Protokoll der Sitzung vom 12.02.2020

wonnen. Das Saarland war ein Begriff. Wir haben eine gewisse Selbstständigkeit gehabt.

Wir sind freiwillig aus dieser uns aufgezwungenen Selbstständigkeit ausgeschieden, indem wir uns beim Referendum 1955 klar zu Deutschland bekannt haben und seit dem 01. Januar 1957 auch ein deutsches Bundesland sind. Aber wir stellen fest, dass wir in den letzten Jahren oder Jahrzehnten von einem Strukturwandel in den anderen taumeln und man uns in der Bundesrepublik Deutschland nicht die verdiente Anerkennung zukommen lässt. Deshalb denkt die AfD-Fraktion, dass es an der Zeit wäre, zumindest in einem Bereich, der uns nichts kostet und der auch nicht rechtsverbindlich ist, ein Zeichen zu setzen, indem wir uns Freistaat Saarland nennen.

Damit wird natürlich ein gewisser Nachdruck darauf gelegt, mehr Demokratie zu wagen, wie Willy Brandt einmal gesagt hat. Zur Demokratie gehört nämlich nicht nur die horizontale Demokratie, sondern auch die vertikale oder senkrechte Demokratie, also von oben nach unten. Wir stellen seit Jahren oder Jahrzehnten fest - abgesehen davon, dass der Bund Gesetze macht, deren Folge nachher die Länder und die Gemeinden bezahlen müssen -, dass man ständig danach strebt, bei jedem Zugeständnis für Länder und Gemeinden wieder Kompetenzen von den Ländern in den Bund zu heben. Das jüngste Beispiel ist die Geschichte, dass man das mit den Autobahnen selbst organisiert.

Diese Bestrebungen sind immer da. Es sind ungesunde Bestrebungen, die jeder - ich übertreibe jetzt nicht; beobachten Sie es einmal - totalitäre Staat sofort macht. Nazideutschland hat sofort die Länder mehr oder weniger entmachtet und abgeschafft. Es ist ein wichtiger Punkt für die Demokratie, dass man diese vorhandenen demokratischen Einrichtungen stärkt. Da wäre für uns ein Zeichen gesetzt: Freistaat Saarland. Das klingt auch ganz gut. Man muss für das Land werben und es kostet nichts.

Uns kommt man immer mit dem Vergleich, es gibt in Deutschland Landkreise, die größer sind als das Saarland. Natürlich gibt es Landkreise in Deutschland, die größer als das Saarland sind. Sie sind auch bedeutend größer als Luxemburg. Aber Luxemburg ist ein selbstständiger Staat und ist in der Welt als selbstständiger Staat anerkannt. Es ist in der Europäischen Gemeinschaft mit einem großen Gewicht vertreten. Der vorherige Kommissionspräsident war ein Luxemburger.

Wenn wir in der Nachkriegszeit vergleichen, welchen Weg Luxemburg und welchen Weg das Saarland gegangen ist und geht, dann stellen wir fest: Luxem

burg hat gewonnen. Nach dem Krieg hatten sie 350.000 Einwohner. Im Saarland war es eine Million. In der Zwischenzeit hatten wir schon einmal 1,1 Millionen gehabt. Inzwischen geht Luxemburg auf 600.000 Einwohner zu und das Saarland ist schon unter 1 Million gefallen. Die Tendenzen sind noch da und nicht gestoppt. Das heißt, dass die Selbstständigkeit Luxemburg weitergebracht hat.

(Zuruf.)

Ja, natürlich. Sie kommt aber nur dann, wenn eine Wirtschaft blüht. Dann kommt die Einwanderung. Das ist der zweite Schritt. Die Wirtschaft blüht weiter. Das war bei uns dasselbe. Solange die Wirtschaft bei uns geblüht hat, hatten wir Einwanderung gehabt, zuerst aus Italien und nachher aus der Türkei. Das ist ein Zeichen von Wohlstand. Das ist in Luxemburg jetzt so. Das hält auch an. Das kann uns ein Beispiel sein.

Wir müssen nicht nur mehr Demokratie wagen. Wir müssen auch mehr Selbstständigkeit wagen. Das ist ein Zeichen, dass wir das wollen. Deshalb ist unser Antrag: Freistaat Saarland. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD. - Zuruf: Alleh hopp.)

