Protokoll der Sitzung vom 13.06.2018

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich danke dem Kollegen Georgi. - Für die CDULandtagsfraktion rufe ich den Kollegen Hermann Scharf auf.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesteilhabegesetz - wir haben es schon in der Ersten Lesung ausgeführt - wird große Veränderungen in der Behindertenarbeit mit sich bringen. Ich bin sehr froh, feststellen zu können, dass das Saarland, das neben Sachsen-Anhalt das einzige Bundesland ist, in dem die Eingliederungshilfe zu 100 Prozent aus dem Landeshaushalt getragen wird, weiter in der Verpflichtung steht. Ich glaube, das ist gut und wichtig, denn man spürt in der Szene insgesamt schon gewisse Ängste. Ich merke es in vielen Beratungsgesprächen gerade mit älteren Eltern, dass die große Ängste haben, wie alles weitergeht.

Beim Wohnen wird es in Zukunft so sein, dass die Gebietskörperschaften für das eigentliche Wohngeld zuständig sind und daher mehrere Träger vorhanden sind. Wir haben ja unabhängige Beratungsstellen, die sich um diese Dinge kümmern. Aber für viele der Eltern, die selbst schon in einem hohen Alter sind und immer noch ihre „Kinder“ betreuen - die sind dann 60, 70 Jahre -, ist das einfach ein ganz schwieriges Unterfangen. Ich muss deshalb immer wieder sagen, mir tun diese alten Menschen leid, weil sie einfach nicht wissen, wie es weitergehen soll. Die sagen mir: Ich kann meine Augen nicht schließen, weil ich nicht weiß, ob mein Sohn, meine Tochter nachher gut versorgt ist. Da muss man einfach aufpassen, dass wir in diesen Dingen bei allem, was das Bundesteilhabegesetz mit sich bringt, auf der Seite der schwerst mehrfachbehinderten Menschen und ihrer Eltern beziehungsweise Betreuer stehen. Das ist ganz wichtig.

Bei den landesrechtlichen Ausführungen haben wir zu einem Punkt auch einen Änderungsantrag eingebracht, dass nämlich eine Prüfung ohne das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte gestrichen werden muss. Da waren wir uns in der Großen Koalition ei

nig, dass wir diesen Punkt streichen wollen. Denn die Vergangenheit hat bewiesen, dass Ministerium und Träger in der Regel vertrauensvoll zusammenarbeiten. Herr Kollege Georgi, wenn Sie heute Pflegesatzverhandlungen mit dem Ministerium führen dürfen, ist das kein Zuckerschlecken. Da wird um jeden Cent gefeilscht. Das ist auch wichtig. Wir sind in der Eingliederungshilfe zwar kontinuierlich gestiegen und müssten eigentlich weiter steigen, trotzdem muss das Land höllisch aufpassen, dass kein Cent falsch verausgabt wird. Das ist schon heute ein ganz schwieriges Unterfangen. Deswegen bin ich allen Trägern - ob AWO, ob Caritas, ob Lebenshilfe, ob Anthroposophen - dankbar, denn alle leisten mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tolle Arbeit. Ich danke im Namen dieser Großen Koalition all denen, die diese Arbeit tagtäglich, 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr, leisten.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Es sind die Werkstätten angesprochen worden. Wir hatten die letzten drei Tage als CDU Besuch von unseren Kolleginnen und Kollegen aus Thüringen. Unter anderem haben wir die größte Werkstatt und einen der Integrationsbetriebe der WZB besucht. Wir waren gestern im CFK, anschließend - das ist mir immer ganz wichtig - im Altseiterstal, im Bereich der Reinraumwäsche. Ich kann nur sagen, die Thüringer Kolleginnen und Kollegen haben gestern Bauklötze gestaunt, denn so etwas haben sie an Werkstattzentrum noch nicht gesehen. Ich glaube, das, was all die Jahre durch die Träger mit dem Land zusammen entstanden ist, kann sich sehen lassen.

