Christian Gläser
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Drucksache 15/2093, Gesetz zur Einführung einer Berichtspflicht des Ministeriums für Inneres und Sport gegenüber dem Parlament, will die PIRATEN-Landtagsfraktion, wie sie sagt, die für die Ausübung der parlamentarischen Kontrolle notwendigen Informationen erhalten. Durch die von Ihnen vorgelegte Änderung des Saarländischen Polizeigesetzes soll eine effektive Kontrolle anhand genauerer Informationen erst ermöglicht werden.
Dabei gibt es bereits eine Berichtspflicht der Landesregierung. Diese findet in den Ausschüssen statt. Im Ausschuss für Fragen des Verfassungsschutzes, im Ausschuss für Inneres und Sport werden solche Berichte in unregelmäßigen Abständen erstattet.
Zuletzt geschehen am 17. November 2017 im Innenausschuss unter TOP 5: Bericht der Landesregierung über die Durchführung von Funkzellenabfragen durch die saarländische Polizei und den Verfassungsschutz. Ein Antrag der PIRATEN-Landtagsfraktion.
Dort wurde uns darüber berichtet, dass in 2016 insgesamt 365 richterliche Anordnungen zur Erhebung von Daten umgesetzt worden sind, davon nur eine nach dem Saarländischen Polizeigesetz, nach § 28b Saarländisches Polizeigesetz. - Das steht da übrigens falsch, auch im Protokoll, es ist nicht 28c, sondern 28b. - Davon hatten 154 die Erhebung von Funkzellendaten zum Inhalt. Der Verfassungsschutz hat überhaupt keine Funkzellenabfragen durchgeführt.
Am 18.12.2014 hatte der Abgeordnete Hilberer eine Anfrage zu Funkzellenabfragen im Saarland gestellt, Drucksache 15/1197. Auch die wurde umfangreich beantwortet. Zuvor, am 26.09.2014, hatte der Abgeordnete Ulrich in der Drucksache 15/1072 eine Anfrage zur Nutzung stiller SMS durch saarländische Behörden gestellt.
Sie sehen, es gibt also bereits eine Berichtspflicht gegenüber dem Parlament in seiner Gesamtheit und auch, wie die öffentlich einsehbaren Anfragen zeigen, der Öffentlichkeit gegenüber. Es gibt also keine geheimen, intransparenten Zahlen und Fakten. Wer anderes suggeriert, bemüht ein Stück weit neuamerikanisch gesagt „alternative Fakten“.
Vollmundig erklären Sie in Ihrer Presseerklärung, es werde höchste Zeit, die Überwachungsgesetze an Fakten auszurichten, ganz so, als gäbe es bei uns eine permanente unkontrollierte Überwachung aller überall. Meine Damen und Herren von den PIRATEN, zunächst muss man die Gesetzentwürfe, die man einbringt, an den rechtssystematischen Grundsätzen ausrichten und nicht nur an Fakten! Da haben Sie völlig versagt.
Herr Ulrich, hören Sie doch einmal zu. Sie sind gerade erst gekommen und schon plärren Sie dazwischen. Ich finde das unmöglich. - Im Saarländischen Polizeigesetz regelt der Landesgesetzgeber Gefahrenabwehrrecht. Das ist präventives polizeiliches Handeln. In der StPO hingegen regelt der Bundesgesetzgeber Strafverfolgungsrecht. Das ist repressives polizeiliches Handeln. Das Grundgesetz sieht vor, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Strafverfolgung beim Bund liegt. Die Aufgabenwahr
nehmung bei der Gefahrenabwehr obliegt dem Land und wird vom Landtag im Saarländischen Polizeigesetz geregelt. Die Strafprozessordnung, also das repressive Handeln und das Saarländische Polizeigesetz, also präventives Handeln, müssen systematisch strikt auseinandergehalten werden, auch wenn die saarländische Vollzugspolizei im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung sowohl präventiv als auch repressiv tätig wird.
Und was machen Sie? Sie wollen im Saarländischen Polizeigesetz, also im Gefahrenabwehrrecht, eine Berichtspflicht sowohl für repressive strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Funkzellenabfragen, für die Einsätze von IMSI-Catchern und die Versendung sogenannter Stiller SMS verankern. Das ist - man kann es nicht anders sagen - grober Unfug. Da fehlen leider elementare Kenntnisse des polizeilichen Handelns.
Auch hat der Bundesgesetzgeber mit den in der StPO festgelegten Berichtspflichten zur Telekommunikationsüberwachung die Materie abschließend geregelt. Für eine entsprechende oder gar weiter gehende Regelung im Saarländischen Polizeigesetz ist insofern überhaupt kein Raum. Wir sind schlichtweg dafür nicht zuständig. Auch die Funkzellenabfrage ist nach dem Saarländischen Polizeigesetz rechtlich überhaupt nicht möglich. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür. Das ist Ihnen gar nicht aufgefallen. Der Einsatz von IMSI-Catchern und die Versendung Stiller SMS finden ihren Grund hingegen in § 28b Saarländisches Polizeigesetz. Meine Damen und Herren, eine Berichtspflicht für etwas, was sich wie die Funkzellenabfrage im Saarländischen Polizeigesetz gar nicht findet und insofern gar nicht möglich ist, das ist etwas, was sich für mich und für die CDU-Landtagsfraktion, für die ich hier spreche, schlicht erübrigt.
Auf weitere inhaltliche Ausführungen zu Ihrem Gesetzentwurf möchte ich verzichten. Es gibt offensichtliche weitere handwerkliche Mängel. So soll die parlamentarische Kontrolle gleichzeitig einmal als Vierter Abschnitt und einmal als Fünfter Abschnitt eingefügt werden. Aber lassen Sie mich einige grundsätzliche Anmerkungen machen, die sind mir wichtiger.
Eines möchte ich vorwegschicken: Ich kann Ihrem Gesetzentwurf dem Grunde nach sogar etwas abgewinnen. Das mag Sie erstaunen. - Sie lachen, aber hören Sie mir bitte einmal zu. So ist die Funkzellenabfrage eine der Strafverfolgung dienende Ermittlungsmaßnahme, mit welcher verdeckt die Verkehrsdaten, also die Umstände der Telekommunikation und nicht die Inhalte - aller Mobilfunkteilnehmer erhoben werden können, die sich in einem bestimmten Zeitraum in einer näher bezeichneten Funkzelle in
einem Bereich mit einer Größe zwischen 100 Metern und einigen Kilometern innerhalb des Mobilfunknetzes aufhalten oder aufgehalten haben. Ziel ist es, hierbei zu bestimmen, welche Handynummern sich zu diesem Zeitpunkt in einem zu der Funkzelle gehörenden und nach Straßen, Plätzen oder Straßenzügen definierten Gebiet eingeloggt haben. So soll die Identität eines noch unbekannten, einer erheblichen Straftat Tatverdächtigen geklärt werden und mutmaßliche Straftaten aufgeklärt werden.
Die Gefahr beim Besuch einer Demonstration oder einer anderen öffentlichen Veranstaltung selbst zu einem Betroffenen zu werden, steigt also - Herr Neyses hat das Beispiel eben genannt. Natürlich steht die Funkzellenabfrage unter einem Richtervorbehalt, kann bei Gefahr im Verzug im Rahmen der Eilkompetenz jedoch auch durch die Staatsanwaltschaft selbst angeordnet werden. Im Gegensatz zu einer Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO richtet sich die Funkzellenabfrage nicht nur gegen einzelne bestimmte Tatverdächtige, sondern unterschiedslos gegen alle in der Funkzelle anwesenden Mobilfunkgerätebesitzer, die Telekommunikationsdienstleistungen in Anspruch nehmen. Die Funkzellenabfrage ist also nicht individualisiert, sondern es werden sämtliche Verkehrsdaten erfasst, die in bestimmten Funkzellen zu einer bestimmten Zeit angefallen sind. Dies stellt einen einschneidenden, verdeckten Eingriff in diverse Grundrechte, vor allem aber in das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG, dar. Die Eingriffsintensität ist sehr hoch, denn es handelt sich um eine verdeckte Maßnahme, was generell schwerer wirkt als offene Maßnahmen, da sich die Betroffenen dagegen nicht unmittelbar, sondern allenfalls rückwirkend wehren können. Die Anzahl der Betroffenen ist sehr hoch und die Funkzellenabfrage betrifft zu einem überwiegenden Teil unverdächtige und unbeteiligte Mobilfunkteilnehmer. Diese haben in der Regel keinen Anlass zu einem Tatverdacht gesetzt, riskieren aber dennoch, Gegenstand weiterer Ermittlungsmaßnahmen zu werden. Demgegenüber steht das Strafverfolgungsinteresse des Staates. Dieses ist bei der Verfolgung von erheblichen Straftaten zweifelsohne sehr hoch.
Ich fasse zusammen: Die Funkzellenabfrage ist ein intensiver Eingriff in eine Vielzahl von Grundrechten, welcher nur unter besonderer Berücksichtigung des Gebots der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. In ihrem Umfang ist die Funkzellenabfrage sehr weitreichend, weil sie fast zwangsläufig immer unbeteiligte Dritte betrifft. Die verfassungsmäßige Ordnung lebt gerade davon, dass die Bürger sich ohne Angst vor staatlicher Überwachung dazu entschließen, ihre Grundrechte auszuüben.
Das ist ein wichtiges Wesensmerkmal unserer offenen Gesellschaft. Deshalb müssen Funkzellenabfra
gen hinreichende Grenzen gesetzt werden und insbesondere muss dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zur Geltung verholfen werden. Es geht also bei der Funkzellenabfrage, aber auch bei dem Einsatz von IMSI-Catchern und auch beim Versenden von Stillen SMS wieder um zwei große Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung: Es geht um Freiheit und um Sicherheit. Dort, wo es um den Wert der Freiheit geht, haben wir es mit dem Recht der Bürgerinnen und Bürger auf eine unkontrollierte freie Telekommunikation zu tun. Auf der anderen Seite, dort wo es um den Wert der Sicherheit geht, geht es um den Anspruch der Menschen auf eine effektive Strafverfolgung, um eine rasche Aufklärung und Ahndung von Verbrechen und darum, dass wir präventiv einen effizienten Beitrag dazu leisten, dass weitere Verbrechen erst gar nicht geschehen.
Das hatten wir schon einmal bei der Vorratsdatenspeicherung. In Artikel 6 der Europäischen Grundrechtscharta heißt es in einem Satz kurz und prägnant: Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. - Es geht wie bei der Videoüberwachung um die schwierige Balance zwischen Freiheit einerseits und Sicherheit andererseits, gerade in dem schwierigen Feld der modernen und digitalen Welt. Diese Balance muss bewahrt werden und dazu brauchen wir klare Regelungen. Das heißt aber nicht, dass wir von vornherein auf solche Maßnahmen verzichten müssen. Deshalb wollen wir zum Beispiel auch mehr Videoüberwachung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was mich an Ihrem Gesetzentwurf einmal mehr stört - abgesehen davon, dass er rechtssystematisch grober Unfug ist -, ist, dass Sie viel von Überwachung und von Verlust von Grundrechten sprechen. Aber an keiner Stelle sprechen Sie über Verbrechensbekämpfung oder Opferschutz. Das findet bei Ihnen in diesem Plenum überhaupt nicht statt. Viel Freiheit, null Sicherheit - das ist Ihr Credo.
Ihre Anträge kommen einmal mehr nur auf einem Bein daher. Das passt leider zu anderem, was in diesem Hause von Ihnen kam, und zu Ihrem mitunter verqueren Verhältnis zu den Sicherheitsbehörden dieses Landes, wo Sie nur Überwachung und Überwachungsdruck sehen. Ich bin froh, dass viele Menschen in diesem Land in den Sicherheitsbehörden bei Polizei und Verfassungsschutz ihre schwere Arbeit für uns alle tun. Dafür sollten wir ihnen in erster Linie danken.
Sie schreiben zu Ihrem Antrag auf ihrer Homepage: Der Überwachungsdruck auf die Bevölkerung steigt immer weiter an. Die Geschichte lehrt uns, was technisch möglich ist, wird früher oder später umgesetzt.
Was Sie dabei völlig ausblenden, sind veränderte hochkomplexe Sicherheitslagen und der technische Fortschritt, den sich gerade auch Verbrecher zunutze machen. Und Sie blenden auch die Rolle des Opferschutzes in unserer modernen Gesellschaft völlig aus. Wer sich permanent so geriert, als ginge die erhebliche Bedrohung in dieser Gesellschaft von den Beamten in den Ermittlungsbehörden aus und von unseren Polizisten und Polizistinnen, die ihre Aufgaben zum Schutze des Rechtsstaates erfüllen und nach rechtsstaatlichen Vorgaben handeln, anstatt von kriminellen Verbrechern und Terroristen, die die Sicherheit und die Freiheit bedrohen, der hat eine verquere Sicht auf unseren demokratisch legitimierten und von Gewaltenteilung geprägten Rechtsstaat und unsere Sicherheitsbehörden. Auch Sie sollten verstehen, dass es bei den beschriebenen Ermittlungsmaßnahmen im Rechtsstaat und unter den Bedingungen des Rechtsstaates es eben nicht - wie Sie sagen - um immer ausgefeiltere Methoden der Überwachung geht, sondern um effiziente ermittlungstaktische Maßnahmen, die der Verbrechensbekämpfung und dem Opferschutz dienen.
Wer sich unter den Bedingungen des Rechtsstaates damit so schwertut, der hat nicht verstanden, dass Freiheit ohne Sicherheit nicht dauerhaft gewährleistet werden kann.
Wir leben gerne in der demokratischen offenen Gesellschaft, müssen sie aber täglich wertschätzen und uns dafür einsetzen. Wir wollen in Frieden und Freiheit leben in einer offenen und toleranten Gesellschaft. Das erfordert die wehrhafte Demokratie. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, sie haben ein Grundrecht auf Sicherheit in Freiheit. Das ist unser Credo und das unterscheidet uns von Ihnen.
Ja, die Maßnahmen bedingen auch Grundrechtseingriffe. Sie sind innerhalb rechtsstaatlicher Grundsätze aber gut für unsere Demokratie und für den Zusammenhalt unserer offenen Gesellschaft. Solange dies so wie zuvor beschrieben der Fall ist, sehe ich aus grundsätzlichen Erwägungen und nicht nur, weil der Gesetzentwurf rechtssystematischer Unfug ist, keinen Anlass zum Handeln im Sinne Ihres Gesetzentwurfes. Denn die parlamentarische Kontrolle ist weiter gegeben, es gibt eine Berichtspflicht gegenüber dem Parlament.