Danke, Herr Fraktionsvorsitzender. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Dagmar Heib.

(Zuruf: Fürstentum Saarland.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gerade eine recht verworrene Begründung für den uns vorliegenden Gesetzentwurf gehört. In ihm geht es darum, den Artikel 60 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes zu erweitern um den Satz: Das Saarland ist ein Freistaat.

Das ist der Gesetzentwurf, der uns vorliegt, über den wir jetzt im Moment debattieren sollten. In der Begründung gab es unterschiedliche Stränge, die herangezogen wurden, die auch nicht unbedingt bei diesem Tagesordnungspunkt liegen. Ich will sagen, das war wirklich verworren und nicht unbedingt schlüssig für mich. Lassen Sie mich nur zwei, drei Argumente ansprechen, warum dieser Gesetzentwurf, wie Sie ihn einbringen, für uns abzulehnen ist.

Sie haben es richtig gesagt, der Begriff Freistaat ist die deutsche Bezeichnung für einen Staat, der von keinem Monarchen regiert wird, den sogenannten

(Abg. Dörr (AfD) )

freien Staat. Sie haben selbst zitiert, Sie haben auch, davon gehe ich aus, Art. 60 Abs. 1 der saarländischen Verfassung im Vorfeld Ihres Gesetzesänderungsantrages gelesen, dort steht: „Das Saarland ist eine freiheitliche Demokratie und ein sozialer Rechtsstaat in der Bundesrepublik Deutschland.“ Das sagt eindeutig aus, dass der republikanische Charakter eines freien Staates bereits derzeit in der Verfassung des Saarlandes aufgenommen ist und dass auch wirklich zum Ausdruck kommt, was das Wort sagt. Damit ist die zusätzliche Charakterisierung eines Freistaats, wie Sie das sagen, meines Erachtens auch gar nicht erforderlich.

Es gibt auch - das sehen Sie meines Erachtens falsch - keinen Unterschied zwischen den 16 Bundesländern, egal, ob ein Bundesland den Zusatz Freistaat oder Freie Hansestadt trägt oder Ähnliches. Jedes Bundesland ist gleich. Wir haben keine unterschiedlichen Kategorien von Bundesländern, nur weil man in der Bezeichnung etwas Weiteres führt. Die Bezeichnung ist historisch, das haben Sie ja auch angesprochen, und hat keinerlei tatsächliche Bedeutung.

Sie haben den Freistaat Bayern angesprochen, darüber hinaus gibt es Sachsen, Thüringen und auch die Freie Hansestadt Hamburg, all dies liegt in dieser Tradition, ist aus der Geschichte geboren, und zwar aus der speziellen Geschichte eines jeden Landes. Deshalb wird der Freistaat als Begriff zusätzlich geführt. Ich darf auch erinnern, Sie haben selbst Bayern angesprochen, Bayern wurde am Ende des Ersten Weltkriegs in der Nacht vom 07. auf den 08. November 1918 von dem Sozialisten Kurt Eisner in München als Freistaat Bayern ausgerufen. Später wurde er dann von den Arbeiter- und Soldatenräten zum Ministerpräsidenten bestimmt.

Wir wissen auch, am 09.11.1918 wurde in Berlin Deutschland als Republik ausgerufen. Aus dieser Historie heraus haben sich diese Republiken den Namen Freistaat dazugegeben. Das ist auch ein eindeutiger Beleg dafür, dass der Begriff Freistaat ausschließlich im republikanischen Begriffskontext zu verwenden ist und auch nichts mit Demokratie staatlicher Strukturen und Ähnlichem in diesem Bereich zu tun hat.

Gleichzeitig, und das ist für mich noch ganz wichtig am Schluss meiner Ausführungen, habe ich gesagt, der Freistaat wurde gewählt aus der speziellen Historie der jeweiligen Länder. Wir haben vor dem letzten Plenum hier im Hohen Haus „100 Jahre Saarland“ debattiert. Es war auch richtig, dass dieser Rahmen eingeräumt wurde. Sie selbst sind ja damals noch mit anderen Vorschlägen gekommen, um

diesem herausgehobenen Datum entgegenzukommen.

