Protokoll der Sitzung vom 14.11.2018

sicht diesem Hause gerecht wird, wie es sich für ein ordentliches Landesparlament gehört. Deswegen ist die zentrale Frage: Was erwarten wir im Rahmen dieser ordentlichen Parlamentsarbeit von Ihnen, Herr Kollege Dörr? - Wenn Sie ein Thema von so zentraler und grundsätzlicher Bedeutung ansprechen, dann erwarten wir ganz konkret von Ihnen, dass Sie hier in diesem Hause einen entsprechenden Gesetzentwurf mit ordentlicher Begründung vorlegen, sodass wir eine ordentliche inhaltliche Debatte führen und uns mit Ihren Vorschlägen auseinandersetzen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, worüber reden wir denn heute überhaupt? So richtig kann ich es Ihnen gar nicht sagen. Vielleicht können Sie mir es sagen? Wenn Sie einen ordentlichen Gesetzentwurf vorgelegt hätten - Sie haben es ganz am Rande Ihrer Rede angesprochen -, dann hätten dort ganz konkrete Details beinhaltet sein müssen, beispielsweise wie sich die AfD-Fraktion die konkrete Einteilung des Wahlgebietes im Saarland vorstellt, also wie viele Wahlkreise sie haben will. Wie wollen Sie mit Überhang- und Ausgleichsmandaten umgehen? Sind Sie für eine sogenannte Grundmandatsklausel im Saarland? Wie wollen Sie die Art und Weise der Sitzverteilung vornehmen, Stichwort „Verfahren“? Für welches mathematische Verfahren würden Sie sich bei der Sitzverteilung entscheiden? Wollen Sie mit geschlossenen oder offenen Listen wie beispielsweise Bayern arbeiten? Oder wollen Sie den Saarländerinnen und Saarländern mehr Stimmen durch Kumulieren und Panaschieren einräumen? Und so weiter und so fort. Alle vorgenannten Details sind unabdingbar, um in diesem Hause wirklich eine fundierte und inhaltliche Debatte führen zu können. Diese Antworten bleiben Sie schuldig.

Die zentrale Frage, die Sie auch nur ganz am Rande beantwortet haben, ist: Wie viele Abgeordnete soll denn dieses Hohe Haus zukünftig haben? Sollen es 51 Abgeordnete bleiben oder sollen es mehr werden? Das Entscheidende ist doch bei einer personalisierten Verhältniswahl - also bei der Mischung von Verhältnis- und Mehrheitswahl -, dass es in aller Regel zu Überhang- und Ausgleichsmandaten kommt. Das führt in aller Regel dazu, dass die Parlamentsgröße entsprechend ansteigt. Herr Kollege Dörr, sorry, dazu müssten Sie dann auch eine klare Aussage hier in diesem Hohen Hause treffen.

Ich habe es so interpretiert, dass Sie mir nichts dir nichts - also relativ einfach - akzeptieren würden, dass dieses Hohe Haus künftig entsprechend mehr Abgeordnete haben wird. Da möchte ich nur den dezenten Hinweis geben: Das kostet Steuergelder. Dazu müssten Sie dann den Saarländerinnen und Saarländern eine ganz konkrete und fundierte Antwort geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich könnte wirklich noch eine Vielzahl weiterer Kritikpunkte hier anführen, erspare es mir aber und möchte einfach nur feststellen, dass in meinen Augen die AfD-Landtagsfraktion wirklich ein sehr merkwürdiges Verständnis von parlamentarischer Arbeit zu haben scheint. Sie möchten sich anscheinend lieber auf die Aussagen der Regierung - Stichwort „Prüfauftrag“ - verlassen, anstatt hier in diesem Hohen Hause mit eigenen Vorschlägen aufzulaufen und diese uns zu präsentieren. Gehen Sie auf jeden Fall mal davon aus, dass das der Anspruch der CDU-Landtagsfraktion ist. Wir kommen mit eigenen Ideen und eigenen Gesetzesinitiativen. In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. - Wir lehnen Ihren Antrag natürlich ab.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Danke. - Ich rufe für die SPD-Landtagsfraktion Herrn Dr. Magnus Jung auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon gesagt worden, dass die AfD heute einen Antrag mit dem Umfang eines Satzes vorgelegt hat. Ich habe mir schon ein paar Notizen gemacht.