Die Kontrolle wurde in dieser 15. Legislaturperiode ausgeübt, auch dank Ihrer stetigen Bemühungen, das erkenne ich an. Dass Sie dies immer wieder ins Bewusstsein des Parlaments gerückt haben, ist nach meinem Dafürhalten durchaus ein Verdienst von Ihnen. Auch deswegen wird die parlamentari
sche Kontrolle auch in der nächsten, der 16. Legislaturperiode, weiter stattfinden. Sie und ich werden dem Parlament dann nicht mehr angehören, aber die Arbeit wird auch ohne uns weitergehen. Ich bin überzeugt davon, dass die Kollegen, die dem Parlament weiter angehören werden, die beiden widerstreitenden und in Korrespondenz zueinander stehenden Grundrechte Freiheit und Sicherheit in eine ebenso ausgewogene Balance bringen werden, wie dies bisher der Fall ist. Die CDU-Landtagsfraktion wird Ihren Gesetzentwurf ablehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Gegenstand unserer Debatte ist der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Neuen Landesentwicklungsplan erstellen - Flächenverbrauch beschränken“. Mit dem Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, den Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2012 dergestalt umzusetzen, dass der abgelaufene Landesentwicklungsplan „Siedlung“ und der Landesentwicklungsplan „Umwelt“ zu einem integrierten Landesentwicklungsplan zusammengeführt werden. Das ist der Kern ihres Antrags.
Damit liegen Sie, Herr Ulrich, grundsätzlich richtig, wenn Sie sich auf den Koalitionsvertrag von CDU und SPD aus dem Jahr 2012 beziehen, wo es unter der Überschrift „Durch integrierte Landesplanung Zukunft gestalten“ heißt: „Wir werden die Landesentwicklungspläne Umwelt und Siedlung zu einem integrierten Landesentwicklungsplan Saarland zusammenführen. Dabei werden wir die Notwendigkeit einer verstärkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im SaarLorLux-Raum, den demographischen
Wandel, den Klimawandel und die Energiewende berücksichtigen.“ Zum anderen liegen Sie richtig mit dem Vorhaben als solchem, das ja nicht aus Jux und Tollerei im Koalitionsvertrag steht, sondern eine wichtige Aufgabe ist, die man mit größter Sorgfalt und nach umfangreichen Abwägungen mit Blick auf unterschiedlichste Entwicklungen und Kriterien zu entwickeln hat.
Diese Umsetzung ist - auch das ist richtig - bisher nicht abschließend erfolgt. Sie sagen in Ihrem Antrag auch zu Recht, dass es unerlässlich ist, eine sinnvolle und der Nachhaltigkeit verpflichtete Abstimmung zwischen Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung, Klimawandel, Ver- und Entsorgung, Verkehr, Infrastruktur sowie der Entwicklung von Natur und Landschaft zu gewährleisten. Alles richtig. Bis hierher kann ich Ihnen folgen. In Bezug auf diese Ziele besteht hier wohl allergrößtes Einverständnis in diesem Haus.
Dass es auch bezüglich des zweiten Ziels, bei dem es heißt „Flächenverbrauch beschränken“ keinen Dissens gibt, mögen Sie daraus ersehen, dass dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Bund im Kapitel Umwelt zu entnehmen ist: „‘Gebrauchen, aber nicht verbrauchen‘ ist das Prinzip beim Umgang mit der begrenzten Ressource Boden. Gemäß der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wollen wir die Flächenneuinanspruchnahme bis 2020 auf höchstens 30 ha pro Tag begrenzen.“
Warum es bis heute bei all diesen Zielen, die wir gemeinsam teilen, noch keinen neuen integrierten Landesentwicklungsplan gibt, wissen Sie bereits seit der 116. Sitzung des Innenausschusses vom 17. November 2016. Das ist also noch gar nicht so lange her. Das Innenministerium berichtete dort zu diesem Thema und antwortete auf alle gestellten Fragen, die Sie hier teilweise angesprochen haben, ausführlich. Ich stelle es kurz dar. Der aktuell gültige Landesentwicklungsplan wurde in den zwei Teilabschnitten „Umwelt“ vom 13.07.2004 und „Siedlung“ vom 04.07.2006 aufgestellt. Von der Landesplanungsbehörde sollen diese beiden Teile auf der Grundlage des Koalitionsvertrages zu einem integrierten Landesentwicklungsplan Saarland zusammengeführt werden.
In den vergangenen Jahren wurde an der Erarbeitung der notwendigen Grundlagendaten für den Landesentwicklungsplan Teilabschnitt „Umwelt“ gearbeitet. Die Landesplanung ist dabei im Wesentlichen auf die Zuarbeiten der entsprechenden Fachreferate angewiesen, um - wie im Landesplanungsgesetz vorgesehen - den Landesentwicklungsplan unter Berücksichtigung der Planungen der obersten Landesbehörden zu erstellen. Die wesentlichen Inhalte des Landesentwicklungsplans Teilabschnitt „Umwelt“ beziehungsweise die Daten im Bereich Freiraum-, Flächen- und Infrastruktur nach Maßgabe des § 8
Abs. 5 Nr. 2 und 3 Raumordnungsgesetz liegen inzwischen aktualisiert vor. Die Abstimmung des ersten Vorentwurfs mit den betroffenen Fachreferaten, dem Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr ist nahezu abgeschlossen. Hierzu fand in den letzten Jahren ein intensiver Informationsund Austauschprozess statt. Insofern haben wir im Bereich Landesentwicklungsplan Teilabschnitt „Umwelt“ aktuelle Daten.
Im Rahmen der Bearbeitung der bisherigen Inhalte des Teilabschnitts „Siedlung“ haben sich jedoch durch den Zustrom der Flüchtlinge massive Änderungen in der Beurteilung des Bedarfes an Wohnraum im Saarland ergeben. Die erforderlichen statistischen Grundlagen werden derzeit erst von den dafür zuständigen Stellen erhoben. Da bisher keine zuverlässigen Prognosen über das dauerhafte Zuzugsverhalten abgegeben werden können, musste die Bearbeitung der Inhalte des Landesentwicklungsplans Teilabschnitt „Siedlung“ gegenüber den Inhalten des Landesentwicklungsplans Teilabschnitt „Umwelt“ zwangsweise zurückgestellt werden.
Der Landesentwicklungsplan Teilabschnitt „Siedlung“ wurde 2006 mit einer zehnjährigen Befristung beschlossen und ist am 03.07.2016 ausgelaufen. Nach § 3 Abs. 2 der Verordnung tritt zwar die Verordnung außer Kraft, aber die Ziele und Grundsätze gelten fort, bis ein neuer Landesentwicklungsplan in Kraft tritt, und werden von der Landesplanungsbehörde nach wie vor angewendet.
Ich halte folgendes Zwischenergebnis fest. Die angestrebte frühere Erstellung des neuen Landesentwicklungsplans war aufgrund von nachvollziehbaren Sachzwängen zwangsweise zurückgestellt worden und die Ziele und Grundsätze gelten weiter und werden auch weiter angewandt.
Der nächste Verfahrensschritt ist, dass gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 des Saarländischen Landesplanungsgesetzes den kommunalen Gebietskörperschaften frühzeitig Gelegenheit gegeben wird, an der Ausarbeitung des Entwurfs mitzuwirken. Hierbei sollen durch Wahrnehmung des in § 1 Abs. 3 des Raumordnungsgesetzes verankerten Gegenstromprinzips die Planungen und die Vorstellungen der Gemeinde in der Planerarbeitung Berücksichtigung finden. An dem Verfahren beteiligt werden unter anderem die Nachbarländer, der Bund, die Ministerien und nachgeordneten Behörden, die kommunalen Gebietskörperschaften, die Träger öffentlicher Belange, die kommunalen Spitzenverbände und die nach Saarländischem Naturschutzgesetz anerkannten Vereine und die Öffentlichkeit.
Auch deshalb eine weitere Zwischenfeststellung: Ihrer Forderung in Ihrem Antrag, dass in dieser Legislaturperiode noch ein weiterer, neuer Landesent
wicklungsplan vorgelegt werden soll, stehen schon die Regelungen des Saarländischen Landesplanungsgesetzes entgegen. Die Beteiligungsvorschriften, die ich eben zitiert habe aus § 3 Abs. 4 Satz 2 des Saarländischen Landesplanungsgesetzes, lassen es zeitlich einfach nicht mehr zu. Auch das wissen Sie schon seit der erwähnten Innenausschusssitzung. Weil Sie aber dennoch genau diese Forderung, die unmöglich ist, in Ihren Antrag hineinschreiben, müssen wir Ihren Antrag ablehnen.
Warum Sie den Antrag aber dennoch so stellen, wie Sie ihn stellen, konnten wir gestern in der Saarbrücker Zeitung lesen und auch im Wesentlichen von Herrn Ulrich, der jetzt gerade wieder draußen ist, wieder hören. Ich habe den Eindruck, es ist ein bisschen Vorwahlkampf und Sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, sich mit einem vermeintlichen Versäumnis der Regierung insbesondere auf Kosten eines erfolgreichen und beliebten Innenministers profilieren zu wollen. Warum das im Übrigen ins Leere geht, möchte ich Ihnen weiter darstellen. Ich zitiere - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin aus der Saarbrücker Zeitung von gestern den Kollegen Ulrich: „Grünen-Fraktionschef Hubert Ulrich erklärte, die alten Teilpläne, die von 2004 und 2006 stammen, seien überholt, weil sie“ - und nun folgen zwei Argumente, die hat er im Wesentlichen hier wiederholt - „ etwa die zunehmende Alterung der Gesellschaft nicht berücksichtigten.“ Und Argument Nummer 2 : „Er kritisierte zudem, der Flächenverbrauch sei seit den Neunzigerjahren stetig gestiegen,“ - das haben wir auch eben hier gehört „sprich, es seien immer neue Wohn- und Gewerbegebiete ausgewiesen worden (…) und die Innenstädte verödeten.“
Das klingt beides gut und nachvollziehbar. Aber ist es auch richtig? Ich nehme es vorweg: Nein, beide Argumente haben eine wesentliche Gemeinsamkeit, sie sind an dieser Stelle einfach falsch.
Das erste Argument stimmt schon deshalb nicht, weil die Ziele des LEP wie dargestellt so lange gelten, bis ein neuer Landesentwicklungsplan in Kraft tritt und von der Landesplanungsbehörde konsequent angewandt wird. Und wenn man mal in diesen LEP Siedlung reinschaut, dann entdeckt man dort viele gute Sachen, die weiter gelten und angewendet werden. Ich zitiere jetzt wieder mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, aus dem Landesentwicklungsplan Siedlung: „Die Umsetzung raumordnerischer Leitvorstellungen wird von folgenden übergeordneten Prinzipien getragen:“ - es folgt eine Aufzählung „Prinzip der Gleichwertigkeit, Prinzip der Nachhaltigkeit, Prinzip der dezentralen Konzentration“ und weitere Prinzipien, insbesondere auch die „Anpassung an die Erfordernisse des demografischen Wandels.“ Also genau das, von dem Sie sagten, es sei in dem
alten Landesentwicklungsplan nicht drin. Das stimmt aber nicht, es ist falsch. Ich erspare Ihnen jetzt, alles Weitere vorzulesen, was Sie jederzeit im Landesentwicklungsplan Siedlung nachlesen können, wenn es Sie interessiert. Ich halte fest: Es ist grob falsch, dass die zunehmende Alterung der Gesellschaft in den beiden Landesentwicklungsplänen nicht berücksichtigt wäre.
Zu Ihrem zweiten Argument. Sie kritisieren, der Flächenverbrauch sei seit den Neunzigerjahren stetig gestiegen. Google ist dein Freund, und so habe ich das Wort Flächenverbrauch eingegeben und auf Wikipedia Folgendes dazu gefunden, zunächst einmal eine gute Definition, was Flächenverbrauch ist. Ich zitiere nun aus Wikipedia, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis: „Unter Flächenverbrauch versteht man die Umwandlung insbesondere von landwirtschaftlichen oder naturbelassenen Flächen in Siedlungsund Verkehrsfläche. Flächenverbrauch ist damit einerseits Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche und natürlichen Lebensräumen, andererseits Erweiterung von Siedlungs- und Verkehrsfläche.“ In der Folge finden sich weitere Definitionen und Erklärungen zu Siedlungs- und Verkehrsflächen, Kompensationsflächen und, siehe da, zur Entwicklung des Flächenverbrauchs in Deutschland. Dazu gehört dann auch eine Tabelle, wie sich der Anteil der Siedlungsund Verkehrsflächen an der Gebietsfläche in Prozent von 2000 bis 2015 verändert hat.
Insofern ist das zwar kein Vergleich seit den Neunzigerjahren, aber immerhin seit dem Jahre 2000, also dem ersten vollständigen Jahr, in dem die CDU und ein Umweltminister namens Stefan Mörsdorf Regierungsverantwortung übernahmen und unter dessen Federführung die beiden alten Landesentwicklungspläne entstanden sind. Ich halte übrigens ferner fest, dass dann bis 2015 die Umweltminister Simone Peter, Andreas Storm, Anke Rehlinger und Reinhold Jost folgten, denn das Ergebnis für die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen im Saarland von 2000 bis 2015 ist äußerst erfreulich und alle jeweils für den Landesentwicklungsplan zuständigen Minister haben daran ihren Anteil.
Die großen Flächenländer hatten von 2000 bis 2015 folgenden Zuwachs an eben dieser Siedlungs- und Verkehrsfläche: Baden-Württemberg 2,4 Prozent, Bayern 1,7 Prozent, das industriell geprägte Nordrhein-Westfalen 2,2 Prozent. Die Stadtstaaten hatten folgenden Zuwachs: Berlin 2,5 Prozent, Bremen 6,3 Prozent, Hamburg 4,5 Prozent. Der bundesdeutsche Schnitt lag bei 1,7 Prozent und unser Saarland bei 0,1 Prozent, das ist die geringste Zunahme an Siedlungs- und Verkehrsflächen bundesweit! Von Ihrer Behauptung, der Flächenverbrauch sei seit den Neunzigerjahren gestiegen, stimmt also nicht viel.
