieden und Freiheit leben in einer offenen und toleranten Gesellschaft. Das erfordert die wehrhafte Demokratie. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, sie haben ein Grundrecht auf Sicherheit in Freiheit. Das ist unser Credo und das unterscheidet uns von Ihnen.

Ja, die Maßnahmen bedingen auch Grundrechtseingriffe. Sie sind innerhalb rechtsstaatlicher Grundsätze aber gut für unsere Demokratie und für den Zusammenhalt unserer offenen Gesellschaft. Solange dies so wie zuvor beschrieben der Fall ist, sehe ich aus grundsätzlichen Erwägungen und nicht nur, weil der Gesetzentwurf rechtssystematischer Unfug ist, keinen Anlass zum Handeln im Sinne Ihres Gesetzentwurfes. Denn die parlamentarische Kontrolle ist weiter gegeben, es gibt eine Berichtspflicht gegenüber dem Parlament.

Die Kontrolle wurde in dieser 15. Legislaturperiode ausgeübt, auch dank Ihrer stetigen Bemühungen, das erkenne ich an. Dass Sie dies immer wieder ins Bewusstsein des Parlaments gerückt haben, ist nach meinem Dafürhalten durchaus ein Verdienst von Ihnen. Auch deswegen wird die parlamentari

(Abg. Gläser (CDU) )

sche Kontrolle auch in der nächsten, der 16. Legislaturperiode, weiter stattfinden. Sie und ich werden dem Parlament dann nicht mehr angehören, aber die Arbeit wird auch ohne uns weitergehen. Ich bin überzeugt davon, dass die Kollegen, die dem Parlament weiter angehören werden, die beiden widerstreitenden und in Korrespondenz zueinander stehenden Grundrechte Freiheit und Sicherheit in eine ebenso ausgewogene Balance bringen werden, wie dies bisher der Fall ist. Die CDU-Landtagsfraktion wird Ihren Gesetzentwurf ablehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe -

(Abg. Hilberer (PIRATEN) : Spricht die SPD denn heute nicht mehr? - Zuruf des Abgeordneten Neyses (B 90/GRÜNE).)

Das kostet eine Runde. - Das Wort hat Michael Neyses von der Fraktion B 90/GRÜNE.

Ich wundere mich doch etwas, dass die SPD heute zu diesem wichtigen Thema keine Wortmeldung abgegeben hat. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! IMSI-Catcher, sogenannte Stille SMS und Funkzellenabfragen - die Vorredner haben es bereits angesprochen und erklärt, worum es geht. Die Strafverfolgungsbehörden haben dadurch im Rahmen von Ermittlungen die Möglichkeit, Mobilfunkdaten zu erfassen, Mobilfunkgeräte von Verdächtigen zu identifizieren beziehungsweise deren Standort festzustellen.

Kollege Hilberer hat es gesagt: Das Handy ist immer dabei, die Daten sind da. Das ermöglicht schon eine gute Identifizierung. Kollege Gläser ist auf die Strafverfolgungsinteressen in schwerwiegenden Fällen eingegangen. Die Handys ermöglichen natürlich durchaus eine Identifikation der Täter beispielsweise bei Einbrüchen. Wenn immer die gleiche Handynummer an Tatorten zu sehen ist, ist es schon möglich, Täter dadurch zu finden.

Allerdings - das muss man auch sagen - sind datenschutzrechtlich solche Techniken problematisch. Denn beim Einsatz werden auch Handynummern von unbeteiligten Bürgerinnen und Bürgern erfasst, wir haben es alle gelesen, 7,5 Millionen Datensätze in einem Jahr. Ich persönlich glaube, so viele Verbrecher können wir im Saarland gar nicht haben. Durch die vielen Zugriffe wird das Recht der Bürgerinnen und Bürgern auf informationelle Selbstbestimmung tangiert.

Herr Hilberer hat hier auch zu Recht die Frage gestellt, wo man diese Verfahren braucht und wo andere Verfahren genügen. Kolleginnen und Kollegen, wir halten es ebenfalls für wichtig, dass solche Einsätze transparent und überprüfbar bleiben, und um nicht mehr geht es bei diesem Gesetzentwurf. Daher halten wir die Forderung der PIRATEN-Fraktion, eine entsprechende Berichtspflicht des Ministeriums gegenüber dem Landtag gesetzlich zu verankern, für sinnvoll. Die Vergangenheit zeigt auch, dass aus Demokratien durchaus mal Diktaturen entstehen können. Man braucht nicht unbedingt in unsere Vergangenheit zu schauen, es reicht ein Blick in die Türkei, um zu sehen, wie schnell ein Überwachungsstaat entstehen kann.

