Was ist denn in Thüringen geschehen? - In Thüringen stand eine Ministerpräsidentenwahl an. Herr Ramelow hat im Grunde seine Mehrheit eingebüßt. Das war Volkswille. Allerdings hat er ja das Recht, eine Minderheitsregierung zu führen und sich auch von einer Minderheit wählen zu lassen. Das wird niemand bestreiten. Das hat er versucht, aber das hat nicht geklappt. Es ist ein anderer gewählt worden, nämlich ein FDP-Kandidat. Die Ausschlussmanie all dieser so überzeugten Demokraten ist in Bezug auf Thüringen ja absurd. Mit den beiden stärksten Parteien kann man ja nicht. Da ist das Problem ja schon vorprogrammiert. Jetzt wird ein Kandidat einer unbescholtenen Partei, ein unbescholtener Mensch zum Ministerpräsidenten gewählt und schon ist eine Sensation passiert. Jetzt ist das ganz schlimm. Jetzt ist das ein unverzeihlicher Fehler. Auf den Mann wird Druck ausgeübt, damit er sein Amt niederlegt und so weiter und so fort.
Was ist die Gefahr für die Demokratie? - Ist die Gefahr, dass eine Mehrheit, die ja da war, Herrn Kemmerich gewählt hat? Oder ist die Gefahr für die Demokratie die Art und Weise, wie man auf eine solche Sache reagiert? - Ich selbst bin für Subsidiarität, also größtmögliche Selbstständigkeit.
Herr Fraktionsvorsitzender, ich muss Sie noch einmal darauf hinweisen, dass Sie zum Tagesordnungspunkt sprechen müssen.
Das ist der Tagesordnungspunkt. Ich antworte auf das, was Frau Berg zum selben Tagesordnungspunkt gesagt hat. Darauf antworte ich. Das gehört dann auch zur Tagesordnung. Dann hätten Sie Frau Berg auch unterbrechen müssen.
Jedenfalls ist es so, dass hier die Ebenen vertauscht beziehungsweise nicht eingehalten worden sind. In
Frankreich ist es eine Todsünde, wenn ein französischer Staatsmann im Ausland Innenpolitik macht. Unsere Bundeskanzlerin hat das gemacht, indem sie von einem unverzeihlichen Fehler gesprochen hat.
Dass die Bundesebene ständig auf die Landesebene einwirkt und auch Druck ausübt, ist ein dauernd geübtes Fehlverhalten, das unsere Demokratie beschädigt. Das darf nicht sein. Deshalb kommt der Fehler, der da passiert oder passiert ist, nicht von denen, die Herrn Kemmerich gewählt haben. Es war übrigens eine geheime Wahl. Man weiß ja gar nicht so genau, wer wen gewählt hat.
Ja, das mit den null Stimmen, das ist geheuchelte Anteilnahme. Wenn die Person, die null Stimmen bekommen hat, davon nicht betroffen ist,
da frage ich mich, wieso Sie, die damit gar nichts zu tun haben, betroffen sind. Ich persönlich bin davon überhaupt nicht betroffen. Und ein offenes Wort: Ich halte es sogar für möglich - so sage ich das einmal ‑, dass das vorher vereinbart war. Warum kann das nicht sein? - Es werden doch überall Vereinbarungen getroffen. Wie war es denn einen Tag vorher?
War das nicht ein Fehler, dass da drei Leute gesessen haben, die schon einen Vertrag unterschrieben haben mit dem zu wählenden Ministerpräsidenten? Da konnte man nicht einen oder zwei Tage warten. Das hat man vorher gemacht. Das ist alles nicht bekömmlich für die Demokratie. - Herzlichen Dank!