Lassen Sie mich kurz auf den Begriff der Innenverdichtung eingehen, den Sie richtigerweise in Ihrem Antrag erwähnten. Salopp könnte man dazu sagen: Bauen im Bestand mit Verstand. Ein wichtiges Prinzip, dem die Landesplanung nach dem alten Landesentwicklungsplan weiter folgt.
Ich selbst habe in den letzten Jahren immer mal wieder beim Innenministerium nachgefragt, wie es denn um einen neuen Landesentwicklungsplan stünde.
Ja, mit Blick auf den Koalitionsvertrag, genau, Herr Hilberer. - Ich habe dann auch die vorher genannten sachlichen Ausführungen erhalten, warum es zwangsweise notwendig ist, das Vorhaben noch zurückzustellen, die ich dann aber auch verstehen und akzeptieren muss.
Nachgefragt habe ich, weil ich mich fachlich dafür interessiere, aber auch insbesondere als regionaler Abgeordneter aus Homburg und dem SaarpfalzKreis, weil mir von kommunaler Seite mehrfach dargelegt worden ist, man könne keine neuen Baugebiete mehr für beispielsweise Familien ausweisen, sondern nur noch in der Innenverdichtung tätig werden. Mehr lasse die Landesplanung nicht zu. So viel zur Wichtigkeit der Innenverdichtung für die Landesplanungsbehörde. Als ich dann etwa anhand der Erfahrungen in Homburg sagte, dass „Bauen im Bestand mit Verstand“ erfahrungsgemäß ein sehr teures Bauen ist und wir auch erschwingliches Bauland gerade für junge Familien bräuchten, wurde ich darauf hingewiesen, dass die Kommune doch mal zunächst ihren Flächennutzungsplan überprüfen möge. Dieser hielte noch zum Teil beträchtliche Flächen als Baugebiete vor, die aber nie als Baugebiete umgesetzt und möglicherweise auch nicht überplant worden seien. Bevor also etwas Neues hinzukäme, müsste man Vorhandenes nutzen beziehungsweise den Flächennutzungsplan anpassen. Ein Argument, dem ich dann einfach nichts mehr entgegnen kann.
Die Landesplanungsbehörde macht schlichtweg ihre Hausaufgaben und handelt nachhaltig nach dem Vorrang der Innenverdichtung und nicht des neuen Flächenverbrauchs.
Sie sagt aber auch zu neuen Baugebieten nicht grundsätzlich Nein, etwa dort, wo positive Entwicklungen begleitet werden sollen. Das ist auch gut so, sonst wäre dieser geringe Zuwachs von 0,1 Prozent nie zustande gekommen. Ich unterstütze diese Linie ausdrücklich.
Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit und das gebietet auch, die eine oder andere positive
Entwicklung zu beachten, etwa in Perl mit Wachstumsraten von etwa 20 Prozent. Dort muss man dann auch nachsteuern können.
Für mich gehört übrigens auch Saarbrücken dazu. Wir brauchen eine Landeshauptstadt und ein funktionierendes Oberzentrum. Für mich gehören starke Mittelstädte dazu, die für die flächendeckende Versorgung des ländlichen Raumes und für die Daseinsvorsorge von fundamentaler Bedeutung sind.
Abschließend möchte ich Ihren Blick noch ein bisschen weiten. Innenminister Klaus Bouillon regt derzeit landesweit zu umfangreichen, gemeindeübergreifenden Kooperationen auf Freiwilligkeitsbasis an. Nicht wenige sagen, dass es auch zu nachhaltigen strukturellen Veränderungen bei Kommunen kommen muss. Darin erkennen Sie, dass der Landesgesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode eine große Gestaltungsaufgabe hat. Der neue Landesentwicklungsplan muss in dieser Gesamtschau als die zweite Seite einer Medaille gesehen werden, die ganz wesentlich sein wird für die Zukunft unseres Landes. Ich halte es daher auch für richtig, dem Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ zu folgen. Es dürfte neben der Gestaltung der Spielräume, die das Land dank der strukturellen und nachhaltigen, bedingungsfreien finanziellen Hilfen aus der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hat, die zweite große Gestaltungsaufgabe und Verantwortung der nächsten Jahre sein.
Ich kann abschließend festhalten: Es gab erstens sachlich notwendige Gründe für die Zurückstellung. Zweitens ist der bereits bestehende Landesentwicklungsplan sowohl im Teilbereich Umwelt wie auch im Teilbereich Siedlung dem Nachhaltigkeitsprinzip verpflichtet. Er hat die Herausforderungen des demografischen Wandels angenommen und ihnen durch entsprechende Ziele und Grundsätze Rechnung getragen. Dazu gehört auch der eindeutige Vorrang der Innenentwicklung, der konsequent verfolgt wird. Die Ziele der Raumordnung sind grundsätzlich im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigen, sodass die Gemeinden an die Einhaltung der Ziele des Landesentwicklungsplanes gebunden sind.
Drittens. Ihre beiden an dieser Stelle vorgebrachten Argumente waren falsch. Ihren Antrag müssen wir daher bei aller Sympathie für einen neuen Landesentwicklungsplan und die darin zu verfolgenden Ziele und Grundsätze ablehnen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, heute fällt es mir nicht ganz leicht, hier zu stehen. Die Welt hält den Atem an, und wir unterhalten uns im saarländischen Landtag über Mängelmelder. Man hört schon förmlich die Stimmen: In einem Moment, wo die Welt den Atem anhält, habt ihr nichts Besseres zu tun, als euch um solche Mängelmelder zu kümmern!
Ich glaube aber, dass das Gegenteil richtig ist,
und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Wer die Ergebnisse der Wahlnacht zur Kenntnis nimmt, der weiß ganz genau, dass wir uns täglich um Demokratie, um Grundwerte wie Freiheit und Respekt vor Menschen und Rechtsstaat und so weiter kümmern müssen. Ob das im Landtag ist bei jedem noch so kleinen Thema, ob das in den Ortsräten oder Stadträten ist, ich glaube, für alle, die Demokraten sind, ist klar: In solchen Momenten, wo der Führer der freien Welt, sagen wir mal, ein unberechenbarer Populist ist, geht es darum, dass wir gemeinsam die Dinge, die uns wichtig sind, in den Mittelpunkt rücken. Deswegen ist es wichtig, uns auch der kleinsten Dinge anzunehmen und diese ernst zu nehmen. Das ist unsere Aufgabe in einer Demokratie.
Wir müssen im Kleinen um Demokratie werben und kämpfen.
Jetzt aber zum Mängelmelder. Wir haben es eben gehört, die PIRATEN-Landtagsfraktion begehrt mit ihrem Antrag die Einrichtung eines landesweiten Internetportals und einer App, über welche Bürgerinnen und Bürger Mängel an verschiedene staatliche Infrastrukturen anzeigen und den Bearbeitungsstand nachverfolgen können. Genannt werden zum Beispiel Radwege, öffentliche Gebäude, Straßen, Spielplätze oder Schilder. Hauptsächlicher Adressat solcher Mängelmelder oder Mängel-Apps dürfte jedoch weit überwiegend die kommunale Seite sein. Man kann davon ausgehen, dass dies in etwa 80 bis 90 Prozent der Meldungen der Fall sein wird. Fraglich ist insofern, ob alle saarländischen Kommunen, und zwar die Städte und Gemeinden und auch die Kreise, hierbei mitmachen werden. Das müsste aber der Fall sein, wenn ein landesweiter Mängelmelder Sinn machen soll. Ansonsten ist ein solcher Melder nicht zielführend und lohnt sich meines Erachtens nicht, wenn wir am Ende eine größere Anzahl von weißen Flecken auf der Saarland-Karte hätten.
Nach den Regelungen des E-Government-Paktes ist für die Realisierung von IT-Projekten der Zweckverband zentraler Ansprechpartner für alle Belange der kommunalen Seite und das IT-Innovationszentrum der Ansprechpartner auf der Landeseite. Die Realisierung eines solchen Mängelmelders für die Kommunen setzt somit die Einbindung des eGo-Saar zwingend voraus. Einige saarländische Kommunen, der Kollege Augustin hat es richtig gesagt, Saarbrücken und auch Homburg, haben einen derartigen Bürgerhinweis in ihrer App angeboten. In RheinlandPfalz, das haben Sie in Ihrem Antrag geschrieben, wird ein derartiger Service von einem Tochterunternehmen des Städte- und Gemeindebundes, des Städtetages und des Landkreistages RheinlandPfalz angeboten.
Eines möchte ich jedoch einwenden. Entgegen dem im Antrag erweckten Eindruck eines flächendeckenden Angebots, beteiligen sich in Rheinland-Pfalz bisher lediglich die Verbandsgemeinden Höhr-Grenzhausen und Eisenberg sowie die Städte Grünstadt und Speyer an dem System. Statistisch dürften wir im Saarland alleine mit Homburg und Saarbrücken schon besser aufgestellt sein. Insofern denke ich, kann man Rheinland-Pfalz an dieser Stelle nicht zum Vorbild nehmen. Die Gründe, warum so wenige daran partizipieren, kenne ich nicht. Diesbezüglich sollte man sich in Rheinland-Pfalz erkundigen, bevor man im Saarland ein solches Vorhaben startet. Ist es nicht praktikabel oder liegt es an den Kosten? Das sind zwei Fragen, die mir einfallen.
Überhaupt möchte ich den Antragsteller auf offene Fragen hinweisen, die man zunächst für die Ausgestaltung eines solchen saarländischen Mängelmelders klären müsste und die ich im Antrag ein Stück weit vermisse. Was geschieht mit den persönlichen Daten der Nutzer? Dass das von den PIRATEN vergessen wird, finde ich etwas erstaunlich. Was geschieht, wenn eine Kommune, in der ich etwas melde, nicht beim Mängelmelder mitmacht? Das sind offene Fragen, die ich an dieser Stelle sehe und über die wir uns im Ablauf, wie man das anwenden müsste, genau informieren müssen, bevor man sagt: Jawohl, das machen wir. Also nicht geradeaus Vollgas geben, sondern vorher noch einige Fragen stellen.
Mir ist Ihr Antrag - das sage ich ganz klar - sehr sympathisch und ich erkenne durchaus auch seinen Nutzen. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal in die Breite im Saarland schauen, weil Sie mangels einer kommunalen Verwurzelung seitens der PIRATEN die Realität, glaube ich, wie sie im Saarland in der Vergangenheit war, auch nicht so richtig kennen. Wie war es denn in der Vergangenheit? Ich denke, wir hatten da eine sehr pragmatische saarländische Lösung in den Gemeinden. Ich kenne sie aus Homburg, aus der Zeit vor der App, wo insbesondere die Stadtverordneten und die städtischen Mitarbeiter die Augen und die Ohren offen hielten und solche Mängel an die Stadtspitze meldeten. Ich kann mich selbst daran erinnern, dass ich, als ich noch im Stadtrat in Homburg war, mehrfach dem Oberbürgermeister via WhatsApp eine Nachricht mit Bild übermittelt habe, und der dann prompt den Baubetriebshof herausgeschickt hatte, der die Sache dann auch prompt erledigt hatte.
Ist Ihnen noch etwas aufgefallen? Ein kleiner Scherz am Rande: Es ist noch möglich, die Begriffe „Homburg, Baubetriebshof und Oberbürgermeister“ zu benutzen, ohne dass das negativ konnotiert wäre.
Diese Art der Einbeziehung der Bürger vor Ort halte ich übrigens für sehr positiv, auch an so einer Mängel-App. Sie haben ja einige Vorteile bezeichnet. Es wird insbesondere auch vermittelt, dass die Bürgerinnen und Bürger mitverantwortlich für das große Ganze sind. Dieser Gedanke des Gemeinwesens und der gemeinsamen Verantwortung für das Gemeinwesen wird durch eine solche Mängel-App wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt. Ich finde, das ist ein sehr positiver Ansatz.
Günter Waluga wirft ein, in Schiffweiler brauche das niemand. Habe ich das falsch gehört?
Ich mache weiter. Vor dem Hintergrund der von der Landesregierung geplanten weiteren Digitalisierung der Verwaltung und der verstärkten Zusammenarbeit mit den Kommunen und dem Zweckverband eGo im Zuge des E-Government-Paktes stellt die Integration eines Bürgerhinweisservice in den Bürgerdiensten Saar einen weiteren Mosaikstein zur Steigerung der Transparenz und der Bürgerbeteiligung dar und wird daher in einem gemeinsamen Projekt von Landesregierung und eGo-Saar geprüft werden.
Im Saarland planen wir eine solche Funktion bereits im neuen Bürgerdienst Saar, den wir dann ab 2017 gemeinsam mit den Kommunen und dem eGo weiterentwickeln wollen, dass das dort dann integriert wird. Im Rahmen der Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems ab 2020 wurden von der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern neben der erfolgreichen und nachhaltigen strukturellen Finanzhilfe für unser Bundesland am 14. Oktober 2016 auch weitere Maßnahmen für die Verbesserung der Aufgabenerledigungen im Bundesstaat beschlossen, und zwar heißt es dort: Die Online-Anwendungen der öffentlichen Verwaltung werden für alle Bürger und Bürgerinnen und die Wirtschaft über ein vom Bund errichtetes und zentrales Bürgerportal erreichbar gemacht. - An diesem Bundesportal sollten wir uns mit den Bürgerdiensten Saar andocken.
Dies vor der Neugestaltung und Weiterentwicklung der Bürgerdienste Saar gemeinsam mit den Kommunen und im Gleichklang mit dem neuen Bundesportal voranzutreiben und in diesem Zug auch die Funktionalität einer Melde-App zu integrieren, das halte ich für den richtigen Weg. Ich bin überzeugt, dass es keinen Sinn macht, verschiedene Plattformen zu unterhalten. Wir brauchen quasi einen einheitlichen Ansprechpartner für die Bürger, eine App, eine Anwendung mit allen wesentlichen Funktionen, und nicht mehrere, die man erst einmal suchen muss. Das wird zeitlich ab 2017, 2018 erfolgen. Eine vorherige Eigenentwicklung zur Integration in die heutigen Bürgerdienste Saar macht aus Wirtschaftlichkeitsgründen aus meiner Sicht daher keinen Sinn. Die Geduld bezüglich dieses einen Mosaiksteinchens in einem größeren Ganzen sollten wir aufbringen. Von daher lehnen wir den Antrag heute ab und unterstützen die Weiterentwicklung und die Einbindung in die Bürgerdienste Saar. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe eben das Wort Infraschall gehört, aber ich verschone Sie heute damit. Ich schneide das Thema nicht noch einmal an.