Wir sind gerade im Bereich der Arbeit in den Werkstätten bestens aufgestellt. Wir sind aufgestellt vom grünen Bereich - Wintringer Hof, Wendalinushof, das Haus Sonne in Walsheim - bis hin zur hochindustriellen Werkstatt. Schauen Sie sich an, was heute im Bereich High Tech, im Bereich der Metallverarbeitung läuft oder bei der Reinraumwäsche, bei der mittlerweile weltweit für Systeme in der Pharmaindustrie und auch im Bereich der Computerindustrie gearbeitet wird! Das machen behinderte Menschen. Wir können stolz sein, dass wir diese Arbeitsplätze haben.

Wir haben auch, was die Vermittlungen angeht, die höchsten Quoten. Vor einigen Wochen hatte ich ein Gespräch mit den Vertretungen der Behinderten aus der gesamten Bundesrepublik. Sie haben mir auch noch einmal ein Stück weit die Augen geöffnet, weil dort folgender Zusammenhang angesprochen worden ist: Ja, wir haben dem ersten Arbeitsmarkt schon zur Verfügung gestanden. Dann aber kam eine Schwierigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Und wer waren die ersten, die weg waren? Das waren wir. Daraufhin sind wir noch einmal in unsere alten Verhaltensweisen zurückgefallen, weil das System der

(Abg. Georgi (DIE LINKE) )

Werkstatt neben dem Segment der Arbeit auch das Sozialpädagogische vorhält; ich glaube, der Sozialarbeiter Sebastian Thul weiß das am besten. Auch das müssen wir immer wieder ganz besonders betonen. Es ist auch diesen Vertretern ganz wichtig, dass wir, von Schleswig-Holstein bis nach Bayern, von Sachsen bis zu uns im Saarland, sagen können, dass neben der Arbeit, die wichtig ist, dieses Element einbezogen ist.

Ich betone noch einmal, dass wir in unseren saarländischen Werkstätten mit die höchsten Löhne zahlen. Darauf können wir wirklich stolz sein. Und ich möchte bei dieser Gelegenheit auch noch einmal erwähnen, was ebenfalls ganz toll ist und was gestern auch noch einmal in der WZB dargestellt wurde, dass für Decoma, für ZF, also für große Automobilzulieferer gearbeitet wird. Die gehen zwischenzeitlich in die Behindertenwerkstätten und haben dort Standorte, dort arbeiten Behinderte und Nichtbehinderte. Ich glaube, diesbezüglich sind wir auf einem guten Weg. Wir wünschen uns, das sage ich ganz offen, noch mehr. Wir müssen aber auch herausarbeiten, dass wir, es wurde erwähnt, in diesen Dingen führend sind. Darauf dürfen wir heute auch einmal ein bisschen stolz sein.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir haben im Moment 3.300 Plätze in den saarländischen Werkstätten. Ich verhehle nicht, dass in den kommenden Jahren noch einige Plätze hinzukommen müssen, weil nach dem, was wir jetzt wissen, nicht jeder, der aus den Schulen kommt, auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sein wird. Deswegen brauchen wir, auch in einer inklusiven Welt, dringend den Schonraum Werkstatt.

Das Bundesteilhabegesetz bringt auch mit sich, dass Behinderte Behinderte beraten sollen. Das beste Beispiel dafür bietet immer unsere Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung, meine Freundin Christa Maria Rupp vom saarländischen Blindenund Sehbehindertenverein. Sie macht das bereits seit vielen Jahren ganz hervorragend. Sie macht das wirklich klasse, das ist ein Beispiel dafür, wie so etwas laufen kann.