Es geht mir eigentlich nur um eine Sache. Mich erinnert das Ganze im Moment ein bisschen an die Geschichte von dem Biologiestudenten, der über den Rüssel des Elefanten zum Regenbogen kam. Ich wollte Ihnen nur Folgendes sagen, Herr Kollege Dörr: Lesen Sie sich doch nachher am besten noch einmal das Protokoll durch. Dann sehen Sie meine Rede noch einmal und dann sehen Sie, um welche inhaltliche Auseinandersetzung es in Ihrem Antrag ging. Auch Sie sollten sich an I h r e n Gesetzesantrag halten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Heib. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung zu überweisen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der AfD-Landtagsfraktion, Drucksache 16/1201. Wer für die Annahme dieses Gesetzentwurfes in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungsund Rechtsfragen sowie Wahlprüfung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/1201 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die AfD-Fraktion, dagegen gestimmt haben alle anderen Fraktionen im Hohen Hause sowie die fraktionslose Abgeordnete.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden vor der Mittagspause noch Tagesordnungspunkt 7 behandeln. Das hängt mit der Anwesenheit des Ministers Strobel zusammen, der Minister Bouillon hier vertritt und den Gesetzentwurf einbringt. Er ist terminlich unter Druck. Dem wollen wir hier gerecht werden.
Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Neuregelung der polizeilichen Datenverarbeitung im Saarland
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal vielen Dank, dass wir das jetzt noch machen können. Ich habe tatsächlich gleich einen Termin, bringe den Gesetzentwurf aber gerne noch ein.
Die Regierung des Saarlandes bringt heute das Gesetz zur Neuregelung der polizeilichen Datenverarbeitung im Saarland in dieses Hohe Haus ein. Ich tue dies wie gesagt in Vertretung des Innenministers. Gestatten Sie mir einige erläuternde Sätze zu diesem umfangreichen Gesetzentwurf.
Das Gesetz weist mehrere Schwerpunkte auf. Erstens die Änderung des Saarländischen Polizeigesetzes, zweitens die Umsetzung der EU-Richtlinie 680 aus dem Jahre 2016, auch JI-Richtlinie genannt. Es ist das Gegenstück zur Datenschutzgrundverordnung, was die Datenverarbeitung im Bereich der Justiz und der Polizei betrifft. Drittens die Umsetzung zwingender Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und viertens die Umsetzung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs als Reaktion auf die gestiegenen Anforderungen an die Vollzugspolizei, insbesondere durch terroristische und extremistische Bestrebungen.
Zur Umsetzung wird in Art. 1 des Gesetzes das Saarländische Polizeigesetz geändert, wobei dort die §§ 26 bis 40, welche die Verarbeitung personenbezogener Daten regelten, gestrichen werden. Sie werden nicht etwa gestrichen, weil wir sie nicht mehr brauchen. Im Gegenteil, sie fließen sehr viel umfangreicher in das Gesetzeswerk in Art. 2 ein. Dort finden Sie das Saarländische Gesetz über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei, SPolDVG. Die Landesregierung hat es sich mit diesem Gesetzentwurf nicht einfach gemacht. Eine völlig neue Systematik bedeutet einen hohen Umstellungsbedarf für die Gesetzesanwender und -anwenderinnen. Jedoch hätte auch alleine schon die zwingende Umsetzung europarechtlicher Vorgaben den bisherigen Rahmen des Polizeigesetzes gesprengt. Vorher waren wir bei 15 Paragrafen, jetzt sind es 67. Die JI-Richtlinie ist eben ein sperriges Stück Recht, wie Sie bereits bei den Beratungen des jüngst in Kraft getretenen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes erfahren durften. Ähnlich wie bei der DatenschutzGrundverordnung musste vieles davon erst einmal in unser Rechtssystem übersetzt werden.