Das hätten ja beinahe Sie schon wieder gemacht. Sie haben ja auch schon wieder die 10H gebracht. Sie bringen jedes Mal etwas Neues mit dem Ziel, Windenergie zu verhindern.
Ich möchte ganz kurz auf die Debatte eben eingehen, bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, zunächst zum Vorwurf der kulturellen Barbarei. Den haben Sie ja schon des Öfteren gemacht, Herr Lafontaine, den Vorwurf der Zerstörung der Kulturlandschaft, der Zerstörung der Heimat durch Windräder. Dass bei dieser Betrachtungsweise, Kulturlandschaft und Heimat, die Zerstörung der Kulturlandschaft durch fossile Energiewirtschaft zum Beispiel in der Lausitz oder im Rheinland, wo die Landschaft für Generationen zerstört wird, einfach unter den Tisch gekehrt wird, möchte ich einfach mal so stehen lassen. Wer den Braunkohlebergbau in NordrheinWestfalen oder in Brandenburg von oben gesehen hat und wer hier im Land unter den nicht unüblichen Bodenabsenkungen, kleineren Erdbeben und Rissen in den Hauswänden als Folge des Kohlebergbaus gelitten hat, der weiß, welche Narben fossile Energien in der Landschaft bereits hinterlassen haben.
Letztes Jahr - diese Diskussion haben wir ja alle Jahre wieder - hatten Sie einen aufsehenerregenden Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschrieben. Da fand ich es recht interessant, dass in der recht fortschrittlichen sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland Jörg Staude auf Sie geantwortet hat - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Ein entscheidender Vorteil erneuerbarer Energien liegt in der Rückholbarkeit, der weitgehenden Reversibilität ihrer ökologischen Folgen. Windkraft und Solaranlagen, Biomasse-Kraftwerke und oberflächennahe Geothermie lassen sich im Grunde zu einer grünen Wiese zurückbauen.“
„Das kann man von der Atomkraft mit ihren ungelösten Endlagerproblemen wie auch von fossilen Energien nicht sagen. Sie hinterlassen unter wie über Tage langfristig ökologische Lasten. Die größten, noch gar nicht bezifferbaren Ewigkeitskosten entstehen durch den immer drastischeren Klimawandel. Wer bei aller Kritik an überdimensionierten Windanlagen solche grundlegenden Unterschiede nicht sieht oder nicht sehen will, hat sich geistig noch nicht vom fossilen Zeitalter gelöst.“
Ich spitze zu: Wenn Sie von kultureller Barbarei reden, von der Zerstörung von Landschaften, dann geschieht diese Zerstörung nicht durch Windenergie mit ihren rückholbaren ökologischen Folgen, sondern durch Tagebau etwa in der Lausitz und im Rheinland oder durch Atomstrom in Cattenom mit seinen ungelösten Endlagerproblemen.
Noch eine Sache in Zusammenhang mit der Betrachtung durch den Menschen: Wenn ich mir den Flächenverbrauch und die Landschaftsvernichtung durch den Kohlebergbau ansehe - ich habe die Lausitz und das Rheinland erwähnt -, warum sprechen Sie da nicht von einer kulturellen Barbarei und einer Zerstörung von Landschaft? Dort gilt nicht 10H, dort ist die Lösung einfach umgekehrt: Die Leute müssen weg. Ich glaube nicht, dass das der Weg ist, wie man Energiepolitik richtig machen kann.
Frau Präsidentin, ich möchte jetzt nicht auf die Energiedebatte eingehen, ich habe mich eigentlich vorbereitet auf den konkreten Antrag, der seitens der Partei DIE LINKE gestellt worden ist. Dieser beinhaltet zwei Forderungen. Erstens, die Wiederherstellung der alten Rechtslage des Landesentwicklungsplanes, Teilabschnitt „Umwelt“ in der Fassung vor der Änderung im Jahre 2011. Zweitens soll gleichzeitig durch eine nicht näher bezeichnete, unbestimmte Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingungen sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger vor Ort das letzte Wort haben.
Zur ersten Forderung, der Wiederherstellung der alten Rechtslage vor der Änderung im Jahre 2011. Nach Ziffer 65 des Teiles A: „Textliche Festlegungen“ des LEP, Teilabschnitt „Umwelt“ vom 13. Juli 2004, ist die Errichtung von Windenergieanlagen außerhalb von Vorranggebieten für Windenergie ausgeschlossen. Wenn Ihnen diese Forderung aus
Plenardebatten bekannt vorkommen sollte, so möchte ich an das Plenum vom 15.10.2013 erinnern, als dieses Thema schon einmal Gegenstand der Diskussion war. Auch wenn die Forderungen wieder die alten sind, möchte ich zur Begründung, warum wir den damaligen Antrag abgelehnt haben, nicht einfach auf das Protokoll von damals verweisen, sondern heute, gut zwei Jahre später, eine neuerliche Bewertung vornehmen. Ich glaube, das ist angemessen, weil sich in der Zwischenzeit auch einiges geändert hat, sei es auch nur die Zahl der Windkraftanlagen, die in der Zwischenzeit auch im Saarland genehmigt und gebaut worden sind.
Was hat sich im Vergleich zu damals geändert? Zum einen können mit der Veränderung von 2011 die Gemeinden im Rahmen ihrer Planungshoheit eigenständig Flächen für die Nutzung der Windenergie außerhalb von Vorranggebieten für Windenergie im Flächennutzungsplan darstellen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, nach § 5 in Verbindung mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Anlagen im übrigen Gemeindegebiet auszuschließen. Von der Möglichkeit der Steuerung der Windenergienutzung im Rahmen der Bauleitplanung haben die saarländischen Kommunen bisher rege Gebrauch gemacht. Mit Stand vom 31.05.2016 - Herr Kollege Kurtz hat Zahlen genannt - bestehen bereits 22 FlächennutzungsplanTeiländerungen in insgesamt 30 Städten und Gemeinden. Im Verfahren befinden sich bereits 11 weitere Flächennutzungsplanteiländerungen in weiteren 11 Städten und Gemeinden.
Ein Rückschritt auf die Rechtslage vor 2011 wäre daher, wenn überhaupt, nur sehr schwierig möglich.
Ich halte es an dieser Stelle für wichtig, zunächst noch einmal zu verdeutlichen, warum diese Gesetzesänderung im Jahre 2011 überhaupt vorgenommen wurde: Zum einen hätte die weitere Einengung der Windkraft im Saarland ausschließlich auf die Vorranggebiete zur Folge gehabt, dass es im Saarland ausgeschlossen gewesen wäre, den Anteil erneuerbarer Energien an der regionalen Stromerzeugung zu steigern, was aber eine notwendige Folge des Atomausstiegs nach Fukushima war. Zum anderen sollten den Städten und Gemeinden entsprechend der nach Baugesetzbuch grundsätzlichen Privilegierung von Windenergieanlagen und dem eingeräumten Planungsvorbehalt größere Spielräume hinsichtlich der Standortsuche, der Standortsicherung und der Festlegung von ergänzenden Vorrangflächen und auch Ausschlussflächen außerhalb der landesplanerisch festgelegten Vorranggebiete im Rahmen der Bauleitplanung ermöglicht werden. Etwas also, was der Planungshoheit der Städte und Gemeinden entsprach.
Der Entwicklung von weiteren Flächen für die Nutzung von Windenergie auf Ebene der Flächennutzungsplanung der Städte und Gemeinden stand die
zuvor genannte Zielfestlegung des Landesentwicklungsplans aufgrund der Bindungswirkung der Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung nach § 1 Abs. 4 BauGB entgegen. Die damals erfolgte Änderung des Landesentwicklungsplans folgte der grundsätzlichen Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich im Sinne von § 35 Abs. 1 Ziffer 5 BauGB in Zusammenhang mit dem Steuerungsinstrument aus § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Das ist der Planungsvorbehalt der Städte und Gemeinden. Durch die Privilegierung der Windenergie und der Forderung nach Schaffung von substanziellem Raum für Windenergie sollten damals, 2011, in größerem Umfang als zuvor Flächen für die Nutzung der Windenergie zur Verfügung stehen. Die ausgewiesenen Vorranggebiete für Windenergie blieben bestehen, unter anderem um Repowering-Maßnahmen zu ermöglichen.
Städten und Gemeinden obliegt gemäß § 1 Abs. 3 BauGB die Aufgabe, städtebauliche Entwicklung und Ordnung durch die Aufstellung von Bauleitplänen zu regeln und die in § 1 Abs. 5 genannten Ziele zu sichern; das sind soziale, wirtschaftliche und umweltschützende Anforderungen, der Klimaschutz, der Städtebau, das Orts- und Landschaftsbild. Der Reglementierung von Windenergieanlagen im Gemeindegebiet muss dabei laut Bundesverwaltungsgericht ein schlüssiges Gesamtkonzept zugrunde liegen. Hierfür müssen alle infrage kommenden Flächen untersucht, ein Konzept für den gesamten Außenbereich erstellt und Ausschlusskriterien gleichmäßig angewandt werden.
Die besondere Privilegierung im Baugesetzbuch verpflichtet die Städte und Gemeinden, für Windenergieanlagen in substanzieller Weise Raum zu schaffen. Die Steuerung der Ansiedlung von Windenergieanlagen kann nur über eine Abwägung von zum Teil ortsspezifischen Belangen - etwa das Landschaftsbild, das haben Sie mit Recht erwähnt, oder besonders schützenswerte Bereiche - und deren Zusammenfassung in einem schlüssigen Gesamtkonzept für das gesamte Gemeindegebiet erfolgen, das den Privilegierungsabsichten des § 35 BauGB entspricht. Auf gut Deutsch: Man darf auch keine Negativplanung machen. Den Städten und Gemeinden wurde somit damals aus gutem Grund die Möglichkeit eröffnet, in ihrem Gemeindegebiet entscheidenden Einfluss auf die Errichtung von Windenergieanlagen zu nehmen.
Ein derart umfassender Regelungsbedarf, wie ihn der Gesetzgeber an die Steuerungsmöglichkeit der Ansiedlung von Windenergieanlagen stellt, übersteigt im Übrigen die Verpflichtung der Landesplanung, die Anforderungen an den Raum auf der Ebene des gesamten Saarlandes abzustimmen. Die Aufgabe der Landesplanung ist die übergeordnete, überörtliche und zusammenfassende staatliche Pla
nung. Bei einem Rückschritt auf die Rechtslage vor 2011 wäre ein Steuerungskonzept erforderlich; das wäre aber nicht zielführend und würde sehr viel Geld und sehr viel Zeit kosten. Darüber hinaus müsste im Falle der Rückkehr zu einer Rechtslage von vor einigen Jahren auch der Vertrauensschutz für Kommunen Berücksichtigung finden, was erhebliche Probleme schaffen würde. Auch die Frage des Bestandsschutzes wäre zu thematisieren. Zudem werfen mögliche Schadensersatzansprüche von Investoren viele Fragen auf, die ebenfalls die Schwierigkeit eines Rückschritts zu einer alten Rechtslage aufzeigen. Das alles zeigt somit auch, dass eine solche „Rolle rückwärts“ heute, nach nur ein paar Jahren, kein geeigneter Weg ist, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den beiden im Raum stehenden Zielen zu finden. Diese Ziele sind einerseits der Ausbau der erneuerbaren Energien und andererseits die Vermeidung möglicher Eingriffe zulasten von Mensch, Natur und Umwelt.
An dieser Stelle sollte man auch eine weitere Veränderung im Vergleich zu 2011 festhalten: den Umstand, dass es mittlerweile im Land eine viel größere Dichte an Windenergieanlagen und einen größeren Flächenverbrauch zur Windenergiegewinnung gibt. Das haben Sie ja vorhin auch dargestellt. Natürlich gehen damit auch Beeinträchtigungen einher, die eine fortgeschrittene Dichte an Windkraftanlagen nun einmal mit sich bringt. Deshalb kommen auch immer mehr Menschen zur Auffassung, dass eben nicht an jeder nur möglichen Stelle eine solche Anlage stehen muss.
Wir kommen deshalb zu folgendem Ergebnis: Ja, wir stehen zur Energiewende. Aber wir sind auch der Auffassung, dass unnötige Eingriffe in die Natur dort unterbleiben sollten, wo sie aufgrund schwacher Windverhältnisse keinen Sinn machen.
Durch eine Umsteuerung beim EEG 2016, die wir als CDU-Landtagsfraktion unterstützen, wird man zu einer Eingrenzung dergestalt kommen, dass künftig ein effizienterer Mitteleinsatz gewährleistet werden soll, indem Anreize für den Bau effizienter Anlagen an besonders windhöffigen Standorten geschaffen werden.
Gestatten Sie mir eine weitere Anmerkung, denn auch der heute von Ihnen gestellte Antrag hat ja eine Vorgeschichte: Wir sprechen heute bereits zum fünften Male im Plenum über das Thema Windkraftanlagen. Sie haben in den Debatten am 15. Oktober 2013, am 19. März 2014, am 23. September 2014 und zuletzt am 22.04.2015 immer das gleiche Sachthema in diversen, mehr oder weniger ähnlichen Anträgen und Gesetzesentwürfen thematisiert; Herr Kollege Neyses hat das vorhin schon zusammengefasst. Dabei ist deutlich geworden, dass Sie im Un
terschied etwa zu Ihrer Bundestagsfraktion geradezu auf einem Kriegspfad in Sachen Windenergieanlagen sind und im Gegensatz zur LINKEN im Bund beharrlich weiterhin Ihren Kampf als Don Quijote führen: Sie kämpfen heute bereits zum fünften Male mit Windmühlen. - Der Eindruck aus allen fünf Debatten ist: Der Strom im Hause Lafontaine kommt aus der Steckdose. Wer ihn dort einspeist? Daran scheint wohl irgendwie auch der heilige Florian beteiligt zu sein. Es ist schon ein sehr theoretischer Begriff von der Energiewende, den Sie haben, frei nach dem Motto „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“
Dabei müssten Sie, Herr Lafontaine, genau wissen, dass man in der Regierungsverantwortung so nicht operieren kann, sondern sich in einer Gesamtwürdigung aller Umstände am größtmöglichen Gemeinwohl orientieren muss.