Allerdings bin ich gemeinsam mit anderen auch Lobbyist der schwerstbehinderten Menschen. Auch anlässlich der heutigen Debatte möchte ich daran erinnern, dass wir in diesem Jahr das Jubiläum „25 Jahre therapeutische Wohngruppe“ feiern. Eine Erfolgsgeschichte, die im Jahr 1992 durch Christiane Krajewski und das Ministerium gestartet wurde. Zu Beginn war das keine einfache Zeit, sieht man das aber nach 25 Jahren, erweist sich das klar als Erfolgsstory. Es geht um Behinderte, die man zuvor weggesperrt hatte, weil sie geistig behindert waren. Das waren Behinderte, von deren Existenz man nichts gewusst hat, die man unmenschlich behan

delt hat, die man mit einer Medikation versehen hat, die einem einfach nur den Atem verschlagen hat. Als wir damals zum ersten Mal unsere Hausärzte mit ihnen beschäftigt haben, haben die die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Wir haben am Anfang Merzig auch immer noch gebraucht, um diese Dinge auf die Reihe zu bringen. Heute können wir feststellen, dass sich die therapeutische Wohngruppe toll bewährt hat.

Ich weise auf diesen Aspekt hin, weil schwerstbehinderte Menschen nun wirklich nicht andere Behinderte beraten können. Deswegen sage ich, dass wir an diesem Punkt einfach aufpassen müssen. Diesbezüglich sind wir alle gefordert, in die Einrichtungen zu schauen, die Gespräche zu führen, damit wir diese Menschen, die Schwerstbehinderten, nicht vergessen. Ich glaube, sie haben es mit am meisten verdient, dass man sich um sie kümmert, dass man sie nicht alleinlässt.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich möchte zum Schluss einfach feststellen, dass das Bundesteilhabegesetz viele Chancen in einer inklusiven Welt bietet. Wir müssen aber, das sage ich noch einmal ganz klar und deutlich, aufpassen, dass wir die schwerstbehinderten Menschen nicht vergessen. Ganz wichtig ist es, die Mentalität des Hinschauens zu bewahren. Dazu rufe ich alle ganz herzlich auf! - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter. - Für die SPDLandtagsfraktion rufe ich Herrn Abgeordneten Thul auf.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Ausführungsgesetz zum Bundesteilhabegesetz gehen wir heute einen Schritt weiter in die von uns gewünschte inklusive Zukunft. Wir wollen heute einen weiteren Baustein hinzufügen, damit Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft, in unserer Mitte leben. Ich glaube, bei aller berechtigten Kritik am Bundesteilhabegesetz - der Kollege Georgi hat ja eben vorgetragen, dass es Widerstand gegen das Bundesteilhabegesetz gab - darf man nicht verkennen, dass sich das Ganze doch so verhalten hat, dass die Menschen mit Behinderung für ihre eigenen Interessen eingestanden haben. Die Bundesvereinigung der Lebenshilfe beispielsweise hat das auch für die Menschen getan, die nicht selbst für sich einstehen konnten. In der Konsequenz wurden wichtige Verbesserungen am Bundesteilhabegesetz vorgenommen. Ich halte im Nach

(Abg. Scharf (CDU) )

hinein den Gesetzentwurf der letzten Bundesregierung für in der Tendenz gut. Ich halte auch unser Ausführungsgesetz, das wir im Saarland nach einer breit angelegten Diskussion heute hier verabschieden, für gut gelungen.