Die Richtlinie, welche den Großteil der Neuregelungen bestimmt, stellt jedoch nur einen Teilaspekt des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs dar. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz erkannte Defizite im Hinblick auf polizeiliche Befugnisse und Forderungen aus der Praxis sowie des Unabhängigen Datenschutzzentrums stellen das Spannungsfeld dar, innerhalb dessen die polizeiliche Datenverarbeitung neu zu regeln war. Wir mussten uns deshalb auch an dem orientieren, was die anderen Länder und der Bund regelten. Dies schlägt sich an vielen Stellen des Gesetzentwurfs nieder, wo Regelungen des Bundes, sei es des Bundesdatenschutzgesetzes oder des Bundeskriminalamtsgesetzes, materiell oder gar im Wortlaut übernommen wurden, um so eine gewisse Einheitlichkeit bei den zum Teil sehr weitreichenden Eingriffsbefugnissen zu erreichen.
Generell gilt, dass das Polizeirecht als das klassische Gefahrenabwehrrecht stets wegen seiner Eingriffsbefugnisse unter besonderer Beachtung steht. Hier gilt es, einen Ausgleich zwischen persönlichen Rechten und öffentlicher Sicherheit zu schaffen. Letztlich geht es vereinfacht darum, ob Normen wirkungsvolle Befugnisse regeln, die zugleich auch verhältnismäßig sind. Für den vorgelegten Gesetzentwurf gilt dies im besonderen Maße. Wir führen zum Schutz der Bevölkerung neue Eingriffsbefugnisse ein wie etwa die elektronische Fußfessel, automatische Kennzeichnungs- und Analysesysteme, die Quellen-TKÜ, sinnvoll erweiterte Befugnisse zur Videoüberwachung und Datenabfragen nach dem Telemediengesetz. Diese Maßnahmen sind ausschließlich der Vollzugspolizei vorbehalten. Sie kommen nur unter engen Voraussetzungen zur Anwendung, viele von ihnen stehen unter richterlichen Vorbehalt. Gerichtlich überprüfbar sind sie ohnehin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auf eine Neuerung eingehen, die im Vorfeld stark diskutiert wurde und die ich bislang noch nicht angesprochen habe: den Einsatz von Bodycams in Wohnungen. Wie Sie alle wissen, ist der Schutz der Einsatz- und Rettungskräfte ein Herzensanliegen der Landesregierung. Wie oft hören und lesen wir von Übergriffen auf Feuerwehr, Rettungskräfte oder Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte vor Ort? - Gerade in Fällen von häuslicher Gewalt ist die Gefahr besonders groß. Wenn die Polizei gerufen wird, zu Hilfe eilt und in den Wohnungen körperlich angegriffen wird, dann ist das nicht hinnehmbar. Hier müssen wir die schützen, die uns schützen. Nach den guten Erfahrungen mit der Bodycam, die schon in der Öffentlichkeit eingesetzt werden darf, haben wir geprüft, wie und
wann dieses wirkungsvolle technische Mittel auch in Wohnungen zum Schutz der Polizeibeamtinnen und Beamten eingesetzt werden kann. Auch hier haben wir uns die Sache nicht leicht gemacht. Die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 des Grundgesetzes ist ein enorm wichtiges Schutzgut, das nur unter sehr engen Voraussetzungen eingeschränkt werden darf.
Wir haben dem Rechnung getragen und hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben. Zwei renommierte Polizeirechtler, die an der Deutschen Hochschule der Polizei lehren, haben sich mit dieser Frage befasst und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es auch verfassungsrechtlich zulässig ist, Bodycams in Wohnungen einzusetzen, natürlich ausschließlich zum Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten vor Gefahren für deren Leib oder Leben. Jede weitere Verwendung steht zwingend unter Richtervorbehalt. Dies haben wir eins zu eins umgesetzt. Es ist aus unserer Sicht gleichermaßen verfassungsfest wie praktikabel.
Damit erschöpft sich der Gesetzentwurf jedoch bei Weitem nicht. Die Vielzahl der vorgesehenen Änderungen wird mit Sicherheit Gegenstand ausführlicher Beratungen sein. Ich möchte deshalb alle, die auf eine aus ihrer Sicht zu starke Betonung der Sicherheitsaspekte abzielen, auf § 67 hinweisen. Dort sind mannigfaltige Berichtspflichten der Landesregierung geregelt. Sie dienen der Transparenz polizeilichen Handelns und der Kontrolle der Exekutive durch die Legislative.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie diesen Gesetzentwurf in Erster Lesung anzunehmen und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen. - Vielen Dank.
