Protokoll der Sitzung vom 15.03.2017

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Lachen bei PIRATEN und GRÜNEN. - Zuruf des Abge- ordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Die heutige Änderung des § 28 Abs. 3 des Saarländischen Polizeigesetzes, wonach die Anordnung der Observationen von bisher höchstens drei Monate auf sechs Monate möglich ist, dient der Verbesserung der Sicherheit der Menschen in unserem Land. Dies alles geschieht nicht willkürlich, sondern nach richterlicher Anordnung. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, dass durch die Verlängerung den Erfordernissen der Polizeipraxis Rechnung getragen werden soll. Dabei, meine Damen und Herren, ist es egal, ob die Notwendigkeit der Verlängerung drei, zehn oder 100 Mal im Jahr besteht, die Polizei muss handlungsfähig sein.

Zum vorliegenden Gesetzentwurf wurde eine Anhörung durchgeführt, die grundsätzlich nichts Neues gebracht hat; die Positionen eines Teils der Opposition und der Regierungsfraktionen sind auch danach gleich geblieben. Am ausführlichsten und für mich der Problematik am angemessensten ist die Stellungnahme des Landeskriminalamtes RheinlandPfalz. Diese Stellungnahme habe ich auch als wesentliche Grundlage meines Redebeitrages heute herangezogen.

Ein Satz von Osama bin Laden lautet: „Der Westen hat die Uhr erfunden, und wir haben die Zeit.“ - Dieser Satz erfasst genau die Interessen der Terroristen. Die Priorität liegt nicht in schnelllebigen Aktionen, sondern in langanhaltenden Gefahrenmomenten, die Einfluss auf unser westliches Leben nehmen. Punktuelle, kurzfristige Maßnahmen sind da

(Präsident Meiser)

her in der Bekämpfung der terroristischen Bedrohung nicht zielführend. Im Kampf gegen den Terrorismus ist vielmehr ein langer Atem gefragt. Unsere Sicherheitsbehörden brauchen Zeit und die wollen wir ihnen mit dieser Gesetzesänderung verschaffen. Durch die sechsmonatige Anordnungsdauer ist eine umfassende Informationssammlung und Auswertung, was zu einer belastbaren Prognose zur Gefahrenlage und des Gefährdungspotenzials führt, möglich. Alle Erfahrungen zeigen doch, dass relevante Personen insbesondere im terroristischen Bereich ein unauffälliges und unscheinbares Verhalten an den Tag legen. Verbündete, Helfer und andere Kontaktpersonen werden überhaupt nur selten aufgesucht. Deshalb braucht man Zeit.

Neben dem Informationsgewinn bei der Observation von Gefährdern ist es auch wichtig, dass ein Informationsabgleich mit anderen Sicherheitsbehörden, insbesondere mit dem Bundeskriminalamt, erfolgt. Kontakt- und Begleitpersonen müssen gegebenenfalls überprüft werden beziehungsweise es ist ein internationaler Abgleich von Erkenntnissen nötig. Bei einer Dauer der Maßnahme über ein halbes Jahr kann ein umfassendes Kontakt- und Bewegungsbild erstellt werden und möglicherweise können Netzwerkstrukturen aufgedeckt werden. Wir wollen doch alle eine aussagefähige Prognose. Die kann aber nur auf der Grundlage von fundierten Kenntnissen erfolgen. Dafür, meine Damen und Herren, brauchen wir Zeit und die geben wir mit diesem Gesetz.

Kolleginnen und Kollegen, die Polizei observiert doch nicht aus Jux und Tollerei! Niemand hier im Hause hat zu befürchten, dass er von der Polizei ständig überwacht wird.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Oskar ist gerade nicht da.)

Die Polizei macht das doch nur, wenn ein begründeter Verdacht besteht. Wenn sich der Verdacht nicht bestätigt, wird die Beobachtung eingestellt, bleiben Zweifel, wird weiter beobachtet. Es muss doch im Interesse von uns allen liegen, dass die Polizei Gefahren von uns abwenden kann. Lieber schaut sie dreimal zu viel hin als einmal zu wenig und Menschen kommen zu Schaden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und Teilen der SPD.)

Wenn es auch keine 100-prozentige Sicherheit gibt, so macht es trotzdem keinen Sinn, immer erst dann zu handeln, wenn etwas passiert ist. Warum treffen wir nicht schon vorher geeignete Maßnahmen? Ich vertraue der Polizei und gehe davon aus, dass sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sehr sorgsam umgeht.