Wie ist im Moment der Zustand der Eingliederungshilfe in unserem Land? Der Kollege Scharf hat ja schon die einzelnen Bereiche angesprochen. Ich würde mal sagen, wir sind vorbildlich, was die Eingliederungshilfe in unserem Land angeht. Wir sind vorbildlich, weil - das halte ich für eine enorme Stärke - die Verantwortung für die Eingliederungshilfe beim Land liegt und nicht bei den Kommunen. Das ist im Saarland ein entscheidender Vorteil für alle Akteurinnen und Akteure, für die Träger, aber auch für die Menschen mit Behinderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Träger übernehmen - das müssen wir uns immer vergegenwärtigen, auch das Ministerium bei den Verhandlungen zu den Tagessätzen - staatliche Aufgaben. Unsere Träger übernehmen hoheitliche Aufgaben, die wir an sie delegieren. Das sind Aufgaben, für deren Erledigung die Träger die Experten sind. Sie machen eigentlich die Arbeit, die andernfalls der Staat erledigen müsste, weil es einen entsprechenden Rechtsanspruch gibt. Deswegen kann man den Trägern nicht oft genug dafür danken, dass sie diese Arbeit übernehmen und, das würde ich mal so sagen, in aller Regel sehr gut erledigen. Deswegen gebührt, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Trägern in allererster Linie zunächst einmal ein großes Dankeschön dafür, dass sie diese Arbeit so gut machen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Daher war es für uns auch selbstverständlich, einen Passus in diesem Ausführungsgesetz zum Bundesteilhabegesetz zu ändern. Kollege Georgi hat dieses Thema eben schon angesprochen, es geht um die anlasslose Kontrolle, um die unangekündigte Kontrolle in den Einrichtungen. Nun ist es so, das haben auch die Einrichtungen in der Anhörung herausgestellt, dass es im Saarland keinerlei Vorfälle gab, bei denen etwa bei der Qualität erhebliche Mängel zutage getreten wären oder irgendetwas daran, wie die Träger ihre Arbeit erledigen, auszusetzen gewesen wäre.

Unabhängig davon, ob wir nun anlasslose oder unangekündigte Kontrolle brauchen oder nicht - unterhalten Sie sich einmal mit den Trägern der Eingliederungshilfe, was heute in den Einrichtungen an Qualitätsmanagement stattfindet! Da sind alle Bereiche in allen Werkstätten auditiert! Es gibt regelmäßige Audits, die Mitarbeiter führen gewissenhaft die Akten. Das ist auch eine Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, am Ende steht aber eine Zertifizierung. Nach meiner Ansicht kann man in diesem Bereich nicht wirklich alles so zertifizieren, wie

es in der Industrie die Regel ist. Dennoch wird das gemacht, auch im sozialpädagogischen Bereich, wo so etwas durchaus schwierig ist. Das wird gemacht nach Qualitätsstandards der Industrie, nach DIN-, EN- und ISO-Normen. Es ist schwierig, das nach diesen Normen zu machen, aber die Träger machen das. Diese Audits kann man sich von den Trägern anfordern, und das macht das Ministerium auch regelmäßig. Deswegen, glaube ich, war es wichtig, an der Stelle noch mal einen Akzent zu setzen und zu sagen: „Wir vertrauen unseren Trägern und sind der Überzeugung, dass sie eine gute Arbeit machen. Und wenn es mal hapert, lösen wir das gemeinschaftlich.“ Das ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, deswegen haben wir das geändert, und das ist eine gute Änderung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das zweite von Ihnen angesprochene Thema war die Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und der Lohnkostenzuschuss. Ich will aus meinen eigenen Erfahrungen berichten, ich habe jahrelang als sozialpädagogischer Dienst mit unseren Fachkräften für betriebliche Integration zusammengearbeitet, die unsere Menschen mit Behinderung - was ja auch der gesetzliche Auftrag ist - aus der Werkstatt hinaus auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterbringen sollen. Ich kann Ihnen sagen, bei den Personen, bei denen es gescheitert ist, ging es nicht bei einer einzigen um den Lohnkostenzuschuss! Es verhielt sich eher so, dass genau das, was der Kollege Scharf eben herausgestellt hat, der Fall war, nämlich dass die sozialpädagogische Begleitung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eben fehlt und deswegen eine Integration auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich war. Es ging auch gar nicht mal um professionelle sozialpädagogische Hilfe, sondern um den menschlichen Kontakt. Es muss in einer Firma, in einem Unternehmen, das sich dafür entscheidet, einen Menschen mit Behinderung einzustellen, Menschen geben, die mit diesem Menschen auch umgehen können, die diesen Menschen ein gutes Stück seines Weges begleiten, vielleicht sogar bis in die Rente, weil er immer Begleitung braucht, damit er seine Arbeit erfolgreich machen kann.