Dazu gehört dann im konkreten Falle auch, dass man sich für die Energiewende einsetzt. Diesbezüglich fehlt es mir bei Ihnen an jeder Stelle.
Zu Ihrer zweiten Forderung, zur Forderung nach dem letzten Wort für die Bürgerinnen und Bürger: Ich gehe jedenfalls davon aus, dass diese unbestimmte und unsubstantiierte Forderung nach dem letzten Wort dahingehend zu verstehen ist, dass Sie die Möglichkeit eines Bürgerentscheids als Element der unmittelbaren Demokratie beim Bau von Windkraftanlagen thematisieren wollten. Das wäre dann eine Wiederholung der Debatte vom 19.03.2014. Sie wissen aber natürlich, dass es Regierungsfraktionen unmöglich gemacht wird, einem Antrag zuzustimmen, wenn sie beim Lesen schon raten müssen, was überhaupt gemeint ist.
Zur Sache: Wir alle wissen, dass es vor Ort in den Kommunen nicht immer einfach ist, mit der Windkraft umzugehen. Viele Bürgerinnen und Bürger tun sich damit aus verschiedenen Gründen sehr schwer. Dabei kommt es oft vor - auch mir geht es so -, dass man vorgebrachte Gründe durchaus nachvollziehen kann. Ich hätte vorhin auch bei einigen Dingen, die Sie geäußert haben, sagen können, „ja, das ist richtig“ oder „das kann ich nachvollziehen“, aber dieser Gesamtaufwasch, den Sie gemacht haben, der stört mich schon. Man kann also viele Gründe durchaus nachvollziehen, man kann aber viele Gründe eben auch nicht nachvollziehen. Das geht, so denke ich, vielen Kollegen hier im Raum so. Am Ende haben wir es immer mit einem Zielkonflikt bezüglich einerseits des Ausbaus der erneuerbaren Energien aufgrund der Energiewende und andererseits des Schutzes und der möglichst geringen Beeinträchtigung von Mensch, Natur und Umwelt zu tun.
Ich möchte an dieser Stelle noch daran erinnern, dass im Baugesetzbuch ja immer noch der Privilegierungstatbestand für die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Windenergie zu finden ist. Mir ist, mit Blick auf Ihren Antrag, nicht so ganz klar, wie sich das zu Ihrer Forderung nach dem letzten Wort verhält: Ist das disponibel? Gilt das nicht, wenn ein Bürgerentscheid besagt, „nein, wir wollen das nicht“? Wie kann man durch ein Landesgesetz ein Bundesgesetz einschränken? Auch das ist mir nicht klar. Auch diesbezüglich machen Sie es uns schon allein durch die fehlende Präzision Ihres Antrags unmöglich, diesem zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, unser saarländisches KSVG ermöglicht es, die Bürgerinnen und Bürger durch einen Bürgerentscheid als Element der unmittelbaren Demokratie aktiv in die Verantwortung der Gemeinde einzubeziehen. Die Angelegenheiten, die von vornherein nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein können, sind dabei abschließend in § 24a Abs. 4 KSVG aufgezählt. Das ist eine Regelung, die mit dem Gesetzentwurf zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften am 03.04.1986 Drucksache 11/675 - von der Landesregierung des Saarlandes in den Landtag eingebracht worden ist. Damals hieß der Ministerpräsident Oskar Lafontaine, und die Begründung zu dem Gesetzentwurf war sehr ausgewogen bei der Frage, was und warum etwas nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein kann. Ich verweise hierzu auf meine Ausführungen vom 19.03.2014.
Jeder von uns weiß also, es ist vor Ort nicht einfach, mit der Windkraft umzugehen. Die Grundvorstellungen der CDU mit Blick auf das Verhältnis des Bürgers zu seiner Gemeinde orientiert sich dabei grundsätzlich am Bild des mündigen Bürgers, der an Entscheidungen beteiligt ist, der mit eingebunden ist, der Entscheidungen mitträgt. Wir sind aber genauso der Auffassung, dass die gewählten Gremien nicht von ihrer Verantwortung entbunden werden können. Es darf nicht dazu kommen, dass volkswirtschaftlich notwendige Maßnahmen, zum Beispiel der Netzausbau für die Energiewende, nicht mehr gewährleistet werden können. Neben Rechtsgründen sind es daher auch ordnungspolitische Gründe, die uns an dem bestehenden Negativkatalog, den die Regierung Lafontaine eingeführt hat, festhalten lassen. Wir befinden uns in dem klassischen Spannungsverhältnis zwischen Basisdemokratie und Handlungsfähigkeit des Staates sowie im Spannungsverhältnis zwischen Basisdemokratie und repräsentativer Demokratie.
Nach meiner festen Überzeugung darf es auch in Zukunft nicht zu einer scheibchenweisen Aushöhlung der repräsentativen Demokratie kommen. Unser Staatswesen kann sich dies nicht leisten, wenn wir weiter unseren Wohlstand durch die Schaffung
von Infrastruktur sichern wollen. Der Gemeinderat darf nicht in seiner Stellung als zur Entscheidung und Verantwortung berufenes Gremium geschwächt werden. Wir sollten im Gegenteil unsere mehr als 5.000 kommunalen Mandatsträger in den Orts- und Gemeinderäten in ihrer Verantwortung für die grundlegenden Angelegenheiten, die sie für unser Gemeinwesen und eine faire und solidarische Gesellschaft freiwillig und ehrenamtlich übernehmen, stärken. Dieses große und mitunter aufreibende Engagement ist ein großer Wert für unser Land und muss in unseren Entscheidungen ebenso Berücksichtigung finden.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung ist eine kommunalfreundliche Landesregierung. Demokratie ist immer schwierig. Sie hat schwierige Abwägungsprozesse zu tätigen; es lohnt sich aber täglich, um die Demokratie zu kämpfen. Wir treten deshalb aus Überzeugung ein für eine starke kommunale Selbstverantwortung und für einen unverzichtbaren Kernbereich repräsentativer Demokratie auch auf der kommunalen Ebene - unseren Gemeinden mit ihren schwierigen Planungs- und Gestaltungsaufgaben in unserem dicht besiedelten Industrieund Energieland Saarland zuliebe. Die CDU-Landtagsfraktion lehnt Ihren Antrag deshalb ab. In Bezug auf die Ausführungen im Antrag der GRÜNEN schließe ich mich dem Kollegen Kurtz an. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Sowohl das Saarländische Verwaltungsvollstreckungsgesetz als auch das Gesetz über den Öffentlichen Personennahverkehr enthalten derzeit eine Befristung zum 31. Dezember 2015. Für beide Gesetze gilt aber, dass ihre Fortdauer landesrechtlich nicht verzichtbar ist. Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz, dessen Änderungs
gesetz sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet, soll daher entfristet werden. Die Befristung des Gesetzes über den Öffentlichen Personennahverkehr soll im Hinblick auf eine geplante Novellierung um ein Jahr auf den 31.12.2016 verlängert werden.
Aus Anlass der Entfristung beziehungsweise der Verlängerung der Befristung der Gesetze erfolgt gleichzeitig eine organisatorische Anpassung der geänderten Stammgesetze an die zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen im Bereich der obersten Landesbehörden. Konkret bedeutet dies, dass die entsprechenden Gesetze bezüglich der Zuständigkeit und der Organisationsregelung an die neuen Bekanntmachungen der Geschäftsbereiche der obersten Landesbehörden angepasst wurden. Inhaltliche Fragen beider Gesetze werden hiervon nicht berührt. Diese werden Gegenstand der jeweiligen Gesetzesänderungsverfahren sein. In diesem Sinne darf ich recht herzlich um Zustimmung und Überweisung in den zuständigen Ausschuss bitten. Herzlichen Dank. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute in Zweiter Lesung die LBO. Lassen Sie mich kurz drei wesentliche politische Punkte in Erinnerung rufen.
Erstens: Die bereits bestehende allgemeine Verpflichtung zum Einbau von Rauchmeldern wird nun neu auch auf Bestandsgebäude übertragen. Durch diese Neuregelung erzielen wir mittelfristig einen wichtigen, breiteren Gefahrenschutz in der Bevölkerung.
Ich habe dies bereits in der Ersten Lesung im Januar ausführlich dargestellt. Rund 4.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland bei den rund 200.000 gemeldeten Bränden, die meisten davon in den eigenen vier Wänden. Beinahe jedes dritte Brandopfer ist ein Kind. Rund 4.000 Menschen pro Jahr erleiden schwere Brandverletzungen, die oftmals zu bleibenden Körperschäden führen. Nach Feuerwehrstatistiken verbleiben im Durchschnitt nur vier Minuten zur Flucht nach Ausbruch eines Brandes.
Rauchmelder warnen rechtzeitig, noch bevor sich die tödliche Rauchkonzentration gebildet hat. Im Brandfall schafft der Alarm des Rauchmelders daher einen Vorsprung, damit man sich und seine Familie in Sicherheit bringen kann. Auch unsere Feuerwehren gewinnen durch ein schnelleres Entdecken der Brände und einen früheren Notruf wertvolle Minuten zur Brandbekämpfung. Rauchmelder haben sich also als Lebensretter und als wesentlichen Bestandteil des vorbeugenden Brandschutzes bewährt.
Die Pflicht zur Ausstattung der Wohnung mit Rauchmeldern trifft nach dem Gesetz die Eigentümer, die Pflicht zur Sicherstellung der Betriebsbereitschaft nach einem neuen Satz 4 des § 46 Abs. 4 LBO den unmittelbaren Besitzer der Wohnung, also den Mieter. Durch diese Regelungen werden umlagefähige Nebenkosten zugunsten der Mieter eingespart und es entfällt auch die Verpflichtung für den Mieter, Dritten Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren.
Einen zweiten Punkt möchte ich ansprechen. Der Vorsitzende hatte das kurz erwähnt. Landesregierung und die Regierungsfraktionen von CDU und SPD setzen heute einen Teil unseres Koalitionsvertrages um und gestalten das Verfahrensrecht der LBO flexibler. Wir ändern die LBO so, dass Bauherren die Wahlfreiheit haben, ihr Bauvorhaben im Rahmen des bisherigen Freistellungsverfahrens oder alternativ nach einem förmlichen Genehmigungsver
fahren zu realisieren. Der Grund für diese Änderung ist die Erkenntnis, dass es ein Bedürfnis des Bauherrn nach Rechtssicherheit gibt.
Drittens: Den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen wurde bereits im Regierungsentwurf stärker als bisher Rechnung getragen. Damit werden wichtige Schritte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unternommen.
Die beiden Fraktionen von CDU und SPD haben in ihrem Abänderungsantrag allerdings als Ergebnis der Anhörung einige weitere wichtige Punkte ergänzt. Wir haben so im § 2 Abs. 11 LBO die gesetzliche Definition des Begriffs der Barrierefreiheit erweitert. Unsere Neufassung bezieht jetzt alte Menschen und Personen mit Kleinkindern in die Begriffsdefinition der Barrierefreiheit ein, da auch dieser Personenkreis auf den barrierefreien Zugang und die freie Nutzbarkeit baulicher Anlagen angewiesen ist.
Im § 39 Abs. 5 Satz 1 schreiben wir künftig vor, dass im Interesse der Blinden und Sehbehinderten die Ausstattung der Aufzüge mit Sprachmodulen gefordert wird. Die dadurch entstehenden Mehrkosten von rund 300 Euro bei einer Neuanlage sind unserer Auffassung nach zumutbar. Im § 46 Abs. 3 passen wir die Zahl der Wohnungen, ab der Abstellräume unter anderem für Rollstühle herzustellen sind, an die Zahl der Wohnungen an, ab der nach Maßgabe des § 50 die Anforderungen der Barrierefreiheit gelten. Künftig sind demnach für Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen leicht erreichbare und gut zugängliche Abstellräume für Kinderwagen, Fahrräder, Kinderspielgeräte und Rollstühle herzustellen.
Im § 50 LBO wird des Weiteren wegen der Bedeutung des Außenwohnbereiches für die Lebensqualität der Menschen die Barrierefreiheit auch für Freisitze, das heißt also für Terrassen, Balkone und Loggien vorgeschrieben. Der Zusatz „soweit vorhanden“ stellt allerdings klar, dass die Vorschrift nicht zur Ausstattung einer barrierefrei erreichbaren Wohnung mit einem Freisitz verpflichtet.
Einer besonders wichtigen Forderung etwa der Behindertenbeauftragten der Behindertenverbände, aber auch vonseiten der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes sind wir dadurch nachgekommen, dass wir künftig den Prüfkatalog des vereinfachten Genehmigungsverfahrens um die Anforderungen des barrierefreien Bauens nach § 50 erweitern. Damit erreichen wir eine ganz wesentliche behördliche Begleitung für behindertengerechtes Bauen schon in der Planungsphase, aber auch später in der Ausführung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Die Landesregierung und die Koali
tionsfraktionen von CDU und SPD haben eine LBONovelle vorgelegt, die geänderten gesellschaftlichen Anforderungen und Entwicklungen auf dem Gebiet der Bautechnik Rechnung trägt. Wir haben nach umfangreichen Anhörungen und intensiven internen Beratungen Abänderungsanträge vorgelegt - ich habe sie nur auszugsweise wiedergegeben -, die es auch weiterhin möglich machen, kostengünstig zu bauen.
Unser primäres Ziel war und ist, dass man im Saarland noch bauen kann. Wir haben eine moderne Bauordnung und keine „Bauverhinderungsordnung“. Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen haben wir angemessen beachtet und damit auch wichtige gesellschaftspolitische Anliegen und gesellschaftliche Entwicklungen, etwa die einer älter werdenden Bevölkerung, berücksichtigt. Diese LBO-Novelle macht das Bauen und das Mieten im Saarland nicht ohne Not teurer. Die Große Koalition im Saarland verlangt nicht einerseits die Schaffung von günstigem Wohnraum und macht andererseits das Bauen ständig teurer, schwieriger oder riskanter. Die Bauwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in unserem Lande und für das Wirtschaftswachstum im Saarland unverzichtbar. Auch mit Blick darauf will unsere LBO-Novelle eine zukunftsfähige Baukultur.
Ich habe mich im Ausschuss darüber gefreut, dass die GRÜNEN dem Abänderungsantrag der Großen Koalition zugestimmt haben. Ich hoffe, das ist auch heute der Fall.
