Das bedeutet aber auch, dass wir als Land mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb haben wir uns in diesem Antrag gemeinsam darauf verständigt, die entsprechenden Wahlausschlüsse aus dem Landtagswahl- und dem Kommunalwahlgesetz zu streichen. Das Argument der Manipulationsgefahr ist inkonsequent und undemokratisch. Es ist in unserer liberalen Demokratie nicht mehr vermittelbar, dass etwa Menschen mit Demenz wählen dürfen, Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 13 Bundeswahlgesetz aber nicht. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam mehr Demokratie wagen.
Mit einer Gesetzesnovelle könnte das Saarland noch vor der Kommunalwahl im kommenden Jahr ein fortschrittliches Zeichen in die Bundesrepublik senden. Damit wäre eine weitere Etappe auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft geschafft.
Über kaum einen anderen Bereich der Inklusion wird so heftig debattiert wie über den Bereich der schulischen Inklusion, Kollege Scharf hat das eben auch schon gesagt. Die Diskussion ist zum Teil auch von Nicht-Wissen darüber geprägt, was für Menschen an die Schulen kommen. Bevor wir das Wahlrecht der Eltern eingeführt haben, bevor wir das Recht auf Re
gelbeschulung eingeführt haben, habe ich bei meinen Gesprächen an Schulen oft gemerkt, dass die Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer gar nicht wissen, was für Menschen da an die Schulen kommen sollten. Und wenn man das nicht weiß und Angst vorherrscht, wird oft auch irrational diskutiert. Wir als Koalitionsfraktionen sind der Überzeugung, dass alle Menschen grundsätzlich das Recht auf eine Beschulung im Regelschulsystem haben. Der Staat hat grundsätzlich nicht zu entscheiden, ob ein Kind auf eine Förderschule geht oder im Regelschulsystem beschult wird. Deswegen haben wir das Wahlrecht der Eltern eingeführt.
Die Förderschulen, das kann ich aus meinen vielen Kontakten mit Schulen berichten, leisten eine hervorragende Arbeit. Diese Koalition hat sich auch das Ziel gesetzt, diese Förderschulen nicht zu schwächen, sondern sie da zu stärken, wo es Sinn macht. Ich bin, wie der Kollege Scharf, der festen Überzeugung, dass wir unsere Förderschulen nach wie vor brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir wollen aber durch den vermehrten Einsatz von Förderlehrkräften an Regelschulen unsere Schulen fit für die Inklusion machen, denn es gehört natürlich auch zur Wahrheit, dass Inklusion nur dann funktionieren kann, wenn unsere Schulen fit dafür sind. Dazu gehört natürlich auch, dass wir als Haushaltsgesetzgeber hier einen Haushalt verabschieden, der es ermöglicht, gerade an den Regelschulen die dringend nötigen multiprofessionellen Teams einzustellen, die Förderschullehrer einzustellen, die wir brauchen, um diese Herausforderung in unseren Regelschulen zu bewältigen. Ich denke, dafür hat der Bildungsminister unsere volle Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nun mag sich der Eindruck verfestigen, dass wir im Bereich der Inklusion einen fortwährenden Fortschritt zu verzeichnen haben. Doch leider hat die letzte Plenardebatte gezeigt, dass es auch Kräfte gibt, für die diese Menschenrechte disponibel sind. Bislang stand in diesem Haus der in Artikel 3 GG verankerte Gleichheitsgrundsatz zwischen Menschen mit und ohne Behinderung nicht zur Disposition. Das hat sich mit der vergangenen Plenardebatte geändert. Der Fraktionsvorsitzende der AfD hatte in der Debatte zum Thema Förderschulen zwischen „normalen" und „kranken" Kindern unterschieden und Behinderungen mit ansteckenden Krankheiten verglichen. Der Sturm der Entrüstung von einer überdeutlichen Mehrheit hat gezeigt: Die Menschen spüren, wo eine solche Gedankenwelt anknüpft und sie werden diese Tabubrüche nicht dulden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Kollege Pauluhn hat es heute Morgen schon in seiner Rede angesprochen: Dahinter steckt eine Strategie! Es