(Der Abgeordnete hält ein Blatt Papier hoch.)

Jetzt habe ich schon mehr geschrieben als Sie.

(Heiterkeit.)

Aber ich will mir jetzt nicht übermäßig viel Mühe mit einer riesigen Rede machen, um auf diesen kümmerlichen Antrag einzugehen. Das ist er einfach nicht wert. Ich will nur zwei bis drei Punkte in der Sache sagen.

Das Ziel eines personalisierten Verhältniswahlrechtes ist in der Regel, eine besondere Verbindung zwischen den gewählten Abgeordneten und den Bürgerinnen und Bürgern zur erreichen, das heißt, dass man die Wähler in seinem eigenen Wahlkreis auch in besonderer Weise vertritt. Eine solche Überlegung kann je nach Größe des Wahlgebietes sinnvoll sein. Das größte Wahlgebiet, das wir bei einer Wahl in Deutschland haben, ist das Wahlgebiet Bundesrepublik Deutschland. Da macht es natürlich Sinn, dass man nicht nur eine bundesweite Liste aufstellt, sondern dass man die zu Wählenden in besonderer Weise mit den Wählern verbindet und dafür Wahlkreise einführt.

Im Saarland gibt es vier Wahlkreise mit durchschnittlich 150.000 Einwohnern. Das Saarland ist bekanntlich deutlich kleiner als die Bundesrepublik Deutschland. Hier wohnen nur 1 Million Menschen. Aber wir haben 51 Abgeordnete. Das bedeutet: Wenn man

(Abg. Schäfer (CDU) )

das System der personalisierten Verhältniswahl auf das Saarland herunterbrechen würde, hätten wir 25 Wahlkreise, wovon ein Wahlkreise nur noch 40.000 Einwohner hätte. Das zeigt ein wenig, wie absurd Ihr Vorschlag ist.

(Zuruf von der AfD.)

Ich kenne Ihre Erfahrungen nicht. Aber meine Erfahrungen und mein erstes Argument sind folgende: Die Abgeordneten des hiesigen Landtages wissen ganz genau, woher sie kommen. Sie fühlen sich ihrer Heimat im Saarland in besonderer Weise verbunden. Es gibt kein Bundesland, in dem die Bürger so nah bei den Abgeordneten sind und umgekehrt, wie das im Saarland der Fall ist. Mindestens jeder zweite meiner Wähler duzt mich. Den allermeisten Wählern habe ich in den letzten Jahren die Hand geben können. Der Innenminister wird bestätigen, dass das in St. Wendel auch so ist.

(Minister Bouillon: Mich kennt jeder.)

Wie? - Mich kennt jeder, genau.

(Heiterkeit und Sprechen.)

Das wird in Wadern genauso sein, wie Anke Rehlinger bestätigen kann. Das heißt, es gibt kein Bundesland, in dem die Nähe zwischen den Abgeordneten und den Bürgerinnen und Bürgern so groß ist wie im Saarland. Deshalb haben wir überhaupt keine Notwendigkeit, eine Wahlrechtsreform durchzuführen, um eine bessere Nähe zwischen den Gewählten und Wählern herbeizuführen. Das System, das wir haben, hat sich bewährt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das zweite Argument ist folgendes: Wenn man ein solches Wahlrecht einführt, hat man auch mit den rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen zu tun. Bei den Veränderungen, die wir landauf und landab im Parteiensystem feststellen, gibt es bei dem personalisierten Verhältniswahlrecht vor allen Dingen eine wesentliche Konsequenz, nämlich die immer stärker auftretende Zahl von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Der Deutsche Bundestag ist aufgrund dieses Wahlrechtes heute um 100 Mandate größer, als er eigentlich sein sollte.