Das Ministerium kann ja beim Lohnkostenzuschuss nach oben abweichen. Die Signale aus dem Ministerium sind: Wenn das der ausschlaggebende Punkt ist, muss man darüber reden. Deswegen haben wir an diesem Punkt keinen Abänderungsantrag gestellt, weil wir ihn ganz ehrlich für vernachlässigbar halten; es sind so wenige Fälle, dass im Einzelfall schnell reagiert werden kann. Das ist keine Barriere für die Integration auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sind Spitze in der Vermittlung, der Kollege Scharf hat es angesprochen. „Spitze“ hört sich im

(Abg. Thul (SPD) )

mer an, als gehe es um ein paar Hundert, aber man kann die Personen, die man auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermitteln kann, meistens an zwei Händen abzählen. Das ist auch realistisch. Viele Werkstattbeschäftigte wollen aus eigenem Antrieb gar nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, man kann es ihnen auch nicht ruhigen Gewissens empfehlen, selbst wenn sie die Qualifikation dafür hätten, weil sie sich finanziell wesentlich schlechter stellen würden, als wenn sie in der Werkstatt verbleiben würden. Hier bin ich dafür, dass wir ein Anreizsystem schaffen, gerade was die Erwerbsunfähigkeitsrente angeht. Es darf keine Hürde mehr sein, dass, wenn man auf den allgemeinen Arbeitsmarkt geht, die Erwerbsunfähigkeitsrente wegfällt, denn das ist der größte Hinderungsgrund dafür, dass Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln. Und ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den geringen Fallzahlen könnten das unsere Versicherer durchaus verkraften, wenn diese Menschen weiterhin die Möglichkeit hätten, irgendwann mal eine Erwerbsunfähigkeitsrente zu beziehen. Da müssen wir noch Barrieren abbauen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich will auch die Entlohnung in den Werkstätten ansprechen. Ich habe es in meiner ersten Rede schon gesagt und ich glaube, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Fraktion sind uns da sehr einig: Wir wollen irgendwann auch einen Mindestlohn für Menschen mit Behinderung, einen Mindestlohn, der über dem jetzt in der Werkstatt gezahlten Lohn liegt. Kollege Scharf hat es gesagt, es ist heute nicht mehr so, dass die Menschen in den Werkstätten Tüten zusammenkleben oder Schrauben abpacken - das wird auch noch gemacht -, sondern der Großteil der Arbeit, der im Moment in den Werkstätten verrichtet wird, ist durchaus konkurrenzfähig zu Angeboten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Und liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir sollten uns in diesem Hohen Haus auch das Ziel setzen, dass die Menschen dafür gerecht entlohnt werden.

Wir haben mit diesem Bundesteilhabegesetz viele Chancen. Das Ministerium hat jetzt auch die Chance, die Ausgestaltung in der Praxis zum Wohle der Menschen mit Behinderung umzusetzen. Dafür hat es Vorsorge getroffen. Es sind mehr Mitarbeiter eingestellt worden im Ministerium wie im Landesamt, damit wir den Herausforderungen, die das Bundesteilhabegesetz an uns stellt, gerecht werden können. Wir sind uns einig, dass wir hin zur personenzentrierten Förderung wollen, das ist auch der Kern des Bundesteilhabegesetzes, den wollen wir im Saarland umsetzen. Wir wollen weg von einem Fürsorgesystem, das antiquiert und überholt ist, hin zu einer personenzentrierten Förderung. Aber ob dieses letzten Endes gelingt, hängt ganz entscheidend davon