Bedanken möchte ich mich abschließend bei allen, die im Rahmen der Anhörung zum Entstehen der LBO beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für Inneres und Sport, dort dem Team um Frau Bäumer-Neus und Herrn Abteilungsleiter Rupp. Bedanken möchte ich mich abschließend auch bei den Kolleginnen und Kollegen für die jederzeit sachliche, ergebnisorientierte, unaufgeregte Zusammenarbeit. Ich möchte mich bei Frau Kolb bedanken für die persönlich gute Zusammenarbeit und auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktion. Ich bitte namens der CDU um abschließende Zustimmung zu dem Gesetz unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags des Ausschusses für Inneres und Sport. - Danke schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge verfolgen das Ziel, die Einführung der Vorratsdatenspeicherung zu verhindern. Diese sei nicht erforderlich und nicht verhältnismäßig.
Bei dem Gesetz geht es um die Balance zweier großer Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung: um Freiheit und um Sicherheit. Ich möchte in der Folge darstellen, warum die Vorratsdatenspeicherung erforderlich ist und warum sie verhältnismäßig ist. Ich werde begründen, warum sich die Landesregierung nach Auffassung der CDULandtagsfraktion gerade nicht gegen das Gesetz im Bundesrat stellen soll.
Auf der einen Seite, wo es um den Wert der Freiheit geht, haben wir das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf eine unkontrollierte freie Telekommunikation. Auf der anderen Seite, wo es um den Wert der Sicherheit geht, geht es um den Anspruch der Menschen auf eine effektive Strafverfolgung, auf eine rasche Aufklärung und Ahndung von Verbrechen und darum, dass wir präventiv einen effizienten Beitrag dazu leisten, dass weitere Verbrechen erst gar nicht geschehen. In Artikel 6 der Europäischen Grundrechtecharta heißt es nicht ganz zufällig in einem einzigen Satz kurz und prägnant: „Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.“
Es geht bei der Vorratsdatenspeicherung also um die mitunter schwierige Balance zwischen Freiheit einerseits und Sicherheit andererseits - gerade in dem schwierigen Feld der digitalen Welt. Diese Balance muss bewahrt werden und dazu brauchen wir klare Regelungen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich nenne Ihnen zu Beginn den verfassungsrechtlichen Rahmen zur Orientierung. Das Bundesverfassungsgericht sagt zu den Vorratsdaten: „Eine vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten zur späteren anlassbezogenen Übermittlung an die für die Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr zuständigen Behörden (…) darf der Gesetzge
ber zur Erreichung seiner Ziele als geeignet ansehen. Es werden hierdurch Aufklärungsmöglichkeiten geschaffen, die sonst nicht bestünden und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Telekommunikation auch für die Vorbereitung und Begehung von Straftaten in vielen Fällen erfolgversprechend sind.“ Klarer als der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts kann man zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten nicht Stellung beziehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat also die Vorratsdatenspeicherung als Sicherheitsmaßnahme ausdrücklich anerkannt, aber genauso wie der Europäische Gerichtshof erklärt, dass dieser enge Grenzen gesetzt werden müssen. Richtig ist, das ist heute schon mehrfach gesagt worden: Die Speicherung von Verbindungsdaten stellt keinen unerheblichen Eingriff in die Grundrechte dar. Deshalb ist es wichtig und richtig, ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, Freiheitsrechte und Datenschutz so weit wie möglich zu sichern und zu bewahren. Es geht darum, hohe Datenschutzstandards mit den Zielen der Verbrechensbekämpfung in Einklang zu bringen.
Was mich an Ihren Anträgen und auch an Ihren Wortbeiträgen sehr stört, ist, dass dort viel über Daten geschrieben wird und dass Sie den Datenschutz ansprechen, aber an keiner Stelle sprechen Sie über Verbrechensbekämpfung. Die findet bei Ihnen überhaupt nicht statt!
Ihre Anträge stehen nur auf einem Bein. Das ist schon heftig, passt allerdings zu anderen Dingen, die wir in diesem Haus von Ihnen hören und lesen.
Meine Damen und Herren, dabei gehen die Einschränkungen bei der Speicherung und die hohen Hürden beim Abrufen weit über das hinaus, was in den bisherigen Regelungen enthalten war. Die Regelungen zur Speicherung von Daten sind klar, transparent und streng, um unverhältnismäßige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte auszuschließen. Nicht gespeichert werden dürfen: jeder Inhalt von Kommunikation, der gesamte E-Mail-Bereich und die von einem Nutzer aufgerufenen Internetseiten. Es dürfen keine Persönlichkeits- und Bewegungsprofile aufgrund der gespeicherten Daten erstellt werden. Standortdaten bei Mobiltelefonaten dürfen höchstens vier Wochen, alle anderen Daten höchstens zehn Wochen gespeichert werden. Günter Waluga hat die Gründe dafür ausführlich genannt.
Alle Daten müssen unmittelbar nach Ablauf der Fristen gelöscht werden. Die Erlaubnis, die bei einem
Unternehmen wie Telekom oder Vodafone gespeicherten Daten abrufen zu dürfen, darf nur von einem Richter erteilt werden. Wir haben hier einen Richtervorbehalt - und dies auch nur anlassbezogen, wenn ein Kunde wegen einer schwersten Straftat in Verdacht steht, die in einem Katalog präzise und abschließend benannt ist, zum Beispiel bei Mord, Totschlag, bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und bei Kinderpornographie.
Was auch wichtig ist, ist die Benachrichtigungspflicht an die Betroffenen. Das heißt, die Betroffenen sind grundsätzlich vor der Datenerhebung zu informieren. Die Maßnahme ist also als eine offene Ermittlungsmaßnahme ausgestaltet. Die Zurückstellung der Benachrichtigung ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn andernfalls der Ermittlungszweck oder der Ermittlungserfolg gefährdet wird. Wir haben also ein Ausnahme-Regel-Verhältnis. Der Regelfall ist die Information der Betroffenen.
Die Daten aller Berufsgeheimnisträger dürfen ausdrücklich nicht abgerufen werden, auch das ist von Günter Waluga ausführlich dargestellt worden. Der Missbrauch von Daten wird übrigens auch unter Strafe gestellt, mit dem neuen Straftatbestand des § 202d Strafgesetzbuch, der Datenhehlerei. Damit wird eine, wie ich finde, empfindliche Gesetzeslücke geschlossen.
Ich fasse zusammen. Der aktuelle Gesetzentwurf ist ein ausgezeichnetes Beispiel gerade dafür, wie sensibel unser Rechtsstaat mit der notwendigen Balance der Grundwerte Freiheit und Sicherheit umgeht.
Der Gesetzentwurf ist ein großer Erfolg. Vor allem der konsequenten Verhandlungsführung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seinem Kollegen Bundesjustizminister Heiko Maas ist es zu verdanken, dass man sich nach einem langwierigen Prozess auf ein Gesetz einigen und dieses in den Bundestag einbringen konnte. Die gefundene Regelung ist wirksam und maßvoll zugleich, sie sorgt für ein Stück mehr Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und schützt ihre Freiheit. Sie hält die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes ein.
Noch einmal: Es geht nicht um einfache Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, es geht nicht um Diebstahl oder Temposünder. Es geht um die schwersten Verbrechen, die unser Strafgesetzbuch kennt. Es geht auch hauptsächlich um Daten, die die Telekommunikationsunternehmen heute schon für die Erstellung der Rechnung an ihre Kunden speichern, aber - und das haben die Sicherheitsbehörden in den Anhörungen im Bundestag gesagt - diese Speicherfristen werden völlig unterschiedlich gehandhabt und so führt bei der Verbrechensaufklärung „Kommissar Zufall“ Regie. Jetzt gibt es eine klare, für alle
verbindliche und angemessene Regelung und damit auch Rechtssicherheit.
An dieser Stelle darf es dann auch verwundern, dass viele, die die Vorratsdatenspeicherung dennoch ablehnen, weil sie nicht möchten, dass ihre Daten kurzfristig ohne Vorliegen einer Straftat gespeichert werden - das ist ja der Grund, warum man das ablehnt -, kein Problem damit haben, ihre Daten amerikanischen Unternehmen wie Facebook, Google oder Apple anzuvertrauen. Ich sage es mal plakativ: Wer diesen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung, der den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz äußerst sensibel berücksichtigt, als Teufelswerk brandmarkt, aber ein Facebook-Konto hat oder ein iPhone sein Eigen nennt, wo jeder weiß, dass der Server in Amerika steht und die NSA Daten abgreift, der misstraut unserem eigenen Rechtsstaat mehr als diesen amerikanischen Konzernen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist, wie ich finde, eine sehr seltsame Entwicklung, die ich mir nicht zu eigen machen möchte. Da stimmen die Verhältnisse nicht mehr. Wenn das Internet zu Demokratie und Freiheit beitragen soll, dann setzt dies sicher auch das Vertrauen in den eigenen Rechtsstaat voraus und auch eine Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger, wie was läuft.
Meine Damen und Herren, ich bin keineswegs der Auffassung, dass die Vorratsdatenspeicherung ein Allheilmittel ist, um jegliche schwere Straftat sicher aufklären zu können. Aber was Sie bei Ihrem Antrag „Vorratsdatenspeicherung stoppen“ völlig ausblenden, ist nicht nur - wie bereits geschildert - das Ziel der Verbrechensbekämpfung, sondern insbesondere auch die Sicherheitslage. Das ist schon atemberaubend, gerade wenn man das ganze Jahr über Ihre Anträge und Wortbeiträge verfolgen kann. Ein prominentes, oft wiederholtes Argument, das durch Wiederholung aber auch nicht besser wird, lautet, dass die Vorratsdatenspeicherung ungeeignet sei, Anschläge wie in Paris zu verhindern. In Paris seien die Anschläge nicht verhindert worden. Wer so argumentiert, der verwechselt mal eben im Vorbeigehen präventives Handeln mit repressivem polizeilichem Handeln, dem Handeln, nachdem eine Straftat bereits erfolgt ist.
Es geht hier primär um ein wirksames Ermittlungsinstrument zum Zweck der Strafverfolgung. Damit werden aber auch weitere potenzielle Opfer geschützt, und zwar, weil die Polizei nachschauen kann, mit wem diese Personen in den letzten zehn Wochen telefoniert haben, wo sie sich in den letzten vier Wochen aufgehalten haben, wer mit wem kommuniziert. Unsere Sicherheitsbehörden können daraus Schlüsse ziehen, wie die Netzwerke beschaffen sind und dann auch präventive Maßnahmen ablei
ten. Unsere Behörden brauchen die entsprechenden Instrumente, um diese schweren Taten - ich habe sie beschrieben - aufzuklären oder zu verhindern. Es ist absurd, den Sicherheitsorganen nicht zu erlauben, dieselben Mittel der Technik zu nutzen, die die Feinde von Freiheit und Sicherheit längst nutzen.
Ich frage mich schon, in welcher Welt Sie eigentlich leben. In Europa mit seinen Konflikten nicht nur an den Rändern, in Europa, wo es den Terror gibt und wo wir auch negative Folgen der Globalisierung haben, scheinen Sie jedenfalls nicht zu leben. Es gibt in Deutschland zum Beispiel etwa 1.000 Salafisten, die von unseren Sicherheitsbehörden als gewaltbereit angesehen werden. Von ihnen sind mehrere Hundert in die Krisengebiete ausgereist, werden dort an Waffen und Sprengstoff geschult und kommen danach radikalisiert zurück. Lesen Sie eigentlich wenigstens die Zeitungen? In einigen Artikeln - übrigens auch in diesen Tagen - ist davon die Rede, wie der IS Krieg und Terror nach Europa tragen will.
Es fällt schon auf: Diejenigen, die heute die Speicherung der Telekommunikationsdaten ablehnen, sind auch diejenigen, die nach der Aufdeckung der NSU-Terrorzelle gefordert haben, alle Neonazi-Netzwerke zu enttarnen. Wer die Helfer dieser NSU-Mörder waren, ließ sich aber nicht mehr ermitteln. Wer angesichts dessen unserer Polizei Ermittlungsinstrumente wie die Vorratsdatenspeicherung verwehrt, die in diesem Gesetzentwurf penibel auf Verhältnismäßigkeit geprüft wurde, wer die hohen Hürden nicht zur Kenntnis nimmt, zum Beispiel auch die Hürde, dass im Unterschied zu Unrechts- oder Überwachungsstaaten - die Stasi lässt hier grüßen - keine Inhalte gespeichert werden, wer sich so geriert, als ginge die Bedrohung von den Beamten in den Ermittlungsbehörden und unseren Polizistinnen und Polizisten, die ihre Aufgaben erfüllen, aus und nicht von Terroristen und Kriminellen, die die Freiheit und Sicherheit bedrohen, wer den Verfassungsschutz abschaffen will - trotz Fällen wie der SauerlandGruppe und Eric Breininger -, der hat eine völlig verquere Sicht auf unseren Rechtsstaat und auf unsere Sicherheitsbehörden.
Mit der Betrachtung der Wirklichkeit, mit den Herausforderungen in diesem Land, mit Verantwortung für unser Land und dem Anspruch unserer Bürger auf Sicherheit - Anspruch auf Sicherheit ist auch ein Grundrecht - hat das nichts zu tun. Wer sich mit diesen hohen Hürden bei der Anwendung der Vorratsdatenspeicherung vor dem Hintergrund dieser Bedrohungslage in Europa - wo auch weitere Anschläge zu erwarten sind - in dieser Weise beschäftigt und wer angesichts bandenmäßig organisierter Schwerstkriminalität derart sensibel ausbalancierte
Ermittlungsinstrumente stoppen will, der hat nicht verstanden, dass Freiheit ohne Sicherheit nicht dauerhaft gewährleistet werden kann.
Es geht um nicht weniger als um unsere Demokratie. Es geht um unsere offene Gesellschaft. Ihnen muss man sagen: Die offene Gesellschaft ist nicht von ganz alleine da. Wir müssen sie wertschätzen und uns immer wieder für sie einsetzen. Wir wollen in Frieden und Freiheit leben. Wir wollen in einer offenen und toleranten Gesellschaft leben. Dazu braucht es eine wehrhafte Demokratie. Sie aber tun gerade so, als gäbe es keinen Anspruch der Bürger auf Sicherheit. Europa ist für Sie der Wegfall der Roaming-Gebühren, das haben Sie heute noch unter Punkt 13 auf der Agenda.
Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass es die Vorratsdatenspeicherung in mehr als 20 EU-Mitgliedsstaaten gibt und dass die Parlamente in Europa dort, wo Gerichte konkrete Regelungen aufgehoben haben, verfassungskonforme Neuregelungen verabschieden. Es wäre sachdienlich, wenn Sie die Wirklichkeit in Europa zur Kenntnis nehmen würden. Ein europäisches Gerichtsurteil ist nicht das Ende der Diskussion, sondern führt in Europa in der Regel dazu, dass aus naheliegenden Gründen ein neuer, angepasster Gesetzentwurf verabschiedet wird.
Denken Sie auch einmal darüber nach, wie es denn wäre, wenn sich Deutschland von den europäischen Sicherheitsstandards entkoppeln würde - 20 andere Länder haben die Vorratsdatenspeicherung - und damit zu einem für Schwerverbrecher und Terroristen interessanten Hafen würde. Sie haben nicht nur einen ideologischen Tunnelblick auf Grundwerte, sondern befinden sich auch völlig unabhängig von der Vorratsdatenspeicherung fortgesetzt auf einer sicherheitspolitischen Geisterfahrt - gegen Schleierfahndung und Vorratsdatenspeicherung, und die Abschaffung des Verfassungsschutzes wollen Sie auch.
Sie wehren sich heute gegen eine rechtsstaatliche und maßvolle Regelung zur Vorratsdatenspeicherung und machen im Ergebnis Polizei und Justiz dümmer, als sie im Zeitalter der Kommunikation sein dürfen. Sie gönnen sich damit übrigens eine sehr komfortable Haltung, die muss man sich aber leisten können. Sie könnte aber schnell enden, wenn Sie selbst oder Ihre Lieben Opfer einer Straftat geworden sind. Ihrem Antrag fehlt die notwendige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Wir lehnen ihn daher ab. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sie legen uns heute, meine Damen und Herren von der LINKEFraktion, genau denselben Gesetzestext vor, den Sie uns bereits im vergangenen September präsentiert haben. Der Gesetzentwurf ist, was den Gesetzestext selbst angeht, tatsächlich wortgleich, er unterscheidet sich lediglich in der Begründung von der damaligen Drucksache. Das ist sicherlich etwas ungewöhnlich, es ist aber auch etwas bedauerlich.
Ich musste Ihnen bereits in der letzten Debatte zu diesem Thema darlegen, dass Ihr Gesetzentwurf jenseits aller politischen Fragen, die wir gerne diskutieren können, wie wir das heute ja auch versuchen, alleine schon deshalb von uns zwingend abzulehnen ist, weil er rechtsfehlerhaft ist. Damit dieser Gesetzentwurf nicht noch ein drittes Mal vor dem 31.12.2015, dem Tag, bis zu dem die Länder die Möglichkeit haben, durch Landesgesetze den Privilegierungstatbestand für Windenergie nach
§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB von der Einhaltung höhenbezogener Abstandsregelungen - das sind eben diese 10H - abhängig zu machen, damit also vor diesem Tag genau dieser Gesetzentwurf nicht noch einmal Debattengegenstand wird, erlaube ich mir eine Wiederholung und führe noch einmal kurz aus, warum Ihr damaliger und heutiger Gesetzentwurf schon aus rechtlichen Gründen nicht zustimmungsfähig ist. Die Notwendigkeit hierfür zeigt mir leider, dass Sie entweder nicht zuhören oder faktenresistent sind, oder aber Ihnen ist das schlicht egal. Das ist schade.
Ich würde mir etwas anderes wünschen, das wäre für eine seriöse und sachliche politische Debatte wichtig.
So haben Sie zum Beispiel in § 88a Abs. 3 Satz 3 Ihres Gesetzentwurfes vorgesehen, dass für Bebauungspläne, die eine Sondergebietsfläche für Windkraftanlagen mit einem geringeren Abstand als 10H zu Wohngebäuden in einer Nachbargemeinde festsetzen, zwingend die Zustimmung der Nachbargemeinde nach § 2 Abs. 2 BauGB erforderlich ist. Dies würde im Falle der Versagung der Zustimmung bedeuten, dass eine Gemeinde aus einem wirksamen Flächennutzungsplan keinen Bebauungsplan entwickeln könnte. Eine solche Regelung ist erstens mit der kommunalen Planungshoheit unvereinbar, zweitens überschreiten Sie damit auch die bundesgesetzliche Ermächtigung nach § 249 Abs. 3 BauGB. Denn dieser Paragraf, der den Ländern die Sonderregelung zur Windenergie gestattet, erstreckt sich nicht auf Regelungen zum kommunalen Abstimmungsgebot und auch nicht auf Regelungen, die das Recht der Gemeinde, aus einem wirksamen Flächennutzungsplan einen Bebauungsplan zu entwickeln, ausschließen. Wegen der Textgleichheit des von Ihnen Vorgelegten beziehe ich mich auf das in der letzten Debatte Gesagte; Sie haben ja eben einiges davon erwähnt.
Ich komme zu Ihrer neuen Gesetzesbegründung. Sie haben ein neues Argument entdeckt: den Infraschall. Sie führen aus, dass in Bezug auf von Windenergieanlagen ausgehenden Infraschall und tieffrequenten Schall noch großer Forschungsbedarf bestehe und kommen dann zum Ergebnis, dass erst mit dem Abstand von 10H zu Windenergieanlagen der Mensch und seine Gesundheit vor Infraschall geschützt seien. Denn wäre das nicht der Fall, würden Sie wohl diesen Gesetzentwurf heute so nicht vorlegen. Ab 10H also ist Infraschall unschädlich.
Sicherlich kennen Sie auch die Rechtsprechung des OVG Saarlouis. Dort heißt es in den Leitsätzen; Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „So
weit der Kläger die Entstehung von Infraschall geltend macht, geht der Senat davon aus, dass messtechnisch zwar nachgewiesen werden kann, dass Windenergieanlagen Infraschall verursachen, dass die dabei feststellbaren Infraschallpegel nach einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen aber weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liegen und harmlos sind bzw. zu keinen erheblichen Belästigungen führen.“
Warum kommt das OVG zu einem solchen Leitsatz? Warum spricht das OVG im Gegensatz zu Ihnen von „wissenschaftlichen Untersuchungen“? Informiert sich das OVG etwa nicht? Urteilt es wissentlich falsch? Urteilt es zynisch? Und beachtet es vorsätzlich nicht den Menschen und seine Gesundheit? Sehr geehrte Damen und Herren von der LINKEN, alles das trifft nicht zu.
Zur Sache: Was ist Infraschall? Schallwellen im Bereich von 16 bis 20.000 Hz nimmt der Mensch über das Innenohr als Hören wahr. Hören kann als differenzierte Wahrnehmung von Lautstärke und Tonhöhe beschrieben werden. Bei konstantem Schalldruck ist das menschliche Ohr im mittleren Frequenzbereich, also zwischen 2.000 und 5.000 Hz, am empfindlichsten. Die darüber und darunter liegenden Frequenzbereiche werden nur noch eingeschränkt wahrgenommen. Ultraschall ist der Frequenzbereich oberhalb von 20 kHz, den das menschliche Ohr nicht mehr als Hören wahrnimmt. Als Infraschall werden Schallwellen bezeichnet, die so tief sind, dass sie vom menschlichen Ohr ebenfalls nicht mehr gehört werden können. Diese Luftdruckschwankungen werden dann als Pulsationen und Vibrationen mit einem zusätzlichen Druckgefühl in den Ohren wahrgenommen. Dieser Bereich sehr niedriger Frequenzen,
in dem die Wahrnehmungskomponente Tonhöhe nicht mehr existiert, umfasst den Bereich von 0,001 bis 20 Hz. Bis 60 Hz nimmt die Wahrnehmung von Tonhöhe und Lautstärke langsam zu. Ab 60 Hz findet der Übergang zur normalen Geräuschwahrnehmung statt. Allgemein werden Frequenzen bis 100 Hz als tieffrequenter Schall bezeichnet. Je tiefer die Frequenz wird, desto höher muss der Schallpegel, die Lautstärke, werden, damit der Mensch eine Wahrnehmung erfährt.
Aufgrund seiner großen Wellenlänge hat Infraschall andere Eigenschaften als Hörschall. So ist die Ausbreitungsdämpfung durch Luftabsorption äußerst gering, Hindernisse wie Schutzwälle sind kaum möglich, auch die Schalldämmung durch Bauteile beträgt
nur wenige Dezibel. Natürliche Strukturen wie Geländeform und Vegetation stellen ebenfalls keine Hindernisse für Infraschall dar. Die Schallpegelabnahme erfolgt daher fast ausschließlich ohne Energieverlust nur nach geometrischen Gesetzen und beträgt 6 dB pro Entfernungsverdopplung.
Ich erkläre es Ihnen ganz ausführlich, damit Sie es auch verstehen. - In der Natur treten diese niederfrequenten Schwingungen besonders im Bereich großer Massenbewegungen auf. Hierzu zählen Windströmungen, Stürme, Unwetter, Gewitter, aktive Vulkane, Eruptionen und Erdbeben oder auch die Plattentektonik und Meeresbrandung - Herr Neyses hat das in der letzten Debatte dargestellt. Immer wenn Wind an einem Hindernis vorbeiströmt, entstehen Geräusche und es kann zur Entstehung von Infraschall kommen. Künstliche Infraschallquellen gibt es überall dort, wo große Massen in Bewegung sind. Dazu gehören Verkehrsmittel wie Flugzeuge, Bahn, Schiffe, Autos, chemische und nukleare Explosionen oder maschinenbetriebene Nutzgeräte wie Waschmaschinen, Pumpen, Heizungen sowie Beschallungsanlagen, auch Bauwerke wie Tunnel, Brücken, Hochhäuser. All das erzeugt tieffrequenten Schall.
Alleine schon das Luft-mit-der-Hand-ins-GesichtWedeln lässt Infraschall tiefer Frequenzen entstehen. Auch der Mast und die Rotorblätter einer Windkraftanlage rufen Infraschall hervor, wenn Wind an ihnen vorbeistreicht, Sie haben recht.
Das Umweltbundesamt konstatiert zwar in seiner Informationsschrift „Geräuschbelastung durch tieffrequenten Schall, insbesondere durch Infraschall im Wohnumfeld“, die 2013 erschienen ist, also aktuell ist, einen deutlichen Mangel an umweltmedizinisch ausgerichteten Studienergebnissen zu den Themen Infraschall und tieffrequenter Schall. Allerdings taucht das Wort „Windkraft“ beziehungsweise „Windenergie“ an keiner Stelle auf. Eine Anfrage beim UBA hat ergeben, dass sich die Aussagen nicht auf Windenergieanlagen beziehen. Die Einschätzung des Umweltbundesamtes bezieht sich vielmehr allgemein auf den gesamten Bereich der tieffrequenten Geräusche und des Infraschalls. Als Beispiel erwähnt das UBA im Text unter anderem Klimaanlagen und Pumpen.
Es gibt aber eine ganze Reihe von seriösen Studien, die sich umfassend und speziell mit dem Thema Windenergie und Infraschall befasst haben.
Die Studienlage ist ausreichend gut, um das Thema fundiert beurteilen zu können. Wissenschaftlich durchgeführte akustische Messungen in der Umgebung von Windenergieanlagen ergeben durchgängig, dass der Infraschall von Windenergieanlagen in deren direkter Umgebung messbar ist, aber deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegt. In einem Abstand von etwa 500 Metern ist zwischen den Zuständen „Anlage an“ und „Anlage aus“ in aller Regel kein Unterschied mehr messbar. Auch in der Nähe von Autobahnen und Schnellstraßen oder an Waldstandorten ist der Infraschall einer Windenergieanlage gegen das Hintergrundgeräusch nicht mehr messbar.
Aktuell führt das Landesamt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) ein Infraschall-Messprojekt an Windenergieanlagen und anderen Quellen durch. Die Veröffentlichung des Abschlussberichts ist Ende 2015 vorgesehen. Der Zwischenbericht ist bereits online verfügbar.
Bislang gibt es keine wissenschaftlichen Hinweise dafür, dass kaum messbarer Infraschall deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, wie er von Windenergieanlagen verursacht wird, Gesundheitsprobleme verursacht. Der Betrieb von Windenergieanlagen ist jedoch mit einem hörbaren Betriebsgeräusch verbunden, das bei sehr geringem Abstand zu einer erheblichen Belästigung führen kann. Bei richtiger Planung und mit einem ausreichenden Abstand zur Wohnbebauung gehen von Windenergieanlagen keine erheblichen Geräuschbelästigungen aus. Eine Auswahl an Studien zum Thema „Windenergie und Gesundheit“ hat die Universität Sydney zusammengestellt. Die kanadische Gesundheitsbehörde „Health Canada“ führte eine groß angelegte Studie mit einem Budget von 2,1 Millionen kanadischer Dollar durch. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist online verfügbar.
Ich fasse zusammen: In Bezug auf Windenergieanlagen sind keine grundlegenden Defizite an messtechnisch und umweltmedizinisch ausgerichteten Studienergebnissen zu den Themen Infraschall und tieffrequenter Schall erkennbar. Das schließt aus meiner Sicht aber nicht aus, dass einzelne Aspekte nicht noch detaillierter oder ergänzend untersucht werden könnten.
Aber jetzt kommen wir dazu, wie Sie argumentieren. Sie sagen mit Hinweis auf das Robert-Koch-Institut, dass es in Bezug auf Infraschall von Windenergieanlagen noch einen großen Forschungsbedarf gebe.
Daher verlangen Sie hier und heute einen 10H-Abstand zur Wohnbebauung. Das ist schon ein Novum, weil der 10H-Abstand zur Wohnbebauung in Bezug auf den Infraschall nun wirklich willkürlich aus dem Kontext gerissen ist. Denn die Forderung nach einem Abstand von 10H ist ursprünglich wegen optischer Bedenken und wegen des Schattenwurfs entstanden und hat mit Infraschall bis zum heutigen Tag jedenfalls nichts zu tun. Für einen Zusammenhang von Infraschall und 10H-Abstand werden Sie heute keine wissenschaftliche Studie nennen können.
