Das muss man hinterfragen. Ist das wirklich so? Ich rufe zur Gelassenheit auf. Warten wir in Ruhe die Studie ab, schauen wir dann genau hin und analysieren. Dabei sollten wir auch in die anderen Bundesländern schauen. Frau Spaniol ist jetzt nicht mehr da, aber ich möchte es trotzdem gesagt haben: Es ist auf keinen Fall so, dass man einen Wechsel in den einzelnen Bundesländern an einer Partei festmachen kann. Verbote oder Vorgaben wurden beispielsweise parteiunabhängig ausgesprochen, ob beispielsweise die Methode Schreiben nach Gehör verwendet werden darf oder nicht oder ein Methoden-Mix erlaubt ist.
Das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Sehr radikal ist hier zum Beispiel das Land Brandenburg, das ausschließlich die Fibelmethode zulässt. Baden-Württemberg hat Schreiben nach Gehör nun auch verboten. Hamburg und weitere Bundesländer waren vor einigen Jahren schon auf diesem Weg.
Wir sind auf keinen Fall gezwungen, diesen Weg zu gehen. Ich rufe - wie eben angesprochen - zur Gelassenheit auf. Die Schule, die Kinder, die Lehr- und Fachkräfte an unseren Schulen brauchen diese Ruhe für die tägliche Arbeit. Wir sollten sie nicht mit einer zusätzlichen Diskussion verunsichern. Ich appelliere an die pädagogische Freiheit der Lehrerinnen und Lehrer, die unglaublich wichtig ist. Ich muss als Lehrkraft selbst entscheiden können, welche Metho
de für welche Schülerklientel genau die richtige ist. Gerade im Zeitalter des Differenzierens und der Inklusion ist die pädagogische Freiheit ein ganz wichtiges Gut. Die Methodenvielfalt ist auch wichtig. Ich muss Abwechslung in den Unterricht bringen. Die Schülerinnen und Schüler sind immer länger in der Schule. Umso wichtiger ist es, abwechslungsreich und kreativ zu unterrichten. Gerade im Zeitalter der Inklusion brauchen wir diese Variationen und Abwechslungen im Unterricht.
Ich möchte auch noch einmal unsere Schülerklientel ansprechen, wie viel Heterogenität gerade in den Grundschulen da ist. Schülerinnen und Schüler, die in die Grundschule kommen, können zum Teil schon hervorragend lesen. Sie lesen kleine Texte, sie können über ihren Namen hinaus schon mehrere Wörter richtig schreiben, sie kommen mit der Anlauttabelle sehr früh zum kreativen Schreiben, verfassen in den ersten Wochen schon selbst kleine Texte. Andere wiederum kommen nach vielen Monaten noch nicht über das Lesen erster kleiner Silben oder das Schreiben kleiner Worte hinaus. Umso wichtiger ist, dass der Lehrer hier die Möglichkeit hat, entsprechend vielfältig zu agieren, um seinen Unterricht dem jeweiligen Schüler anzupassen.
Ich möchte an der Stelle hervorheben, welch hervorragende Arbeit in unseren saarländischen Grundschulen geleistet wird. Ein Riesenkompliment an alle Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer: Ihr macht einen hervorragenden Job. Vielen Dank dafür.
Stichwort Studie. Auch ich habe für mich eine ganz kleine Studie gemacht. In Vorbereitung auf diesen Redebeitrag hat mich interessiert, wie das eigene Netzwerk eingestellt ist. Ich habe einige Anrufe getätigt, einige Mails verfasst, quer durchs Saarland, im Bereich der Grundschulen. Das Ergebnis war eindeutig: Alle arbeiten im ersten Schuljahr mit einer Fibel sehr strukturiert und sind sehr froh, die Anlauttabelle ergänzend hinzuziehen zu können. Alle wünschen sich weiterhin pädagogische Freiheit und Methodenvielfalt im Unterricht und wollen sich nicht ein weiteres Verbot einhandeln beziehungsweise irgendwelche Vorgaben erhalten, die sie nur unnötig verunsichern.