ab, ob die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Ministerium auch die Möglichkeit haben, diese personenzentrierte Förderung umzusetzen. Ich hoffe, mit dem zusätzlichen Personal sind sie dazu in der Lage. Ich wünsche es ihnen und ich wünsche unseren Menschen mit Behinderung, dass sie gut aufgehoben sind, dass sie entsprechend ihrer Eignung gefördert werden, dass man wegkommt davon, auf ihre Defizite zu schauen, und dazu kommt, ihre Stärken zu sehen und diese weiter zu fördern. Das würde uns ein gutes Stück weiter in Richtung inklusive Gesellschaft bringen. Dazu wollen wir heute hier einen Beitrag leisten. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Ich rufe für die Regierung auf die Frau Ministerin Monika Bachmann.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am vergangenen Sonntag war ich ganz glücklich. Wir hatten nämlich das 5. Inklusionsfest. Für die, die nicht da waren, will ich eine kurze Schilderung geben. Wir hatten nicht nur schönes Wetter, sondern wir hatten 800 Menschen mit Behinderung, die geholfen haben, die an den Ständen waren, und wir hatten Tausende von Besuchern, von Kindern, von Menschen mit Handicap und ohne. Im nächsten Jahr, wahrscheinlich im Mai, werden wir das 6. Inklusionsfest feiern in einer solchen Größenordnung, dass Sie es sich überhaupt nicht vorstellen können. Ich kann Ihnen nur empfehlen, es sich anzuschauen. Deshalb möchte ich zunächst einmal all denen danken und ihnen auch den Dank meines Abteilungsleiters, Bernd Seiwert, weiterleiten, die geholfen haben, die einfach da waren und gesagt haben: Ja, dieser Tag soll ein schöner Tag werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben an dem Tag die Inklusionsbeauftragte unseres Ministeriums vorgestellt, Kerstin Schikora, die die Aufgabe hat, im Saarland, aber auch über unsere Grenzen hinweg mit den anderen Bundesländern, diese Arbeit zusammenzuführen. Sebastian Thul hat es gesagt, „Inklusion“ ist nicht nur ein Wort, das wir in Reden aussprechen, sondern wir wollen Inklusion auch leben.

In diesem Gesetz, das uns heute vorliegt, steht, ich zitiere: „(…) nichts über uns ohne uns“. Aus diesem Grund werden wir die Menschen mit Behinderung bei der Umsetzung beteiligen. Mit dem heute zur Annahme stehenden Gesetz zur Umsetzung dieses Riesenpakets des Bundesteilhabegesetzes, das in mehreren Stufen abgearbeitet werden muss, haben

(Abg. Thul (SPD) )

wir, wenn es verabschiedet wird, einen wichtigen Schritt gemacht. Beim Träger der Eingliederungshilfe, so Sebastian Thul eben in seinen Ausführungen, bleiben wir, wie von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und den Kommunen gewünscht, bei der bisherigen Rechtslage, und das ist auch gut so. Träger der Einrichtungshilfe bleibt das Land, ausgeführt wird die Eingliederungshilfe weiterhin durch das Landesamt für Soziales. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, die Rahmenvertragsverhandlungen mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege weiterzuführen und damit den nächsten großen Schritt zum Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes am 01.01.2020 vorzubereiten. Das ist ja nicht mehr so lange hin.

Ich habe eben gesagt, in dem Gesetz steht „(…) nichts über uns ohne uns“. Wir nehmen die Menschen mit Handicap mit, und als maßgebliche Interessenvertretung werden wir durch Rechtsverordnung einen Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderung bestimmen. So ist sichergestellt, dass ein möglichst breites Spektrum der Menschen, die ein Handicap haben, auch beteiligt wird. Der entsprechende Verordnungsentwurf ist bereits fertiggestellt, er wartet sozusagen nur noch auf die Umsetzung.

Dieser Entwurf stößt, soviel ich weiß, auf sehr breite Zustimmung. Von der im Bundesteilhabegesetz vorgesehenen Verordnungsermächtigung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ohne das Vorliegen eines tatsächlichen Anhaltspunkts für eine Pflichtverletzung des Leistungserbringers wird aufgrund des Änderungsantrages der Regierungsfraktionen kein Gebrauch gemacht. Mit dieser Änderung wird das Gesetz von allen Beteiligten mitgetragen, somit können wir uns gemeinsam mit den Menschen, die ein Handicap haben, und den Leistungserbringern voll und ganz auf die Umsetzung konzentrieren.