ist die Strategie der Grenzüberschreitung. Sie haben es heute Morgen selbst bestätigt, sowohl der Abgeordnete Dörr wie der Abgeordnete Müller. Sie wollen „das Problem sein“, Sie wollen konsequent provozieren, das ist Ihre einzige Daseinsberechtigung in diesem Parlament. Und dass es nicht nur in diesem Parlament so ist, sondern auch im Bundestag, hat eine Anfrage Ihrer Bundestagsfraktion sehr anschaulich bewiesen. Ich bin wirklich hartgesotten, was den Umgang mit Anfragen der AfD angeht. Aber dass Sie in einer Anfrage den Zusammenhang von Inzest und Behinderung hergestellt haben und dass Sie Ihren braunen Müll in die Öffentlichkeit spülen und den Menschen dadurch eine Verwertungslogik vor Augen führen, die von vorvorgestern ist, ist absolut nicht zu dulden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Und ja, jetzt regt sich der Herr Thul wieder auf, Herr Müller. Ich rege mich zu Recht auf. Ich finde, die weit überwiegende Mehrheit in diesem Land, nämlich die 94 Prozent, die eben nicht AfD gewählt haben, sollten sich viel mehr aufregen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen und damit einen weiteren deutlichen Schritt Richtung inklusive Gesellschaft zu gehen. Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege Thul. - Ich rufe auf für die AfD-Landtagsfraktion Herrn Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Scharf bringt das jedes Mal, dass alle Menschen gleich sind. Ich kann nur in Staunen verfallen, wenn ich so um mich schaue, dann sehe ich, dass die Menschen recht verschieden sind. Was mich heute aber erstaunt hat, ist, dass er dann am Schluss seines Vortrages Herrn Weizsäcker zitiert, der sagt: „Es ist normal, verschieden zu sein.“ - Ja, was denn jetzt, sind wir gleich oder sind wir verschieden?
(Zuruf des Abgeordneten Renner (SPD) : Im Wert gleich! Zurufe der Abgeordneten Speicher (CDU) und Thul (SPD).)
Nein. Im Grundgesetz steht zum Beispiel „vor dem Gesetze gleich“. In der Bibel steht „vor Gott gleich“. Aber dass alle Menschen gleich sind, ist falsch.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Es gibt einige Redner, die stellen sich hier hin, und man hat gleich das Gefühl, die haben das Mitleid und die Arbeit mit behinderten Menschen für sich gepachtet. Jetzt muss ich erst einmal feststellen, dass „behindert“ ein ganz weites Feld ist und dass viele, die von uns als behindert bezeichnet werden, sogar nach dem Bundessozialhilfegesetz überhaupt nicht behindert sind. Zum Beispiel sind die Schüler von ehemaligen Schulen für Lernbehinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht behindert. So gibt es andere Behinderungen, die eigentlich überhaupt gar keine sind, die wir aber unter Behinderung zusammenfassen.
Ich will einmal festhalten, weil es dazugehört: Vor mehr als 50 Jahren habe ich schon eine Schule für Behinderte geleitet. Ich habe sie sogar selbst gegründet und habe mein Leben lang niemals Menschen nach ihrer Behinderung definiert. Die, die meinen, das wäre so wichtig, das sind die, die in der Regel die Menschen nach ihren Behinderungen definieren. Das ist mir im Traum nie eingefallen.
Viele von Ihnen wissen, dass ich auch Bücher und Hefte schreibe. Meine Druckerei ist der Reha Verlag hier in Saarbrücken. Über die Hälfte der Mitarbeiter dort sind behinderte Menschen der verschiedensten Art. Sie haben auch einen Chor. Da sagen manche: Wie können die denn singen? Ja, die haben ja nichts an der Stimme! Es ist für mich ganz normal, dorthin zu gehen, selbst wenn eine andere Druckerei etwas billiger oder besser wäre, was bisher nicht der Fall war. Die arbeiten sehr gut und auch preiswert. Das ist gelebt mit behinderten Menschen.
Was wir hier von der Regierungskoalition vorliegen haben, ist ein - ich sage es mal schlicht - Propagandapapier.
Die Wahlen sind vorbei, und es kommen neue Wahlen. Dieser Weg zur Inklusion, Herr Scharf, den sehe ich nirgends, den sehe ich nicht!