Wir sollten hier nicht die Debatte beginnen, wie wir das Wahlrecht dergestalt verändern, dass wir nachher den saarländischen Landtag aufblähen. Ich weiß nicht, ob Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern erzählen wollen. Ich fürchte, als Sie angefangen haben, die Debatte zu führen, haben Sie gar nicht begriffen, was am Ende dabei herauskommt. Das war zumindest der Eindruck, den ich aus dem etwas verworrenen Vortrag gewonnen habe.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen, dass der saarländische Landtag auch in Zukunft 51 Abgeordnete hat. Wir halten das Wahlsystem, das wir haben, für gut und bewährt. Deshalb werden wir nichts daran ändern. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jung. - Ich rufe für die AfD-Landtagsfraktion nochmals den Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr auf.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir war schon klar, dass dieser Antrag nicht auf große Zuneigung stoßen würde. Aber die Vehemenz, mit der der von mir doch sehr geschätzte Abgeordnete Schäfer vorgegangen ist, hat mich doch etwas erstaunt.

Was mich auch erstaunt, ist, dass man die Qualität des Antrages an dem einen Satz misst, den er umfasst, und nicht an dem, was er beinhaltet.

(Abg. Renner (SPD) : Doch. Gerade dann. - Ministerin Rehlinger: Doch, gerade deswegen.)

Frau Rehlinger! Sie war die ganze Zeit so brav,

(Vereinzelt Heiterkeit)

aber jetzt haben Sie es nicht mehr ausgehalten. Sie haben eben schon mit der Frau Berg ein bisschen - Aber da habe ich gedacht, guckemol do, sie saht nix.

(Verbreitet Heiterkeit. - Ministerin Rehlinger: Sie wissen gar nicht, welche Kraft es mich kostet, nichts zu sagen.)

Ich weiß, bei mir wissen Sie es auch nicht. - Wenn wir von der AfD in mehreren Ministerien den Minister stellen würden und die ganze Riege der Facharbeiter, dann könnten wir auch die Gesetzesvorlagen picobello einbringen

(Erheiterte Zurufe von der SPD)

oder könnten uns - ein anderes Thema - Vorschläge, die wir für die Wahl machen, ausrechnen lassen. Das haben wir ja alles schon gehabt. Das können wir aber nicht. Wir sind drei Abgeordnete und einige Mitarbeiter. Wir können das nicht leisten. Wir wollen das auch nicht leisten. In diese Falle tappen wir nicht hinein.

(Abg. Renner (SPD) : Ah ja!)

Wir brauchen unsere Kräfte zum Nachdenken,

(Lautes Auflachen bei den Regierungsfraktionen)

ja, und nicht zum Plappern. Ich bin ja froh, dass ich hier zur Erheiterung beitrage. Aber das Wesentliche ist ja: Bevor ich schaue, müssen wir die Verfassung ändern, müssen wir Gesetze ändern, welche Gesetze ändern wir, wie machen wir die Zuschnitte -

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

Ein paar Beispiele habe ich ja schon angeführt, ich kenne auch die Problematik. Ich kenne auch, Herr Dr. Jung, die Problematik mit Überhangmandaten, kumulieren, panaschieren, das kenne ich - glauben Sie mir - alles.

(Zurufe.)

Aber ich bin doch nicht so blöd, dass ich hingehe und mache einen Gesetzesvorschlag, an dem ich vier Wochen sitze, und Sie heben die Hand und lehnen das Ding ab! Hier geht es um den Grundsatz: Wollen Sie, dass der Wähler stärker beteiligt ist, indem er einen Kandidaten hat, den er wählen kann in einem kleinen Bezirk von ungefähr 40.000 Einwohnern? Das ist ja schon mal was.

(Zuruf des Abgeordneten Renner (SPD).)

Wenn man hier sagt, dass das so lächerlich ist, dann frage ich einmal: Sind die in den anderen Bundesländern alle so blöd? Dort ist das doch überall so!

(Abg. Berg (SPD) : Herr Jung hat doch erklärt, warum!)

Dort ist es überall so. Und wir haben hier einen Landtag mit 51 Abgeordneten. Das ist ja nicht auf alle Zeit festgeschrieben. Es waren ja früher mal 50. Dann gab es eine Patt-Situation, manche wissen das vielleicht noch, und dann hat es eine Weile gedauert, bis man eine Regierung gefunden hat. Daraus hat man gelernt und hat 51 Abgeordnete gewählt, sodass das nicht mehr vorkommen kann. Wenn ich hier Angst habe, es werden 60 Abgeordnete, dann setze ich eben bei 40 an, dann werden es vielleicht 50.