Ich danke dem Herrn Minister. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE der Kollege Dennis Lander.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist erst die Erste Lesung dieses Gesetzes und die Expertenanhörung steht noch aus, deshalb will ich mich kurzfassen. Leider verbirgt sich hinter dem harmlos klingenden Namen „Neuregelungen der polizeilichen Datenverarbeitung im Saarland“ mehr als nur die Neuerungen der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Vielmehr geht es darum, der Polizei mehr
Befugnisse in Bewachungs- und Zwangsmaßnahmen zu geben. Bisher galt dabei der Grundsatz, dass die Polizei eingreifen kann, sofern eine konkrete Gefahr vorliegt, also wenn eine Person sich so verhält, dass man davon ausgehen kann, dass sie gleich Gewalt ausüben wird. Jetzt ist bereits eine nicht konkret erfassbare Gefahr ausreichend.
DIE LINKE hält das für einen völlig falschen Ansatz. So sehen die geplanten Änderungen des § 12 Polizeigesetz oder die geplanten neuen § 31 und § 32 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei vor. Künftig soll es schon ausreichen und ich zitiere -, „dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird oder das individuelle Verhalten dieser Personen die konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine Straftat begehen wird.“
Wer wird diese Wahrscheinlichkeit überprüfen? Und vor allen Dingen, wie wird er sie überprüfen? Was ist denn „eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise“? Warum stützt man sich hier nicht auf bereits vorhandene Rechtsbegriffe wie die konkrete Gefahr, die vorhanden und etabliert ist? - Je ungenauer ein Gesetz gefasst ist, umso größer ist die Rechtsunsicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, umso mehr ist unklar, wann das Handeln der Polizei auf Grundlage welcher Alternativen überhaupt zulässig ist und umso mehr Spielraum gibt man natürlich auch, diese Gesetze auszulegen. Dies ist umso bedenklicher im Hinblick auf das dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot, also dass man Normen so klar für die Bürgerinnen und Bürger definieren muss, dass sie wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Hier werden gravierende Maßnahmen durchgeführt wie Aufenthaltsverbote, Platzverweise und Überwachungsmaßnahmen, wenn es nur die Vermutung gibt, dass eine Person eventuell eines Tages etwas anstellen wird. Dabei verlagern wir die Deutungshoheit auf die subjektive Einschätzung der Einsatzkräfte vor Ort.
Eine solche Gesetzesverschärfung gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen und auch in Niedersachsen. Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte, von Amnesty International warnt, dass solche Polizeigesetze - ich zitiere - „quasi zur Wahrsagerei auf Seiten der Polizei ermutigen.“ - Es geht ja um eine Wahrscheinlichkeit in - wie Sie in Ihrem Gesetzesentwurf sagen - überschaubarer Zukunft. Was soll das denn heißen? Sind das Tage, sind das Wochen, sind das Monate, sind das Jahre? - Maria Scharlau meint dazu: „Das Problem ist, dass die va
gen Voraussetzungen für solche Annahmen wirklich mit allem und nichts gefüllt werden können. Und diese sehr vagen Anhaltspunkte können zu tiefgreifenden Maßnahmen führen. Wir haben die Sorge, dass die Teilnahme an einer Versammlung, die Mitgliedschaft in einem Verein oder die Meinungsäußerung im Netz schon ausreichen könnte - Verhalten, das unter besonderem menschenrechtlichen Schutz steht.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind sehr gespannt auf die Expertenanhörung im Ausschuss. Wir werden das ganze natürlich kritisch begleiten, aber dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf können wir natürlich so nicht zustimmen. - Herzlichen Dank.