Natürlich - wen wundert’s? - kommen immer dann, wenn der Rechtsstaat gegenüber Gesetzesbrechern Zähne zeigen soll, die Bedenkenträger und tragen

verfassungsrechtliche Bedenken vor. Meine Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion wissen, dass ich seit geraumer Zeit eine sehr kritische Haltung gegenüber der einen oder anderen volljuristischen Einschätzung einnehme. Ich habe nämlich manchmal das Gefühl, dass der juristische Sachverstand häufig nichts mehr mit dem gesunden Menschenverstand zu tun hat.

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen. - Abg. Huonker (DIE LINKE) : Was ist?)

Allzu oft habe ich den Eindruck, dass wir unsere ganze Kraft darauf verwenden, die Rechte derjenigen zu schützen, die Schaden anrichten, statt die Rechte derer zu schützen, die wir eigentlich vor Schaden bewahren wollen, meine Damen und Herren. Das ist meine feste Überzeugung.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Was hat er jetzt gesagt? - Beifall von der CDU.)

Es reicht auch nicht aus, dass wir nach immer mehr Polizeibeamten rufen. Selbstverständlich müssen wir den Weg weitergehen, den wir eingeschlagen haben, und weiterhin Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einstellen. Wir müssen ihnen aber auch das entsprechende Rüstzeug an die Hand geben, dass sie ihre Aufgabe, nämlich Menschen zu schützen, auch ausführen können. Ich warte manchmal nur noch darauf, dass wir vor lauter Persönlichkeitsschutz den Polizeibeamten die Augen verbinden, wenn sie einen Personalausweis kontrollieren wollen.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Ich habe ja gehört, bei uns hat die Polizei nur noch Platzpatronen.)

In Abwandlung eines berühmten Liedes rufe ich: Brüder, hört die Signale! - Wir leben in einer gefährlichen Welt und unsere Sicherheitsbehörden können einen großen Beitrag -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Hört die Signale!)

Ja, hört die Signale, Herr Kollege. Wir leben in einer gefährlichen Welt und unsere Sicherheitsbehörden können einen großen Beitrag zu unser aller Schutz leisten. Helfen wir ihnen dabei!

(Beifall von der CDU.)

Trotz aller Kritik meinerseits am Datenschutz und unseren Rechtsgelehrten ist es dennoch so, dass wir uns an das zu halten haben, was das Bundesverfassungsgericht als Norm festgelegt hat. So ist das in einem Rechtsstaat. Den möchte ich auch nicht im Geringsten infrage stellen, Kolleginnen und Kollegen, sondern ich fordere nur hie und da mehr Bezug zur Praxis und Realität. Das ist alles.

In Bezug auf das Bundeskriminalamtgesetz hat das Bundesverfassungsgericht Regelungen beanstandet, die den Bereich längerfristiger Observationen

(Abg. Becker (CDU) )

betreffen. Diese Beschränkungen des Verfassungsgerichts müssen auch in den Polizeigesetzen der Länder berücksichtigt werden.

Danach lässt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil eine längerfristige Observation nur dann zu, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, und wenn erkennbar ist, dass bestimmte Personen beteiligt werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann. - Wenn Sie es zweimal lesen, verstehen Sie, was damit gemeint ist.

Im terroristischen Bereich sind diese Voraussetzungen aber abgeschwächt. Das Bundesverfassungsgericht räumt der Gefahrenabwehr im terroristischen Bereich einen höheren Stellenwert ein und setzt die Eingriffsschwelle niedriger an. In Bezug auf terroristische Straftaten reicht es daher aus, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zeit begehen kann.

Auf Deutsch heißt das, wenn zwar noch nicht ganz klar ist, wann jemand etwas anstellen will, dennoch aber ersichtlich ist, dass jemand etwas im Schilde führt, darf er beobachtet werden. Das heißt, wir dürfen also tatsächlich schon beobachten, bevor ein Dutzend Menschen in Einzelteilen durch die Luft fliegen. Das ist doch gut. Ich sage das so drastisch, weil ich häufig den Eindruck habe, dass so manchem Ideologen und Gesetzesausleger alle Rechtsgüter mehr wert sind als die Unversehrtheit des Lebens.

Ich bin aber davon überzeugt, dass unser heutiges Gesetz sehr wohl mit der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmt. Es stellt ja auch nur ein kleines Mosaiksteinchen in dem Gesamtbild innere Sicherheit dar. Festzuhalten bleibt, dass alle Maßnahmen einer richterlichen Kontrolle unterliegen. Es bleibt deshalb auch im Einzelfall dem Gericht überlassen, wann eine kürzere Maßnahmedauer angeordnet wird.

Wir, die CDU, werden diesem Gesetzentwurf zustimmen, auch wenn nicht alles umgesetzt wird, was wir uns im Vorfeld vorgenommen haben. Gerade eine verstärkte Videoüberwachung und die Ausweitung der Kommunikationsüberwachung hätten wir gerne noch umgesetzt. Das war in der Koalition nicht durchsetzbar.

Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, mir kann keiner erklären, warum es unerheblich ist, wenn bei McDonald‘s videoüberwacht wird, wie

viele von den schrecklichen Burgern gegessen werden, dass in Kaufhäusern auf die Sekunde genau verfolgt werden kann, wann ich hereingekommen bin und wann ich wieder herausgegangen bin, ob ich im Zug oder Bus in der Nase bohre oder nicht. All das und vieles mehr wird nicht beanstandet, obwohl diese Beobachtungen von Zivilpersonen durchgeführt werden.

(Zuruf der Abgeordneten Ries (SPD).)

Dort aber, wo die Polizei Kameras aufhängt, an Plätzen also, wo Straftaten begangen werden und vorbereitet werden, dort, wo zur Verschwiegenheit verpflichtete Personen, also die Polizei, die Überwachung vornimmt, gibt es immer ein Riesengeschrei. Da ist plötzlich die Freiheit gefährdet. Ich nehme an, dass dazu die „großen Volksparteien“, die PIRATEN und die GRÜNEN, ihre unterschiedlichen Positionen darlegen werden. Ich bin aber sicher, die Meinung der großen Mehrheit unserer Bevölkerung zu diesem Punkt werden sie nicht darlegen.

Es ist doch eigentlich ganz einfach: Wenn ich zum Bahnhof gehe, will ich in den Zug einsteigen und wegfahren, sonst nichts. Deswegen macht es mir auch nichts aus, wenn ich dabei gefilmt werde, im Gegenteil, ich bin froh, dass man, falls etwas passieren sollte, aufgrund der Aufnahmen schneller ermitteln kann und unter Umständen dadurch weitere Straftaten verhindern kann.

(Beifall von der CDU.)

Diesen ideologisch bedingten Zwiespalt, dass bei Zivilpersonen die Überwachung akzeptiert wird und bei der Überwachung durch die zuverlässige Polizei die Freiheit verloren gehen soll, konnte mir bisher noch keiner erklären, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU.)

Auch das ganze Theater um die Sicherheitspartnerschaft der Stadt Saarbrücken mit dem Land kann ich in der Sache nicht nachvollziehen. Es hat ja offensichtlich heute oder gestern Abend Gespräche gegeben und die Sache ist auf einem guten Weg. Vielleicht kann der Minister nachher Auskunft darüber geben, wie es weitergeht mit Videoüberwachung überhaupt, was das Sicherheitspaket angeht und alles Mögliche, was die Polizei betrifft. Ich hoffe nur, es kommt.

Ich möchte noch einmal klarstellen, worum es eigentlich geht.

(Abg. Waluga (SPD) : Um Observation!)

Es geht darum, einen gefährlichen Ort wie den Vorplatz der Johanneskirche oder des Bahnhofs zu überwachen und die Straftaten, die dort ständig geschehen, entweder zu verhindern oder schneller aufklären zu können. Am Bahnhof waren 260 Einsätze notwendig und an der Johanneskirche bis Septem

(Abg. Becker (CDU) )

ber 2016 125 Einsätze. Wenn das kein Grund ist zu überwachen, dann weiß ich es auch nicht mehr.

(Beifall von der CDU.)

Auch die Kritik des Datenschutzes ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls unbegründet - ich habe mit der Datenschützerin diese Woche noch gesprochen -, weil beim derzeitigen Verfahrensstand und der geltenden Rechtslage noch kein Einschalten des Datenschutzes erforderlich war. Ich muss doch erst wissen, welche und wie viele Geräte ich wo platziere, damit ich dem Datenschutz auch eine Beurteilungsgrundlage geben kann.

Festhalten möchte ich jedoch noch einmal ganz deutlich: Für die Sicherheit der Menschen in unserem Land ist in erster Linie die Polizei zuständig. Unsere Sicherheit sehe ich dort in guten Händen. Deshalb erhält die Polizei von uns mit dieser Gesetzesänderung einen Vertrauensvorschuss. Mit allen anderen von mir angesprochenen ungelösten Problemen sollen sich die Verantwortlichen nach der Landtagswahl beschäftigen. Wir werden das heute und vor der Wahl wohl nicht mehr regeln können.

Herr Präsident, gestatten Sie mir noch ein paar persönliche Worte. Das ist heute hier mein letzter Redebeitrag im Rahmen meiner Zugehörigkeit zum Landtag. Ich war vier Wahlperioden Mitglied dieses Landtages, bin im 18. Jahr hier Mitglied. Ich habe viel ausgeteilt, das weiß ich, habe auch viel einstecken dürfen, auch das ist bekannt. Vieles von dem, wofür ich geprügelt wurde, steht heute in Gesetzen und Verordnungen.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsfraktio- nen.)