Hören Sie bitte einfach mal zu, das mache ich bei Ihnen auch. Ich bin morgen eingeladen zur Einweihung der Forensischen Psychiatrie in Merzig. Das Gebäude hat 18 Millionen Euro gekostet. So viel lassen wir uns das kosten, um die Leute von uns fernzuhalten.
(Abg. Berg (SPD) : Das geht zu weit. Das geht entschieden zu weit! - Empörte Zurufe von den Koalitionsfraktionen. Ministerin Rehlinger springt auf und haut auf den Tisch.)
Ich hoffe, viele von uns haben ihre Eltern bei sich zuhause. Ich habe meine Mutter bei mir gehabt, ich habe meine Schwiegermutter bei mir gehabt, aber es gibt auch viele, die können nicht anders und geben ihre Eltern ab. Manche machen es sich vielleicht auch etwas bequem. Es ist jedenfalls nur ein Weg zur inklusiven Gesellschaft.
Wie ist es denn mit unseren Gefängnissen? Vergleichen wir sie doch mit den Niederlanden, es sitzen drei Mal mehr Leute in den Gefängnissen.
Diejenigen, die in Urlaub fahren und beispielsweise nach Spanien kommen und dort nicht am Strand liegen, sollen mal schauen, wie es in Spanien aussieht für behinderte Menschen. Spanien ist ein Vorbild. Warum ist Spanien ein Vorbild? Dort hat der Staat einmal die gute Idee gehabt und die Staatslotterie der Vereinigung der Blinden übergeben. Wer schon in Spanien war, hat das vielleicht schon mal gesehen. ONCE, das ist eine staatliche Lotterie für die Blinden. Deshalb sind die Blinden Spaniens Gastgeber der ganzen Welt, Blindenorganisationen, die bezahlen alles. Weil sie finanziell stark sind, haben sie in ihrem eigenen Land einiges fertiggebracht. Gehen Sie in eine spanische Stadt, dort können Sie mit dem Rollstuhl fahren, weil überall die Bordsteine abgesenkt sind. Sie kommen auf die Toilette, weil diese behindertengerecht ist. Das ist der Weg! Das hätte ich von diesem Papier verlangt.
Der Kollege Georgi hat es eben gesagt: Wie sieht es mit den Bahnhöfen aus? Ich komme aus Quierschied, dort ist eine riesige Treppe. Selbst ein gesunder Mensch kommt nicht gut hoch, Kranke und Behinderte kommen dort nie hoch. Das sind Probleme, das könnte man hier ansprechen.
Zum Wahlrecht steht zum Beispiel in ihrem Antrag, dass die Frage des Wahlrechts „zu klären“ ist. Was heißt denn das „zu klären“? Abschaffen oder machen, zu klären heißt gar nichts. Dann kommen auf
der Rückseite die Forderungen an die Landesregierung. Da heißt es unter Punkt 3, dass der „Fokus auf die Einhaltung der Barrierefreiheit zu legen und diese zu überprüfen“ ist. - Was ist denn das für ein Unsinn? Das ist ja ein richtiger Aktionsschub. Unter Punkt 4 ist die Rede von „Herausforderungen“. - Damit sind wohl Probleme gemeint. Es steht dort auch: „Wo es erforderlich ist, erfolgen darüber hinaus individuelle Stundenzuweisungen an die Schülerinnen und Schüler.“ - Wer glaubt, dass es mit Stundenzuweisungen getan ist, der lebt in einer anderen Welt.
Diese Geschichte hier ist also rundum ein Propagandablatt der Regierungsparteien. Wir von der AfD haben keine Lust, daran teilzunehmen. Da unsere Worte immer umgedreht werden, heißt es, wenn wir dagegen sind: Die sind gegen die Behinderten. Wenn wir dafür sind, heißt es: Die haben diesen Stuss mitgetragen. - Wir werden an der Abstimmung nicht teilnehmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die große Ehre, seit 1994 Mitglied dieses Landtages zu sein, mit Unterbrechungen, als ich die Aufgabe in Saarlouis wahrgenommen habe. Ich habe bisher in all den Jahren nie erlebt, dass irgendeine Fraktion, ob CDU- oder SPD-Fraktion - ich schließe die LINKE-Fraktion mit ein und alle Fraktionen, die vorher hier im Parlament waren, ob GRÜNE oder PIRATEN -, Propagandapapiere hier vorgelegt hätten. Deshalb weise ich das zurück.