Wenn man darüber nachdenkt, wird auch das Machtmissbrauchspotenzial von Überwachungsmaßnahmen deutlich. Zum Glück leben wir hier in einer funktionierenden Demokratie, und wir müssen alles dafür tun, dass es so bleibt. Wir werden dem Gesetzentwurf daher zustimmen.

Die Große Koalition hat ja eben klargemacht, dass sie es nicht für nötig hält, eine Berichtspflicht einzuführen. Daher haben wir GRÜNE uns notiert, dass wir uns in den nächsten Jahren im Ausschuss jeweils berichten lassen. Aber, Kollege Gläser, es ist nicht das Gleiche, einen Bericht im Ausschuss zu geben oder eine generelle Berichtspflicht gegenüber dem Parlament zu haben. Ich bitte daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Zustimmung zum Gesetzentwurf der PIRATEN-Fraktion. - Vielen Dank.

(Beifall von B 90/GRÜNE und PIRATEN.)

Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der PIRATEN Michael Hilberer.

Es ist ja schon entlarvend, dass man als Gegenargument versucht, hier Formalien zu monieren. Ich telefoniere kurz und bringe Ihnen einen Juristen, der sagt, dass das so geht. Ich halte das für eine Nebelkerze.

Aber gehen wir mal auf die scheinbaren Sachargumente ein. Sie sagen, ich könnte ja bereits jetzt als Abgeordneter einen entsprechenden Bericht anfordern. Das stimmt, aber Sie sollten die Antwort auf die von mir gestellte Anfrage, die Sie zitiert haben, einmal genauer lesen, zum Beispiel die Vorbemerkung der Landesregierung: „Da der mit der Beantwortung der Anfrage verbundene Arbeitsaufwand aufseiten der Polizei vor allem aufgrund der retrograden Betrachtung sehr hoch gewesen wäre und zu einer längerfristigen starken Einschränkung des operativen Dienstbetriebs geführt hätte, wurde im Einvernehmen mit dem Fragesteller die Vereinba

(Abg. Gläser (CDU) )

rung getroffen, dass die Polizei alle Funkzellenabfragen im Zeitraum 01.09.2013 bis 31.08.2014 erhebt.“ Es wurde also vereinbart, dass von einem bestimmten Zeitpunkt ab in die Zukunft die entsprechenden Daten erhoben wurden. Das ist zugegebenermaßen nicht das, was man normalerweise bei kleinen Anfragen hat, aber ich wollte ja auch nicht die Polizei mit dieser Anfrage lahmlegen, sondern es ging mir tatsächlich darum, die Datengrundlage zu schaffen, damit dieses Parlament beurteilen kann, wie es mit Funkzellenabfragen im Saarland aussieht.

Übrigens war es dann kein besonders großer Aufwand für die Behörden, diese Daten im laufenden Betrieb aufzunehmen. Und diese Chance hätten wir auch, wenn wir es entsprechend im Gesetz verankern würden, weil man es dann eben nicht im Nachhinein betrachten muss und jemand noch mal alle Akten durchschauen muss, weil ein Abgeordneter das erfragt hat, sondern weil man von Anfang an eine Statistik führt und die dem Parlament zur Verfügung stellt. Die kann dann auch noch besser sein, was die Wirksamkeit angeht, ich hatte es in der Einbringungsrede schon kurz erwähnt. Dazu haben Sie offensichtlich nichts gesagt, denn die Wirksamkeit lässt sich natürlich nur beurteilen, wenn man so einen Fall von Anfang bis Ende verfolgt. Im Nachhinein ist das ein unglaublicher Arbeitsaufwand, aber während des laufenden Betriebs ist das gar kein Problem. Deshalb ist es auch so wichtig, dass das als Berichtspflicht im Gesetz steht. Deshalb brauchen wir diese Berichtspflicht!

(Beifall von den PIRATEN und dem Abgeordne- ten Neyses (B 90/GRÜNE).)

Dann haben Sie ein bisschen hin und her laviert, ob es eine Funkzellenabfrage gibt oder nicht. Ich glaube, im Endeffekt stand dann doch die Aussage, dass es eine gibt, was sich auch mit der Antwort der Landesregierung deckt.

Und dann packen Sie wieder die alte, konservative Lachnummer aus von wegen: Wer die Behörden kontrollieren will, der ist gegen die Polizei, der verhöhnt die Opfer. Also das ist jetzt wirklich unterste Schublade! Müssen wir das hier wirklich immer wieder diskutieren?