Lassen Sie uns deshalb gemeinsam an den Themen in der Grundschule arbeiten, die wirklich wichtig sind. Stichwort Entlastung. Wir müssen dafür sorgen - und das werden wir auch in den kommenden Haushaltsberatungen tun -, dass unsere Lehrkräfte in den Grundschulen, in den Förderschulen, in den weiterführenden Schulen entlastet werden, dass wir den Einstieg in das Thema multiprofessionelle Teams finden, dass die Lehrerinnen und Lehrer im
gesamten Schulalltag die Zeit für den Unterricht haben, die sie brauchen, und übrige Fachkräfte ihnen in der täglichen Arbeit helfen können. Dafür sollten wir gemeinsam kämpfen.
Schauen wir uns gemeinsam noch die Rechtschreibung im Saarland an. Orientierung für den Anfangsunterricht ist der Rahmen, den die Lehrpläne vorgeben. Der Kollege Renner hat eben schon die Empfehlungen der KMK zitiert. Beim Schriftspracherwerb ist das lautorientierte Schreiben ein Entwicklungsschritt zum normgerechten Schreiben. Es wird also ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das lautorientierte Schreiben in diesem Prozess des Schreibens und des Lesens hinzukommt.
Die Rechtschreiblehre findet nicht nur in der Schuleingangsphase statt, sondern auch in den Folgeklassen. Da ist die Entwicklung des Kindes unglaublich wichtig. Wie wird zuhause unterstützt, was passiert in der Schule? Hier wird im Saarland schon hervorragende Arbeit geleistet, es mit vielen Projekten, Fortbildungen und anderweitigen Veranstaltungen im Bereich Rechtschreibung unterstützt.
Schauen wir noch einmal auf die IQB-Bildungsstudie. Auch hier gibt es ein deutliches Signal für das Saarland: Vor einem Jahr, im Herbst, Platz 1 im Bereich Orthografie. Das sollte eine Bestätigung sein dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind und kein neues Fass aufmachen sollten. Die Fibel-Methode wird ergänzt durch weitere Methoden. Von daher sollten wir die neue Studie auf jeden Fall analysieren. Vielleicht kann man das eine oder andere noch daraus lernen und in die tägliche Arbeit miteinbeziehen. Aber von einem Verbot beziehungsweise von einer deutlichen Veränderung sind wir, denke ich, sehr weit entfernt.
Die Rechtschreib- und Grammatikarbeit ist im Übrigen fester Bestandteil der Überprüfung im dritten und vierten Schuljahr. Im Saarland findet in der Grundschule jeweils eine Überprüfung am Ende des Halbjahres in den einzelnen Rechtschreibstrategien und Grammatikregeln statt, sodass der Lehrer/die Lehrerin einen Überblick hat, wo das entsprechende Kind steht. Das ist auch ein ganz wichtiges Signal. Und wir haben weitere ergänzende Maßnahmen im Bereich der Fortbildungen und Projekte.
Aber - an dieser Stelle ein deutliches „aber“ von meiner Seite - im Bereich der Leistungsbewertung haben wir den Prozess der Veränderung bereits eingeleitet, sogar sehr schnell eingeleitet. Wir sind gemeinsam zu dem Entschluss gekommen, dass genau hingeschaut werden muss, dass der Bereich des Leistungsbewertungserlasses evaluiert werden muss. Da sollten wir ganz genau hinschauen, wie es in der Grundschule im Bereich Rechtschreibung aussieht. Aktueller Sachstand: ein großer Leistungs
nachweis im Bereich Rechtschreibung und Grammatik, weitere kleine Leistungsnachweise im Bereich der Diktate. Wir sollten genau hinschauen, ob das ausreichend ist oder ob korrigiert werden muss. Wir haben die Chance, in dem Prozess der Evaluation und gegebenenfalls auch Korrektur nachzubessern. Da könnte diese Studie ein weiterer Anhaltspunkt sein, dies ergänzend mit hinzuzunehmen.