Dadurch, dass Sie jetzt den Freistaat wollen, wollen Sie eigentlich dem Saarland das Bild einer Geschichte auflegen, die unser Land einfach nicht hat. Von daher werden hier falsche Signale gegeben und auch falsche Bilder von unserem Saarland geschaffen.

Ich gehe noch einen Schritt weiter: Dadurch, dass Sie das machen wollen, schaffen Sie nicht nur ein falsches Bild, Sie negieren die Geschichte des Saarlandes - Sie wollen sie eigentlich totschweigen - diese 100 Jahre Saarland, die uns wichtig sind, wo wir mehrmals die Zugehörigkeit gewechselt haben, Größe und Zuschnitte sich geändert haben. Daraus ist unsere Identität gewachsen, viele Menschen sind darauf stolz.

Ich erinnere auch daran, viele Menschen haben in diesen 100 Jahren ein Schicksal erlebt, für das es heute noch ein Bedauern gibt. Das sollten wir auch genau mit unserer Geschichte aufrechterhalten und auch genau dazu stehen. Dazu passt ein Freistaat als Begriff in unserer Verfassung nicht. Von daher lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. - Vielen Dank!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Danke, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun für die Fraktion DIE LINKE der Kollege Dennis Lander.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt genau zu diesem Thema, ich zitiere: Die 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland sind alle gleichberechtigt. Trotzdem bezeichnen sich drei Länder als Freistaat: Bayern, Sachsen und Thüringen. Das heißt aber keineswegs, dass die Menschen dort freier sind als in den anderen Bundesländern. - Ich denke, damit ist eigentlich so gut wie alles gesagt.

Nein, im Freistaat sind die Menschen nicht freier, nein, im Freistaat gibt es nicht mehr Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit. Wer wirklich ein Bekenntnis für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Demokratie abgeben will, der muss deutlich mehr tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der muss konkret etwas verändern. Da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten, was sich verändern lässt. Der könnte ja zum Beispiel die hohen Hürden für ein Volksbegehren senken. Der könnte, bevor er Privatisierun

(Abg. Heib (CDU) )

gen durchführt, die Bevölkerung fragen. Der darf keine Parteibuchwirtschaft beim Landgericht oder bei der Medienaufsicht unterstützen. Aber der Freistaat Saarland ändert für die Menschen im Saarland nichts.

Den Menschen hier wäre mehr geholfen, wenn wir endlich gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen würden, wenn wir Brücken, Krankenhäuser und Schulen nicht verrotten lassen würden und wenn wir endlich etwas gegen die wachsende Armut und Ungleichheit in unserem Land tun würden.

Da die AfD ja anscheinend weder in Geschichte noch Latein wirklich fit ist, muss ich Ihnen sagen, Republik kommt vom lateinischen res publica, also die öffentliche Angelegenheit. Was hier stimmt: Das „Frei“ in Freistaat kommt natürlich von der freien Herrschaft aus der Monarchie. Aber wir haben im Saarland schon lange keine Monarchie mehr und deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. - Herzlichen Dank!

(Beifall von der LINKEN.)

Danke, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun die Kollegin Petra Berg für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bayern hat sich von einem Königreich befreit, Thüringen und Sachsen aus der SED-Diktatur. Es stellt sich heute die Frage, wovon sich das Saarland befreien soll. Ich werde Ihnen gleich einen Vorschlag machen.

Dieser Antrag folgt einem antidemokratischen Geist. Das Saarland ist ein freies, offenes, pluralistisches Land, und es ist ein föderales Land. Dieser Antrag ist sehr perfide nach den Geschehnissen in Thüringen. Ich habe den Eindruck, damit wird das Saarland, seine Bevölkerung von der AfD verspottet. In Thüringen haben sich nämlich gerade in der letzten Woche die Feinde der Demokratie gezeigt. Der Kandidat der sogenannten Alternative hat null Stimmen bekommen, null!