Man kann Ihre Argumentation folgendermaßen zusammenfassen. Erstens: Windkraftanlagen erzeugen Infraschall. Richtig. Windkraftanlagen erzeugen Infraschall wie sehr viele andere technische Geräte wie zum Beispiel Klima- und Lüftungsanlagen, Wärmepumpen, Bauwerke und Verkehr, auch natürliche Phänomene wie das Meer und natürlich der Wind selbst. Zweitens sagen Sie, das Robert-Koch-Institut bestätige, Infraschall sei potenziell gesundheitsgefährdend. Richtig. Bei entsprechendem Schallpegel sind Infraschall und niedrigfrequenter Schall gesundheitsschädlich. Die häufigsten Quellen für Beschwerden bezüglich Infraschall und tieffrequenten Geräuschen sind aber Anlagen der Energieerzeugung mit 33 Prozent, große raumlufttechnische Anlagen mit 23 Prozent und Wärmepumpen mit 9,3 Prozent aller Beschwerden. Sie kommen drittens zu dem Schluss, dass Windkraftanlagen gesundheitsgefährdend seien. Diese Schlussfolgerung ist aber falsch. Hier lässt man bewusst den Einfluss des Abstandes weg. Wenn man weit genug weg ist, dann überwiegt der Infraschall, der durch den Wind selbst erzeugt wird, und damit gibt es dann auch keine Beeinträchtigung mehr.
Ich verdeutliche das mit einigen Extremen: Schläft man in der Anlage, das heißt mit einem Abstand von 0 m, ist der Infraschall sicher spürbar und vielleicht auch schädlich. Obwohl selbst das noch nicht bewiesen ist. Immerhin wird auch nicht jeder, der über einer U-Bahn oder an einer Straße wohnt, krank. Steht die Anlage in Timbuktu, das heißt in einem Abstand von rund 3.700 km zum Haupteingang des Landtagsgebäudes in Saarbrücken, wird sicher jeder zugeben, dass der dort erzeugte Infraschall hier keinen Einfluss hat. Also gibt es eine Grenze, ab der Infraschall irrelevant ist - auch wenn er von Windkraftanlagen stammt! Und diese Grenze liegt nach aktuellen Ergebnissen des LUBW zwischen 150 und 300 m. Das LUBW kam in der Studie zu dem Ergebnis, dass in einem Abstand von etwa 500 m zwischen den Zuständen „Anlage an“ und „Anlage aus“ in aller Regel kein Unterschied mehr messbar ist. Der Infraschall, dem Sie dann noch ausgesetzt sind, ist der Infraschall, den der Wind selbst erzeugt. Und genau das ist die Frage, der Sie sich stellen müssten, es aber nicht tun; lieber schüren Sie Angst.
Ich sage es sehr plakativ: Wenn in Peking ein Sack Reis vom zehnten Stock eines Gerüstes fällt, ist das sicherlich sehr schädlich, wenn ich genau im Auftreffpunkt stehe. Trotzdem brauche ich auch hier keine 10H Sicherheitsabstand vom Gerüst, da ein solcher Sack nicht 300 m weit fliegt - genauso wenig, wie der Infraschall in 10H Entfernung noch messbar ist.
Das Problem ist, dass Sie hier einfach verschiedene Themen zusammenwürfeln und ebenso beliebig die Kausalitätsketten zusammenbasteln. Zum Zusammenhang „Windkraft-Infraschall-Schädlichkeit“ fehlen Ihnen sämtliche wissenschaftlichen Begründungen. Wenn wir das Thema Infraschall so wie Sie angehen würden, es dann aber zu Ende denken würden, bekämen wir in unserer Gesellschaft sehr große Probleme. Wollen Sie zu allen öffentlichen Gebäuden, die wegen ihrer Lüftungsanlagen und Klimaanlagen Infraschall produzieren, Abstände halten? Was machen wir dann mit der neuen Inneren Medizin am Universitätsklinikum in Homburg? Nehmen wir wegen der Lüftungsanlagen, der Klimaanlagen, dem Blockheizkraftwerk am Universitätsklinikum eine Notevakuierung der Patienten vor?
Verbannen wir den gesamten Straßenverkehr aus dem Universitätsklinikum? Denn bevor Sie vom Infraschall einer geplanten Windkraftanlage in etwa 2,5 km Entfernung etwas mitbekämen, müssten Sie sich bereits über den tieffrequenten Schall, der vor Ort im Universitätsklinikum unmittelbar entsteht, viel mehr Sorgen machen.
Evakuieren wir gesamte Städte, wo eine U-Bahn durchfährt? Wollen Sie den Strand bei starkem Wellengang sperren, wenn dort ein 10H-Abstand von der Quelle tieffrequenten Schalls einzuhalten ist? Das müssen Sie sich mal überlegen, überall dort wird tieffrequenter Schall produziert. Sie tragen mit einem solchen unsachlichen Gesetzentwurf, mit Ihren Debattenbeiträgen dazu bei, dass seriöse Diskussionen in der Öffentlichkeit zunehmend schwer werden. Wir lehnen daher Ihren Gesetzentwurf auch heute wieder ab. Er ist zudem rechtsfehlerhaft. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Mobilität ist ein umfassendes Bedürfnis und gleichzeitig eine elementare Voraussetzung einer mobilen Gesellschaft. Angesichts der heute herrschenden Strukturen, überwiegend aus motorisiertem Individualverkehr bestehend, stehen wir insbesondere unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit vor enormen Herausforderungen. Dazu zählt die Vermeidung schädlicher Umweltwirkungen, etwa die Verringerung des Verbrauchs fossiler Energien, die Klimaerwärmung, Luftverschmutzungen, Lärmemission, Flächenverbrauch bei gleichzeitiger Energieeffizienzsteigerung. Dazu zählen ferner die Steigerung öffentlicher Investitionen, die Bezahlbarkeit sowie die Schaffung sozialer Teilhabe. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen kann ein funktionierender ÖPNV einen hervorragenden Beitrag leisten. Wir wissen, dass der öffentliche Verkehr neben dem Fußgänger- und Fahrradverkehr ein wichtiger sozialer Integrator ist. Eine sichere, kostengünstige und umweltfreundliche Personenbeförderung kommt allen Einkommensschichten zugute. Das Automobil ist zwar auch ein Garant für Freiheit, oftmals aber auch eine finanzielle Bürde, insbesondere dann, wenn mangels Alternativen eine Abhängigkeit vom Pkw besteht.
Zu einer generationengerechten Politik gehört es auch, dass ein 14-Jähriger genauso wie eine 82Jährige die gleichen Möglichkeiten haben, Verkehrsinfrastrukturen nutzen zu können. Dies gilt zum einen für ältere Menschen, die Besorgungen für den
täglichen Bedarf machen müssen, denken Sie an Einkäufe oder Arztbesuche, aber kein Auto mehr fahren können oder wollen. Auf der anderen Seite ist ein engmaschiges Netz des ÖPNV für junge Menschen wichtig, da diese noch kein Auto fahren dürfen oder wollen. Öffentliche Verkehrsmittel sind für alle zugänglich und bringen die Fahrgäste bequem und zumeist auch zuverlässig ans Ziel, wenn nicht gerade Abi in Mathe ist.
Deshalb und aufgrund des niedrigeren Verbreitungsgrades von Autos bei den jüngeren Jahrgängen ist ein funktionierender ÖPNV beziehungsweise eine hohe Mobilität auch ein wichtiger Standorts- und Ansiedlungsfaktor, will das Saarland als Region für junge Menschen attraktiv bleiben. Insbesondere für Pendler ist der ÖPNV mit einer hochfrequentierten Taktung wichtig und attraktiv. In der Regel sind damit niedrigere direkte Kosten für Energie oder Abnutzung des Pkw sowie indirekte Kosten zum Beispiel durch Wartezeiten in Staus verbunden. Zudem bietet das Pendeln mit dem ÖPNV die Möglichkeit, diese Zeit effektiv zu nutzen. Das alles bedeutet, dass grundsätzlich der ÖPNV, insbesondere der schienengebundene Personennahverkehr von wachsender Bedeutung ist.
Veränderte Mobilitätsbedürfnisse und Konzepte der Bevölkerung eröffnen einerseits neue Möglichkeiten, fordern aber andererseits gleichzeitig und daher umso mehr ein entsprechend attraktives Angebot. Um den öffentlichen Nahverkehr als Mobilitätsalternative attraktiver zu machen, muss Wert auf eine ausgeprägte Kundenorientierung gelegt werden. Bedarfe müssen gezielt ermittelt und Angebote daran ausgerichtet werden. Deshalb können die Förderung und der Ausbau des ÖPNV nicht an ideologischen Zielen, sondern ausschließlich an tatsächlichen, objektiv ermittelten Bedarfen mit einem vertretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis orientiert werden.
So viel zum Allgemeinen. Jetzt komme ich konkret zur Bahnlinie Homburg-Zweibrücken, die wir auch grundsätzlich positiv begleiten wollen. Das „Ja, aber", das Elke Edler-Hippler formuliert hat, das wir in der Vergangenheit und auch heute formulieren, darf daher nicht als „Nein" missverstanden werden. Ich sehe in der Kosten-Nutzen-Untersuchung einer S-Bahn-Verlängerung von Homburg nach Zweibrücken nach erstem Durchlesen einige offene Fragen, denen wir nachgehen sollten, bevor wir einer millionenschweren Investitionsentscheidung „Eisenbahn Homburg-Zweibrücken" zustimmen können. Diese Kosten-Nutzen-Untersuchung einer S-BahnVerlängerung von Homburg-Zweibrücken liegt nunmehr seit März endlich vor. Es hat lange genug gedauert, und das war sicher nicht in der Verantwortung der Landesregierung des Saarlandes.
Die generelle Frage, die ich hier ansprechen möchte, ist, ob in den bisherigen Untersuchungen die saarländischen Interessen hinreichend berücksichtigt worden sind. Es stellen sich mir auch einige spezielle Fragen zu Kosten und Nutzen. Erstens sehe ich in der NKU eine unzureichende Einbindung von Blieskastel, dem Zentrum des Bliesgaus, dem Sitz der Biosphärenverwaltung.
Warum soll der Bliesgau von Homburg kommend Richtung Blieskastel schienentechnisch nicht direkt angebunden und damit ein attraktives Ausflugs- und Freizeitangebot erschwert beziehungsweise verhindert werden? Das Stichwort ist die bestehende Ingweiler Kurve, die nicht in der NKU enthalten ist. Zweitens, ich frage weiter, macht der Umbau eines Haltepunktes Einöd in einen Umsteigebahnhof wirklich Sinn? Die Kosten des Umbaus würden mehrere Millionen betragen. Man kann bezweifeln, ob wirklich ein so großer Nutzen davon abgeleitet werden kann. Wird es denn tatsächlich so sein, dass potenzielle Bahnfahrer aus dem unteren Bliesgau mit dem Auto nach Blieskastel-Lautzkirchen so die offizielle Bahnhofsbezeichnung - fahren, dort in die Regionalbahn nach Einöd einsteigen und dann in Einöd in die S-Bahn nach Homburg umsteigen?
Vergleichbares gilt für Schwarzenbach, Schwarzenacker. Ist dort bei dem momentan ins Auge gefassten Verkehrsvolumen ein Begegnungsbahnhof notwendig? Und gibt es wirklich einen Bedarf für einen neuen zusätzlichen Haltepunkt Schwarzenbach unten in der Mastau oder sollen vielmehr reine VRN-Interessen befriedigt werden? Drittens, lassen Sie uns darüber nachdenken und mal prüfen, ob ein möglicher Haltepunkt Globus Einöd gegebenenfalls in Verbindung mit John Deere Zweibrücken nicht eher in unserem saarländischen Sinne wäre. Was ist viertens der direkte Nutzen für die Stadt Homburg? Wurden Perspektiven für Homburg betrachtet, zum Beispiel die Stärkung des Hauptbahnhofes in Homburg durch eine bessere Anbindung an den Großraum Rhein-Main? Fünftens, warum wurden die vielen grenzüberschreitenden Berufspendler zwischen Homburg und Zweibrücken, ich denke auch an Schüler und Studenten, nur sehr eingeschränkt im NKU-Gutachten berücksichtigt? Es gibt viele tägliche Pendler von der Pfalz ins UKS und vom Saarland an die Hochschule in Zweibrücken. Sechster Punkt, der mir aufgefallen ist: Wie lässt sich eine isolierte Infrastrukturmaßnahme S-Bahn HomburgZweibrücken in ein Gesamt-Regionalverkehrskonzept einordnen? Ist nicht vielmehr im Rahmen einer solchen vorgesehenen millionenschweren Verkehrsmaßnahme eine Gesamtbetrachtung des ÖPNV-Bedarfs der gesamten Region auf beiden Seiten der Landesgrenze notwendig?
Ich fasse zusammen. Einer sinnvollen und finanzierbaren Weiterentwicklung des bestehenden ÖPNV wird wohl jeder hier im Hause das Wort reden. Die Kommunen beiderseits der Landesgrenze dürfen nicht an den Rand gedrängt werden. Wir bräuchten auf beiden Seiten der Landesgrenze eine neue Qualität der Partnerschaft und sollten deshalb anstreben, die wichtige Verkehrsinfrastruktur in der Region Saar-Pfalz gemeinsam zu entwickeln. Was aus meiner Sicht sinnvoll wäre und was ich anregen möchte, ist ein Gesamt-Regionalverkehrskonzept. Dann würde etwas Neues entstehen und die Landesgrenzen würden in Bezug auf regionale Entwicklung verbinden statt trennen. Es gäbe einen neuen Impuls für unsere Region Saar und Pfalz. Mir ist in vielen Gesprächen mit der rheinland-pfälzischen Seite deutlich geworden, dass sich viele Menschen in der Westpfalz an der Landesgrenze abgeschnitten fühlen. Das muss auf der saarländischen Seite ernst genommen werden. Es ist aber auch deutlich geworden, dass die rheinland-pfälzische Seite sich mit der Situation des Partners, den man gewinnen will, bisher nicht immer ausreichend auseinandergesetzt hat. Denn das Saarland und die Stadt Homburg wissen bis heute nicht verlässlich, welches finanzielle Risiko zusätzlich auf sie zukommen könnte. Der saarländische Anteil an den Herstellungskosten für die Streckenaktivierung von rund 30 Millionen Euro würde unter der Voraussetzung einer 60-prozentigen Förderung des Bundes aus GVFG-Mitteln, das wären etwa 18 Millionen Euro, und bei einer bisher von Rheinland-Pfalz vorgeschlagenen hälftigen Beteiligung beider Bundesländer bei rund 6 Millionen Euro liegen.