Fazit: Im Saarland wird die Lehrmethode „Lesen durch Schreiben“ von Jürgen Reichen nicht in der Reinform praktiziert, nur ergänzend. Unser Lehrsystem funktioniert durch die von mir geschilderte Vorgehensweise schon seit vielen Jahren gut. Dabei ist die pädagogische Freiheit und Methodenvielfalt ein ganz, ganz wichtiges Kriterium, auf das die Lehrerinnen und Lehrer zu Recht stolz sind und das sie in ihrer täglichen Arbeit auch benötigen. Die Arbeit mit der Anlauttabelle bringt sehr viele Vorteile und auch Freiräume, gerade im Bereich der Differenzierung. Daher lehnen wir den vorliegenden Antrag ab. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 16/586 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/586 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Vertreter der AfD-Landtagsfraktion. Dagegen gestimmt haben alle übrigen Fraktionen des Hauses.
Beschlussfassung über den von der AfDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Ideologisch bedingte Inklusion endlich stoppen und Schaffung eines schulischen Systems für sonderbegabte Kinder
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange einmal mit einer erfreulichen Feststellung an: Wir haben ein sehr gutes Förderschulsystem für unsere behinderten Kinder. Wir haben Förderschulen für verschiedene Behinderungen, für blinde Kinder, für gehörlose Kinder, für körperbehinderte Kinder, für Kinder mit Sprachproblemen, für erziehungsschwierige Kinder und so weiter. Wir haben auch
Förderschulen für Behinderungen leichterer Art, also für sehschwache Kinder, für schwerhörige Kinder, für lernbehinderte Kinder und so weiter. Wir haben für schwach behinderte Kinder auch ein ambulantes Angebot. Dazu existieren sonderpädagogische Förderzentren, von wo aus die integrative Unterrichtung in den Regelschulen organisiert wird. Eigens dafür ausgebildete Lehrer betreuen diese Kinder, sie sind besonders ausgebildet und besonders motiviert. Das ist also eine sehr, sehr gute Sache, das hat sich bewährt und das sollte auch so bleiben. Warum dann der Rückschritt zur sogenannten Inklusion, von der wir ja herkommen?
Herr Thul, ich bin es als Lehrer gewohnt, dass man manche Sachen öfter sagen muss, damit sie auch hängen bleiben. Das wird mit der Inklusion noch eine Weile dauern. Da muss man sich eben dran gewöhnen. Mir macht das auch keine große Freude, immer dasselbe sagen zu müssen,
aber ich mache es mal so. - Wir haben das rücksichtslose Zusammen-Unterrichten von Kindern mit großen Begabungsunterschieden durch die Schaffung eines leistungsfähigen Förderschulsystems überwunden, um auch den schwachen Kindern eine anlagegemäße Unterrichtung und Bildung zu ermöglichen. Die nun propagierte Inklusion ist erstens ein Sparmodell, das habe ich an anderer Stelle schon einmal ausgeführt, und andererseits eine Spielwiese für Berufsideologen auf Kosten unserer Kinder. Hier finden Versuche am wehrlosen Kinde statt. Die Lebenschancen von ohnehin benachteiligten Kindern werden mutwillig zerstört. Deshalb: die ideologisch motivierte Inklusion sofort einstellen!
Ich habe also eben eine erfreuliche Tatsache herausgestellt, aber ich muss leider auch feststellen, dass unser Schulsystem nur einseitig gut aufgestellt ist. Im Bereich des behinderten Kindes ist die Pädagogik auf die einzelnen Kinder ausgerichtet. Das fehlt aber bei Kindern mit Sonderbegabungen. In unserem rohstoffarmen Land sind die Begabungen unserer Kinder die Versicherung für eine gute Zukunft. Wir dürfen unsere begabten Kinder nicht länger vernachlässigen. Beim letzten Mal sind ja schon einige
Dinge aufgezählt worden, was man alles für sogenannte Hochbegabte gemacht hat, aber ich kann nur feststellen, ein Sommercamp mit Kindern oder Jugendlichen wird es nicht tun,
auch nicht die eine oder andere Untersuchung. Wir brauchen eine breit angelegte systematische Förderung unserer Sonderbegabten, am besten in eigens dafür eingerichteten Schulen. Die Kinder, die diese Schulen verlassen, werden dafür sorgen, dass wir uns ein gutes Schulsystem für unsere schwachen Kinder auch später noch leisten können.