Das ist eine ernste Lage, weil ein Täuschungsmanöver der einen und die fehlende Haltung der anderen dieses Wahlverhalten entschieden haben. Das führte zu einer Wahl, die unsere demokratische Bundesrepublik erschüttert hat, und das bislang für unmöglich Gehaltene wurde durch die Unterstützung eines Faschisten plötzlich möglich. Eines Faschisten, liebe

Kolleginnen und Kollegen, mit dem der Vorsitzende der AfD im Saarland in Chemnitz Seite an Seite marschiert ist und das Symbol der weißen Rose in unerträglicher Weise verunglimpft hat. Auch daran muss man einmal erinnern.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Dabei wurde in Thüringen in Kauf genommen, dass das vergiftete Angebot für die angeblich bürgerliche Mitte - ich darf zitieren, Frau Präsidentin - der nicht auf ihre Demokratie-Abrissbirnen gefallenen AfDlern feixend angenommen wurde. Es war perfide. Demokratie-Abrissbirnen erkennen wir auch in unserem Land.

Kolleginnen und Kollegen, die offene, freie Demokratie ist verwundbar, sie ist aber nicht hilflos. Nach dem Dammbruch in Thüringen, gilt es, die Löcher im Damm zu stopfen und diesen Damm höher zu bauen. Und das haben wir getan.

Viele von uns waren am Freitag bei der Demo „Bunt statt Braun“ in Saarbrücken dabei. Ich bin sehr stolz und sage ganz herzlichen Dank an die Organisatoren, die diese Demo, diese Spontandemo, ermöglicht haben und ermöglicht haben, dass 700 Leute in so kurzer Zeit auf die Straße gegangen sind. Es war sehr beeindruckend. Hier im saarländischen Landtag stehen wir gemeinsam als Bollwerk gegen diese Antidemokraten. Diesen perfiden Geist von Anträgen wie dem vorliegenden werden wir immer entlarven, dies tun wir sehr laut und sehr deutlich. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, wovon soll sich das Saarland befreien? - Von diesen Antidemokraten. Ich glaube, das ist die einzig richtige Antwort. - Vielen Dank!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun noch einmal Herr Fraktionsvorsitzender Josef Dörr für die AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn uns in der AfD etwas Gutes einfällt, wissen wir, dass es abgelehnt wird. Der Antrag hätte ja auch von den Koalitionsfraktionen kommen können. Dann wäre ihm zugestimmt und zugejubelt worden.

(Abg. Lander (DIE LINKE) )

(Sprechen. - Zuruf des Abgeordneten Scharf (CDU). - Unmutsbekundungen bei den Regierungsfraktionen.)

Es ist immer interessant, mit welchen nicht zur Sache gehörenden oder fadenscheinigen Begründungen das abgelehnt wird. Heute muss man allerdings feststellen, dass, egal welches Thema hier aufkommt, das Wort Thüringen auftaucht. Die sind jetzt auch ein Freistaat, aber Thüringen taucht auf und wird sofort benutzt, um eine Kampagne gegen die AfD einzuleiten. Ich muss jetzt doch einmal sagen, dass Thüringen einige Politiker doch sehr tief getroffen zu haben scheint. Der Stachel sitzt tief.

Was ist denn in Thüringen geschehen? - In Thüringen stand eine Ministerpräsidentenwahl an. Herr Ramelow hat im Grunde seine Mehrheit eingebüßt. Das war Volkswille. Allerdings hat er ja das Recht, eine Minderheitsregierung zu führen und sich auch von einer Minderheit wählen zu lassen. Das wird niemand bestreiten. Das hat er versucht, aber das hat nicht geklappt. Es ist ein anderer gewählt worden, nämlich ein FDP-Kandidat. Die Ausschlussmanie all dieser so überzeugten Demokraten ist in Bezug auf Thüringen ja absurd. Mit den beiden stärksten Parteien kann man ja nicht. Da ist das Problem ja schon vorprogrammiert. Jetzt wird ein Kandidat einer unbescholtenen Partei, ein unbescholtener Mensch zum Ministerpräsidenten gewählt und schon ist eine Sensation passiert. Jetzt ist das ganz schlimm. Jetzt ist das ein unverzeihlicher Fehler. Auf den Mann wird Druck ausgeübt, damit er sein Amt niederlegt und so weiter und so fort.