(Sprechen bei der CDU. - Zuruf des Abgeordne- ten Becker (CDU).)

Wir stehen genauso hinter der Polizei in diesem Land wie jede andere Fraktion auch. Wir haben immer wieder Verbesserungen für den Personalkörper der Polizei gefordert. Es gibt nur einen großen Unterschied: Wir haben nicht vergessen, dass es eine unglaublich große Errungenschaft ist, dass das Gewaltmonopol in diesem Staat bei der Polizei liegt, dass nicht jeder hier rumläuft und jedem eine runterhauen kann, wie er will, weil er das irgendwie toll fin

det oder so. Wir haben vielmehr gesagt, das Gewaltmonopol liegt beim Staat.

(Zurufe von der CDU.- Abg. Strobel (CDU) : Das braucht man nicht zu sagen. Das ist selbstverständlich.)

Aber mit dieser Ermächtigung des Staates geht natürlich auch eine große Verantwortung einher. Wir fordern nicht mehr ein, als dass wir jetzt in diesem speziellen Fall eine klare Statistik darüber erhalten, was das staatliche Handeln ist. Sie haben ja selbst festgestellt, welch gravierende Grundrechtseingriffe das sind. Da ist es wirklich nicht zu viel verlangt, darüber eine Statistik zu führen. Uns dann hinzustellen als Gegner der Ermittlungsbehörden und Freunde der Täter, das ist mir zu sehr unterste Schublade.

Noch ein Wort zum Opferschutz. Man kann halt auch Opfer staatlicher Willkür werden, das gab es sogar in der Bundesrepublik schon. Da würde ich mal den Ball ganz flach halten, Herr Kollege.

(Zuruf des Abgeordneten Becker (CDU). - Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Stefan Pauluhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es ganz schnell machen. Ich wollte ursprünglich gar nicht mehr in die Debatte eingreifen, aber da in der letzten Phase der Eindruck erweckt wurde, als wäre -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Stefan, du kannst dir ruhig Zeit lassen.)

Ich kann mir in der Tat Zeit lassen, insbesondere wenn der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN sich die Ehre gibt, wieder anwesend zu sein, das war nicht bei jeder Debatte heute so. Insofern fühle ich mich geehrt, dass der Kollege Hubert Ulrich unter uns weilt. - Ich wollte mich gar nicht mehr melden, aber es ist gerade in den letzten Ausführungen von Ihnen, werter Kollege Herr Hilberer, der Eindruck entstanden, als würde durch die Ablehnung so etwas mitschwingen wie, wir hätten etwas zu verheimlichen. Ich finde, das ist falsch. Ich weiß auch, dass der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf systematische Fehler hat und dass man das, selbst wenn man es mit einer breiten Unterstützung untermauert ins Verfahren geben würde, auch mit einer breiten Anhörung, bei dieser kontroversen Lage sicherlich in dieser Legislaturperiode gar nicht mehr hin bekäme.

Ich habe einmal eine Einschätzung des Justizministeriums eingeholt, die ich vorlesen möchte: Zur Anordnung der Berichtspflichten bezogen auf den Einsatz von IMSI-Catchern, einer Maßnahme nach der

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

Strafprozessordnung, fehlt dem Landesgesetzgeber bereits die Gesetzgebungskompetenz. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder durch Art. 72 Abs. 1 des Grundgesetzes von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetze Gebrauch gemacht hat. Die Strafprozessordnung beinhaltet eine solche abschließende Regelung der polizeilichen Befugnisse gemäß § 6 EGStPO hinsichtlich der beim Bestehen eines Anfangsverdachtes im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO einsetzenden Strafverfolgung. - In diesem breiten Einsetzungsbereich, wo die Kontrolle eigentlich durch Berichte ausgeübt werden müsste, fehlt uns die Gesetzgebungskompetenz. Und dann sprechen wir noch über Einzelfälle, zum Beispiel wenn ein IMSI-Catcher bei einem Selbstmordgefährdeten eingesetzt wird, zum Schutz der Person, die einen Selbstmord plant. Ob es notwendig ist, gesetzgeberisch zu handeln, um eine Berichtspflicht für solche Einzelfälle nun auch festzuschreiben, wage ich zu bezweifeln.

(Beifall bei der SPD.)

Insofern denke ich, kann man mit guten Argumenten sagen, dass wir diesen Gesetzentwurf in Erster Lesung ablehnen.