In diesem Zusammenhang spricht man oft von Hochbegabten und meint die intellektuelle Begabung. Das ist unserer Ansicht nach zu kurz gegriffen. Es geht vielmehr um alle Begabungen und Interessen: mathematische, naturwissenschaftliche, musikalische, handwerkliche, sportliche, erfinderische, künstlerische und so weiter. Der Vorstellungskraft sind hier keine Grenzen gesetzt. Natürlich kann ein solches System nicht aus dem Boden gestampft werden, für den Auf- und Ausbau des Förderschulwesens haben wir - daran habe ich selbst teilgenommen - Jahrzehnte gebraucht! Aber wenn es nicht einfach ist und man eine längere Zeit dafür braucht, umso mehr ist es dann geboten, jetzt gleich anzufangen. Dabei muss alles gleichzeitig begonnen werden, zuerst einmal die Schaffung einer Ausbildungsstelle für Lehrer, die an solchen Schulen unterrichten können. Dann müssen Lehrkörper für diese Schulen zusammengestellt werden, Bildungspläne erarbeitet werden, entsprechende Aufbauschulen müssen gegründet werden, man muss „Begabungspfadfinder“ einsetzen, man muss Schüler zum Besuch dieser Schulen gewinnen und man muss natürlich auch Lehrer gewinnen, die an diesen Schulen unterrichten wollen und die sich einer besonderen Ausbildung unterziehen. Und man muss Personal suchen, das diese Sache zu ihrer eigenen macht und vorantreiben will.
In der FAZ habe ich gelesen, dass VW sein Zentrum für Künstliche Intelligenz mangels verfügbarer deutscher Mitarbeiter in den USA und in China errichtet. Da frage ich mich, was ist in Deutschland los? Gibt unser Bildungssystem nicht mehr die Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit? Hier heißt es gegensteuern, und zwar sofort. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf der
heutigen Tagesordnung erscheint zum wiederholten Male das Thema Inklusion, ergänzt heute um das Thema Begabtenförderung. Zum wiederholten Mal möchte ich an der Stelle darstellen, wie intensiv der saarländische Landtag, unser Parlament, sich schon mit dieser Thematik befasst hat. Im Jahr 2018 hatten wir am 17. Januar eine intensive Debatte, ich erinnere mich noch sehr gut daran, zum Thema „Keine ideologisch motivierte Inklusion“. Am 01. Februar hatten wir zum Thema Begabtenförderung einen Antrag im Bildungsausschuss, am 22. August 2018 ging es um das Thema „Einrichtung von sonderpädagogischen Klassen an Brennpunktschulen“; das war also das Thema Inklusion an einem Beispiel exemplarisch dargestellt, aber die Diskussion ist ähnlich verlaufen. Dabei haben wir auch alle debattiert.
Am 22. September 2018, also im vergangenen Monat, ging es um das Thema „Ideologisch motivierte Inklusionsversuche stoppen“. Damals hat unser Bildungsminister Ulrich Commerçon Rede und Antwort gestanden, er hat die Dinge, die bereits in Arbeit sind, und auch unsere Sicht der Inklusion dargestellt. Auch damit haben wir uns damals entsprechend auseinandergesetzt. Des Weiteren hat am 22. September eine Debatte zum Thema „Gründung einer Schule für begabte und motivierte Kinder und Jugendliche“ stattgefunden, hierzu haben auch etliche Abgeordnete gesprochen.
Das Parlament hat sich, wie ich hier dargestellt habe, allein im Jahr 2018 viermal mit dem gleichen Sachverhalt befasst! Es ist zu begrüßen, dass ein Thema wie etwa das unter dem letzten Tagesordnungspunkt behandelte aufgerufen wird, wenn es etwa um Rechtschreibung geht, orientiert an einer Studie. Wir haben hier auch schon über andere Themen gesprochen, etwa die Privatschulen; das ist auf jeden Fall in Ordnung. Aber ein und dasselbe Thema viermal aufzurufen und nicht zu akzeptieren, was wir als Parlamentarier hier entsprechend machen, das ist nicht in Ordnung. Ich habe es dargestellt, und jeder kann sich noch daran erinnern, wie intensiv wir uns damit auseinandergesetzt haben. Wir haben am Ende auch abgestimmt.